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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 01.01.1911
- Erscheinungsdatum
- 1911-01-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191101017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19110101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19110101
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-01
- Tag 1911-01-01
-
Monat
1911-01
-
Jahr
1911
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Für da« Orichetn« an bestimmten Lagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. llnzrtg«'Annahme r Lugullu»pl«tz v, der jämlltchen grliaien u. allen Annoncen» itlpeditronen de« In- und Auslandes. chauvt »lliol« «rrlto: Carl Dunlter. verzog«. Pavr. Hofbuck^ dandlung LützowstraNe 10. (Lei vhoa Vl. »re. 460U). -auvt-Ftltalr Lreldrm k«eitr,S« 4,1 (Telephon 4021). Nr. 1. Sonmng, üen I. Zsnuar lSll. Das Dichtl-lte. * Dler Kaiser hat das Protektorat über eine Leutsjche Andrew-Carnegie-Stiftung für Lsebensretter übernommen. Das Kapital beträgt, 5 Millionen Mark. (S. d. bes. Art.j * Bier deutsche Luftschiffen, die mit dem Ballon „Altenburg" in Altenburg aufgestiegen waren, wurden bei ihrer Landung in der Nähe von Moskau von ru fischen Behörden sc st ge nommen. (S. Dtschs. R.) rendet. Die Wiederaufnahme der Arbeit * Die Aussperrung und der Ausstand in der Pforzheimer Lrelmetallindustrie ist ö erfolgst am Montag. ", Zn Mexiko haben sehr schwere Kämpfe zwischen Negierungstruppen »nd Revolutionären statt gefunden, bei denen jene «M Mann verloren. (S Ausl.) * Das neue Zcppclin-Passagicrluftjchiff „Ersatz Deutschland" wird M«tte März die Düssel dorfer Ballonhülle beziehen. (S. Tageschr.) * In 2an Francisco wurde am Sonnabend en heftiger E r d st o ß verspürt. sS. Letzte Dep.l Neujahr. Kein Mcirtstein der politischen Geschichte wirb w.tt dem Ablauf des Kalenderjahres er richtet, keine neue Epoche der Kultur hebt mit der Vollendung eines Kreislaufs der Erde um die Sonne . n, die historische Entmin >mg ver mög nur nit größeren Mafien gemessen zu werden, ul?, sic Menschengeist zur Einteilung des täglichen Lebens sich gewann. Aber die uralte Gewöhnung hat cs mit sich gebracht, da; uir i.'dcn Jahreswechsel als etwas wie eine kleine Levenswende ansehcn, und die Sage de-, Balke» bat diese Gewöhnung sogar poetisch verklärt Jedenfalls bedeutet der Neujahrs 7ag jur i ns einen Tag der Abrechnung mit der Vergangenheit und zugleich einen Tag der Ver- »heifiung für die Zukunft. Unausgeglichene Schuld auf allen Gebieten des öffentlichen -Lebens schleppen wir mit ins neue Jahr hin über und geloben uns dabei in der Silvester, fmndc, mit gesteigerter Anspannung des Willens »juch diese Lasten im neuen Jahre zu mindern fbder ganz zu löschen. Zu neuen Taten ruft las neue Jahr, möchten wir in Anlehnung ,ln Goethe Lusrufen, denn cs wird denen, die sm Geisterlampf sich messen wollen, reichlich Gelegenheit bieten, ihre Fähigkeiten zu erproben rnd zu bewähren. Unser Rcichsp.arlament soll im Herbst neu gewählt werden. Der Liberalismus teht vor einer schicksalsschweren Entscheidung, h>enn er ist dazu berufen, die ungezählten, laut geäußerten oder im verborgenen keimenden /'Wünsche des deutschen Volkes für eine freund lichere Gestaltung des innerpolitischen Lebens zu verwirklichen. Aber er vermag diese Auf gabe nur ;u lösen, wenn er in geschlossener Schlachtrcihc dem Anprall wütender Gegner widersteht. Um geeint und dadurch unioider- s stehlich stark den Wahlkampf aufnehmen zu , können, missen sich die liberalen Parteien auf- . raffen und während der ersten Monate des s neuen Jahres dafür sorgen, daß nicht neidischer Mandatshunger und törichte Anmaßung leidige Entzweiung schaffen und das Wahlgeschäft ver derben. Die Zeit ist für den Liberalismus zu kostbar, als daß er sich kleinen Eigensinnigkeiten hingeben könnte, und namentlich scheint uns die ernste Mahnung an die fortschrittliche Volks partei hier und da am Platze zu sein, sich den Blick für die Erkenntnis des Notwendigen nicht trüben zu lassen durch verfehlte Eifersüchteleien gegenüber der nationalliberalen Partei. Auf der andern Seite dürfen die Nationalliberalen nicht quietistischen Neigungen frönen, sie müssen sich dauernd kräftig rühren, jederzeit eingedenk der großen Taten ihrer Väter, die dem Lpigonengeschlecht noch heute als ein unerreichtes Vorbild auf ihrer Bahn leuchten, f Der Kampf soll sich jeder persönlichen Ge hässigkeit enthalten, er muß aber mit sehr Kroßer sachlicher Schärfe geführt werden. Links steht der Feind, der auf sein Panier den gewaltsamen Umsturz der Staats ordnung geschrieben hat, der durch den furchtbaren Terror, den er in seinen eignen Reihen ausübt, uns einen ekel erregenden Vorgeschmack bietet von der Zeit des Zukunftsstaates, die er heraufführen will. Rechts steht der Feind, der aus schnöder Selbstsucht der Allgemeinheit unerträgliche Opfer aufzwingt und dadurch den Staats bürgern die Freude am Staatsleben verleidet, steht die mit den Konservativen ver bündete ultramontanc Partei, die nicht nur die Staatsform ummodeln will wie die Sozialdemokraten, sondern eine Ausschaltung des Staatsbegriffs zugunsten des kurialen Systems mit allen Listen und Schlichen betreibt, die über Kaiser und Könige den Papst als obersten Schiedshcrrn aus Erden zu setzen trachtet und damit dem deutschen Volke die schmelzendsten Nackenschläge versetzt. Wir haben in der letzten Woche des alten Jahres in tiefster Beschämung alle die Bitter keiten durchkosten müssen, die das triumphierende Rom denen bereitet, die kraft ihres Gewissens und aus reiner wissenschaftlicher Ueberzeugung wider die Unfehlbarkeit des mit Zäsarenmacht sich umkleidenden Papstes streiten. Wenn auch der Priester Prinz Max staatsrechtlich mit dem Hause Wettin nicht mehr in Beziehung steht, so kann sich das sächsische Volk des quälenden Gedankens nicht erwehren, daß der von Rom so tief gedemütigte und zu einem uns unfaßbaren Widerruf seiner wissenschaftlichen Ueberzeugung gezwungene Mann aus dem sächsischen Königshause hervorgegangen ist, daß also dieses durch die einem seiner Glieder auf gezwungenen, altertümlichen Prozeduren eines erniedrigenden Canossaganges dem Volksbcwußt- sein mitgebeugt erscheint unter den Pant-ffel des Priesters in Rom, der sich Stellvertreter Petri nennt. Niemand wird uns ernstlich be streiten können, daß nach sächsischem Volks empfinden Rom allen Grund hat, sich eines glänzenden Triumphes über das Fürstenhaus zu freuen, das in der Reformationszeit am eifrigsten die Sache Luthers beschützt und gefördert hat. Wir empfinden cs aber als eine brennende Scham, daß hier wie in den Zeiten Alexanders Hl. und Bonifax' Vlii. der Thron unter den Altar gestellt worden ist, wir erblicken darin eine der schwersten Erschütterungen des monar chischen Bewußtseins unseres Volkes und sind jedenfalls davon überzeugt, daß die blut rünstigsten sozialdemokratischen Reden gegen gekrönte Häupter nicht so verheerend wirken können, wie diese Tat der römischen Kirche, die der Würde eines deutschen Bundesfürsten stärksten Abbruch getan hat. Unsere Pflicht als freimütige Bekenner des monarchischen Gedankens ist es, den Anhängern der Weltanschauung, die den Papst über alle Könige und Kaiser setzt, den Krieg bis zum Neußer st en zu erklären und mit jenen Ultra montanen alle die zu bekämpfen, die „um der gemeinsamen christlichen Weltanschauung willen" sich jenen Leuten geistig ver bunden fühlen. Wer Römling ist, wer eine Politik treibt und unterstützt, die das Interesse der Römlinge in die vorderste Linie rückt, fügt dem Reichsgcdanken den schwersten Schaden zu. 2hm hat die Kampf ansage zu gelten. Und wenn die alte Schuld des deutschen Volkes, die den Ultra- montanismus wieder hat stärker wirken und wachsen lasten, auch nicht in einem einzigen Jahre getilgt werden kann, so soll doch das Jahr 1911 wenigstens den Anfang dieses großen Kampfes bringen. Hier deutsches Kaisertum — dort Priesterherrschaft! Hier Verteidigung des Ansehens der Träger deutscher Kronen gegen Priesterwillkür — dort Beugung der Fürsten unter Prieftergebot! Das sei die Kampfes- losung des deutschen Volkes für 1911! Mit einem Kernwort des wackern Kämpfers Ulrich von Hutten aber ziehe jeder Deutsche, der ebenso denkt, ins neue Jahr, in den gewaltigen Geister kampf: Ich bin ein Schmied, so nenn ich mich! Am Feuer meine» Zorne» schmiedet' ich Rüstzeug und Waffen zu de» Tag» Bedarf, Und wahrlich meine Schwerter schneiden scharf! Lehrer als Schöllen unü Geschworene. Zn unserer Freitag-Abendnummer teilten wir nach der „Natl. Korr." mit, daß beim Reichstage aus allen Teilen Deutschlands Masseneinaaben einge gangen seien, in denen von seiten der Lehrcr um die Beseitigung derjenigen in der neuen Strafprozeß- ordnung enthaltenen Bestimmung nachgesucht werde, durch die die Lehrer von dem Schöffen- und Ge schworenenamte ausgeschlossen werden sollen. Wir werden darauf aufmerksam gemacht, daß die Forderung nach Zulassung der Lehrer zu diesen wich tigen Aemtern auch von anderer Seite neuerdings nachdrücklichst vertreten worden ist. Der Deutsche A n w a l t v e r e i n hat in jüngster Zeit dem Reichs justizamte und dem Reichstage eine ausführliche Denkschrift unterbreitet, die zahlreiche Abänderungs vorschläge zu den die Umgestaltung des Strafver fahrens bezweckenden Gesetzentwürfen enthält. Diese Denkschrift schlägt vor, die Bestimmung des Regie- rungsentwurfes, die dahingeht, „Bolksschullehrer sollen nur zu dem Amte eines Schöffen bei den Jugendgerichten berufen werden", zu streichen, und bemerkt zur Begründung folgendes: „Durch die Streichung soll herbcigeführt werden, daß auch Bolksschullehrer regelmäßig z u m Volksrichtern mt zu berufen sind. Gerade der Bolksschullehrer er scheint nach beruflicher Tätigkeit und Bildung besonders geeignet zu diesem Amte, und zwar nicht nur zu dem Amte des Volksrichters im Jugend gerichte, sondern zum Volksrichteramte überhaupt. Zieht man gemäß diesem Vor schläge die Bolksschullehrer zum Volksrichteramte zu, jo gewinnt man dadurch eine, wie schon er wähnt, nach vielen Tausenden zählende Menge von zum Bolksrichteramte geeigneten Personen, so daß die den mannigfaltigen Vorschlägen zur Verbesse rung der Zusammensetzung unserer Strafgerichte entgegengehaltenc Befürchtung, man werde nicht genug Bolksschullehrer finden, ihre Bedeutung ver- i ^rt."r Unter der Bezelchnung „V o l k s r i ch t e r" saßt die Denkschrift des Deutschen Anwaltvereins Schöffen und Geschworen? zusammen. Da durch wird nicht nur eine Vereinfachung des Gesetzes- Textes über die für Schöffen und Geschworene gemein sam geltenden Bestimmungen erzielt, sondern auch ein die Würde, die Eigentümlichkeit und Bedeutung des Amtes in gleicher Weise treffend kennzeichnender Ausdruck in die Gesetzessprache eingeführt. Es ist sicherlich von Wichtigkeit, daß der Deutsche Anwaltverein, für den ja doch nickt die besonderen Standesinteressen der Lehrer maßgebend sein konnten, mit Rücksicht auf das Wohl derRechts- pflege die ganz allgemeine Zulassung der Lehrer zu dem Volksrichteramte fordert. Nun ist es aber allerdings richtig, Laß, selbst wenn die gegenteilige Bestimmung des Regierungsentwurfes vom Plenum des Reichstages gestrichen würde, noch immer die Möglichkeit gegeben wäre, die Lehrer vom Volks richteramte fernzuhalten. Die Zuziehung der Schöffen und Geschworenen erfolgt nach einem ziemlich kompli zierten Listensystem. Die entscheidende Liste ist die Vorschlagsliste, die von einem bei dem Amts gerichte zusammentretenden Ausschuß alljährlich ge bildet wird. Wen dieser Ausschuß nicht auf die Vor schlagsliste setzt, der bleibt von dem wichtigen Amte ausgeschlossen. Es ist ersichtlich, daß Erwägungen rgendwelcher, namentlich auch politischer Art eickt dazu führen können, die Lehrer grund- ätzlich oder regelmäßig nicht auf die Vor- chlagsliste zu setzen. Diese Unbilligkeit zu ver löten, ist bei der Struktur des Gesetzes nicht leicht. Der Deutsche Anwaltverein hat aber den Versuch ge macht, eine Kautele gegen Willkür bei der Bildung der Vorschlagslisten dadurch zu schaffen, daß er den jenigen Personen, die in die Vorschlagsliste nicht aus genommen sind, die Möglichkeit gibt, gegen die Vorschlagsliste Einsprache zu erheben. Dann hat eine beiondere, unter dem Präsidenten des Landgerichts gebildete, nur aus Richtern bestehende Kommission endgültig zu entscheiden. Während in dem beim Amtsgericht gebildeten Ausschuss^ neben dem Amtsrichter ein von der Landesregierung zu be stimmender Stavtsverwaltungsbeamter und außerdem noch sieben Vertrauensmänner sitzen, eine Zusammen setzung also, die mindestens für gewisse Bezirke Deutschlands die Möglichkeit sehr ungeeigneter Ein flüsse auf die Auswahl der Volksrichter zuläßt, wird von der landgerichtlichen Kommission erwartet werden dürfen, daß sie streng nach sachlichen Motiven ent scheidet. Dieser zweite Vorschlag des Deutschen Anwaltver eins hat also eine weit über den Kreis der Dolksschullehrer hinausgehende Wir kung. Gerade für die Lehrer wird er aber eine große Bedeutung erlangen können, weil sie nicht mit Rücksicht auf die Qualifikation der einzelnen Per sonen, sondern, nach dem Willen gewisser mächtiger Parteien, als Berufsstand von dem Bolksrichteramte ferngehalten werden sollen. Vie Salloren. In der Salzwirkerbrüderschaft im Tal zu Halle werden die langen roten und blauen Röcke aus- aeklopft. die bunten Westen, Schnallenschuhe und Dreimaster werden nachgesehen, denn die Halloren rüsten sich »um Reujahrsbesuch am Kaiserhofe. Sie kommen nicht mit leeren Händen: sie bringen Salz, Sooleier, Schlack- und Gänseleberwurft, wovon wenigstens da» erste al» eigene» Erzeugnis an gesprochen werden kann. Eine alte Sitte, ein bunter «ufzug, eine Merkwürdigkeit — das ist dieser Hallorenbesuch am Kaiserhofe heute. Wenn man die Sache soziologisch anfieht, könnte man vielleicht sage«: fast die einzige gesellige Berührung zwischen Fürst und Volk. Das Mittelalter und auch die absolute Zeit brachten den Träger der höchsten Gewalt nicht selten ISS. Jahrgang. in Berührung mit den untersten Volksschichten. Von der ernsten Arbeit und vom Kriegsdienst ist hier nicht die Rede: ein Hoffest ohne Volk gab es nicht leicht in deutschen Landen, nicht zur Zeit der strengen Zunftordnung, nicht im Reformations»eit- alter, nicht zur Zeit der Königin Luise und selbst in Rußland nicht zur Zeit der russischen Katharina und ihrer Günstlinge. Doch seien wir „exakt": übersehen wir nicht die Reste der geselligen Beziehungen von oben nack unten. Als die jungen preußischen Prinzen Hochzeit machten, wurden sie von berittenen Mitgliedern der Berliner Fleischerinnungen geleitet, auch Postillone in vollem Staat erscheinen wohl bei solchen Gelegen heiten. Die Veteranen mit den Fahnen, die andern Innungen, Vereine und Schulkinder nehmen Aus stellung. Im Schlosse aber kann man nichts mit dem „Volke" an fang en: es ist heute zu zahl reich, es ist nicht organisiert: es^pflegt daher draußen zu bleiben. Doch gibt es im Schlosse an der Spree auch eine demokratische Veranstaltung: das große Ordc ns fest, bei dem Postboten, viel leicht Feuerwehrleute, sogar Fabrikarbeiter ihre Füße unter den Tisch des Königs strecken. So etwas macht sich um so leichter, je mehr es als überkommen und als alte Sitte erscheint. Es neu einzuführen, dazu fehlt die Neigung: man würde sich ängstlich nach irgendeiner „Form" umsehn. Das mag sarkastisch klingen, soll aber doch nur eine tatsächliche Feststellung sein. Auch der bürger liche Patrizier wird größeren Gefallen an geselligem Verkehr mit seinen Angestellten haben, wenn irgend welche alte Formen mit im Spiele sind. Dag die Familie eines Unternehmers sich mit dem modernen Ärbeiterausschusse zur Festtafel niedersetzt, macht sich schwerer, als wenn die Bergknappen in altertüm lichen Trachten aufmarschieren oder wenn beim Richten des Hauses die Maurer altem Brauche hul diaen. Wer mit Künstleraugen das Leben an sieht, liebt diese alten Bräuche: da ist alles tarbiger, stilvoller, gegliederter. Eine schaulustige moderne Volksmenge, die einer einziehenden Fürsten braut entgegenharrt: kann es etwas Stilloseres geben? Manche mimen die gelegentliche gesellige Be rührung von hoch und niedrig geringschätzen. Die Srolzen auf beiden Seiten sind geneigt, so zu denken, der hochmütige Hofmarschall wie der machtgierige Gewerkschaftsführer. Wir wollen auch zugeben, daß bei solchen Veranstaltungen „Theater" und Heuchelei Platz greifen können, aber das tritt alles zurück hinter oem einfachen sozialen Gebote: wen du zur Arbeit brauchst, den sollst du bei deinen Festen nicht vergessen. Der ist nicht tiefinnerlich von sozialem Geiste erfüllt, der da meint, zur festlichen Feier könne sich jeder nach Belieben in das Reich ver feinerter Lebenskunst zurückziehen. Der Kaiser, der uns hier weniger ein Angriffs objekt als ein weithin sichtbares Beispiel ist, pflegt mit mancherlei Leuten Verkehr. Im Laufe des Jahres — fast auf den Tag genau — kommt er herum bei den schlesischen Magnaten, den ostpreußi schen Granden, dem Donaueschinger Fürsten, den Senatoren der Hansastädtc. Immer ist er der Gast der Vornehmen, niemals der Geringen. Aber genau so macht es jeder von uns: wenn wir den Chef kennen, gehen wir bei ihm zu Gaste und nicht beim Kommis und Austräger. Es wäre auch ungerecht, vom Kaiser zu sagen, daß er nicht Ge legenheit hätte und benutzte, sich über die Lage der Kleinen zu unterrichten. Vollends das Leben der Kaiserin im Hause und auf Reisen ist in einem solchen Maße den Kranken und Notleidenden und allen wohltätigen Anstalten gewidmet, wie es einer Durchschnittsbürgerfrau nicht zusagen würde. Doch der Idealismus, der unfern Kaiser beseelt, hat ihn noch weiter geführt. Nach Krupps Tode, da er den kaiserlichen Ehrenschild vor die Leiche des großen Jndustriellensohnes hielt, ist er in Verkehr getreten mit den Arbeitern des Essener Werkes und nachher, da ihn der Weg nach Schlesien führte, auch mit den dortigen Arbeitern. Er hat sie bcein flussen wollen, wie er alle beeinflussen will, mit denen er zusammen kommt: den Studentenausschuß und die angehenden Marineoffiziere, die er vor dem Alkohol warnt, die Professoren der Berliner juri stischen Fakultät, die ihm den Doktortitel bringen und dafür die Ermahnung zur praktischen Arbeit am Staate in Empfang nehmen usw. Aber der Verkehr des Kaisers mit dem vierten Stande ist bald ein geschlafen, und wer wüßte so leicht eine Form zu nennen, in der er fruchtbringend und ohne konven tionelle Lüge hätte weitergeführt werden können? Soll der Kaiser mit den Gewerkschaftsführern um einen Tisch Herumsitzen? Schließlich ist die Ge wcrkschaft etwas ähnliches wie die Salzwirkerbrüdcr schäft im Tal zu Halle, nur in das Moderne über setzt und zum Teil mit andern Ideen erfüllt. Wenn die Gewerkschaften — seien es die christlichen oder die freien — sich auch den langen blauen Rock, die Wadenstrümpfe und den Dreimaster zulegten, wäre alles leichter. Da sie es wahricheinlich nicht tun werden, muß man sich bemühen, auch ohne das alter tümliche Kleid die geselligen Beziehungen zum vierten Stande wieder anzuknüpfen. Das gilt von den Großen, aber nicht minder vom Bürgertum. Oer verdsnü Sächsischer Zn> üusirieller unü üer Abg. Spitz. Zu der Rede, di« der Abg. Geheimer Hofrat Opitz auf der Generalversammlung des Konservativen Landesoereins über Industrie und konservative Partei gehalten hat. schreibt die „Sächs. Industrie": „Der Vizepräsident der sächsischen Zweiten Stände, kammer, Herr Abg. Geb. Hosrat Opitz, hat vor kurzem auf der Generalversammlung des Konserva tiven Landesvereins zu Dresden einen Vortrag über Industrie und konservative Partei gehalten, in dem er sich auch mit dem Verband Sächsischer Industrieller beschäftigt hat Nock dem Bericht des „Vogtländrschen Anzeigers" hat Herr Opitz dabei wörtlich ausgesührt. daß der Verband »ine schwere Verantwortung auf sich geladen habe, und zwar dadurch, daß seine gegen wärtige Leitung ec fertig gebracht hätte, im Laide der am meisten entwickelten Industrie unter den Zn-
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