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99. Sahrgan-. 4SS Freilag. 21. November 1924 Dr»t>>»nl»rttl: «»chrtchl»» Dr»»»». y»rn>pk»«k«r»S«min»>»umm»r: SSS41 «ur ,ür «och>,»>»»Lch»: 20 Oll. kaküO, 8M0K0I./M MM vneim-16 rinm» gsgn. 1838. «chrMlettu», und k«up>„»>chrn»l>»0«! «»»>»»,,»-», 3S 40 vertag o«n Uteplch L «»Ichnrdl ,n Dr»»d»». P»Ntch»<K.Ä»iN» 10SS Dr„d«. «Nor>IN«;-kÄoKli kr 2-0 >.« d», tttql. zweimal. IuIIelllr», «au» I^o «oldmark. I Ksnioicion^r-oiso werben »achSaldm-rk d»r»chn», ^ dl, „paU. »mm dr. sskil»»/., -u,w. «z. yaml»,nani,m,n u. Slellens^uch» °d»» <>"zugs'UievUftr PoNt>«iug»pr. >.Wonal Dov,md»r3S..W «lnzalnam»» >» «V..PI,. s ZllgelgeN- ^ltzlse. Rabatt 10 A-ub«rb»z. dt, S0>nm dr»il,7t»k>-m»z»>l» IL0^,autz»rb.N0z. osl,rt«n,«buhk lü-z Au»w. Autträg, g«g.Darau»d«zadt. llarkdruik nur mn »«rllxtz», Quell» ad» ,.»r»»dn»r llawr." ullllkn - lln,»rl«ma>» Sch rill Rum, a»»rd»n nichl -midewadrl. An Schmachurteil gegen die deutsche We. General v. Nathusius wegen Diebstahls zu einem Jahr Gefängnis verurleilt. lo-irV-prozenlige Ausbesserung -er Grundgehätter -er Beamten. — Räumung -er Kölner Jone gegen Beibehaltung -er 26 Prozent? Das Schan-urleit. Lille, 29. Nov. Bei der Urteilsverkündung im Prozetz gegen General von Nathusius erklärte der Vor sitzende. dab gemäb dem französischen Militärgericht über die vom Vorsitzenden gestellten Fragen geheim abge stimmt »urdc. Die erste Frage lautete: 1. Ist Goneral von Nathusius schuldig, gewisse Gegen stände. darunter Pelze. Bekleidungsstücke usw. im Gesamtwerte von 550» Franken gestohlen z« haben? — Ant wort: Nein! mit 1 gegen S Stimmen. 2. Ist General von NathusinS schuldig. Teppiche und Seidenwarcn im Werte von 285» Franken gestohlen zu habe«? — Antwort: Nein! mit 1 gegen 3 Stimmen. 8. Ast General von NathusinS schnldig. Küchengeräte nnd ei» Tasclservice im Werte von SW Franken gestohlen zu haben? — Antwort: Aal mit S gegen l Stimme. Dem General wurden mildernde Umstände nicht zngcbilligt. Er wurde zu einer GcsänaniSstrase von l Jahr verurteilt. Gegen das Urteil kann inner halb von drei Tagen Revision angemrldet werden. DaS Urteil wurde ohne jade Kundgebung ausgenommen. «W.T.B.) » Die Aller Zitadelle ist zum Schauplatz eines Justiz skandals gsivvrde». wie er selbst in der an Skandalen so über aus reiche» Geschichte der französischen Justiz seinesgleichen sucht. Man Hai Krupp v. Bohlen u. Halbach und seine Direktoren ins Gefängnis geworfen, hat an Ruhr und Rhein Schreckensurteilc gefällt, die ewig Schandflecke für die französische Rechtsprechung bedeuten, für die aber immerhin noch die bis zur Siedehitze gesteigerte »atson-alistischc Leiden schaft des Ruhrkampfes geltend gemacht werden konnte. Das Schmachurteil gegen Nathusius aber ist kühlste politische Be rechnung, ist ein politisches Propagandaurteil allerübelster Art, dessen ausgesprochener Zweck cs ist, der Propaganda wegen der angeblichen deutschen Kriegsgreuel durch ein dem Scheine nach ordnungsmässiges Verfahren eine rechtliche Grundlage zu geben. Ter Vertreter der Anklage hat das aus drücklich hcrvorgehoben, und dieser Grund war zugleich der einzige, der für eine Verurteilung überhaupt ins Feld ge führt werden konnte. Man kann die Schamlosigkeit über- sehen, mit der hier der französische Regierungskommissar das deutsche Heer als Räuber- nnd Mörderbande ocrnnglimpste. ohne dass ihm angesichts der furchtbaren französischen Schreckenstaten gegen die wehrlose Ruhrbevölkerung das Wort im Munde stecken blieb. Man kann es aber nicht über sehen, wie selbst in diesem schmähliche» Verfahren alle Be lastungszeugen umgcsallen, alle aus haltlose Gerüchte aus- gebauten 'Anklagen restlos zusammcngebrochen sind. Selten hat man in einem Prozess eine so vollständige Vernichtung der Anklagen erlebt, wie in diesem. Trotzdem muhte eine Verurteilung erfolgen, muhte, weil nichts ausrcchterhalten werden konnte, wenigstens ein Punkt bejaht werde». Denn die Kriegsgrenclprvpaganda be durfte der Stütze, die deutsche Ehre musite getroffen und das schändliche Konlnmazialsnstem gerettet werden. Zweifel los hätte ein Freispruch in diesem Prozess in der ganze» ur teilsfähigen Welt die Ehre der französischen Justiz wenig stens zu einem gewissen Teil wieder l»erstellcn können, aber für jeden Menschen, der nur einigermaßen mit der natio nalistisch chauvinistischen Einstellung der sranzsischcn Offiziere vertraut ist, stand cs von vornherein fest, dass das französische Kriegsgericht tn Lille diese Entschlnsstrast nicht aufbringen würde. Politische Gründe waren es einzig und allein, die für das Urteil massgebend waren, innenpolitische wie be sonders ansscnpvlitischc. Die politische Einstellung des kom mandierenden Generals des I. Armeekorps, eines An- ängers des nationalen Blocks, bat es verhindert, das; rutsche Zeuge» zur Entlastung des Generals v. Nathusius rechtzeitig zur Verhandlung eintrcssen konnten. Politische Ziele zur Demütigung Deutschlands und seines HeereS liehen in der Besetzung des Kriegsgerichts, das nicht aus höheren Offizieren bestand, die Rücksichtnahme vermissen, die man sonst allgemein einem im Gcncralrang stehenden An geklagte» angcdeihcn lässt. Politisch ist das Urteil, und rein politisch haben auch nur eS zu werten. Und io stellt es sich dar als ei» ungeheurer Skandal, der nicht nur jeden Deutschen aus der Ruhe ausscheuchcn muss, in die die Phrasen von der Atmosphäre der Verständigung ihn versetzt haben, sondern der auch in der öffentlichen Meinung der übrigen urteilsfähigen Well nicht ohne tiefsten Eindruck bleiben kann. Das Lillcr Kricgsgerichtsurteil ist ein beabsichtigter Faustschlag gegen die Ehre des deutschen Heeres, gegen die nationale Ehre des Volkes und gegen iedcs Empfinden für Recht und Gerechtigkeit. General v. Ngthnsins bat namens des ganzen Volkes den Versuch gemacht, seine Ebrc und die des ganzen deutschen Volkes vor einem französischen Gericht zu verteidigen, vor das man ihn nach Räuber- und Stranch- rittermanicr geschleppt batte. Und die französische Justiz hat sich von neuem mit Schande bedeckt. Diese neue Schmach aber — im Zeichen der „Verständigungspolitik" Herriots, die wenn sie überhaupt ehrlich ist, sich gegen den PotneariSmus nicht durchsetzen kann - ist zugleich ein vernichtendes Urteil gegen die internationalen VcrständignngSsanatikcr und Pazifisten, die uns ein Frankreich Vortäuschen wollen, dav nicht besteht. Dieser Justtzstandal muss darum zum leuchten den Flammensignal werden, um eine deutsche Regierung in den Sattel zu setzen, die den Mut und die Kraft ausbrtngt, die deutsche Ehre nachdrücklich durch energische Gcgcnmah- nahmen zu verteidigen. sUcber die grundsätzliche Seite des Falles Nathusius sicl>e den heutigen Leitartikcl.i Der Verlauf -er Derhan-lung. Lille, 20. Nov. Daö Kriegsgericht, vor dem heute General von Nathusius zu erscheinen bat. bat die Verhand lungen um 1 Uhr 80 Min. begonnen. Der Verteidiger des Generals von NathusinS, Rechtsanwalt Nikolai, wird von dem ebenfalls aus Metz gekommenen Rechtsanwalt Jung unterstützt. Die Verhandlung fand in der Eitadelle der Festung Ltlle statt, deren Zugang militärisch besetzt ist. Pünktlich um 1L2 Uhr eröffnet« der Vorsitzende die Sitzung. Nach Fest stellung der Personalien gibt der Anklagevertreter bekannt, dass General von Nathusins am 12. Mai 192t in Abwesend heit vom Kriegsgericht in Lille zu 5 Jahren Gefängnis ver urteilt wnrdc, und dass der von General von Nathusius ein gelegte Einspruch rechtzeitig erfolgt ist. General v. Nathusius erklärt, dass er unschuldig sei. Nach Beratung des Gerichts hofes verkündete der Vorsitzende, dass der Einspruch an genommen worden sei und sofort in bi« Verhandlung ein- getrrtt« »erd«. Die Sitzung wird nach kurzer Unterbrechung erneut ausgenommen sind General von Nathusius wieder vor, geführt. Es werden die Belastungszeuge« sowie die von den Verteidigern genannten drei EntlastungS-. zeugen aufgeruscn und die Anklageschrift verlesen. Danach beruht die Anklage aus der Feststellung her Dienstboten des Fabrikanten Motte aus Roubaix, tn dessen Hanse der (Yencral einanartiert war. Motte war abwesend und hat nach dem Waffenstillstand, als er nach Roubaix zurückkehrte, ein Verzeichnis aller derjenigen Gegenstände ausgenommen, die in seinem Hause fehlten. Eine Haussuchung in der Wohnung des Generals von Nathusius in Koblenz, die t»2N erfolgte, verlies ergebnislos. Eft-ncral von Nathusius wiederholte, dass er »»schuldig sei und die meiste« Gegenstände, die abhanden gekommen sein sollen, nicht einmal gesehen habe. Er erklärte, dass er keine Ahnung von all den aufgeführtcn Geaenstänbcn habe. Er habe a»S Frankreich nichts nach Hause aebracbt. In einer Mansarde habe er einmal zerschlagene Gegenstände gesehen und bet dieser Gelegenheit seinen Untergebenen anbcfohlen, nichts aus dem Hause zu entfernen. Das Verhör dauerte kaum 15 Minnten. Als erster Belastungszeuge erscheint Fabrikant Motte aus Roubair. der erklärt, er habe sein Haus unter Bewachung einer braven Frau zurück gelassen. Rach dem Waffenstillstand sei er znrückaekehrt und habe den Verlust festgestcllt. Durch einen Verwandten bei der Besatznngsarmce habe er tm Jahre lütv eine Haus suchung in der Koblenzer Wohnung des Generals von Nathusins beantragt, die aber nichts Belastendes ergeben habe. Vielleicht habe der General die Sacken in Berlin in Sicherheit gebracht. t!f Der Verteidiger Rechtsanwalt Nicolai stellt hieraus einig« Fragen, durch die festgestcllt wird, dass Motte schon am 13. Dezember >918 nach Roubaix zurttckgekehrt ist »nd erst am 11. Januar Illlv Strafantrag gestellt hat. Der Zeuge muss auf Befragen zngebcn, dass er seine Anschuldigungen aus Grund von Gerüchten erhoben habe. Er wird schwer in Verlegenheit gesetzt, als der Verteidiger ihn fragt, wie er dazu komme, z» behaupten, das, die fehlen den Gegenstände nach Berlin transportiert worden seien Es kvmmt z» einem Zwischenfall, in dem der Verteidi ger sich darüber beschwert, dass der Vorsitzende Zeichen von Ungeduld mache. Tramattsch gestaltet sich das Verhör des folgenden Zeugen, des Clmusseurs Mattes, mit Nameu Bar, der in Koblenz der Haussuchung der amerikanischen Polizei beigcwvhnt hat. Diese Haussuchung endete damit, dass Var erklärte, dass General v. Nathusins unschuldig sei und dass kein Verdacht mehr ausgcsproch.n werden könne. Ein Pro tokoll, das der französische Major Roussel abgcsasst hatte, ist verschwunden. — Der Verteidiger betont mit Nachdruck, dass die Tatsache des verschwundenen Protokolls sehr merk würdig sei. Der nächste Zeuge Eharles Riquier, von Be rus Gärtner, kennt den General überhaupt nicht. Er weih von der Angelegenheit nur, was seine Frau ihm erzählt hat. Trotzdem hat er die Militärbehörde am 2». November 1018 über den angeblichen Diebstahl unterrichtet. Der Zeuge ist sehr unsicher und antwortet ausweichend. Als nächster Zeuge wird die Fra« des Gärtners Riquier vcrnvmmen, die die Behausung des Industriellen Motte während des Krieges als Pförtnerin verwaltet hat. Auch diese Zeugin kau», wie alle anderen Zeugen, nichts darüber aussagcn, ob der General die fehlenden Gegenstände mit genommen hat, als er den Ort verlieh. lForlsctzung siehe nächste Celle.), Nalhusius. Ein Gegenstück zum Fall Schnäbclc. Das unerhörte Vorgehen der französischen Behörden gegen General v. Nathusius rnst die Erinnerung an den Fall Schnäbele wach, der 1887 ums Haar einen Krieg zwischen Deutschland und Frankreich hcraufbcschmoren hatte. Ein Ver gleich zwischen den Begleiterscheinungen dieser beiden für die germanische und die welsche Denk- und Anschauungsweise be zeichnenden Episoden bringt mit aller Schärfe den krassen Unterschied zum Bewusstsein, der wie ein nicht zu llbcr- brückcndcr Abgrund zwischen deutscher echter Ritterlichkeit und Großzügigkeit und französischer nationalistischer Gehässigkeit klafft. In dem genannten Jahre war der französische Pollzei- kvmmissar Schnäbele durch ein von deutscher Seite sorgfältig gesammeltes, überzeugendes Bcweismaierial der fortgesetzten Spionage überführt worben, und die deutschen Behörden such ten wegen der Bedrohlichkeit seiner Handlungsweise für die Sicherheit des Reiches mit alle» Mitteln des Urhebers dieses gefährlichen Treibens habhaft zu werden. Endlich gelang es denn auch, ihn zu verhaften, nachdem der deutsche Kriminal kommissar v. Tausch Schnäbele zum Betreten deutschen Bodens durch ein Schreiben veranlasst hatte, das die Auf forderung zu einer dienstlichen Besprechung tn einer Grenz- angelegenheit enthielt. In Frankreich entstand nach dem Bekanntwerben der Verhaftung eine ungeheure Erregung, so dass der Ausbruch des Krieges unvermeidlich erschien. Da begab sich der französische Ministerpräsident zum deutschen Botschafter Graf Münster und legte ihm das Schreiben des Herrn v. Tausch, das Schnäbele vorsichtshalber in amtlicher Verwahrung zurückgelassen hatte, zur Einsicht vor. Graf Münster reiste daraufhin unverzüglich nach Berlin und legte Bismarck den Tatbestand dar. Dieser pflog eine Beratung mit Kaiser Wilhelm I. und erwirkte die Freilassung Schnäbeles mit der Begründung, dass in der Aufforderung des deutschen Beamten zu einer dienstlichen Unterredung die stillschweigende Zusicherung freien Geleits enthalten gewesen sei. Damit war der Zwischenfall durch eine grosse deutsche Geste erledigt. Und nun das heutige Gegenstück des „ritterlichen" Frank reichs! Die Pariser Regierung gestattet, um eine Probe des „neuen Geistes" Herriotschcr Prägung zu geben, allen Deut schen vhne Unterschied, am Allerseeleniage französischen Boden zu betreten, um die Gräber ihrer Anverwandten zu schmücken. Von dieser Erlaubnis macht auch der General v. NathufiuS Gebrauch. Er hat keine Ahnung davon dass tn aller Heim lichkeit. unter Ausschluß der Oesfentltchkeit, ein sogenanntes Kontumazial-iAbwcsenhcftS-Mrtcil eines französischen Kriegs- gerichts gegen ihn gefällt worden ist, das den über seden Verdacht auch nur der geringsten nicht einwandfreien Hand lung weit erhabenen deutschen Heerführer wegen „Diebstahls" von Möbeln im Kriege mit fünf Jahren Gefängnis belegte. Die völlige Haltlosigkeit dieser entehrenden Beschuldigung, die inzwischen von General v. Nalhusius selbst und seinem deut schen Rcchtsbeistand haarscharf nachgewicsen worden ist. war sogar den französischen nationalistischen Fanatikern so ein leuchtend, dass sie gar nicht wagten, den Veruiteilten auf die Liste der „Kriegsverbrecher" z» setzen, und dass sic auch sonst alles vermieden, was der Verbreitung des jeder Gerechtig keit hohnsprcchenden Erkenntnisses in der Oeftentlichkeft Vor schub hätte leisten können. Elcnerai v. Nathusius überschreitet also ahnungslos die französische Grenze und wird — ver haftet! Jetzt erst erfährt er von der gegen thn erhobenen empörenden Beschuldigung und dem niederträchtigen Urteil. Der Sbsährige, körperlich leidende Mann wird trotz dem vvn der deutschen Negierung erhobenen Einspruch in Haft be halten und daS Verfahren gegen thn aufs neue eröffnet. A n leitender Pariser Stelle hat man also kein Gefühl dafür gehabt, was tn einem solchen Falle die französische Nattvnnlehrc er forderte: Die Pariser Regierung musste vorbehaltlos er klären. dass die den deutschen Gräbcrbcftich am ANerseelen- tage gestattende amtliche Verfügung als die Zusicherung freien Geleits z» betrachten nnd deshalb das Vor gehen gegen General v. Nathusius als ein völkerrechtswidriger An unsere Postbezieher! Bestellen Sie noch Keule für Monak Dezember die „Dresdner Nachrichlen". Für alle nach dem 23. eines Wonals ein gehenden Jeilungsheslellnngen borechnel die Post eine Sondergebühr. Verlag der „Dresdner Nachrichten". < I /