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Feierabend. Aitnhiltnri-Skilire d« „Sächs. BolkSzeitung". 48. Sonntag, den 22. Oktober IVOS. Der Weg zum Hlück. Eine wahre Geschichte. Nach de« Auszeichnungen einer Konvertiten, bearbeitet »«« L« tonte Haupt. 8. Kortfetz»«- flk«»dr»e Verbote».) Als ich aber seit einigen Tagen schon nicht einmal mehr ein Stückchen Brot batte, um meinen Hunger zu stillen, da legte ich die falsche Scham ab und ging zu Pater Petrus, der mich getauft batte. Offen und rückhaltslos bekannte ich ihm meine Schuld, schilderte ich ihm meine verzweifelte Lage. Und siehe, der gute Pater half mir sofort. Durch seine gütige Vermittelung bekam ich eine freilich nicht leichte Stelle als Laufbursche bei einem sehr frommen und guten Herrn, wo ich mich recht plagen mußte. Leider konnte ich diese Stelle nicht lange bekleiden. Ob gleich ich mich damals schon als geheilt ansah und mich für ganz gesund hielt, so überfielen mich doch, nachdem ich einige Monate schwere Dienste verrichtet hatte, wieder heftige An fälle meiner traurigen Krankheit, so daß ich ins Spital ge bracht werden mußte. Als ich nach mehreren Wochen ent lassen wurde, hatte mein Herr längst einen anderen jungen Mann nehmen müssen. Er konnte mich nicht wieder anstellen, zumal, da er befürchtete, daß ich neuen Anfällen erliegen werde. Er und seine fromme Gemahlin aber sorg ten für mich in ausgiebiger Weise. Ter Herr machte mir klar, daß es viel besser für mich sei wenn ich wieder nach meiner Geburtsstadt zurllckreise. Diese müsse mich verpflegen, wenn ich arbeitsunfähig sei. Ich sah freilich ein, daß meines Bleibens in Wien nicht länger war, denn hätte ich auch eine Stelle gefunden, so würde ich sie bald wieder meiner Krankheit halber verloren haben. So entschloß ich mich, wenn auch mit schwerem Herzen, die Stadt zu verlassen, in der ich so unendlich viel Gutes erfahren hatte. Auf diesen meinen Entschluß hin erwirkte mein ehemaliger Herr mir freie Fahrt bei der Ge sandtschaft und versah mich außerdem noch reichlich mit Geld, auf daß ich. wie er sagte, wenigstens im Anfang in der mir fremd gewordenen Geburtsstadt nicht ohne Mittel sei. Dann werde der liebe Gott mir schon weiter helfen, meinte er. Dieser mir doch fernstehende Herr gab mir mehr Reise geld und sorgte für mein Wohl besser, als damals meine eigenen Eltern. Von seinen Segenswünschen begleitet, reiste ich ab. Mit welchem Herzeleid reiste ich! Und das eigentüm liche Gefühl, welches mich überkam, als ich endlich nach langer, langer Reise die Türme meiner Geburtsstadt wieder sah, war weit davon entfernt, ein freudiges zu sein. „Wie wird es mir hier ergehen unter lauter Prote stanten? Was soll ich in meiner Heimat, die mir ja keine Heimat ist?" so fragte ich mich. Kleinmütig stieg ich aus. Wo sollte ich hingehen? — Unwillkürlich lenkte ich meine Schritte zum katholischen Pfarramts. Ich hoffte, daß die geistlichen Herren, denen ich mich als Konvertiten vorstellen wollte, mir vielleicht ein Unterkommen und eine Stelle verschaffen könnten. Ich er- lebte traurige Enttäuschung. Im Pfarrhause wurde ich mit großem Mißtrauen empfangen und so schroff zurückgewiesen, -aß der letzte Funke von Mut mir erlosch. Ich schaltete hier ein: Gerade der geistliche Herr, welcher mich am kältesten behandelte, ist jetzt mein Freund. AlS ich ihn vor nicht langer Zeit an den Empfang erinnerte, den er mir zuteil hatte werden lassen, entgegnete er ruhig: „Dieser ersten Begegnung entsinne ich mich nicht. Aber ich habe es mir nach langjähriger böser Erfahrung zum Grundsatz gemacht, jeden Stellesuchenden und Almosen- heischenden, der sich mir als Konvertit vorstellt und daher ein besonderes Recht auf Bevorzugung zu haben glaubt, mit Mißtrauen zu empfangen und mit Kälte abzuweisen." Hier also ein Beispiel von der berüchtigten Proselyten- macherei der katholischen Kirche. Dom Pfarrhause aus wandte ich mich ziemlich trostlos zur Wohnung meiner Pflegemutter. Die Frau kannte mich freilich nicht auf den ersten Blick. Als ich ihr gesagt, wer ich sei. bezeigte sie gelinde Freude und nötigte mich, etwas zu essen. Die Erzählung meiner Erlebnisse hörte sie mit ge mischten Gefühlen des Staunens, der Rührung und deS Un behagens an. Sie billigte mein Vorhaben, mit meinem Zeugnisse von Krankenhaus zu Krankenhaus zu pilgern, um eine Stelle zu erringen. Ich hatte Glück. Auch hier fand ich auf mein Zeugnis sofort eine Anstellung. Aber eS ging auch jetzt gerade wieder so wie ehedem. Nach einigen Monaten bekam ich hef- tige Anfälle meiner Krankheit, wurde entlassen und war abermals brotlos. Was half es mir, daß der KrankenhauS- arzt mir ein Zeugnis schrieb, daß ich mich in jeder Beziehung musterhaft betragen habe und nur wegen Kränklichkeit ent lassen worden seil Meine Pflegemutter, die ja wieder verheiratet war, durfte mich ihres Mannes wegen nicht aufnehmen und auch nicht unterstützen. So mietete ich mir eine armselige Schlaf stelle und wandte mich in meiner Not brieflich an meinen Dater, der mir auch zweimal kleine Geldbeträge sandte, dann aber meine Briefe unbeantwortet ließ. Alle meine Bemühungen selbst um die erbärmlichste Stelle — ich hätte mich ja bereitwillig jeder, auch der niedrig sten Arbeit unterzogen — scheiterten; denn ich durfte meine Krankheit nicht verheimlichen. Da ich nicht einmal mehr das Allernotwendigste zu essen hatte, wurde mein Zustand natur- gemäß immer schlimmer. Jede Aussicht auf Hilfe war ver- schwunden. Bei all meinen Glaubensgenossen hatte ich als Konvertit ebenso großes Mißtrauen erfahren, wie gleich im Anfänge bei der katholischen Geistlichkeit. Da wagte ich es, in meiner Verzweiflung mich an die Witwe des Protestantischen Pfarrers zu wenden, der sich einst meiner Mutter angenommen und später das Pflegegeld für mich bezahlt hatte. Die edle Dame, in deren Augen ich doch ein Abtrünniger sein mußte, machte mir keinen Vorwurf, vielmehr nahm sie sich sogleich wohlwollend meiner an und half mir, so gut sie eS vermochte. „Lieber Ottomar, du bleibst heute mittag mein Gast, und das sollst du von nun ab zweimal in der Woche," sagte sie freundlich. Und als ich das nächste Mal kam, eröffne:« sie mir freudig, daß sie mir bei zwei anderen Familien i» einen Freitisch in der Woche verschafft habe. O. wie dankbar war ich! Viermal in der Woche durste ich mittag» mich sättigen. Welche Wohltat I — Aber währen- -er übrigen