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Nummer 296 — 25. Jahrgang önial wöch. Bezugspreis für Dezbr. 3,VN -1t einschl. Leitellpew Anzeigenpreise: Tie lgesp. Pelttzeile 3Ü-Z. Siellennesucho 20 I. Die Petitreklamczeile, 89 Milli, meier bren, i ttl. Lsserlengebühren für Selbstabholer L0 I, be: Uebersenoung ourch Sie Post außerösm Pariozuschlag. Einzel-Nr. 1Ü Sonntags-Nr. 15 Eejchäitl. Teil: FrieSrich Nieser in Dressen. t'skr'i'Süei' l'reülo krislrtelle billigst l!ii. Llil-l Ocesclen - VieuinerstrsLs 43 Donnerölag. 30.De^emvei Am Fall» höherer Geivait erlischt jede Verpflichtung aus Lieferung sowie Erfüllung v. Anzeigenansttägen u. Leistung o Schasenersalz. Für nnoeutl u, v. Fecn- ruf übermitt. Anzeigen übernehmen wir keine Veo antmortung. Unoerlangt eingeianSte u. in Rückporkc nicht versehene Manuskripts wers. nicht ausbewahrl Sprechstnnöe oer Reoalitton 2 - 3 Uhr nac!>mttlags Hauplschristleit.: Lr. Joseph Albert. Drcc-oe» Xoklsn Koks - knlcetts Hole - » - k. sloltMSIIII sisclif. Ink. bZ Vronielce vi-ssiien-A. h.inüenuustr.25 GcschäflSftcllc, T»»n und Verla« ! Slirüi, a- tiuchdrurkerei GmbH.. Drcsdeu A. l, Policrftwtze 17. gernnu ,'iois. PogscheckloiUo Drcode» I47S7. Aanklonto: Dresdner Van», Dresden. Für christliche Polilik und Kultur » Redaktion der Sächsische» Volks,ettn», DreSdeii-AIlstadt I, Polle,slrnkie 17. gernrns eMll und SI0I2. Die Schicksalsfrage des Balkans Es Kommt nur ein neues Kabinett der Mitte in Frage — Aussichtslose Kombinalivnen der Aechlen — Die Kallimg -es Zentrums (P o n e i n e m a n ß e n p o l i t i s ch e n M i ta c b e i t er) Mazedonien, dos Kernlond des Balkans, bildet seit Jahrzehnten den Brennpunkt aller Konflikte, die diese Halbinsel nicht zur Ruhe kommen lassen. Ein Mo nate langer zäher Bandenkrieg. mit dem eine ganze Serie von politischen Morden Hand in Hand ging, hat in der letzten Zeit Mieder die Aufmerksamkeit Europas auf Mazedonien gelenkt. Tie dortige Entwicklung beweist, dah die Friedeiisverträae von Trianon und St. Germain auch die Balkansrage sdie ja den Anlaß zum Weltkriege abgegeben hatte) nicht gelöst hat. Die m azed o n i s clj e Frage ist heute wie ern die Schicksalsfrage d e s B a l k a n s. von ich - ^'Handlung und Lösung wird die politische Kesamteninw.chung des Balkans abhängen. die schon so oft für Europa größte Bedeutung gewon nen hat. 187» gilt als Jahr der mazedonischen Freiheit. Ruß land hatte damals im Beiträge von Stefano Mazedonien dem neugeschaffenen bulgarischen Staate eingeglie dert. Der Berliner Vertrag, der das Ergebnis von San Stefano revidierte, ließ dagegen Mazedonien im Ver band des osmanischen Reiches, Dem osmanischen Reich galt nun der Kampf der Mazedonier aus eigene Hand. Als die Organisation genügend fortgeschritten war, brach 189v der g r o s; e A u f st a n d ios. der 1896 zu „Verträ gen" führte, die durch die Zusammenarbeit Oesterreichs und Rußlands im Mürzsteger Abkommen ihre Weihe, er hielten. Es ist nicht zu leugnen, daß dieser Pakt „Be ruhigung", brachte: der Hauptsache nach wohl den beiden rivalisierenden Großmächten und damst der europäischen Lage, nicht aber Mazedonien selbst, wie ein neuer Auf stand 1903 bewies. Denn die beiden Mächte grenzen lediglich ihre Einflußzonen ab, stellten sich dadurch auf den Boden des Status quo, garantierten sonach den Be stand der türkischen Fremdherrschaft, wobei sowohl als Schützenhilfe für diese, wie als Brosamen für die Be herrschten „Reformen" beschlossen wurden. Reformen waren aber nicht das Ziel der Mazedonier, die nach Frei heit verlangten. Die Zentrale der mazedonischen Freiheitsbewegung war in den nächsten Jahrzehnten der „m azedoni'sche ober st e R a t" in Sofia, der von Boris Sarafow, Pro fessor Michailowski, Oberst Nikolow und Oberst Jankow gegründet worden war. Sein Programm war die Besei tigung der Berliner Kongreßakte bezw. die Wiederher stellung der einschlägigen Bestimmungen des Friedens von San Stefano. Die Mittel zur Erreichung dieses Pro gramms waren landesüblich: es waren die gleichen, denen die Griechen, Serben, Wallachen und Bulgaren ihre Frei heit und staatliche Selbständigkeit verdankten: Terror und Mord an den Behörden und gegen alle jene, welche dieser Fremdherrschaft zu Diensten waren. Diese Metho den waren sonach weder neu noch unlogisch: denn so, wie sich die Mächte schließlich der Befreiung der übrigen christlichen Stämme angenommen hatten, die mit gleichen Anfängen fochten, so hofften auch die Mazedonier, der selben Hilfe teilhaftig zu werden, wenn die Osmanen zur Abwehr griffen, deren Begleiterscheinung Massenjustizifi- zierungen waren. Dabei hatten die Mazedonier aller dings nicht mit der R u h e b e d ü r f t i g k e i t de r Großmächte gerechnet. Das zweite (und entschei dende) hindernde Moment war der Umstand, daß man von einer mazedonischen Ration in dem Sinn wie bei den Griechen und Rumänen überhaupt nicht sprechen kann, während im Vergleich zu Serben und Bulgaren den Mazedoniern höchstens die Rolle eines dritten slawi schen Balkanstammes zufälit. Tatsächlich zeigt das maze donische Stammesgebiet eine nationale Mischung fast sämtlicher Balkanvöiker: Bulgarien, Serben und Griechen stellen das Hauptkontingent. Diese nationalen Verschiedenheiten haben schon im Jahre 1906 zu einer Spaltung der mazedonischen Be wegung geführt. Damals schied die „innere mazedonische revolutionäre Organisation" (abgekürzt IMNO) vom „Obersten Rat" in Sofia ab und verurteilte dessen Füh rer Boris Sarafow und Garwanow zum Tod, ein Urteil, das bald darauf unter Zugrundelegung der „Gerichtsbar keit der Imro", d. h. durch Feme und Auslosung von Sadanski, Panizzn, Bojnow und Kantnrdijew vollzogen wurde. Die Mörder sind inzwischen sämtlich der poli tischen Blutrache zum Opfer gefallen. In den Krisen des Jahres 1908 und 1912/13 arbeiteten wohl die Organisatio nen gegen die Türken Hand in Hand; doch als der Bn- karester Friede 1913 Mazedonien „endgültig" aufteilte, flammte der Bruderkrieg von neuem auf, der durch den Friedensschluß von Reuillii) 1919 und durch das Rischer Abkommen Stambuliiskr) 1922 erneute Nahrung und ge radezu zügellose Frechheit erhielt. — Von da ab teilten sich die Mazedonier endgültig in „A u t o n o m i st e n", d. h. die national-bulgarische Richtung unter Todor Ale- xandrow. Professor Mulew und General Brotoaerow. so» Berlin, 29. Dezember. Gegenwärtig ist in der ganzen deni scheu Presse die Aus sprache über die Gestaltung der innerpaliiischen Dinge wieder ausgenommen. Am besten veranschaulicht die Art und den Char- rakter der verschiedenen Strömungen eine Presseschau, die wir in nachstehendem folgen lassen. So schrieb der demokratische Pressedienst: „In den Mitteilungen über die Pläne der Rechten hin sichtlich der Regierungsbildung dürste so viel richtig sein, daß von rechtsstehender Seite versucht worden ist, Lösungen in Vor schlag zu bringen, die mit drei verschiedenen Möglichkeiten alle auf das gleiche Ziel, die R e ch i s r e g i e r u u g . hiusteuern. Zuerst dachte man an die große Rechte mit Einschluß des Zentrums. Für den wahrscheinlichen Fall, daß sich das Zen trum nicht dazu bereitsand, mar eine Nechtsregierung als Min der h e! t s r e g i e r u n g geplant. Diese Regierung Hütte nur dann Aussicht, iidcr ihren Geburtstag himvegzukommen, wem, das Zentrum zu dem Zugeständnis bereit war, eine solche Mim derheitsregiernug zu tolerieren. Vorhandene Abneigung gegen eine neue Mindcrheiioregierung wurde mit dein Hinweis ab getan, das; die Regierung der Mitte sa auch eine Minöechetts- rcgierung gewesen sei. Für den Fall, daß beide Kombinationen nicht zum Ziel führten, war drittens an ein Beamtenkabi- nett gedacht, daß aber auch nur als verschleierte Rechtsregie- rung amtieren sollte, um so bald wie möglich einer offenen Rechisregierung Plalz zu machen. Im Hintergründe aller drei Pläne stand der Artikel -18. Dabei wußte man sehr mahl, daß iin Augenblick auch nicht der Schein einer Berechtigung zur An wendung des Tiktalurartikels vortag. Ta aber derartige Re- gicrungspläne in absehbarer Zeit zu Konflikten geführt hätten, so wäre die Anwendung des Artikels 18 nur eine Zeitsrage gewesen. — Diese Pläne sind zwar inzwischen vertagt worden, aber sie bestehen deshalb nach fort." Diese Darstellung des demokratischen Zeitnngsdiensies wird bestätigt durch de» Artikel der „Deutschen Tages zeitung". den wir bereits gestern anführtcn. In gleichem Sinne sordcrn die rechtsgerichteten „Hamburger Nach richten" eine Reform der parlamentarischen Verhältnisse, nämlich Stärkung der Stellung des Reichspräsidenten und Ve- wie in die o!s Kroßsüdslowen zu bezeichnende Gruppe der „F ö d e r a l i st c u" unter Peter Tschaulew. Daska- Imv, Filipp Athanasow, Thodor Panizza und Wiochow. Gemeinsam beide» Lagern war -nur die Festlegung des geographischen Begriffes Mazedonien, der begrenzt wird von Schar, Dagh, Osogov vlaniuu, Rita, Rodopegebirge, Karasu, Aeaais, Tistriea, Ohridasee; sonach mit ilesküb, Etrumieo, Monastir. Seres, .Kanal!» und Ealonihi. Die Antviwmisten erstreben ein staatlich selb ständiges Mazedonien unter dem Schulz des Völker bundes, ein Gedcmkengang, dem die Hoffnung zugrunde liegt, diesen Echutzsiaat der Gesellschaft der Rationen im Gelegenheitsfoll an Bulgarien anzngliedern, wofür das Beispiel Ostrumeliens als geschichtlicher Gleichheitsfall vorliegt. Die Föderalisten wünschen den Machtverhäli- nissen am Balkan Rechnung zu tragcn, wobei besonders der Faktor des jugoslawischen Heeres eingestellt wird: sie erstreben ein F ö d e r a t i v I a n d Mazedonien im Rahmen des Födcrativstaatcs der Serben, Bulgaren, Kroaten, Slowenen und Mazedonier. Der Kroalensührer Stefan Naditsch, der gegenwärtig dedeuiendsle Balkan- demagoge, drückte diesen Gedankengang einmal in dem kennzeichnenden Gleichnis ans: „Fünf Finger bilden eine Hand, wenn sie arbeiten, aber eine Faust, wenn sie Kämpfen-" Dem oben geschilderten Kampf fielen bisher fast alle Führer zum Opfer: StambnliisKy in Bulgarien, Des- kaiow in Prag, Peter Tschauleiv in Mailand, Panizza in Wien, durch die Auloiiomisten: Todor Aiexandrow und Professor Milem durch Oe Föderalisten. Die. unge zählte Ziffer sonstiger Gefallener bezeigi, daß beiderseits nur ein Wahlsprnch gilt: Ang um Ang, Zahn um Zahn. Ans dem Rahmen aller blutigen Ereignisse in Bulgarien, die mit den Rainen der beiden Ministerpräsidenten Stam- buliisky und Zankow verbunden sind, kann man die „Ma zedonier" nicht ivegdenkcn: Mazedonien, das ist der Schlüssel für olles, was seit Weltkriegsende in Bulgarien sich ereignete schneidung der Rechte des Reichstags. Das Kabinett sollte durch einen ständigen Ausschuß aus Reichstag und Reichsrat, dessen Sitzungen geheim sein müßten, beaufsichtigt werden. Der Reichs tag sollte nur einmal im Jahre zusammentreten, das Budget durchberaten und vom Kabinett Rechenschaft soröern. Die Rechtspresse bringt heute morgen Meldungen — deren Zweck ja durchsichtig ist — daß das Zentrum eine Zusammen arbeit mit der Rechten nicht unbedingt ablehne. Es käme also auf die Doutschnationalen an. ob sie mit einer „losen Ju so m m e n a r b c i i" einverstanden mären. Besonders wird dieser Weg von dem Teil der Presse empfohlen, der der Deut schen Bolksparlei nahejteht. Mon nimm» in diesem Zusammen hang den bisherigen Reichswttttchaftsmiiftstcc Lurtius als Kanz lerkandidaten. Für den Posten des Reichswehrministers wird Dr. Külz oder Dr. Luther vorgcschlagen. Diesen Plänen — die ia van früheren Regierungs krisen her bekannt sind, tritt in dein Organ der christlichen Ge werkschaften, dem „Deutschen" Abg. Andre sZIr.) entgegen. Cr schreibt: Tie Vatksmehrheit will heute noch den demokra tischen Polksstaat. Wer ihn will, der muß auch sur eine feste Rc-cstsruna'-- und Lk<rMsgowalt Verständnis haben und hierauf seine polnische Haltung etnstclle». Die Sozialdemokratie ist seit Jahren die große Versagerin auf politischem Gebiet, Sie hat übersehe», daß es mit ihre Ausgabe gewesen wäre, einen starken neuen nationalen Willen zu schassen, der sich in den Dienst der Republik stellte. Tie Krise w:rd nur eine brauch bare Löjung finden, wenn alle Parteien sich daraus besinnen, daß sie zum Dienst am Volke da sind. Auch d!e Dortmunder „Tremania", die in nicht dem Zentrum angehörcndcn Kreisen als das Organ des rechten Zenirnmsslügels gilt, wendet sich gegen die Versuche, ein Rechts- Kabinett in irgendeiner Form zu bilden. Als die beste Lösung der Krisis wird ein neues Kabinett der Mitte bezeichnet. Das Zentrum werde sich zu einer Mitarbeit unter Tr, Luther als .Kanzler eines Kabinetts, in dem die Teutschnationaleir die erste Geige spielen, nicht bereit finden. Zur Leiiung eines Kabinetts, das Fühlung nach links suche» müsse, sei Dr. Luther nicht ge eignet. Jenen Leute» ans den Parteien der Mitte, die ständig danach streben, die Parteien der Mitte »ach rechts zu führen. Die Antonomisten „Imro" werden gegenwärtig von Ivan Michailow, General Protvgerow und Georgi Pop Ehristow geleitet, die Februar 1923 vom „Kongreß" zur Führerschaft berufen wurden. Die Föderalisten zerfielen in der weiteren Folge nochmals in zwei Gruppen: Die erste, die zur Leftung Filipp Athanasams und Slavie Iwanows hält, fielst bürgerlichen Kreisen Belgrads (ins besondere den Dauidare-Demokraten) nahe Tie zweite Gruppe ist „kommunistisch orientiert", d. h sie bildet eine Terrvrgarde, welche der Leitung Dr. Wlachows unter steht und mit dem Emigranten-AItminister Dr. Stojanow, sowie dem bekannten Banernsährer Petrntt cna verdnp den ist. Betrachtet man die mazedonische Bewegung ais Gan zes, so befindet sie sich innerpoliiisch (wenn dieses Wort gestattet ist) im Stadium dauernder, gärender Eittivick- Iniig. Sie meist gleichsam den Kampf dcr mazedonischen Parteien ans, die sich nich! nur über die euizuhaitenden Methoden, sondern auch über die Art des Weges, d. h. die a u ß e n po ! > ti s ch e A n l e h n n n g bekämpfen. Be züglich der Methoden wird meist — wie überall — die extremere Richtung volkstümlicher sein, weil sie den historischen Beweis zu liefern glaubt, daß durch Milde und Rücksicht am Balkan niemals etwas erreicht wurde und wohl auch in absehbarer Zeit nichts erreicht wird - „gemäßigt" ist daher im Südosteu gleichbedeutend ruft „schwank". Bezüglich des Weges bleibt die Frage os sen, ob das gegenwärtige Schicksal Bulgarien und dessen „eingerollte Fahnen" noch jene Lebenskraft be sitzen, die es ermöglichen könnte, der g r o ß süosIa w > - scheu P a role „vom Triglav bis Zarlgrad" und deren nicht zu bezweifelnder Zugkraft Paroli zu bielen. Die einstmalige Entscheidung dieser Frage, die vom Schicksal der Heranwachsenden Generation des Bolkans gestellt ist, wird auch den Mazedoniern jene Selbstbestimmung im Rahmen des Ganzen bringen, der sie unter dem Nus: „Mazedonien oder der Tod" Hekatomben von Blutoistern « aebrackt haben.