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Mittwoch — Nr. 122. —- 1. Mai 1844. Leimig. -v>» Z-itung erscheint täglich Abends. Lu beziebe» dusch alle Postämter des In- und Auslandes. Deutsche Allgemeine Zeitung. Preis für das Viertele jabr 2 Mir. — , InFrlionßgkbuvr für den Raum einer Zeil» 2 Ngr. «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» V-be-blick. Deutschland. "Aus dem Leinethal. Freude und Leid hinsichtlich der hannoverschen StaatSschrift, die gollvcrhältnisse betreffend. — Der han noversche Gesandte in Berlin, n Stuttgart. Militairische Händel. Preußen. ? Berlin. Ministerverändcrungen- Vertin, vr. Bunsen. Graf v. Hardenberg. Marquis v. Dalmatien. — Preußisches Colonieproject- Desterreich. s-Wicn. Militairreformen. *pesth. Der Reichstag- Die Duelle- Baron Wesselenyi. — Religiöse Bewegungen in Böhmen. Spanien. *paris. Die Königinnen. Der kirchliche Sinn. Die Carlisten. Großbritannien. Interpellation in spanischen Angelegenheiten- Die Par teiblätter über die koburgische Erbschaft. Die Anti Cornlaw League. ääLondon. Die spanischen Flüchtlinge in London. Die Judensache. -Frankreich. Unterrichts- und Gefängnißwesen- k Paris. Die geistlichen Orden- Italien. Die Bewegungen in Italien- Schweden und Norwegen. Der Haushalt der königlichen Familie. Crusenstolpc. Türkei. ä-Konstantinopel. Latakia. Serbien. — Der Uebertritt schisma- tischer Griechen zur protestantischen Religion. Aegypten. Alcrandrien- Mohammed-Ali'SFinanzplane. Störungendes abyssinischcn Handels. Christenverfolgungen. Personalnachrichten. Wissenschaft und Kunst. *ÄUS dem Württembergischen. Die Gar tenbauschule zu Hohenheim. * Frankfurt a-M. Goethemonument- — Lehrer Lieber in Weimar. Handel und Industrie. *Lcimig. Der Verein deutscher Industrieller. * Leimig- Ehrengeschenk. * Frankfurt a.M. Börsenbericht. — Lotterie. — Berlin- Neueste Nachrichten. Paris- Aufstand in Haiti. Ankündigungen. Deutschland. * Aus dem ^cinethal. für den ersten des Wonnemonats 18-11.*) Ich habe jetzt die hannoversche Staatsschrift zum dritten Male durchgelcsen, ja eben noch während der Revision dieses Artikels zum vierten Male,jedoch noch immer ohne die sämmtlichen Belege, immer mit gleich großem Vergnügen, und die beiden letzten Male ausschließlich nur auf.einen Punkt gerich tet. Fast alle Deutsche, denke ich, wird das traurige definitive Ergcb- niß dieser diplomatischen Verhandlungen betrüben, was am Ende doch immer kein anderes ist, als daß Hannover dem großen deutschen Zollver eine nicht beigetretcn ist, ja daß nach den kategorisch von beiden Seiten gegen einander ausgesprochenen Ansichten überall nicht viel Hoffnung vor handen zu sein scheint, daß Hannover, wenn jemals, doch sicherlich nicht in kurzer Zeit, abgesehen von überwiegenden Ereignissen, dem Vereine bci- treten werde. Jndeß die Zukunft laßt sich in der Politik nicht vinculi- rcn, selbst bei denselben Individuen nicht. Dies Endresultat wird sehr Viele hetrüben. Der Politiker mit deut schem Herzen wird diesen Schmerz theilen, cs wird ihn aber das Verfahren Preußens vielleicht noch mehr betrüben, das dem hannoverschen Commissar nicht einmal volles Gehör »erstattete, sondern diese Verhandlungen, auf welche ganz Deutschland, ja das Ausland seine Augen gerichtet hatte, an ei ner präjudiciellen Kategorie, bloß eine Geldsumme betreffend, und zwar auf eine sehr schroffe und scharfe Weise scheitern ließ, ja nicht einmal »erstatten wollte, daß jene Kategorie einstweilen bei den Verhandlungen nur in den Hintergrund gestellt würde, wie der Hannoveraner ausdrücklich und , in welcher Absicht auch, jedenfalls sehr klug und ganz in dem gewöhnlichen diplomatischen Gleise der Verhandlungsroutine sich bewegend, beantragte. Noch mehr wird es aber den Politiker betrüben, daß die interessirten Theile nicht einmal über ein Provisorium, nur auf sechs Monate, nicht ein mal über den allerjüngsten Besitz haben Übereinkommen können, sa daß Preußen (S. 57 der StaatSschrift) bei dem Schluffe der Verhandlungen „die Unmöglichkeit erklärt hat, ohne Braunschweig über den Fortbestand der Verkehrserleichterungen mit Hannover ein Provisorium abwschließcn". Auch nicht für seine partikularen (preußischen) Sonderintcressen und die preußischen Parcellen, ganz abgesehen von den braunschweigischen! Dies von Preußen zu glauben würde ich, vorkommcnden Umständen nach, für eine diplomatische Injurie halten, wenn es nicht in der hannoverschen Staatsschrift stände; die Folgerungen daraus wären centnerschwer und meilenlang! Ferner ist es sehr betrübend, daß nach den Andeutungen der StaatSschrift, ganz gegen die bisherigen Ansichten und Handlungs weise, in dem braunschweigischen, von Hannover fast gar nicht zu bewa *) Freudvoll und leidvoll, gedankenvoll sein, . Hangen und dangen In schwebender Pein! Glücklich allein ist, der Freya Verein! Llärchen auf dem berliner gollrongreffe. chenden Harzdistricte, im Wesentlichen einer hannoverschen Enklave, deren es auch noch mehre andere gibt sowol im hannoverschen als braunschwei gischen Territorium, eine Art von Freihafen — sage ich den Gedanken gerade heraus — für den Schmuggelhandel gc<;en Hannover geschaffen sein soll, sicherlich, wenn cs der Fall wäre (autliatur «t »Hora pars!), ein sehr schlechtes, ein sehr gefährliches Beispiel grade für den Zollverein selbst, und das gleichfalls ohne Hinderung, also mit Zustimmung Preußens; kurz, daß deutsche Brüder sich behandeln nicht als deutsche Brüder, sondern als proccßführendc Theile, und daß überhaupt ein Zustand hcrbeigeführt ist, welcher eingestandenermaßen von beiden Theilen sowol für die gegenseiti gen Regierungen als deren Unterthanen nur sehr schädlich ist und, wenn von Dauer, noch mehr Gefahr für die Zukunft droht, vorzüglich bei so gereizter Stimmung im guelphischcn Lande, wo die Zukunst so ungewiß und bei Manchem so reich an Nachgcdanken ist. Was, wir Untcrthancn eines Fürstenhauses, des Stammes Heinrich's des Löwen, der denn doch in näherer oder fernerer Zukunft sein gesamm- tcs Erbe wieder in Eine Bcfitzrolle versamiueln wird, Söhne der alten Chaucen, Cherusker und später der Sachsen, welche fast seit 2000 Jah ren zusammenfochtcn, von Varus bis Napoleon, aus allen Schlachtfeldern, wir uns jetzt zerfleischen mit dem vergifteten Dolche, welchen der ver schmitzte Romane — tancksm viperir «Mitar« ckesist«! — erfand, dem Teut von je her ein Gräuel, mit Dvuane, Mauth, Zoll und indirekter Steuer ! Und so recht die Wunde ausgeriebcn mit Galle, Pfeffer und Bruderhaß! Ist der Zwist der Cabincte und der Minister der unsrige? Und ist unser unterthänigster Wunsch und Bitte um billige Ausgleichung, wenigstens für die nächste Zukunft in den brennendsten Punkten, ein il loyaler, gegen Unterthancnpflicht, und liegt er nicht vielmehr in den. hei ligsten Interessen des Fürstenhauses selbst? Das bedarf wol keiner De monstration für Den, der sehen will. Wer aber am traurigsten unter denTrauriaen sein wird, wenigstens es sein sollte, darüber steht mir kein Urtheil zu- und Gott weiß es al lein, da ich nicht in Rathen und Thaten bei dieser Sache, zu dem frag lichen Endresultate auf keiner Seite auch nur auf die leiseste Weise ge wesen bin, sondern immer im deutschen Lande, der Zustande nicht ganz unkundig, allenthalben Vorlesungen aus dem berühmten medicinischen Buche „I)v Mtioniia" gehalten habe, ein Kräutchen, mit welchem ich mich selbst leider stündlich behandeln muß. Vor Allem wird sich jeder wahre Hannoveraner über das sichere, freie und unabhängige Auftreten seiner Regierung, unter Beobachtung jeder zu nehmenden Rücksicht, freuen; daß sic sich nach dem Vorwort und dem ganzen übrigen Inhalte der Schrift zufolge unabhängig fühlt den Staaten des großen Zollvereins gegenüber, und eben so sehr frei von Furcht fühlt, einer solchen imposanten Macht gegenüber, als diese entfernt ist, ihre Ueberlegenheit selbst nur indirekte fühlen zu lassen oder auch nur unbewußt Gebrauch'davon zu machen; daß der Beitritt lediglich Sache des freien Entschlusses der hannoverschen Re gierung sein soll, bafirt auf ihre eignen Interessen und das Wohl ihrer Unterthanen, und daß man hannoverschcrseits jedenfalls bereit ist, falls auch über kurz oder lang kein Anschluß erfolgen sollte, zu allen demeni- gen Maßregeln offen, ehrlich und energisch die Hand zü bieten, die schon im Verhältniß eines Deutschen zum Deutschen, eines Bundesgenossen zum Bundesgenossen liegen, und wie sölches Verhältniß im Wesentlichen bis her in den Verträgen vom 1. No». ^1837 hinsichtlich der Enclaven, deS Zollcartels und des Grcnzvcrkchrs praktisch ausgeprägt war, deren Er neuerung Hannover, aller dringendsten und uneigennützigsten Bestrebungen ungeachtet, bisher (April 181-1) nicht erreichen konnte: Alles natürlich ausdrücklich nur nach dem Grundsätze der Rcciprocität. Der Landfriede, das frcundnachbarliche Verhalten, das gegenseitige wohl verstandene In teresse, wo solches nothwendig znsammcntreffcn mußte, waren seither — von allen Seiten wird ja dies eingcräumt— auf das beste gewahrt. Also feindselige und gehässige Maßregeln sind gewiß niemals von der hanno verschen Regierung zü fürchten.' Den immer gerechten Fall der eigent lichen Nothwehr ausgenommen, wenn oder soweit solcher etwa cingetrcten ist oder noch eintretcn sollte, wenn der Stoß nicht zuvörderst erst von der andern Seite gegeben ist, und selbst alsdann würde deren Zweckmäßigkeit mir zweifelhaft scheinen, wegen der Grundlage unserer Religion, wegen des aus solchen Retorsionsmaßregeln immerhin entspringenden Nachtheils für den eignen Untcrthan, ferner, weil der Gegenstoß nur den deutschen Bruder, meistens nur den Mitunterthan des Hauses Guelph treffen würde, und weil sicherlich Derjenige, welcher in dem vorliegenden Fall ohne alle Furcht und Schwäche die meiste christliche und deutsche Bruder liebe gegen die übrigen deutschen Unterthanen ausübt, wieder am mei sten von ihnen und von Allen geliebt, geachtet und bewundert werden wird. Die Liebe und die Achtung sind aber mächtige Hebel der Hindernisse in schwierigen Zeiten und sichere Wegweiser zum Siege. Die christliche Liebe enthält weit mehr Politik, als die Meisten glauben, und der Teufel ist auch der schlechteste Politiker.