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Nummer 234 — 2«. Jahrgang Eriche«,« «mal wöchentlich mit den tllnllrierten Gratisbeilagen .Die Well" und .Mir unsere kleinen Leute-, sowie den Leit, beilagcn .St. klenno-Blait-, .Lnlerhaltung und Wisse»-. .Die Welt der Frau-, .Ncrztltcher Nalgeber-, .Literarische Beilage". „Mlmrnndlchau-. Monaliicher Bezugspreis S.- Mt. einschl. Bestellgeld. Einzelnummer 1« -s, Sonntagnummer «U Z. Hauptlchristieiter- Tr. tö. Desczhk, Dresden. SüchMhe Sonaudend, Ken 8» Oktober 1827 Anzeigenpreise, Die Igespalteue Petiizetle S« 4. Familien, an,eigen uud Stellengesuche !»<» 4- Die Petitretlamezeil«. 8-, Millimeter breit. I ^ OfferlengebNhr S« 4. bei Ueber» senduug durch die Post autzerdem Bortoiuschlag. Im Falle höherer Gewalt erlischt sede Verpflichtung aus Lieseruug sowie Ersüllnug v. Anzeige»-Auslriige» u. Leistung v Schadenersatz, »eschüstlich« Lell: Art«» Leu». Dresden. volfsseilmm tSeschiiftSftellr, Trucku.Verlag; Germania. A.-G. s iir Vei lag und Druckerei. Filiale Dresden. Dresden-A. I. Polierstrasiel?. FcrurusuiNlL. Posttchecklonto Dresden 27NZ. Bauttouto etadtbank Dresden Nr KNIS Für christliche Politik und Kultur Redaktion der Sächsischen Volksz-ttnng Dresden-Altstadt I. Potiwstratze I?. Fernruf Mit und 2l0l2. ser vavWe sülullompromitz Non Dr. Föhr, M. d. L., Freiburg. Der Neichsschulgesetzentwurf zwingt im Hinblick auf oie bevorstehenden Reichsratssitzungen die einzelnen Landerregierungen. dazu Stellung zu nehmen. Von be sonderem Interesse mus, es sein, wie die Stellungnahme in den Landern mit einer Regierung der Wei- m a r e r Koalition ausfällt. Darum hat man mit großer Spannung die Entscheidung des Preußenkabinetts erwartet, wo ja an und für sich das Zentrum durch Demo kraten und Sozialdemokraten hätte majorisiert werden können. Der Umstand, daß das Preußenkabinett sich zur positiven Mitarbeit an d^m Koudellschen Gesetzentwurf entschlossen hat, dürfte für die Aussichten des Entwurfs von lucht geringer Bedeutung sein. Eine schwierige Klippe des Neichsschulgesetzentwurss uegt sicherlich im 8 20, also in den Bestimmungen für di? siinultanschullünder. Darum muß die Entscheidung gerat? des badischen Kabinetts, also des klassischen ^ m " l t a n s ch u l l a n d e s von einigem Interesse sein. Der Badische Landtag hat sich bekanntlich gegen die Stil.: men des Zentrums und der Kommunisten (letztere träte, natürlich für die weltliche Schule euch mit Mehrheit fü. die Erhaltung der sogenannten „christlichen" Simultan- schule ausgesprochen. Bei der Würdigung dieses Land tagsergebnisses darf indes nicht außer acht gelassen wer den, daß die Mehrheit eine verhältnismäßig geringe iss (37 gegen 31 Stimmen), die Minderheit, welche für die Bekenntnisschule stimmte, von 72 über 28 Mandate ver fügt, während andererseits die Mehrheit für die Simultan schule an und für sich innerlich gespalten ist, weil ja die Sozialdemokraten die Simultanschule nur als Uebergang sur weltlichen Schule ansehen. Im badischen Kabinett sind die Parteien der Weimarer Koalition vertreten. Von sechs Mitgliedern stellt oas Zentrum drei. Und da es in diesem Jahre den Staatspräsidenten hat, verfügt es über den Stichentscheid. Es wäre also in der Lage gewesen, so wie in Hessen Demo kraten und Sozialdemokraten das Zentrum majorisierten, nun in Baden seinerseits Demokraten und Sozialdemokra ten zu majorisieren. Es hätte damit erreicht, daß die Stimme Badens im Reichsrat für den Keudellschen Ent wurf abgegeben worden wäre, soweit es nicht für Ver besserungen desselben hätte eintreten wollen. Aber damit wären die beiden andern Koalitionsparteien in das Lager der Opposition gedrängt und dem Reichsschulgesetzentwurf wohl wenig genützt worden. Das Zentrum in Baden ging daher von Anfang an auf eine Kompromißlösung aus. die aber selbstverständlich nur auf dem Booen der N e i ch s v e r f a s > u n g gemacht werden konnte. Damit bewegte es sich im Rahmen der Richtlinien, die bei der Regierungsbildung im Dezember 1920 ausgestellt und von sämtlichen drei Koalitionsparteien anerkannt wurden. Darnach steht die badische Negierung auf dem Boden der Reichsverfassung. Das bedeutet aber, daß auch in den Simultanschulländern die Bekenntnisschule nicht unmöglich gemacht, sondern lediglich erschwert werden darf. Es konnte also lediglich strittig sein, wie groß diese Erschwe rung werden sollte. Es bedarf keines Hinweises darauf, daß'das Zentrum bemüht war, möglichst wenig Erschwe rungen zuzuerkennen, während andererseits die andern Parteien möglichst viele und große Erschwerungen durch zusetzen suchten. So fand man sich schließlich zu einem Kompromiß, wonach in den Simultanschulländern das Reichsschulgesetz nicht nach fünf, sondern erst nach zwölf Jahren in Kraft treten soll und andererseits die Umwand lung einer Simultanschule in eine Bekenntnisschule nicht mit einer Zweidrittel-, sondern erst mit einer Dreiviertel- Majorität erreicht werden kann. Das sind gewiß bedauer liche Konzessionen, die hier, um zu einer Einigung zu kom men, den beiden anderen Parteien gemacht werden mußten. Dafür aber haben diese in anderer Beziehung mitmachen müssen. Und da sind in erster Linie die Verbesserungs- Vorschläge bezüglich der Regelung des Religionsunter richtes hervorzuheben. Baden beantragte im Reichsrat zu 8 14, daß Abs. 2 folgende Fassung erhalten soll: „Die Bestimmungen über Lehrplan, Lehr- und Lernbuchei für den Religionsunterricht werden von der oberen geistliche» Behörde aufgestellt. Die Religionsgesellschaften haben bei ihre» Verfügungen in betreff des Religionsunterrichts in den Volks schulen die bestehende Schulordnung zu beachten. Diese Ver fügungen verkünden auf Mitteilung der geistlichen Behörden die oberen Schulbehörden an die Lehrer zur Nachachtmig. Auch bei der Festsetzung der Zahl der diesem Unterricht zur Verfii- GUNH stehenden Wochenstunden wirkt die Rcligionsgefellscha-ft Bezüglich des 8 16 wird vorgefchlagen: „Der Religions- unterricht wird durch die betreffenden Religionsgesellschaf, ten überwacht. Dieselben können durch ihre Organ« Prü fungen .über den Religionsunterricht vornehmen." Die heutig« Nummer enthält das St. Benno-Blatt» das Sonntagsblatt für die Diözese Meisten DeulfchltMö und Südslawien Der Inhalt des neuen Kandelsverlrages — Verengung -er freuridfchafllicherr politischen Beziehungen Berlin. 7. Oktober. Durch den gestern Unterzeichneten deutsch-südslawischen Handelsvertrag wird das bisher bestehende vorläufige Han delsabkommen zwischen beiden Mächten, das ebenfalls schon auf der Grundlage der Meistbegünstigung beruhte, durch einen Vertrag abgelöst. Neu an ihm ist, gegenüber dem vorläufigen Abkommen, die Vereinbarung der Meistbegünstigung für das beiderseitige Niederlassungsrecht, das in dem früheren Abkom men entsprechend den bisherigen handelspolitischen Gepflo genheiten Südslawiens überhaupt nicht erwähnt ivar. Außer dem enthält der Vertrag eine kleine Tarifanlage, in der bei derseits Zugeständnisse sür bestimmte Erzeugnisse der Aus fuhrwirtschaft festgelegt sind. Deutschland macht solche Zu geständnisse an Südslawien insbesondere siir einige landwirt schaftliche Produkte, so für Mais und für Pflaumen, während Südssaivien uns Vergünstigungen für industrielle Artikel, ferner einen günstigen Zollsatz für Bier einräumt. Die Beziehungen Deutschlands zu Südslawien werden, wie die Deutsche diplomatisch-politiscki« Korrespondenz bemerkt, durch den neuen Vertrag auf einen dauernden, festen Unter» grund gestellt. Bei der erheblichen wirtsämftlichen Bedeutung Südslawiens. das von jeher ein guter Abnehmer Deutschlands war, bedeutet das eine neue Masche in dem Netz unserer ge regelten und friedensmäßigen internationalen Wirtschafts beziehungen. Die Handelsbilanz Südslawiens ist während der letzten drei Fahre stets aktiv gewesen; die Aus- und Einfuhr beträgt durchschnittlich im Monat etwa 0.8 bis 0,9 Milliar den Dinar, d. h. 40 bis 00 Millionen Mark. Durch eine engere wirtschaftliche Verflechtung, die den beiderseitigen Interessen gerecht wird, ergibt sich automatisch eine Verengerung der freundschaftlichen politischen Beziehungen. Da es sich im vor liegenden Falle um einen durchaus modernen und liberalen Handelsvertrag handelt, so darf man mit Zuversicht daraui hoffen, daß er auch in dieser Beziehung die wünschensivertei Konsequenzen ergibt. Ermordung eines vrigadegenerals in Serbien Belgrad, 0. Oktober. Nach einer spät abends aus Stip (Südserbien) eingetrost fenen Meldung wurde heute, nach 7 Uhr abends, der Brigade general Michajlo Kovacevic von zwei unbekannten Personen durch drei Revoloerschüsse getötet. In Begleitung des Generals befand sich der Lehrer Jevremovic. der unverletzt blieb. Dieser gab an, daß er die Attentäter, die sofort flüchteten, wegen der Dunkelheit nicht erkennen konnte. Die Truppen umzingelten sofort die Stadt, um das Entweichen der Attentäter zu ver hindern. Die Nachricht hat in Belgrad einen tiefen Eindruck hervorgerufen. » Wie verlautet, beschloß der Ministerrat, in Sofia einen energischen Schritt zu unternehmen. Die jugoslawische Regie rung wird die Auflösung der mazedonischen Organisationen fordern. Sollte die bulgarische Negie rung hierzu unfähig sein, so fordert „Novosti", daß mit dieser Ausgabe ein fremder Staat beauftrag! werde, der als Beauf tragter des Völkerbundes Vorgehen würde. Die jugoslawische Oiegierung Hut ferner beschlossen, den Schutz an der jugo slawisch-bulgarischen Grenze zu verstärken und bulgarischen Staatsangehörigen, mit Ausnahme der Durchreisende», den Uebertritt auf jugoslawisches Gebiet zu verbieten. -Bel Ablehnung Dieses Antrages stimmt Baden den preußischen Vorschlägen zu. Das badische Zentrum hat dem Kompromiß bezüglich des 8 20 nur unter der Vor aussetzung zugestimmt, daß auch seine Verbesserungsvor schläge bezüglich der 88 14 und 10 (Religionsunterricht) angenommen werden. Im übrigen bewegt sich der badische Schulkompromiß in weitem Umfang auf der Linie des preußischen, nicht aber in allweg. In einigen sehr wichtigen Punkten macht Baden andere Vorschläge. So bezüglich des 8 2. Hier wird folgende Fassung Vorschlägen: 1. Es gibt folgende Formen der deutschen Volksschule: a) Die Gemeinschaftsschule, d. i. die nach Bekenntnissen nicht getrennte Volksschule, b) Nach den Bestimmungen dieses Gesetzes die Bekenntnisschule und die bekenntnisfreie Schule (weltliche oder Weltanschauungsschule). 2. Diesen Schulformen ist iin Rahmen dieses Gesetzes freie Anerkennungsmöglichkeit zu geben. Auch im 8 9, also bezüglich der Definierung des ge ordneten Schulbetriebes, weicht Baden von Preußen ab. Der preußische Vorschlag, wonach das Landrecht bestimmen soll, was ein geordnete, Schulbetrieb ist, wird abgelehnt, per Fassung im Keudellichen Schulgesetzentwurf gegenüber Stimmenthaltung geübt Auch der 8 22 der preußischen Vorschläge in der Kostenfrage wird abgelehnt. Die Bedeutung des badischen Kompromisses in Ver bindung mit dem preußischen liegt darin, daß nunmehr die Linke aus ihrer grundsätzlichen Oppo sition zur praktischen Mitarbeit an dem Gesetzentwurf gebracht worden ist. Und das ist von nicht geringer Bedeutung, wenn die Lösung des Neichsschulgesetzentwurfs von Bestand sein und zum s ch u l- politischen Frieden führen soll. Man muß allerdings mit Recht die Mitarbeit der Linken fordern, weil es sich ja um die Durchführung des Weimarer Schulkompromisses handelt, an dem sie selvst beteiligt war und zu derer loyalen Durchführung sie verpflichtet ist, wenn sie nicht beim Zentrums des Vertrauens und des Glaubens an ihre Loyalität verlustig gehen will. Das Hauptorgan der badi schen Sozialdemokratie „Der Volksfreund" bemerkt in Nr. 228 zu dem Schukkompromiß: „Sämtliche Anträge, die die badische Regierung stellen wird, sind schließlich einstimmig vom Kabinett beschlossen worden. Es steht wohl bestimmt zu erwarten, daß di« parlamentarischen Vertreter der Miirderhoitskoalitionsparteien sich loyal und energisch für die Durchsetzung der Verbesserungsaniräge ein- sctzen werden, die von der badischen Regierung angeregt und gestellt worden sind. Es ist zu beachten, daß auch di« badische Regierung bei ihren Beratungen und bei ihrer Beschlußfassung von der Talsache des Artikels 174 der Reichsverfassung aus gehen mußt«, der bestimmt, daß bei einem Reichsschulgesetz die Länder mit Simultanschule beionder« «i Levückiichtiaen. lind and daß auch in den SI m u l t a ns ch u l l ä n d e r n non- s c s s i o n s s ch u l c n nicht ausgeschlossen werden Pilsen." Das sozialdemokratische Hauptorgan bekennt sich alsd ;u den Beschlüssen des Kabinetts. Anders die Demo- r, atische Partei, welche durch ihren geschäftssühreu- :en Ausschuß bereits ihr Kabinettsmitglicd desavouierte und die Kabinettsbeschlüsse sür unzureichend erklärte. Es liegt auf der Hand, daß das Zentrum seine Kon zessionen im 8 20 und auch sonst auf der Linie des preußi- jchen Kompromisses nur macht unter der Voraussetzung, daß auch die beiden andern Koalitionsparteien loyal zu den gemachten Konzessionen stehen. Wäre dem nicht so, so hätte selbstverständlich auch das Zentrum im Reichstag oezüglich des 8 20 freie Hand. Von Bedeutung ist, daß nunmehr auch Sozial demokraten und Demokraten in Baden oas verfassungsmäßige Recht auf Be kenntnisschulen in den S i m u l ta n s ch u l - ländern anerkannt haben. Bei aller bestehen den Gegensätzlichkeit hat sich gezeigt, daß zum mindesten mit der Sozialdemokratie auf dem Boden der Reichsver- snssung eine Verständigung für den praktisch zu wählenden Weg möglich ist, während die Rechte (Deutsche Volkspartei und Deutschnationale) sich sür ein Ausnahmegesetz im Widerspruch mit der Reichsverfassung für die Simnltan- schulländer eingesetzt haben. Das ist sür die Koalitions- Politik der Zukunft im Lande Baden von nicht geringer Bedeutung. Die deutschnationale Landtagssraktiou mit ihrem Führer Oberkirchenrat a. D. M ayer ist allerdings vom Landesausschuß insofern teilweise desavouiert wor den, als nur der „überwiegende Teil" der deutschnatio- nalcn Wählerschaft in Baden aus dem Boden der Erhall tung der Simultanschule steht. Man wird wohl annehmen können, daß der badische Schukkompromiß dem Zustandekommen des Reichsschul- gcsetzes förderlich sein wird. Zugleich gründet sich daraus di« Hoffnung, daß schwere schulpolitische Auseinander setzungen in Baden selbst vermieden werden können. Der Kompromiß ist ein Friedenswerk Landlagsauflösung m Braun-cywetg Braunschweig, 7. Oktober. Der Landtag stimmte in seiner heutigen Sitzung mit großer Mehrheit einem von der parlamentarischen Arbeitsgemeinsäwft eingebrachlen Anträge zu, den Landtag am M. November aufzulösen »nd am folgen den Tag« die Neuwahlen vornehmen zu lassen,