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Sächsische Staatszeitung : 22.02.1916
- Erscheinungsdatum
- 1916-02-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480731217-191602226
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480731217-19160222
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480731217-19160222
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Staatszeitung
-
Jahr
1916
-
Monat
1916-02
- Tag 1916-02-22
-
Monat
1916-02
-
Jahr
1916
- Titel
- Sächsische Staatszeitung : 22.02.1916
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Landtags-Beilage zur Sächsischen Staatszcitung. Nr. 27. Beauftragt mit der Herausgabe: Hofrat DoengeS in Dresden. 1916. Landtagsverhandlungen, n. Kammer. 25. öffentliche Sitzung am 21. Februar Präsident vr. Bogel eröffnet die Sitzung um 5 Uhr 54 Min. nachmittags. Am R gierungstische: Se. Exzellenz der Staats minister Graf Vitzthum v. Eckstädt sowie die Regiemngs- lommissare Ministerialdirektoren Wirkt. Geh. Räte vr. Schroeder und vr. Roscher, Exzellenzen, ferner Geh. Finanzrat vr. Hoch, Geh. Regierungsrat vr. Morgen stern und Regierungsamtmann vr Froelich. Präsident: „Am Abend des gestrigen Tage-ist Hr. Staatsminister a. D. Or. Conrad Wilhelm v. Rüger nach einem langen, arbeitsreichen Leben und nach einem kurzen, wohlverdienten Ruhestande nn 79. Lebensjahre aus dieser Zeitlichkeit abgerufcü worden. (Das Daus erbebt sich.) Rach längerer Tätigkeit als Rechtsanwalt und als Bürgermeister der Stadt Dresden ist er im Jahre 1884 wieder in den Staatsdienst zurückgekehrt und hat bald daraus "'s Ver treter Sachsens an der Ausarbeitung des Bürgerlichen Gesetz buches in hervorragender Weise Anteil genommen. Im Jahre 1895. ist er Generalstaatsanwalt und 1901 Justizministergeworden und bat schon im darauffolgenden Jahre die Leitung des Fmanz- ministeriumS in ernster Zeit übernommen und die Gesundung unserer finanziellen Verhältnisse mit energischer Hand und in rück- sichtcicser Energie durchgesührt. Dankbar erkennen wir an, daß er di's s Ziel erreicht hat, wenn auch seine feste Hand in diesen schwur'gen Finanzverhältnissen ost hart empfunden worden ist. Eine luorr ge Natur von hoher Staatsausfassung, eine ausgeprägte Persönlichkeit von reichen. Wissen mit f ster Hand und^nnt energischen, Willen, so hat er auch im Bundesräte und im ^eut- scheu Reichstage verstanden, die Interessen Sachsens zur Geltung zu bringen, und so hat er auch unter uns bis zu seinem Rücktritt in diesem Hause gewirkt und hat bei uns eine ehrenvolle Er- iuuerung zurückgelassen. Sie haben sich zu Ehren des Heim- gegangenen erhoben. Ehre seinem Andenken, Friede seiner Asche. Entschuldigt sind für heute Hr. Bizeprüsident Fraß dorf (svz.), Hr. Al-g. Fleißner (soz.), Hr. Abg. Uhlig (soz.) sowie Hr. Abg. Niethammer (nl.) wegen dringender Ge schäfte. Urlaub hat der Hr. Abg. Wittig (kons.) vom 21. bis 23. Februar wegen Krankheit und Hr. Abg. Oertel (kons.s Ins aui weiteres wegen Krankheit am Orte. Nach dem Vortrage der Rcgistrande tritt die Kammer in die Tagesordnung ein, deren einziger Punkt die Interpellation des Abg. vr. Böhme und Gen- Wahl Dresdens als Sitz der Zigarettentabak- Einkaufszentrale betreffend, bildet. Die Interpellation hat folgenden Wortlaut: Was hat die Königl. Staatsrcßierung getan und was ge- deukt sie noch zu tun, um zu erreichen, daß als Sitz der vom Reiche ins Leben gerufenen Zigarettentabak-Einkaufszentrale Dresden gewählt, und daß bei ihrer Zusammensetzung der Tat sache Rechnung getragen wird, daß Dresden gegenwärtig der .Hauptsitz des deutschen Zigarettentabakhandcls ist? Auf die Frage des Präsidenten, ob die Staats- regierung bereit sei, die Interpellation zu beantworten, bejaht dies Staatsmiuister Graf Vitztbum v. Eckstädt. Zur Begründung der Interpellation erhält das Wort Abg. vr. Böhme (kons.): Der große Krieg habe nicht bloß auf militärischen, Gebiete, sondern auch auf dem Gebiete der Volkswirtschaft dem Volke An strengungen gekostet, die über jedes bisher gekannte Maß weit Hinausragtei,, aber in ihrem Erfolge bewiesen, daß das deutsche Voll auf beiden Gebieten den ungeheueren Anforderungen dieses Krieges gewachsen sei. Es seien von seitcn der Rcichsregierung in hvchanerkcnnenswcrter Weise Organisationen geschaffen worden, die, unterstützt aus allen Kreisen der Industrie, des Handels, der an der Produktion und Gütcrverteilung beteiligten kreise Muster gültiges geleistet hätten. Man habe auf dein Gebiete der Er nährung von Volk und Heer, auf dem Gebiete der Beschaffung jeglichen Lebensunterhaltes, der notwendig sei, bisher allen Be dürfnissen, so schwer auch zuweilen die Losung der Ausgabe ge wesen sein möge, Rechnung getragen. Man habe auch für die Industrie und insbesondere für die Kriegsindustrie die Rohstoffe besorgt, soweit sie gebruncht worden seien. Man erkenne bei dieser Tätigkeit ohne weiteres an, daß es unvermeidlich sein müsse, daß bei solchen liefen Eingriffen in die Volkswirtschaft und in die bestehenden wirtschaftlichen Verhältnisse auch Mißgriffe Vorkommen konnten. Man wisse, daß cs sich bei der Lösung der Aufgabe darum handle, schnell zu handeln und durchgreifend zu handeln, und rin, deswillen sei man weit entfernt davon, in jedem Falle eine» Vorwurf zu erheben, wo es einmal nicht sofort gelungen sei, das Richtige zu treffen. Wohl aber müsse inan die Forderung erhoben, daß dort, wo Fehlgriffe pder Mißgriffe erkannt worden feien, Abhilse geschaffen werde, und kveitcr müsse man für die ganze Organisation dieser Zentralstellen gewisse Forderungen stellen, die der Vernunft und den Tatsachen entsprächen. Wenn er diese Forderungen im einzelnen nenne, so glaube er wohl, die Übereinstimmung des ganzen Hauses hinter sich zu haben. Diese Forderungen seien folgende. Jede Maßnahme» durch die das Reich mit seinen geschaffenen Zcnlralorganisationcn in das Wirtschaftsleben eingreife, müsse zu- nächst als Voraussetzung die sachliche Notwendigkeit überhaupt haben. Die zweite Forderung sei die, daß jeder Eingriff nur so weit reichen dürfe, als es der zu erreichende Zweck unbedingt er fordere. Die dritte Forderung sei eine zeitliche Beschränkung der Maßnahmen, die von feiten des Reichs vorgenommen würden insofern, als das Vorgehen nur so lange Berechtigung habe, als der durch den Krieg getroffene Ausnahmezustand dauere. Würdc man zulassen, daß der Ausnahmezustand über Friedensschluß hinaus verlängert werde, so würde man dauernde Schädigung an den wirtschaftlichen Organisationen nicht vermeiden können. W.nn die Forderung der zeitlichen Beschränkung der Dauer dieser Ein richtung nicht durchgesührt würde, würden damit gewisse Monopol- bestrebungen in drohende Nähe gerückt, die zweifellos in Zu sammenhang stünden nrü der Frage, Ivie nach dem Kriege die Finanzbedürfnisse des Reiches gedeckt werden könnten. Er gehe nicht so weit, hentc irgendwie anzndeuten, welche Stellung eine Fraktion und er zur Lösung dieser Frage einnchmen. (Abg Günther: Wäre aber sehr interessant gewesen!) Erwürbe d c auch nicht in der Lage sein. Aber ein- müsse seine Fraktion gen, daß, wenn das Reich jetzt etwa schon mit dem Gr ¬ ien umgehe, nur durch den Ausbau der Monopole den künftigen Bedürfnissen nachkommen und sie befriedigen zu können, von ihr die Forderung erhoben werden müsse, daß die Regierung jetzt schon diesen Gedanken erkläre und nicht unter der Devise „Kriegsnotmaßnahmen" sich den Boden vorbercite für die künftigen Maßnahmen zum Schaden der Industrie und der wirtschaftlichen Verhältnisse. (Sehr richtig!) Seine Fraktion würde es weiter als einen Kardinalfehler anseben, wenn man etwa glaube, daß man Organisationen des Handels und der In dustrie, die m jahrzehntelanger Entwicklung und unter jahrzehntelanger Arbeit der beteiligten Kreise gefördert worden seien, einfach an einen anderen Ort verpflanzen oder die Sachkunde der Personen durch den Machtspruch deS Reiches versetzen könne, indem man den sachkundigen Personen als kontrollierenden Beamten vielleicht einen Herren aus irgend einem der Reichsämter beisüge. Das würde eine Lösung der Frage bedeuten, der keineswegs zugestimmt werden könne. Seine Partei fordere also Anknüpfung an die gegebenen Verhältnisse. Die Sache habe auch noch eine andere Seite. In dem Augen blicke, wo die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Ortes, wie in Dresden beispielsweise, in der Frage des Zigarettentabakhandels oder in der direkten der Zigarettenindustrie, beiseite geschoben würden, litten auch die Arbeiter- und Lohnverhältnisse der an der Industrie Beteiligten. Schon der Gedanke, daß man vielleicht erwarten könnte, daß mit der Verpflanzung eines derartigen Handels auch alle diejenigen, die an dem Handel beteiligt seien, den Wohnsitz änderten, sei von ziemlicher Bedeutung, und er glaube, daß sich gerade die Herren von der äußersten Linken dieses Hauses, die sich ja immer der Arbeiterfrage ganz besonders an nähmen, nach dieser Richtung wohl darüber klar geworden seien, daß eine derartige versuchte Verpflanzung ganzer Industrien oder ganzer Teile des Handels eine grundverkehrte und auch für die Arbeiterverhültnisse schädigende Maßnahme sein würde. Seine Partei gebe zu, daß eine gewisse Zentralisation unter gewissen Verhältnissen notwendig sei. Er wolle an die großen Fragen der Volksernährnng erinnern. Es sei zweifellos, daß hier eine Zentralisation Platz greifen müsse. Aber bei der Zentralisation seien auch gewisse Nachteile zu beob achten, vor allen Dingen, wenn es sich um wirtschaftliche Organi sationen handle, bei denen nicht das ganze Reich in Frage komme, bei denen nur gewisse Punkte im Reich in Frage kämen. Wenn man heute die Reichszentrale in Berlin schaffe und der Hauptsitz des kontinentalen Zigarettentabakhandels, wenigstens des deutschen Zigarettentabakhandels, in Dresden bliebe, so werde die Organisation durch den Verkehr von Berlin nach Dresden so schwerfällig, daß daraus schon ein Schaden entstehen müsse. Es sei selbstverständlich, daß zwischen allen beteiligten Kreisen und der Zentrale ein ständiger reger Verkehr stattfinden müsse, und daß es notwendig sei, diesen Verkehr mit allen Mitteln zu er leichtern. (Sehr richtig! rechts.) Das einfachste Mittel, diesen Verkehr zu erleichtern, sei natürlich das, den Sitz der Zentrale dorthin zu bringen, wo alle Fäden der ganzen Handelsorgani sationen gegenwärtig schon zusammenliefen. (Lebhaftes Sehr richtig! rechts und bei der fortschrittlichen Volkspartei.) Man sehe, daß also der Gedanke, zu zentralisieren, nur in beschränktem Umfange und unter besonderen Umständen richtig sei, daß er ins Oiegenteil Umschläge in Fällen wie den von ihm soeben behandel ten. Es komme noch eins in Frage; wie er schon erwähnt habe, sei die Zentralisation mit Rücksicht auf Massengüter, Massenver brauch und Verteilung in gewissem Umfange zu billigen. Hier bei der Frage des Kgarettcntabaks handle es sich weder um einen Massenartikel noch um Massenverbrauch. Der Umfang der zu transportierenden Güter sei im Verhältnis beispielsweise zum Ge treide oder zu den Kartoffeln ganz minimal. Wenige Eisenbahn wagen in der Woche würden genügen, um den ganzen Bedarf zu decken, den Handel nicht stocken zn lassen. Es sei auch nicht richtig, wenn man vielleicht in Berlin behaupten solle, man hätte rum einmal die Zentralisation auch auf anderen Gebieten durchgeführt, und so könne man hier in der Frage der Zigarettentabak-Ein kaufszentrale keine Ausnahme machen. Das sei keineswegs ge schehen. Von den mehr als 80, er glaube 81, Kriegsvrganisationen, die bis jetzt schon getroffen worden seien, befänden sich schon neun außerhalb Berlins, und zwar infolge der Anerkennung der Grund sätze, die er vorhin eben geschildert habe. So befinde sich beispielsweise die Zentrale für Kriegslieferungcn von Tabak fabrikaten, die insbesondere die Versorgung der im Felde stehenden Heere auf sich genommen habe, nicht in Berlin, sondern in Minden, und man habe dort auch an die gegebenen Verhältnisse angcknüpft. Wie sehr naheliegend wäre es dann, in der Frage des Zigarettcntabakhandels dort anzuknüpfen, wo der ganze Sitz von Industrie und Handel sei, also an die Dresdner Organisation? Der Grund könne also schon durch den Hinweis auf Minden nnd auf diese Organisation glatt aus dem Felde geschlagen werden. Aber man habe auch noch andere Organisationen, z. B. die Teutsch-oricnialische Handelsgesellschaft in Bremen. Der Zweck dieser Deutsch-orientalischen Handelsgesellschaft sei der, Rohstoffe, insbesondere Wolle, Baumwolle, Seide usw., aus dem näheren Orient, aus Bulgarien, Klein-Asien usw. einzuführen. Ter Mangel an amerikanischer und ägyptischer Baumwolle, ins besondere an amerikanischer, habe Tentschland natürlich aus den Gedanken bringen müssen, andere Quellen für den Bezug von Baumwolle sich nutzbar zu machen nnd möglichst rasch und ausgiebig zum Fließen zu bringen. Es sei gewiß, daß Bremen der Sitz des Baumwollmarktes sei, aber nur in amerikanischer Baumwolle. Hier handle es sich in der Hauptsache um tlein- asiatischc Baumwolle, und da habe man in Dresden die Tcutsch- Levantinische Baumwollgescllschaft, die schon seit länger als einem Jahrzehnt sich gerade mit diesem Zweig des Baumwollhandels nicht nur, sondern sogar des Baumwollanbaues in Klein-Asien befasse. Es wäre also nicht nur wünschenswert im Interesse der Sache, sondern auch notwendig gewesen, daß man entweder sich bei dieser bekannten Dresdner Firma Rats erhole oder die Ver treter dieser Firma mit bei der Gründung der neuen Gesellschaft zu Rate gezogen oder vielleicht gar eine besondere Gesellschaft für die Einführung kleinasiatischer Baumwolle mit dem Sitz in Dresden und unter Leitung dieser bewährten und auf dem Ge biete erfahrenen Firma ins Leben gerufen hätte. Allenthalben, das müsse man mit einem gewissen Schmerz und peinlich berührt fcststellen, kämen aus den Kreisen sächsischer Industrie darüber Klagen, daß Sachsen mit seinen wirtschaftlichen Jntcresscn nicht genügend die Berücksichtigung an den Berliner Stellen finde, die es fordern müsse. Er erinnere beispielsweise an das, was in der Ersten Kammer vor wenigen Tagen von dem Hrn. Oberbürger meister Vr. Dittrich in dieser Richtung ausgcführt worden sei. Es gehe aber Sachsen nicht nur so, sondern auch in Bayern seien lebhafte Klagen laut geworden. Der Hr. Minister Frhr. v. Soden habe vor einigen Wochen — er glaube, cs sei in der Sitzung vom 2. Februar d. I. gewesen — folgendes nus- gcführt: „Daß das Deutsche Reich ein einheitliches Wirtschafts gebiet ist und gerade im Kriege als solches in Betracht kommt, wird niemand bestreiten. Wenn man aber den Eindruck gewinnt, als ob bei einigen der vorgenommenen Maßregeln die nord deutschen Interessen mehr als die süddeutschen gewahrt worden seien, so ist cs durchaus berechtigt, möglichst für die letzteren ein zutreten." Er sei überzeugt, daß Bayern möglichst für die Wahrung seiner Interessen eintrcten werde, eine Überzeugung, die er selbstverständlich von der sächsischen Regierung auch habe, und er gebe der Hoffnung Ausdruck, daß sie heute in der Beant wortung der Interpellation über das, was geschehen sei und lvaS voraussichtlich geschehen werde, eine recht befriedigende Antwort werde erteilen können. Eines der eklatantesten Beispiele über die Zurücksetzung anderer Interessen als derjenigen, die an den Reichsstellen in Berlin vorhanden seien, sei nun der Gegen stand, den er heute in seiner Interpellation näher zu behandeln gedenke. Dort sei die Nichtachtung sächsischer wirtschaftlicher Interessen so weit gegangen, daß man es beim besten Willen nicht mehr mit ansehen könne, Seine Fraktion habe die Überzeugung, daß sie es in der Ver tretung der Interessen Sachsens gar nicht mehr verantworten könnte, wenn sie nicht an dieser Stelle zu der in Rede stehenden Frage Stellung nehmen würde. (Sehr richtig! rechts.) Die Organisation, die hier versucht werde, sei noch nicht zur Perfektion gekommen, und er hoffe auch, daß daS Scheusal in der Wvlfs- schlucht verschwinden werde. (Heiterkeit.) Die Grundsätze, die er vorhin zur Gründung der Reichseinkaufsgesellschaften geltend gemacht habe, seien sämtlich in der vorliegenden Frage in un verständlicher Weise beiseite geschoben worden. Um die Sache auch genügend ausdrücklich zur Kenntnis zu bringen, wolle er aus die eigenartigen Verhältnisse !m Zigarettentabakhandel zukommen. Die Sache spiele sich so ab, daß an dein ganzen Handel beteiligt seien zunächst der Pflanzer, der Einkäufer, der Händler oder der Einkäufer der größeren Zigarettenfabriken, die selbst ihren Tabak, den sie brauchten, einkaufen wollten. Nun seien aber die Verhältnisse zwischen den einzelnen Stellen so fein geartet, teil weise sogar auch patriarchalisch hergebracht, daß es sehr schwer und riskant sei, in diese Entwicklung des Tabak handels einzugreiscn. Tie persönlichen Beziehungen spielten dabei eine außerordentliche Rolle. Ter Tabak pflanzer, der im Frühjahr seinen Tabak pflanze, trete da schon mit dem Einkäufer in ein Verhältnis, in dem der Einkäufer dem Mann den nötigen Vorschuß zur Bearbeitung seines Ackers gebe, und so gehe das Verhältnis und auch die finanzielle Mitwirknng an der ganzen Produktion ständig fort bis znr Übernahme der Produkte durch den Händler. Es sei ganz verkehrt, wenn man da etwa glaube, mit einem Federstrich oder mit Geldmitteln eine neue Organisation zu schaffen und die bisher vorhandene zu verdrängen. Der amerikanische Tabaktrust habe einmal vor einigen Jahren den Versuch gemacht, den gesamten Zigarettcntabak in seine Hände zu bekommen. Es liege ja sehr nahe, daß der Zigarettentabak, der nur an bestimmten Stellen der Erde wachse und ein Welthandels objekt sei, sich wie kaum ein zweites HandelSobjekt zur Monopoli sierung eigne. Tas hätten die Herren Amerikaner sofort erkannt, und nachdem sic die Zigarettenfabrikation zu monopolisieren ver sucht hätten, hätten sie natürlich auch versucht, den Zigaretten- tabakhandel in die Hände zn bekommen, weil sie damit das Ge waltmittel in der Hand gehabt Hütten, eben die Zigaretteufabri- kation, soweit sic nicht mehr der Kontrolle unterstanden habe, überhaupt dann lahm zu legen. Auch den größten Anstrengungen und den größten Mitteln, die der Tabaktrnst hinter sich habe, sei es nicht gelungen, die Organisation des Dresdner Tabakhandels im nahe Orient zu beseitigen. Der Kamps sei mißlungen, und der Dresdner Handel sei als Sieger auf dem Plane geblieben. Sachsen und insbesondere Dresden hätten einen großen Teil des Zigarctten- tabaks in den Händen. Man rechne jetzt auf mehr als 80 Proz. deS gesamten in Tcutschlaud verbrauchten Tabaks, der durch die Hände des Dresdner Handels gehe. Als der Kampf auSgcbrochen sei, sei die Situation so gewesen, daß die gesamte Produktion von Zigarettcntabak etwa znr Hälfte in die Hande des amerika nischen Trusts gekommen und zur Hälfte den trustfrcien Händlern weiter gegeben worden sei, die in der Hauptsache ihren Sitz in Dresden Hütten. Nachdem sowohl der Versuch, den Zigarettentabakhandel an Ort und Stelle unter die Kontrolle der Trusts zu bringen, mißlungen gewesen sei als auch der Versuch, die deutsche Zigarettcnfabrikation in die Hände deS englisch- amerikanischen Trusts zu bringen, sei erst der Gedanke gekommen, diese Zentralorganisation in Berlin zu schaffen. Er müsse, so leid es ihm tue und so wenig es ihn» liege, in dem Zusammenhänge auch auf die Personen, die an der ganzen Sache beteiligt seien, mit zu kommen, um auch nach der Richtung den Nachweis zu führen, daß man nicht gut ungeschickter und unter größerer Mißachtung der gegebenen wirtschaftlichen hiesigen Verhältnisse habe vorgehen können, als man es in der Frage in Berlin getan habe. (Hört, hört!) Man erinnere sich des von dem Verbände der deutschen Zigaretten- fabrikanten zur Abwehr des Trustes vorgenommenen Kampfes. Ter Kampf habe jahrelang getobt, und es sei ein gar nicht hoch genug anznschlagendes Verdienst dieses Verbandes zur Abwehr des TabaktrnstcS, daß es ihm gelungen sei, das Eindringen des amerikanisch-englischen Trustes in die deutsche Industrie zu ver bieten. Allerdings sei ihr der Krieg insofern als ein Vorteil ent standen, als Unternehmungen mit dem Kapital der Gegner während des Krieges unter deutsche Kontrolle und Verwaltung gekommen seien und auf diese Weise die an sich schon sehr im Rückgang befind lichen Oieschäfte des Trustes nicht mehr hätte» aufkommen können. Derjenige Herr, der nun an der Spitze der Aktion gestanden habe, die deutsche Zigarcttenindnstrie in die Hände deS englisch- ainerikainscheil Tabaktrustes zu bringen, sei ein Hr. Direktor Gütschow. Uber diesen werde in einer Truckschrift, die von dem Verbände zur Abwehr des Tabaktrustes herausgegcben sei, folgendes gesagt: „Gütschow ist der bisherige Generaldirektor der Georg A. JaSmatzi A.-G. und der geistige Leiter des Konzerns von mindestens sieben Zigarettenfabriken, die sich auf seine Ver anlassung dem englisch-amerikanischen Tabaltrust verlaust hatten; seit 13 Jahren der begeisterte Vertreter englisch-amerikanischer Tabaktrust-Jntercsscn, der noch im Jahre 191) den „Kampf bis aufs Messer" dem national gebliebenen Teile der deutschen Industrie angedroht hat." Und endlich wird noch gesagt: „der noch an amerikanischen und englischen Firmen lebhaft interessiert ist." Er meine also, daß man, wenn man den Tabakhandcl zen tralisieren wolle, keinen ungeeigneteren Man» hätte finde» könne» und keine», der einem größeren Mißtrauen in ganz Deutschland und namentlich in den beteiligten Kreisen begegnete, wie gerade diesen Hrn. Gütschow. (Lebhaftes Sehr richtig!) ES hieße doch geradezu den Bock zum Gärtner setzen, wenn man emem der artigen Gegner der deutschen Industrie und des deutschen Handels die Fäden einer solchen Zentrale mit den Machtbefugnissen ,n die Hände gäbe, die im Hintergründe der ganzen Organisation noch schlummerten und die immerhm noch eine» Gegenstand der lünf- tgen Sorge bilden würden. (Lehr richtig! rechts.) Aber auch andere Personen seien dabei beteiligt, die das ganze Mißtrauen der Beteiligten hervorriefcn. Zum Leiter der Zentrale fii außer Gütschow noch ein Hr. Mandelbaum m Berlin, der frül ere In haber der Gesellschaft „Manoli", gewählt worden. In der eben ickwn ungezogenen Mitteilung des Verbandes zur Abwehr des Tabaktrustcs heiße es über Mandelbaum: ' „Der die Majorität der V »teile seiner Manoli-Gcsellfchast m. b. H. an die Firma Herzog L Eo., Budapest, und Naphtali, Maier L Co. Ltd., London, verkaufte" — das seien beides Finnen, die mit dem Tabakeinkaufetrust des amerikanisch-englischen Tabaktrusts in Verbindung ständen — „den Verkauf durch seicrlicke V> rsichernngen zu verheim lichen versucht-, der dann, vom Trustabwehrverband wegen Ber-
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