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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Priinumerations-Preis 22z Sitbergr. (v Th!k.) vieritljähriich, Z Tblr. für das ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Veit n. Comp., Jägcrflraße Nr. 23), so wie von allen König!. Post-Aemtern, angenommen. Literatur des Auslandes. 108. Berlin, Donnerstag den 9. September 1847. Schweiz. Martins' Theorie über die skandinavischen Findlings-Blöcke. In der Geschichte der Erdoberfläche giebt es Wanderungen der Gesteine, wie es Völkerwanderungen giebt in der Geschichte der Erdbewohner. Man sieht in vielen Gegenden des nördlichen Europa Felsblöcke, die in ihren Be- standtheilcn von dem Boden, auf dem sie sich finden, völlig abweichcn. Die Masse, aus der sic gebildet sind, ist entweder Granit, oder Porphpr, oder eine andere Plutonische Stcinart, während das Erdreich, aus dem sic hcrvorzukom- men scheinen, meistens jüngerer Bildung ist. Man hat sie deshalb erratische oder Findlings-Blöcke genannt und durch weitere Forschungen gefunden, daß sie zum großen Theile ursprünglich den skandinavischen Alpen angehörcn und durch irgend ein großes geologisches Ereigniß auf ihren neuen Standort verschlagen worden sind. — Brächen wir hier ab, so würde sich mancher un serer Leser seine Theorie machen übcr die Losreißnng jener Steinmaffen von ihrem mütterlichen Boden und ihre Verpflanzung in ein fremdes Land jenseits der See, denn die Phantasie findet einen Reiz darin, die großen Thaten der Natur nachzudichten und den chaotischen Kampf der Erdgeister auszumalen, deren Waffen Gebirge und Meere sind. Natürlich haben sich auch die Geologen bei den erwähnten Thatsachen nicht beruhigt. Sic waren sogar mit solchem Ernste thätig, die Versetzung der erratischen Blocke zu erklären, daß sie sich darüber bitter entzweiten und in die zwei großen Parteien der Diluvianisten und Glacialisten zerfielen, ans denen später noch eine dritte hcrvorging. Wir hatten in diesen Blättern ") schon einmal Gelegenheit, von diesem Streite zn reden, und möchten heute über eine neue Ansicht der Sache berichten, die wir in dem letzten Hefte der Ilibl. universelle üs lleneve finden. Jndcß, um verständlich zu seyn, werden wir wohl unseres früheren Referates mit einigen Worten gedenken müssen. Die Diluvianisten behaupten, ein plötzlicher gewaltsamer Durchbruch angcsammeltcr Fluthen habe die Blöcke mit sich fortgeriffen und in große Ent fernungen geschleudert. Dagegen sprechen Form und Stellung der Blöcke, so wie die Verhältnisse des sic umgebenden Erdreichs, die nur auf eine langsame, in Absätzen geschehene Fortbewegung der Felsen schließen lassen. Die Glacialisten, auf die Erscheinung gestützt, daß die Schweizer- Gletscher sich abwechselnd vor und rückwärts bewegen und dabei cigenthümliche Streifungen, Aushöhlungen u. s. w. an dem von ihnen berührten Gestein bewirken, glauben, daß früher einmal die skandinavischen Gletscher bis dahin vorgcdrungen sepen, wo jetzt erratische Blöcke von der Formation der skandi navischen Alpen gefunden werden, und allmälig wieder ihre jetzigen Gränzcn eingenommen hätten. Bei diesem Rückzüge, oder — wie auch erlaubt ist, an zunehmen — bei ihrer allmäligen Schmelzung, ließen sie die Blöcke zurück, die entweder von überhängcndcn Bergen, oder, durch vulkanische Eruptionen in die Höhe geschleudert, auf sie gefallen waren. Was dieser Ansicht Gewicht giebt, ist, daß sich an der Oberfläche und in der Umgebung der erratischen Felsen die obenerwähnten Gletscher-Wirkungen nachweisen lassen. Eine dritte Klasse von Geologen ruft die schwimmenden Eisberge der Po larmeere zu Hülfe, die zuweilen bedeutende Felsmasscn in weite Ferne tragen, und versichert, es haben sich von den gegenwärtigen Gletschern im Norden der skandinavischen Halbinsel unter Mitwirkung von Wasscrströmungen große Eismassen loSgerissen und die auf ihnen ruhenden erratischen Blöcke mit sich fort nach Süden geschleppt. Die an der Oberfläche und in der Umgebung der selben gefundenen Gletscher-Wirkungen nehmen sic für ihre Eisberge in An spruch und stehen somit, da sie den Diluvianisten das Wasser entlehnen, zwi- schcn beiden Hauptansichten mitten inne. Was wir in der liibl. universelle üv Kenöve finden, ist ebenfalls eine Verbindung der diluvianistischcn und glacialistischen Meinungen; nur haben dabei die letzteren noch mehr das Uebcrgewicht. Der Verfasser, Karl Martins, sucht zu zeigen, daß die Gletscher früher eine bei weitem größere Ausdehnung hatten, als jetzt, daß in jener Zeit die skandinavische Halbinsel einmal tiefer in's Meer hinabgetaucht und dann wie der aus demselben emporgesticgen sey, und daß sich in Folge dessen von jenen großen Gletschern Eismassen losgcriffen und die von ihnen getragenen Blöcke bei ihrem Verschwinden zurückgelassen hätten. Nimmt man an, sagt der Verfasser, daß die schwimmenden, mit den Blöcken beladenen Eismassen von den gegenwärtigen Gletschern Norwegens und ') S. Mag. Jahrg. E Nr. s>. Schwedens stammten, so hat man nothwenbiger Weise implicite behauptet, daß Skandinavien einmal fast bis zum Niveau dieser Gletscher unter Wasser gestanden habe. Nun aber liegt schon der Fuß der Npgaars-Gletscher, die noch am tiefsten hinabstcigen, Z4V Metres über der Meeresflächc, und aus der Muschelschicht, die sich längs der norwegischen Küste hinzieht, geht hervor, daß das Meer daselbst nie höher gestanden habe, als 24V Metres über seinem jetzigen Niveau! — Und hätte man selbst diesen Beweis nicht, wie erklärt man die Entstehung der Streifungen an der norwegischen Küste, die als Gletscher- Wirkungen anerkannt sind, jetzt schon bis unter die Meeresflächc reichen und bei der Senkung der skandinavischen Halbinsel bis zum Niveau ihrer niedrig sten Gletscher wenigstens 600 Mötrcs unter die Meeresflächc zu liegen kämen? Trennten sich die schwimmenden Eismaffen von den gegenwärtigen Gletschern, so müssen ferner die Findlings-Blöcke mit den Bergen verwandt sepn, von denen diese Gletscher noch heute beherrscht werden. Die angestcllten Vergleichungen haben dies widerlegt und gezeigt, daß sie Gegenden angehö ren, in denen es zur Zeit gar keine Gletscher giebt. Also die gegenwärtigen Gletscher können es nicht gewesen seyn, von denen die Eismassen sich losgemacht haben. Dieselben erstreckten sich vielmehr über die heutige skandinavische Küste hinaus und reichten selbst bis Dänemark, wie die schön polirten Felsen in der Gegend von Faroc beweisen. Im Anfänge dieser Glctscherperiode mußte das Land höher aus dem Meere ragen als jetzt, denn die Streifungen der Küstenfelscn finden sich auch noch unter der jetzigen Meeresflächc; dann muß eS sich bedeutend gesenkt haben, denn die Muschcl- schicht, die sich vom Nordkap bis nach dem Süden Norwegens hinzieht, liegt 24v Metres über dem Niveau des Meeres. Während dieser Ueberschwemmung setzten die vorrückcndcn Gletscher die Gcröllmassen, die sie vor sich herschoben, hier und da im Lande ab; dieselben bestehen aus gestreiften, glattflächigen Kieseln und Ufer- und Seemuscheln. Es sind dies die nachmaligen Oesarn oder Moränen, die gewöhnlich den erratischen Blöcken zum Fußgestelle dienen. Ihre unterseeische Entstehung, wenn sie nicht schon durch die Muscheln darge- than wäre, wird unzweifelhaft durch Ucberreste von sehr alten Schiffen, die man in ihrer Masse gefunden hat. Bei dem Wiederauftauchcn des Landes und dem Abfluß von Fluthen zogen sich auch die Gletscher zurück, die mit Fels blöcken beladcnen Eismaffen lösten sich von ihnen, zerschellten hier und da an den Oesarn und ließen, selbst verschwindend, ihre Last auf denselben liegen. So wie manche jetzt glctschcrlose Gegend Skandinaviens Spuren dage- wesener Gletscher und gleichzeitiger Veränderungen im Waffcrstande verräth, so lassen sich eben solche in Nordamerika nachweisen, wo sie bei Boston von dem Geologen Desor, im Staate Maine von Lyell aufgcfunden worden sind. Was die Findlings-Blöcke der Schweiz betrifft, so läßt sich nach Martins' Meinung die Mitwirkung des Wassers bei ihrer Versetzung nicht unbedingt behaupten. Die hier sich darbictenden erratischen Erscheinungen finden ihre hinlängliche Erklärung in den Annahmen der Glacialisten, in der bloßen Vor- und Rückwärtsbewegung der Gletscher. England. Statistische Berechnungen der Lebensdauer regierender Fürsten. vr. William A. Guy, praktischer Arzt und Sccretair der Londoner stati stischen Gesellschaft, hat über die mittlere Lebensdauer regierender Fürsten interessante Untersuchungen angestcllt. DaS Alter, welches alle diejenigen Personen, die unter irgend einem Titel in den verschiedenen Epochen der Weltgeschichte die souverainc Gewalt ausübtcn, im Augenblick ihres Todes erreicht hatten, lieferte ihm das bekannte Werk cke verisier les üates", das er für diejenigen Zeiträume, auf welche es sich nicht erstreckt, vervoll ständigte. Während Herr Guy seine Untersuchungen auf diejenigen Souverainc, die während der christlichen Aera geherrscht haben, beschränkte, ließ er zugleich auS seinen Auszügen alle diejenigen weg, die Zufall oder Gewalt, die Krieg, Gift oder Dolch auS dem Wege räumten. Die große Mehrzahl der in seinen auf diese Weise beschränkten Tabellen figurirendcn Fürsten sind erbliche Sou- veraine; doch finden darunter sich auch solche Herrscher, die durch Wahl oder eine geglückte Empörung auf den Thron gelangten. Unter den dreizehn römischen Kaisern z. B-, die eines natürlichen Todes starben, war ein ein ziger der Sohn, ein anderer der Bruder seines Vorgängers; vier wurden erwählt, sechs adoptirt; einer endlich war ein Usurpator. Da diese Letzteren im Durchschnitt ein höheres Alter erreichten, als irgend eine Gruppe erblicher