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Elbckall und Anzeiger. Ämtsötatl der König!. AmtShnu-tmannschaft Großenhnin, des Küsigl. Amtsgericht» und der StadtrathS W Riesa. Druck und Verlag von Langer L Winrerlrch »n Rieia — Für die Redaktion veraneworrtich: T. Langer in Riesa. 1Ä. Sonnabena, den 2. Fevruar 188V. 42. Zahrß. SSW-i-S-S—- scheint in Riesa wöchentlich dreimal: Dienstag, Donnerstag und Sonnabend-- «vonnemenspreis vicrleljädrlich 1 Mark 2s Psg. — Bestellungen nehmen alle «aiserl. Poftanstalte«, Postboten, die Expeditionen in Riesa und Strehla (E. Schön), sowie alle Boten entgegen. — Inserate, welche bei dem ausgebreiteten llescrkreise eine wirksame Veröffentlichung finden, erbitten wir uns bis Montag, resp. Mittwoch oder Freitag, Vormittag» v Ubr. Znsertionsprei» die dreigespaltene Lorpuszeile oder deren Raum 10 Psg. Kronprinz Rudolf von Oesterreich -j-. Eine Tramrkunde menschlich erschütternd und poli tisch weittragend überbrachte uns der Telegraph am Montag Abend Uhr aus Wien und konnten wir dieselbe in einem Theil der Auslage unserer vor. Nr. den Lesern noch zur Kenntnrß bringen: Kronprinz Rudolf von Oesterreich ist auf einem Jagdauefluge in der Nähe der Kaiser stabt an der Donau (in Merer- ling bei Baden) eines plötzlichen Todes ge storben. Kerne voraufgehende Krankheit, nicht einmal Gerüchte von einem Unwohlsern haben auf diese Meldung vorbereitet und der Allüberwiuder Tod Hal in der Person des Thronerben gegen die ganze große Bölkerfamilie der habsburgisch-lothringenschen Krone einen Schlag geführt. Kaiser Franz Joseph und seine Gemahlin Elisabeth verlieren in dem Dahingeschiebenen ihren einzigen Sohn. Die Kaiserin und mit ihr das ganze kaiserliche Haus trauern noch um den Hintritt ihres Vaters, des Her zogs Maximilian in Bayern. Der Kronprinz war verheirathet mit der Prinzessin Stephanie von Belgien, der zweiten Tochter des regierenden Königs Leopold. Der kionprinzlichen Ehe ist nur eine, jetzt 5'/,jährige Tochter, die Erzherzogin Elisabeth, entsprossen. Bekanntlich hat der Kaiser Franz Joseph bereits vor 22 Jahren seinen nächstältesten Bruder, den Erz herzog Ferdinand, verloren, der als Maximilian I., Kaiser von Mexiko, von den siegreichen Republikanern in Queretaro erschoßen wurde. D-ffen Ehe mit der jetzt geistesumnachteten belgischen Prinzessin Charlotte, war kinderlos geblieben. Der Kronprinz, der nur 31 Jahre alt geworden ist, war ein Mann voll Begeisterung für alles Schöne und Große. Er hat weite Reisen unternommen und seine Eindrücke in klassisch schöner Form in Werken von dauerndem Werth niedergelegt. Bekannt ist sein Verdienst um das unter seinem Protektorat erscheinende große Prachtwerk „Die habsburgische Monarchie in Wort und Bild," woran die bedeutendsten Schriftsteller und Maler Oesterreichs und Ungarns mitarbeiten. Eine politische Bedeutung in dem Sinne, daß der Tod des Kronprinzen etwa für die Zukunft eine Aenderung in den Beziehung« n der österreichisch-unga rischen Monarchie zu den übrigen Großmächten herbei führen oder solche auch nur in Aussicht stellen würde, ist als vorliegend nicht zu erachten. Die Berichte über die Stimmung der Kaiserstadt an der Donau sprechen eine beredte Sprache und be zeichnen bester, als es Bctheaerungen »ermögen, wie sehr die Wiener den Schlag Mitempfinden, der ihr Kaiserhaus betroffen hat. Ueberall wirkte die Kunde von dem Unglaublichen lähmend. Die Bestürzung der Oefsentlichkeit war ganz außerordentlich, und auf den Straßen gab sich in der Haltung der Menge, die nach dem Mittelpunkte der Stadt eilt«, durch die ne-vöse Aufregung die Tiefe des Eindrucks zu erkennen, den die Trauerbotschaft hervorrief. Auf der Börse, in den Amtsstuben, im Parlamente, in der Stadtverwaltung, iu den öffentlichen Localen, in der Garnison — kurz, wohin sich der Blick auch wenden mochte, überall zeigte sich die Bevölkerung anfangs wie betäubt von der Nachricht. Graf Hoyos, der mit dem Kronprinzen in Meierling weilte und zu den Ersten gehörte, welche sein Ableben erfuhren, setzte sich sofort in eine Kalesche und fuhr im schärfsten Trabe nach Wien, wo er um >/,12 Uhr anlangte und sich unverzüglich zum Kaiser begab. Nach einer Viertelstunde kehrte er vom Mo narchen zurück, der nun die Kaiserin benachrichtigte und dann mit dieser die unglückliche Gemahlin von dem Geschehenen in Kenntniß setzte. Letztere brach bei der Nachricht ohnmächtig zusammen und verlangte so fort nach Meierling zu fahren, nur mit Mühe gelang es dem kaiserlichen Paare, die Kionprrnzesstn davon abzuhallen und sie zum Bleiben zu bewegen, da ihre Aufregung unbeschreiblich war. Der Kaiser eilte dann in seine Gemächer und überließ sich in der strengsten Abgeschlossenheit seinem Schmerze bis 3 Uhr Nach mittags. Niemand erlangte Vorlaß und selbst die höchsten Würdenträger, so z. B. der Oberhofn eister, mußten unverrichteter Sache zurücktehren. So erklärt es sich, daß man anfangs es nicht wagte, die Nach richt der Oefsentlichkeit bekannt zu geben. Als sie aber auf ander-m Wege bereits unter die Menge ge langt war und die Aufregung mit jeder Minute wuchs, da veröffentlichte' das Ober Hofmeisteramt sie auf eigene Verantwortung. Ern nach dem Jagdschloß Meierling gesandter Be richterstatter des „Fremdenblattes" meldet Folgendes: „Kronprinz Rudolf hatte sich Montag Mittag in einer Hofeqüpage von Wien nach Breitenfrnth begeben, wo ein Wlener Fiaker denselben erwartete. Der Kron prinz benutzte den Wagen nicht, sondern legte die kurze Wegstrecke nach Meierling zu Fuß zurück, in vergnügter Stimmung mit seinen Jagdgästen plaudernd. Bei der Rückkehr von der am Dienstag abgehaltenen Jagd klagte der Kronprinz über Kopsweh, zog sich in seine Gemächer zurück und ließ seine Theilnahme an dem für den Abend anderaumten kaiserlichen Familiendiner absagen. Am Abend desselben Tages arbeitete Kron prinz Rudolf einige Zeit in seinem Schlafzimmer und schrieb mehrere Briefe. Am Morgen des Unglückstages erwachte der Kronprinz vor 7 Uhr, läutete seinem langjährigen Kammerdiener Johann Löschet und befahl das Frühstück. Als der Lelbkammerdiener kurz vor halb 8 Uhr diesen Befehl ausführte und in des Kron prinzen Schlafzimmer trat, fand er denselben todt im Bette. Prinz Philipp von Koburg und Graf Josef Hoyos befanden sich im Schloßhofe, als der Leib kammerdiener leichenblaß mit der Entsetzenskunde herausstürzte. Sofort eilten dieselben in des Kron prinzen Schlafgemach und sahen, daß alle menschliche Hilfe vergebens war. Prinz Philipp verblieb, nieder geschmettert von dem großen Unglück, am Sterbebette seines erlauchten Schwagers, während Graf Hoyos über Baden nach Wien fuhr, um der kaiserlichen Familie die furchtbare Botschaft zu überbringen. Inzwischen eilten mehrere Hofbeamte nach Meier ling und versiegelten die Papiere und die Zimmer des Kronprinzen. Die Leiche zeigte nicht die geringste Ver änderung in den Zügen. Gegen 8 Uhr wurde, nach dem sie eingesegnet worden, ihre Ueberführung nach Wien vorgenommen. In der Nacht hatten sich auf dem Südbahnhof in Wien große Menschenmengen an gesammelt, die indessen eine vollkommen würdige Haltung zeigten und sich d.n behördlichen Anweisungen bereitwillig fügten-. Kurz vor Mitternacht trugen vier Hoflakaien die schwarz behängte Bahre auf den Perron; um 12'/i Uhr erschien der Ob-rsthofmeister Prinz Hohenlohe, um 1 Uhr fuhr der Trauerzug in die Halle ein. Der Sarg wurde sodann vom Wagen gehoben, auf die Bahre gestellt und mit einem schwarzsammetnen Bahrtuch bedeckt, in welches ein großes goldenes Kreuz gestickt war. Inzwischen entblößten die Anwesenden in tiefer Stille die Häupter. Hiernächst wurde die Leiche auf einem sechsspännigen Hofwagen nach der Hofburg geleitet. Hinter dem Sarge schritt der Hofburgpfarrer Meyer, dann der Oberhofmeister Prinz Hohenlohe und die Adjutanten des Kronprinzen, OberstlieutenantGraf Orsini und Hauptmann v. Gieffel, welche die Ueber- führung der Leiche geleitet hatten. Je drei Gardereiter begleiteten den Wagen rechts und links. Am Bahn hofe entblößte die Menge beim Erscheinen des Trauer- zugeS die Häupter, ebenso begrüßte die auf dem Burghose angesammelte zahlreiche Menge den todten Kronprinzen in stummer Ehrerbietung. In der Hof burg wurde der Sarg sofort in die Gemächer deS Verblichenen getragen. Am 6. Februar soll die Be stattung erfolgen. Der Kronprinz soll schon seit einiger Zeit an leichten Stör ungen seiner Gesundheit gelitten haben. Am Sonn tag nahm er indessen noch im besten Wohlsein an dem Festmahle beim deutschen Botschafter zu Ehren deS kaiserlichen Geburtstages theil, wobei allerdings sein' angegriffenes Aussehen auffiel. Lor zwei Jahren hatte er sich durch Versinken im Schnee bei einer Jagd partie eine starke Erkältung zugezogen, die einen perio disch wiederkehrenden Gelenkrheumatismus im Gefolge hatte und seine Gesundheit ungünstig beeinflußte. Auch sollen sich in letzter Zeit Herzbeklemmungen und krank hafte Reizzustände gezeigt haben. Am Donnerstag früh um 8 Uhr erschien daS Kaiseipaar bei der im gewohnten Bette des Kronprinzen aufgebahrten Leiche und kniete in stummem Schmerze längere Zeit an derselben; dann erschienen die Erz- herzöae, die Hofchargen und Diener. Des Kronprinzen Rudolf Schlafzimmer ist bescheiden eingerichtet. Von der Leiche ist nur der Kopf sichtbar, da sie bis zum Halse zugedeckt ist. Das Antlitz zeigt einen freund lichen Ausdruck. Die Oeffnung und Einbalsamirung fand am Donnerstag statt. Bon Sonnabend bis Mon tag bleibt die Leiche oufgebahrt. Die Schulen und die Universität sind geschloffen.' Durch das eingetretene tragische Ereigniß geht nach den österreichischen Blättern die Anwartschaft auf den Thron auf den Bruder Sr. Majestät deS Kaisers, auf den Erzherzog Carl Ludwig (geb. am 30. Juli 1833) über, dessen ältester Sohn, wie bekannt, der gegenwärtig in Prag domicilirende Erzherzog Franz Ferdinand von Oesterreich-Este (geb. 18. December 1863 zu Graz) ist. Die Kinder zweiter Ehe des Erzherzogs Carl Ludwig sind drei Söhne und eine Tochter. Der älteste Sohn, Erzherzog Carl Ferdinand, geb. 18. De cember 1863, hat die nach vielen Millionen zählende Erbschaft des im Jahre 1875 auSgestorbenen HauseS Oesterreich-Este übernommen und führt den Namen dieser Linie. Wie seiner Zeit behauptet wurde, sollte Carl Ferdinand bei Antretung der Erbschaft auf die Nachfolge auf den Kaiserthron verzichtet haben; diese Gerüchte werden jetzt entschieden widerlegt, so daß der selbe als der präsumtive Thronerbe erscheint. Erzherzog Carl Ferdinand ist noch unvermählt. Der zweite Sohn, Erzherzog Otto Franz Joseph, geb. 21. April 1865, ist bekanntlich vermählt mit der Tochter Sr. königl. Hoheit des Prinzen Georg von Sachsen, Maria Josepha. Tagestjeschichte. Deutsches Reich. Der „Reichsanzeiger" bringt Folgendes an der Spitze des BlatteS: Durch daS gestern Morgen erfolgte unerwartete Hinscheiden deS Kronprinzen Rudolf von Oesterreich sind Se. Majestät der Kaiser und König, Allerhöchstwelchrr in dem hohen Entschlafenen einen innig geliebten Freund verloren, auf das Schmerzlichste bewegt worden. Mit Sr. Majestät und dem kaiserlich königlichen Hause trauert das gesammte deutsche Volk an der Bahre deS hoff nungsvollen jungen Fürsten, dessen klarer, weitschaurnder Blick, dessen reiche Gaben deS Geistes und dessen edle Eigenschaften des Herzens ihn bestimmt erscheine« ließen, seinen Völkern einst ein großer, gerechter, milder Herrscher zu sein, dem befreundeten Deutschen Reich ein treuer Verbündeter zu bleiben. Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht die Ernennung Schellings zum Staats- und Justizminister. In Danzig verlautet, Kaiser Wilhelm habe den Besuch Danzigs für den März zum Jubiläum deS Grenadierregiments Nr. 5 zugesagt. — Die Meldung^