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UWntz-MiW Verantwortlicher Redacteur: Carl Ichnc in Dippoldiswalde, Nr. 41 Dienstag, den 10. April 1883 48. Jahrgang Deutschland auf dem Weltmärkte. Wie hat es doch gerade nach dem großen politischen Aufschwungs Deutschlands in unserm Vaterlande Pe rioden gegeben, in welchen man mit einem höchst be denklichen Pessimismus auf die wirthschaftliche Lage, auf die Industrie und den Handel desselben blickte. Aber wie kurzsichtig jene Urtheile waren, eitlem mit frischer Thatkraft vorwärts strebenden Volke den wirthschaftliche« Fortschritt nicht ebenfalls zutrauen zu wollen, zeigen »licht nur die erfreulichen Erfahrungen der letzten beiden Jahre, sondern dies bekräftigt auch unser hervorragender Nationalökonom Professor Neu- leaux, der den gesammten Weltmarkt bereist und stu- dirt hat und seiner Zeit ebenso herbe Urtheile über die deutsche Industrie fällte als er jetzt derselben eine große Zukunft prophezeit. Gewaltig emporgewachsen ist nach Professor Neuleaux unsere Industrie, seitdem nian in Deutschland die Organisation des großen Ge werbebetriebes vollendet hat. Heutzutage ist die Ver wendung der Dampskraft ein sehr sicherer Maßstab für den Fortschritt der Industrie, jene hat sich aber in Deutschland in den letzten 20 Jahren vierzig Mal vermehrt und die Folge dieses Wachsthums ist, daß Deutschland nunmehr mit England und Frankreich auf dem Weltmärkte konkurriren, ja demselben wahrscheinlich sogar Handelsterrain abgewinnen wird. Neben den eigeistlichen Schutzgewerben hat aber in den letzten Jahren auch das Kunstgewerbe einen großen Aufschwung erfahren und die Zeiten, wo man über den Geschmack der deutschen Industrie im Gießen, Schmieden, Mo delliren, Schnitzen, Weben, Glasblasen re. die Achseln zuckte, sind vorbei. Aber nun, wo es von gediegenen und geschmackvollen deutschen Jndustriewaaren die Hülle und Fülle giebt, nun können wir uns auch erst ordentlich auf dem Weltmärkte präsentiren. England genießt nicht mehr das unerhörte Privilegium, die Schmiede und Spinnstube für Europa, Asien und Amerika zu sein und Frankreich beherrscht nicht mehr allein auf dem Gebiete der Kunstgewerbe den Geschmack und kann auch deshalb nicht mehr in der alten Weise auf dem Weltmärkte dominiren. Neben England, neben Frankreich, neben den übrigen Industrienationen bewirbt Deutschland sich auf dem Weltmärkte um Abnehmer, und zwar täglich offener und nicht mehr hinter Anderer Aushängeschild, auch nicht blos in fremden Welten, sondern auch in den fremden Ländern selbst. Die neuesten Vorgänge in Paris bezeugen dies, wenn auch vielleicht in zu starken Ausdrücken hervorgehoben, buchstäblich. Aus fuhr über die Grenzen und über die Meere, Export, ist dem Vortheil zu Liebe, wie der Noth gehorchend, das Hauptwort in unserer industriellen Kalkulation geworden. Die industrielle Ausfuhr zu fördern, zu heben, zu veredeln, nämlich dem ausgeführten Gute Anerkennung und Ruf, gegründet auf innern Werth, zu erwerben und dadurch Markt zu schaffen, ist eine mehr und mehr nach vorn tretende Aufgabe geworden; unsere gesammte Industrie und ihr Anhang ist in dieser Richtung thätig und wie ohne Verabredung eines Sinnes. Bei solchem Streben wird dann auch der endliche große Erfolg nicht ausbleiben. Das 23 jährige Stiftungsfest des Gewerbe vereins zu Dippoldiswalde am 6. April 1883. Dieses für den Verein bedeutungsvolle Fest am Gründungstage desselben, den 17. März, zu feiern, wie man gern gewollt hätte, war man durch die ge schlossene Zeit verhindert; siel doch der heurige Ge burtstag des Vereins den Sonnabend vor Palmarum. Man hatte darum den 6. April, einen Freitag, ge wählt, da die ordentlichen Versammlungen des Ge werbevereins in der Regel Freitags stattfinden. Nachmittags K Uhr begann in den reizend und reich dekorirten Lokalitäten des Rathhauses die Feier hier und des Herrn Rechtsanwalts Syndikus Rüger in Dresden zu Ehrenmitgliedern. — Leider war der Letztere wegen Krankheit seiner Familie am Er scheinen behindert gewesen und wurde »hm die Er nennung sofort telegraphisch mitgetheilt. Durch die beschränkte Expeditionszeit des hiesigen Telegraphen- bureans an sofortig, noch während der Festfeier eintreffenden Beantwortung verhindert, hat Herr Rechtsanwalt Rüger bereits schriftlich geantwortet rind die ihm ertheilte Ehrenmitgliedschaft dankend ange nommen. Dagegen konnte dem Erstgenannten der Vorsitzende das Diplom persönlich einhändigen, was unter herzlicher Ansprache geschah, nach welcher Herr Jehne gerührt seinen Dank aussprach. Zur großen Ueberraschung des Vorsitzenden ergriff nunmehr der Stellvertreter desselben, Herr Blechwaarenfabrikant Teicher, das Wort, um die Ernennung eines dritten Ehrenmitgliedes, des Herrn Schuldirektor Engel mann selbst, dem Vereine vorzuschlagen. Die viel jährige, dem Vereine so ersprießliche Thätigkeit des Genannten dankend anzuerkennen, beschloß mau dies ein stimmig, und den < herzlichen Worten bei der Ueber- reichung des Diploms ließ Herr Engelmann freund lichen Dank und Wünsche für das fernere Vereins leben folgen. Nach diesem feierlichen Akt erklärte der Vorsitzende die Sitzung für geschlossen und lud zu pünktlichem Erscheinen bei der um 8 Uhr beginnenden Festtafel ein. Dieselbe war so zahlreich von Vereinsmitgliedern nebst Familienangehörigen und lieben Gästen besucht, daß ein großer Theil der Erschienenen im Saale keinen Platz fand und in der großen Saalstube speisen mußte. Das vom Nathskellerwirth, Hrn. Starke, Ge botene entsprach allen gerechten Ansprüchen und fand ungetheilte Anerkennung. Die Reihe der Toaste er öffnete der Vorsitzende mit einem Hoch auf Se. Maj. den König. Er ging von dem eine Außenwand des Dresdener Schlosses zierenden Bildercyclus, dem Fürstenzug des Hauses Wettin darstellend, aus. Die denselben abschließenden Vetreter der Kunst und Wissen schaft, des Ackerbaues, Bergbaues und Gewerbes sollten andeuten, daß auch den Fürsten des Hauses Wettin der Lorbeer nicht gemangelt habe, der unter Palmen gedeihe. Dessen solle man heute auch hier dankbar gedenken. Der allgemeine Gesang der Sachsenhymne machte den Beschluß des mit Begeisterung aufgenom- menen Trinkspruches. Weiter brachten die Herren Vereinsbibliothekar Fretter den Behörden, Blechwaaren fabrikant Teicher dem Vereine, Kaufmann Lincke den Ehrenmitgliedern und Jehne oon. den Gästen beifällig aufgenommene Lebehochs. Inzwischen hatte Hr. Bürger meister Voigt freundlich des Vorsitzenden, Hr. Fabrikant Eberlein - Chemnitz nochmals des Vereins gedacht, während der Vorsitzende den Dank der neuen Ehren mitglieder, besonders auch im Namen des leider ab wesenden Syndikus Rüger aussprach. Hr. Gewerbe schuldirektor Clauß-Dresden, die mancherlei Hindernisse, welche dem Vereinsleben nachtheilig werden können, humoristisch darlegend, brachte sein Glas der Thatkraft des Vereins, und Hr. Bezirksschulinspektor Mushacke feierte den echt deutschen Sinn, wie er sich im Ge werbevereine eine Stätte bereitet habe und bereiten solle. Hr. Lehrer Schröter hier brachte als Vertreter der Freiwilligen Feuerwehr gelungenen poetischen Fest gruß. Hr. Direktor Clauß pries die 3 Sterne im Bürgerleben: Fleiß, Sinn für Ordnung und Recht und Liebe zum Vaterlande, Hr. Stadtrath Müller gedachte dankbar des Festkomitees und der Vorsitzende des Ber- einsbibliothekars. Hr. Schneidermeister Heinrich svn. feierte die Selbstlosigkeit der Herren vr. Pollack und Apotheker Rottmann, die, trotzdem sie vom „Unwohl sein" leben, doch stets begeistert auf das „Wohl" Aller angestoßen hätten. Eine vom Vertreter des Gesang vereins, der leider durch Unwohlsein am Erscheinen behindert war, eingegangene schriftliche Begrüßung, sowie eine poetische Festgabe aus dem Plauenschen Inserate, welche bet der bedeutenden Auflage des Blattes «ine sehr wirk same Verbreitung finden, werden mit 10 Pfg. die Spaltenzeile oder der« Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirte Inserate mit entsprechen dem Ausschlag.— Einge sandt, im redaktionellen Theile, die Spaltenzeil« MPfg. mit einer Festsitzung, welcher auch Herr Amtshaupt- maun v. Keßinger, Bezirksschulinspektor Mushacke, sowie mehrere Vertreter der zur Festseier eingeladenen Vereine beiwohnten. Auch der Dresdner und Chem nitzer Gewerbeverein waren durch Abgeordnete vertreten. Leider waren eine große Anzahl schon längere Zeit eingeladene, dem Verein nahe stehende, frühere Mit glieder und Freunde, sowie mehrere Vertreter von Korporationen, die ihr Erscheinen bereits angemeldet hatten, theils durch gesundheitliche, theils durch ge schäftliche Abhaltungen am Erscheinen behindert. Der Vorsitzende, Herr Schuldirektor Engelmann, eröffnete die Sitzung mit einer Ansprache. „25 Jahre seien an sich ein tanger Zeitraum; aber wie die mittlere Lebensdauer des Menschen in unserer Zeit die 35 nicht übersteige, so sei auch ein Vierteljahrhundert werth, bei seiner Vollendung durch einen feierlichen Akt aus gezeichnet zu werden. Man habe am 17. März 1858 durch die Gründling des Gewerbevereins (zum Er innerungstage der vor 25 Jahre erfolgten Einführung der revidirten Städteordnung in Dippoldiswalde) zeigen wollen, daß man die Anforderungen der neuen Zeit verstehe und habe auch Anderen lehren wollen, sie zu verstehen. Inwieweit dies dem Vereine ge lungen sei, lasse sich nicht ziffernmäßig nachweisen, soviel aber sei gewiß, daß er dazu beigetragen habe, Licht und besseres Verständniß über gewerbliche und volkswirthschaftltche Fragen zu verbreiten, nützliche Einrichtungen vorzubereiten, zu unterstützen und aus zuführen , und das Bewußtsein zu verbreiten, daß jede treue Arbeit ehrenwerth sei. — Ob es noth- wendig gewesen sei, zur Erreichung solcher Zwecke einen Verein zu gründen? Daß der Lebenszweck leichter und vollkommener erreicht werden könne, wenn sich die Kräfte zu gleichem Streben verbinden, bedürfe keines Beweises. So habe es der Schöpfer gewollt. Ein Mensch sei auf den andern an gewiesen. Absonderung sei Verirrung, was man anl Einsiedlerleben sehe, aus dem, dem Naturgesetze der Vereinigung folgend, gar bald das Klosterleben sich entwickelt habe. In» bürgerlichen Leben seien aus dem Streben nach Vereinigung die Innungen oder Zünfte hervorgegangen. Redner schilderte nun in kurzen Zügen die Entwickelung des Zunftwesens und hob dessen Licht- und Schattenseiten hervor. Wie die Mauern der Städte endlich gefallen, so sei es auch den Zünften ergangen. An ihre Stelle sei endlich die bedingungslose Gewerbefreiheit getreten. Gestatte diese auch alle» Kräften und Anlagen eine freie Ent wickelung und Betheiligung, so habe sie doch auch vielfache Nachtheile. Diese fühlend, rufe der Gewerbe stand nach Hilfe. Er glaube sie vielseitig in der Wiedereinführung des alten Zunftwesens gefunden zu habeu, ja sogar in der zwangsweisen. Was habe zu geschehen? Er, Redner, sei nun an dem Punkte an gekommen, wohin er habe führen wollen. Licht über solche Fragen zu verbreiten, dazu sei der Gewerbe - ve rein da. Er solle und könne aber auch durch den Zusammenschluß der verschiedensten Elemente nicht blos gewerbliche Einsicht, sondern auch allgemeine Bildung verbreiten, er solle das Berufsbewußtsein heben helfen lind auch durch Pflege einer edlen Ge selligkeit bildend wirken. Wenn der hiesige Verein dieses Ziel noch nicht völlig erreicht habe, so strebe er ihm doch nach, und diesen Entschluß zu erneuern, dazu möge heute die Festfeier mit helfen." Mit herz lichen Wünschen für das Gedeihen des Vereins schloß die mit Beifall aufgenommene Ansprache. Hierauf trug Herr Buchdruckereibes. Jehne jun. als Schriftführer denVericht über die bisherigeVereinS- thätigkeit vor, denselben gleichfalls mit guten Wünschen begleitend. Es folgte nun nach einem vom Vorstande bean tragten Nachtrage zu tz 10 der Statuten, die feierliche Ernennung der noch lebenden Mitbegründer des Vereins, des Herrn Vuchdruckereibesitzer Jehne oo». Die „WelSerktz. Zeitung" «-scheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich l M. 25 Pfg., zweimonatlich 84 Pfg., einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Alle Postan- jtalten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be stellungen an. Amtsblatt für die Königliche Amtshauptmannschaft Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein