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Sonntag. Nr. 256. 1. November 1837. Leipzrg. Die Zeitung erscheint mit Ausnahme des Sonntags täglich Nachmit tags für den folgenden Tag. Deutsche Allgemeine Zeitung. Zu beziehen durch Postämter des Jn- AuSlandeS, sowie durch die Expedition in Leipzig (Querstraße Nr. 8). Preis für das Vierteljahr 1'/, Thlr.; jede einzelne Nummer 2 Ngr. »Wahrheit mb Recht, Freiheit und Gesetz!» Jnsertionsgebühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Französische Stimmen über die Feier des 18. Oct. und die St.-Helena-Medaille in Deutschland. z Von der französische» Südostgrenze, 27. Oct. Die Feier des 18. Oct. ist ebenso wenig wie die deutsche Preßpolemik in Angelegenheit der St. - Helena » Medaille in Frankreich unbemerkt geblieben. Der pariser Correspondent eines der geachtetstcn und verbreitetsten französisch-schweizeri schen Blätter schreibt unter Andcrm darüber: „Die Stiftung der St.-He- lcna-Medaille muß jenscit des Rhein einen sehr tiefen Haß hcrvorgcrufcn und Gefühle wiedercrweckt haben, die man für immer erloschen glaubte. Ich erhalte einen Brief aus Köln, worin man von der Aufregung spricht, die der Anblick dieses Denkmals des Ruhms von Frankreich in einem Theile der Bevölkerung verursacht hat, dieses Denkmals, welches die Eigenliebe und die Gefühle unserer alten Feinde tief zu verletzen scheint. Die Begei sterung der Dichter erwacht; man sendet mir die Copic eines Nationallic- des, in welchem der Dichter Diejenigen heftig angreift, welche „niederträch tig genug wären, ihre Brust mit diesem abscheulichen Zeichen zu schmücken". Es ist ein würdiges Seitenstück des famosen (sie!) Liedes vom „freien deutschen Rhein", welches zu einer andern Zeit soviel Lärm machte. Die Briefe, welche ich aus Deutschland erhalte, bezeugen ganz entschieden das Wicdererwachcn der patriotischen Gefühle, welche die Deutschen czunust-müme bei Gelegenheit des Jahrestags der Schlacht von Leipzig wiederaufzurcgen sich zur Aufgabe gestellt hatten. Ich höre, daß in Sachsen, Thüringen, Potsdam, Braunschweig rc. dieser Tag unheilvollen Andenkens durch Freu- denfeucr auf den Bergen gefeiert wurde, wie es bei unsern übcrrheinischen Nachbarn Sitte ist. Einige Gegenden, in welchen diese Gewohnheit in Ver gessenheit gerathen war, scheinen sie dieses "Jahr mit erneutem vaterländi schen Eifer wiederaufgenommcn zu haben. Während die Ultra - Deutschen <8io!) also ihren Haß gegen Frankreich an den Tag legen, werden die Stra ßen Frankfurts mit dem Blute preußischer und bairischer Soldaten bespritzt, welche sich dort unter den Augen des Bundestags selbst schreckliche Ge fechte liefern." Wir geben die bezüglichen Stellen dieser Corrcspondcnz in ihrer ganzen Ausdehnung, weil sie für den französischen Standpunkt höchst bezeichnend sind. Achnliche Aeußerungen ließen sich in Menge aus den pa riser Correspondenzen mancher belgischen und piemonlesischen Blätter zu- sammenstellen. Die Existenz einer „ultra-deutschen Partei", von welchem man vielleicht in Deutschland selbst noch nicht allzu viel weiß, scheint man chen Publicisten romanischer Zunge viel zu schaffen zu machen. Noch un- längst lasen wir einmal in dem bedeutendsten Organe des französischredcn- den Theils der sardinischen Monarchie einen langen Artikel, der sich die Aufgabe stellte, auf die Gefahren aufmerksam zu machen, welche dem po litischen Gleichgewicht Europas drohen würden, „wenn einmal die nationale Begeisterung der deutschen Völkerstämmc, die in unerklärlicher Neutralität ihre Kräfte aufsparen, erwachen und sich geltend machen sollte". In Deutsch land wird man am besten wissen, wie weit noch solche Gefahren entfernt sind, und ob sie selbst dann drohen würden, wenn die nationale Einheit der deutschen Vvlksstämme auch ihren entsprechenden politischen Ausdruck gefunden haben wird. Immerhin wird cs zweckmäßig sein, wenn die deut sche Presse von bezüglichen Acußerungcn der französischen Publicistik Act nimmt. Deutschland. Frankfurt a. M., 30 Oct. Der Frankfurter Postzcitung schreibt man: „Man erzählt sich in der Gesellschaft, — und der nächstens zu er wartende Auszug aus den Verhandlungen der Bundesversammlung muß cs bestätigen oder berichtigen, — daß in der gestrigen Bundestagssitzung der österreichische Bundespräsidialgesandte die von I)r. Goldschmidt über gebene Beschwerde der laucnburgischcn Stände über Verletzung der bundesvcrfassungsmäßig dem Herzogthum zustchenden Rechte zur Kennt- niß des Bundes gebracht habe, worauf dieselbe an einen Ausschuß verwiesen worden sei. Hieran anknüpfcnd, hat der Graf v. Nechberg der Ver sammlung namens Oesterreichs und Preußens eröffnet, was in Vollziehung des diesen beiden Staaten erthciltcn Mandats von ihnen mit dem dänischen Cabinct verhandelt worden ist, daß es in deren Absicht gelegen habe und sie im Begriffe gewesen wären, schon vor längerer Zeit die Vergeblichkeit ihrer diplomatischen Schritte zur Kcnntniß des Bundes zu bringen, daß sic jcdoch bei dem Rücktritt des Ministeriums Scheele von der dänischen Re gierung selbst davon abgehaltcn, indem ihnen Hoffnungen erweckt worden seien, die Angelegenheit mit dem neuen Ministerium durch die Maßregel der Berufung der Stände zum günstigen Ende zu führen, — eine Hoff nung, die sich nunmehr als gescheitert erweise. Zu vcrmuthen ist, daß in der nächsten Sitzung über die formelle Behandlung der Sache, d. h. ent weder Verweisung an einen bestehenden Ausschuß, oder Bestellung eines bcsondern, abgestimmt werden wird. — Als Curiosum wird erzählt und ist jedenfalls der Bestätigung bedürftig, daß Hannover in einem selbstständigen Anträge sich für Aufrechthaltung der Rechte der Herzogthümer gegen die Eingriffe der dänischen Krone ausgesprochen habe. Je weniger der brennende Eifer für Volksrechte von dieser Seite erwartet sein mag, desto mehr ist er zu loben. Aber man meint, die Verletzung müsse gewiß arg sein, wenn sie dort sogar zum Ausdrucke der Misbilligung und zum Verlangen der Abhülfe antreibc. Umsomehr kann man vertrauen, daß alle andern Staaten sich correct erweisen werden." Die Preußische Corrcspondcnz vom 30. Oct. enthält gleichfalls die Nach richt, daß im Anschluß an die beim Bundestage eingcgangenc Beschwerde dcr laucnburgischcn Stände von Seiten Preußens und Oesterreichs in derBundes- tagssitzung am 20. Oct. die holsteinische Angelegenheit näherer gemeinsamer Erwägung des Bundes unterbreitet worden ist. ^Frankfurt a. M,, 30. Oct. Die Anrufung dcr Bundeshülfe in der schleswig-holsteinischen Sache beschäftigt insofern sehr lebhaft die politischen Gcmüthcr, als man Vermuthungcn darüber anstellt, zu wel chen Mitteln der Bund wol greifen werde, um dem gekränkten Recht Ab hülfe zu verschaffen. Die Ansichten gehen in unterrichteten wie in nicht- inspirirten Kreisen gleickweit auseinander. Vielleicht dürfte die folgende Con- jcctur die wahrscheinlichste sein, weil sie auch in sonst gut oricntirten Kreisen gebilligt zu werden scheint. Der Bund wird nämlich eine kategorische Frist bestimmen, in deren Verlauf die Beschwerden dcr Herzogthümer beseitigt sein müssen; würde eine befriedigende Lösung nicht erfolgen, so wird der Bund in irgendeine Stadt, etwa Altona, eine Execution schicken. Diese würde wahrscheinlich aus Hannoveranern bestehen, jedoch kaum mehr als ein Regiment stark sein. Die Execution wird solange in Function bleiben, bis dann auf diplomatischem Wege die Ordnung der Sache erfolgt und die deutsche Ehre gerettet sein wird. Preußen. Aus Potsdam vom 29. Oct. wird dcr Neuen Preußischen Zei tung geschrieben: „Gewiß macht es Ihnen die größte Freude, wenn ich Ihnen mittheile, daß heute Mittag kurz nach 2 Uhr dcr König zum ersten male wieder sein Schlafzimmer verlassen und am Arme der Königin einige Zeit auf dcr obersten Terrasse von Sanssouci spazieren gegangen ist. Der warme Sonnenschein des schönen Herbsttags schien belebend und erfrischend auf den König zu wirken. Nachdem Beide einige Minute» allein auf- und nicdergegangcn waren, erschien auch die Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin mit sichtbarer Freude über die Erscheinung ihres königlichen Bruders im Freien, worauf dcr König und die Königin und die Großherzogin in das Schloß zurückgingen. Bald nachher kam auch der Prinz von Preußen von den in Berlin entgcgcngenommenen Vorträgen zurück und erfuhr die so erfreuliche Nachricht. Dagegen ist das am heuti gen Nachmittag hier verbreitet gewesene Gerücht, der König sei bereits aus- gcfahren und im offenen Wagen gesehen worden, nicht gegründet." — Dem Frankfurter Journal schreibt man aus Berlin vom 26. Oct.: „Die Jnjurienproccßsachc des Literaten Schrader in Naumburg gegen den vormals hallcschen Staatsanwalt, jetzigen Negierungsrath Heise in Mün ster, hat hier unerwartet ihr Ende gefunden. Bekanntlich dalirl diese Sachc aus dem Juli 1853, wo in einer Schwurgcrichtssitzung zu Naumburg,, in welcher Schrader der Majestätsbeleidigung angeklagt war, Heise in seinem Plaidoyer den Angeklagten einen «scheußlichen, abscheulichen Menschen» ge nannt hatte. Schradcr wurde dieser rücksichtloscn Acußerung n wegen klagbar, ließ den Gerichtshof als Zeugen vernehmen, und obschon auf den Antrag des Oberstaatsanwalts die Sachc dem Gerichtshof zur Entschei dung für Competcnzconflictc zur Genehmigung vorgclcgt wurde, so ent schied sich dieser Gerichtshof auf Grund der Zeugenaussagen doch für den Fortgang der Klage, die bei dem Krcisgcricht zu Halle anhängig gemacht worden war, und das dortige Gericht vcrurthciltc auch Heise zu 5 Thalern Geldstrafe nebst Tragung dcr Kosten und ermächtigte den Kläger, das Ur theil in bestimmten Blättern zu veröffentlichen. Heise legte aber das Rechts mittel der Appellation gegen das erstinstanzliche Erkcnntniß ein, und nach dem das Appcllationsgericht in Naumburg auf Antrag der Parteien noch einige Zeugen aus dcr Zahl dcr damaligen Geschworenen hatte vernehmen lassen, erkannte dasselbe in seiner Sitzung vom 13. Mai d. I. für Recht, «daß, selbst wenn der Verklagte in seinem Plaidoyer den Kläger in dcr von Lchlcrm behaupteten Weise benannt hätte, Verklagter sich dennoch einer Beleidigung nicht schuldig gemacht hätte, weil diese Acußerung keineswegs absolut injuriös ist und im vorliegenden Falle nur ein amtliches Urthcil enthalten würde, welches der Verklagte als Staatsanwalt bci seinen Aus führungen über die Thatfrage aus den Verhandlungen und dcr incriminir- ten Schrift zog, um daraus den ckolus, welcher die dem Kläger schuld- gegebenen Vergehen begleitet, zu folgern oder klar zu machen, weil die Darstellung der verbrecherischen Gesinnung einer Person zwar, wenn sic außerordentlich geschieht, die Person in ihrer Ehre kränken, wenn sic aber