Volltext Seite (XML)
Hohensleiner Tageblatt Erscheint 'jeden Wochentag abends für den folgenden Tag und kostet durch die Austräger pro Quartal Mk. 1.40; durch die Post Mk. 1.50 frei ins Haus. Geschäfts-Anzeiger für Inserate nehmen die Expedition bis Vorm. 10 Uhr sowie für Auswärts alle Austräger, deßA. alle Annoncen-Erpeditionen zu Original- Preisen entgegen. Hohenftein-Ernftthal, Oberlungwitz, Gersdorf, Luga«, Hermsdorf, Bernsdorf, Langenberg, Falken, Langenchursdorf, Meinsdorf, Nußdorf, Wüstenbrand, Grüna, Mittelbach, Ursprung, Leukersdorf, Seifersdorf, Erlbach, Kirchberg, Pleißa, Reichenbach, Grumbach, Callenberg, Tirfchheim. Kuhschnappel, St. Egidien, Hüttengrund «. f. w. Amtsblatt für den Verwaltungsbezirk des Stadtrathes zu Hohenstein. Nr. 268 Donnerstag, den 17. November 18tz2. 42. Jahrgang. Bekanntmachung. Nachdem in mehreren Gärten der Stadt die Blutlaus ziemlich stark ausgetreten ist, werden die Besitzer von Gärten aufgefordert, rechtzeitig die erforderlichen Schutzmaßregeln zu treffen. Als wirksames Mittel ist das Abwaschen der von der Blutlaus befallenen Bäume mit Anttnoniakwasser oder einer Mischung von 60 Theilen süszcr Milch, 20 Thei len Terpentin lgelöst in Terpentinöl) und 20 Theilen Schwefelkohlenstoff zu em pfehlen. Hohenstein, den 15. November 1892. Der Stadtrat h. vr. Backofen. Bekanntmachung, die Ergänzungswahl für den Kirchenvorstand der Kirchgemeinde Hohenstein betr. Nach der Kirchenvorstands-Ordnung scheidet in diesem Jahre die Hälfte der bisherigen .Hohensteiner Mitglieder aus dem Kirchcnvorstande aus. Es sind dies die Herren: Fabrikant B. Falcke, Schneidermeister L. Keilhans, Lehrer R. Kunze, Fabrikant L. Lotze. Dieselben sind wieder wählbar. — Diejenigen Stimmberechtigten, welche von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen wollen, haben sich unter Angabe ihres vollen Namens, Standes, Alters und Wohnung vorher mündlich oder schriftlich zum Eintrag in eine der Wähler listen anznmeldcn. Solche liegen in der Zeit vom 18. November bis 2. December 1892 auf dem Psarramte, auf dem Rathhause und bei dem Kirchrechnungsführer, Herrn Robert Beck, Neustadt aus. Nach der festgesetzten Zeit eintresfende und an einem anderen Orte oder auf eine andere als die angegebene Weise bewirkte Anmeldungen finden keine Berücksichtigung. Stimmbcrechtigtsind zur Wahl alle selbstständigen Hausväter evangelisch-lutherischer Confession, welche das 25. Lebensjahr erfüllt haben, sie seien verheirathet oder nicht, mit Aus nahme solcher, welche durch Verachtung des Wortes Gottes oder der Ordnungen der Kirche ^Unterlassung der Taufe oder Trauung :c.) oder durch unehrbaren Lebenswandel, durch nach haltige Besserung nicht wieder gehobenes Aergerniß gegeben haben, oder von der Stimmbe rechtigung bei politischen Wahlen ausgeschlossen sind. Stach erfolgter Prüfung und Feststellung der Liste werden Denjenigen, welche in die selbe aufzunehmcn gewesen sind, Stimmzettel zugestellt. Der Tag der Wahl wird besonders- bekannt gemacht. Hohenstein, den 16. November 1892. Der Kirchenvorstand. Albrecht. Den 21. November, Vormittag 10 Uhr kommen circa 26 Scheffel Kartoffeln und 1 Schock Hafer gegen Baarzahlung zur Ver steigerung. Sammelpunkt: Baner's Restauration in Hohenstein, Poststrasze. Der Gerichtsvollzieher des Königl. Amtsgerichts Hohenstein-Ernstthal. Aktuar Kurth. jQ. 545 92.) Bekanntmachung. Die Listen der Stimmberechtigten zur Gemeinderathswahl liegen von» 19. No vember bis 2. December d. I. in hiesiger Gemeinde-Expedition zur Einsicht aus. Bis zum Ende des siebenten Tages nach Bekanntmachung und Beginn der Anslegung steht es jedem Betheiligten frei, gegen die Wahllisten bei dem unterzeichneten Gemeindevor stande Einspruch zu erheben. Oberlungwitz, am 14. November 1892. Der G e m e i n d e v o r st a n d. Oppermann. S'ächjllcbcs. Hohenstein, 16. November. In der gestrigen Sitzung der Eommission zur Vereinigung unserer beiden Schwesterstädte Hohenstein und Ernstthal soll Meinung für das Project vorherrschend gewesen sein, so daß man 'auch fernerhin noch die Hoffnung auf Zustandekommen desselben hegen kann. Die Ausschüsse beider Orte werden noch mals Sitzung halten, ehe die Sache den beiderseitigen städtischen Collcgien vorgclcgt werden kann. Anläßlich des auf den 18., bez. 20. d. Mts. fallenden Bußtages und Todtensestsoniitages machen wir auf die folgen- deu, die Feier dieser beiden Tage betreffenden Vorschriften des Gesetzes, die Sonn-, Fest- und Bußtagsseier betreffend, um die Vorschrift, die Beobachtung der geschlossenen Zeiten in polizeilicher Hinsicht betreffend, aufmerksam: Am Bußtage und dessen Vorabend, sowie am Todtenfestsonntage und dessen Vorabend sind Tanzbelustigungen aller Art, sowie Concert- musiken und andere, namentlich mit Musikbegleitung verbundene geräuschvolle Vergnügungen an öffentlichen Orten verboten. Theatralische Vorstellungen dürfen am Bußtage gar nicht statlfinden. während am Todtenfestsonntag die Aufführung an gemessener ernster Theaterstücke nachgelassen ist. Am Sonn abend vor dem Todtenfestsonntag sind dagegen Concertmusikcn und andere mit Musikbegleitung verbundene Vergnügungen — außer Tanzbclustigungen — nachgelassen. Ocffcntliche Versammlungen aller Art, sowie Versammlungen der Inn ungen und anderer Genossenschaften dürfen am Todtenfestsvnn- tag nicht abgehalten werden. An beiden Tagen ist nur der Verkauf von Brod und weißer Bäckerwaare, Eß- und Material- waaren, sowie der Kleinhandel mit Heizungs- und Beleuchtungs- gegcnständen innerhalb der aus Grund des Gesetzes über die Sonntagsruhe im Handelsgewcrbe von den Polizeibehörden festgesetzten Geschäftszeit nachgelassen, hingegen der Handel mit allen übrigen Gegenständen verboten. Während der Zeit, zu welcher der öffentliche Handel nicht gestattet ist, sind auch die Kaufs- und Gcwerüsläden, sowie die Schaufenster ge schlossen zu halten und Verkaufsständc mit Waaren nicht zn belegen. Es waren mehrfach Zweifel darüber entstanden, ob bei Ansprüchen auf Invalidenrenten auf die vorgeschriebene Pflicht zeit von einem Beitragsjahr auch Krankheiten und militärische Dienstleistulmen anzurechnen seien. Diese Frage ist neuerdings seitens des Reichsversichcrungsamtes im bejahenden Sinne ent schieden worden. Es würde somit die Berechtigung zum Be züge der Invalidenrente auch vorhanden sein, wenn der Ver sicherte z. B. statt der vorgeschriebenen 47 nur 25 Beitrags marken für eine versichcrungspflichtige Thätigkeit beigebracht hätte, während ihm 22 Beitragswvchen auf Grund einer Krank heit anzurechnen sein würden. Diese Anrechnung hat aber zur Voraussetzung, daß der Versicherte nicht dauernd erwerbsunfähig im Sinne des Gesetzes ist. In diesem Falle, also bei dauern der Erwerbsunfähigkeit, würde der Versicherte als aus dem Bersichcrungsverhältnisse ausgeschicden anzusehen sein, und zwar vor Ablauf der Pflichtzeit von 47 Wochen. Wie nunmehr — nach der „Schlcs. Ztg." — fcststeht, erfolgt die Einführung der mitteleuropäischen Zeit auch im äußeren Dienste der preußischen Staatsbahnen am 1. April 1893. Von diesem Zeitpunkte werden also die gegenwärtigen, aus Ortszeit lautenden Wintcrfahrpläne und Kursbücher hiu- fällig und müssen durch neue auf mitteleuropäische Zeit lautende ersetzt werden. Die unmittelbare Folge der Neuerung wird nothwendiger Weise die allgemeine Einführung der mittel europäischen Zeit auch im bürgerlichen Leben sein. Der jetzt in der Presse mehrfach ventilirte Besuch Seiner Majestät des Kaisers Wilhelm in Moritzburg steht gutem Ver nehmen nach am 2. December bevor. Se. Majestät ist Jagd gcst unseres Königs. Der Aufenthalt des Kaisers währt bis zum 3. December. Frau Dr. Wcttstein-Adelt hat es bekanntlich, wie Herr Paul Göhre, um socialpolitische Studien zu machen, unternom men, in Fabriken zu arbeiten. Als Probe bringen die Dres dener Nachrichten folgenden Ausschnitt über die Vergnügungen der Fabrikarbeiterinnen in Chemnitz. Die Frau Verfasserin (Eine praktische Studie von Fran Dr. Minna Wettstein-Adelt. Berlin 1893. Verlag von I. Leiser. Deutsche Schriststeller- genossenschaft, Berlin) schreibt: Ich kann ruhig behaupten, daß ich alle Chemnitzer Lokale, in denen Arbeiterinnen verkehren, besucht habe. Von eigentlichen Arbeiter-Lokalen kann jedoch keine Rede sein; man findet männliches und weibliches Fabrik personal in jedem Lokal, auf jedem Tanzboden, sie gehen unter in der Menge der Besucher, sie sind an nichts kenntlich. Im Allgemeinen herrscht unter den Arbeiterinnen bei Weitem nicht jene Liebe zum Tanz, wie unter den Mädchen des Mittel standes; es gab sehr viele gerade unter den Maschinenarbeiten ncn, die vom Tanz nicht viel wissen wollten, die da sagen, daß der Tanz ihnen nur auf unnütze Weise ihre Kräfte raube, ungesund sei und sie in den ersten Wochentagen bei Weitem nicht die gleiche Arbeit verrichten könnten, als wenn sie Sonn tags vorher nicht getanzt hatten. Hingegen haben die Ar beiterinnen durchwegs eine große Vorliebe für Theater, Cirkus und Tingeltangel; ihr liebster Vergnügungsort ist der Schützen platz, wo sie eine reiche Auswahl der verschiedensten Genüsse finden, Caro'.:ssel, Affentheater, Würfel-, Schlangen- und Zaubererbuden, Tingeltangel und Mefseresser. Das beste Lokal, das ich kannte, war das „Colosseum" in Kappel: cs war ein fein eingerichtetes Concerthaus mit vorzüglicher Militärkapelle und am Nachmittag nur von ganz gutem Publikum besucht. Nach Beendigung des Concerts war Ball, bei welchem das Publikum sich bedenklich zu mischen anfing. Man sah ehrbare Beamtenfamilien mit erwachsenen Töchtern, die die Mutter lebhaft zum „Männerfang auf Lebenszeit" anhielt, allein ge kommene Ladenmädchen, andere mit ihrem „Liebsten", Lieute nants in Civil, Oommisvo^uAsurs, aber auch Dirnen in feinen Balltoiletten; ich halte das Lokal überhaupt für kein solches, in welchem Arbeiterinnen verkehren; die Mädchen, die dort allein verkehren, treiben einen ganz anderen „Berus." Im grellsten Gegensatz zu diesem Etablissement steht die „Kaiser krone", ein Lokal, in welchem das schlimmste Gesindel verkehrt. Der Tanzsaal befindet sich im ersten Stockwerk eines düsteren Gebäudes; in dem elenden Stück Hof, den man zn passiren hat, um zur Treppe zu gelangen, steht ein altes verschnapstes Weib und bietet aus einem ekelhaft aussehcndcn Kinderwagen, der ihr als Buffet dient, ihre zweifelhaften Speisen an. Die Treppe selbster ist schmal, schmutzig und winklig, mit ausgetrete nen Stufen, die Eingangsthür zum Saal niedrig und klein. Von allen meinen Mitarbeiterinnen, mit denen ich über die Kaiserkrone" sprach, verkehrte auch nicht eine dort; sie äußerten sich durchwegs mit Ekel und Abscheu über dies Lokal, die meisten erklärten, . da gehen anständige Mädels nicht hin." Ich habe die „Kaiserkrone" drei Mal besucht in Gesellschaft meines als Arbeiter verkleideten Mannes. Meist befanden sich dort 40—50 Mädchen, verkommene Dienstmädchen, der ge meinste Auswurf der Fabrikarbeiterinnen und zum größten Theil Soldatendirnen. Das männliche Element bestand durchwegs aus Soldaten eines Infanterie-Regiments, die wenigen Civi- listen, die anwesend waren, schienen mir die Zuhälter der Dir nen zu sein. Ich habe in meinem ganzen Leben keine so bestialisch rohen, gemeinen, jeder Menschlichkeit baren Mädchen gesehen, wie hier, Gesichter, die das Laster verzerrt hatte, schmutzige Frauenzimmer, deren ost elende Kleidung roch, mit ungekämmtem Haar nnd einem Benehmen, das der Wahnsinn ihnen diktiren muß. In der unglaublichsten, nicht wiederzu- gebendcn Weise rempeln sie die Soldaten an, die sich ihrer kaum erwehren können, vollsührcn sie vor Aller Augen die un sittlichsten Dinge. Es lag über dem ganzen Saal eine Atmos phäre des Schmutzes, des grenzenlosen Lasters, der Bestialität, die den sittlichen Menschen zur Verzweiflung bringt. Die Frauenzimmer, die dort verkehren, sind überhaupt keine Men schen mehr, cs sind Reptilien, Pestbeulen des öffentlichen Lebens. Ich sah so manchen blühenden und hübschen jungen Soldaten, den die schmutzigsten und theilweise vcrlumptesten Frauen zimmer, die alle zwischen 30—40 Jahre sein mochten, in ihre Mitte nahmen und so lange bearbeiteten, bis er mit ihnen ver schwand. Es ist eine Nachlässigkeit des Staates, der Militär behörden, daß sie derartige Lokale nicht verbieten nnd dem moralischen Morde Hunderter ruhig zusehen. Was nützt es, die Soldaten am Morgen auf Kommando in die Kirche zu führen, wie eine Heerde Schafe zur Trünke, um sie am Nachmittage dem erbärmlichsten Laster ruhig zu überlassen? Was nützt es, daß der Soldat zur Reinlichkeit nnd Ordnung mit militärischer „Disziplin" angehalten wird, wenn er am Nachmittage unge warnt und unbehindert Elend, Gift und Pestilenz holen darf? Warum sieht die allwissende Polizei den Bettler, der halb ver hungert ein Almosen erbittet, aber nicht jene Lasterhöhlen, wo das Volk sich den Untergang holt, wo die Söhne des „sitt lichen" Deutschlands die Seuche herholen, die sich weiter und weiter in's Volk frißt? Man fängt die arme Streichholz verkäuferin auf der Straße gar bald ab, aber man läßt jene