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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.08.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-08-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020814025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902081402
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902081402
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-08
- Tag 1902-08-14
-
Monat
1902-08
-
Jahr
1902
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DezugS-PretS 1« der Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Bororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich 4.50, — zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus S.50. Durch die Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich vierteljährliche6, für die übrigen Länder laut Zeitungspreisliste. - Re-action un- Expedition: Johannisgaffe 8. Fernsprecher 153 und 222. FUiale»peditio»rn r Alfred Hahn, Buchhandlg., UniversitätSstr. 3, L. Lösche, Katharinenstr. 14, u. Königspl. 7. Haupt-Filiale Dresden: Strehlenerstraße 6. Fernsprecher Amt I Nr. 1713. > -^»d> Haupt-Filiale Serlin: Königgrätzerstraße 116. Fernsprecher Amt VI Nr. 33S3. Nr. 4i1. Abend-Ausgabe. Ktz,Mr TaMalt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes und Volizei-Äuttes der Ltadt Leipzig. Donnerstag den 14. August 1902. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Peurzeile H. Reklamen unter dem Redactionsstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach. richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenanno hme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung ./L 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 96. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 14. August. Da» bayerische Eentrum hat für seine demonstrative Ab lehnung der von der Regierung für Kunstzwecke geforderten Summe nun auch vom Kaiser eine scharfe Rüge erhalten, die den schwarzen Herren um so peinlicher sein muß, als sie durch das Wolff'sche Telegraphen-Bureau aller Welt kund- gethan wird, und zwar auf eine Veranlassung aus München, nicht aus Berlin. Der Münchener Hof also ist eS, der Gewicht darauf legt, daß man überall im Reiche und weit über dessen Grenzen hinaus erfahre, wie das Reichsoberhaupt über das Heldenstück des bayerischen CentrumS denkt und spricht. Das ist aus mehr als einem Grunde sehr bedeutsam. Erstens ist eS ja bekannt, daß man in München im Allgemeinen Berliner Einmischungen in innere bayerische Angelegenheiten nicht liebt und daß besonders Prinz Ludwig kaum irgend etwas peinlicher empfindet, als den Anschein, die bayerische Krone bedürfe außerbayerische Hilfe in einem inneren Streite. Dadurch aber, daß von München aus die Veröffentlichung der kaiserlichen Kundgebung mit ihren scharfen Ausdrücken der Entrüstung und Empörung über die „schnöde Undankbar keit" der klerikalen Majorität der bayerischen Abgeordneten kammer veranlaßt ist, geht hervor, daß es doch Fälle geben kann, in denen die bayerische Empfindlichkeit gegen Berliner Einmischung nicht nur schweigt, sondern in Genugthuung darüber umschlägt, daß der Kaiser klar und entschieden der bayerischen Krone an die Seite tritt. Bei dieser sichtlichen Genugtbuung veS Münchener HofeS ist eS kaum angebracht, die Frage aufzuwerfen, ob der Schritt, den der Kaiser mit seinem Telegramm an den Prinz regenten Luitpold that und der ja aus einem privaten zu einem öffentlichen erst durch die von München aus veranlaßte Veröffentlichung geworden ist, zu staatsrechtlichen Bedenken Anlaß giebt. Hegt man solche in München nicht, so braucht man sich auch anderwärts den Kopf nicht varüber zu zerbrechen, um so weniger, als durch die Schenkung des Grafen Moy das Anerbieten des Kaisers, dem Prinzregenten die nöthize Summe zur Verfügung zu stellen, seine praktische Bedeutung verloren hat. Zweitens ist die Münchener Veröffentlichung deshalb besonders bedeutsam, weil sie die vielfach geäußerte Ansicht widerlegt, die bayerische Regierung werde, nachdem Herr v. Landmann gefallen und der Würzburger Universitäts senat eine Rüge erhalten, sich allmählich mit dem Eentrum wieder vertragen. Nach einer solchen Absicht sieht die Veröffentlichung der kaiserlichen Depesche nicht aus. Eine zielbewußte Regierung, die Aussöhnung mit einer Partei sucht, stellt diese doch nicht auf die Straße mit einem Placat um den Hals, auf dem die kaiserliche Entrüstung und Empörung Uber die schnöde Undankbarkeit dieser Partei kundgegeben wird. Man muß also an maßgebender Stelle in München denn doch trotz aller früheren Connivenz gegen das Centrum sich entschlossen haben, künftig ganz andere Saiten gegen die klerikale Kammer majorität aufzuziehen, sofern diese dies nicht ihrerseits thut und das ihr umgehängte Placat sich nicht zur guten Lehre dienen läßt. Vielleicht läßt sich aber auS der Veröffentlichung auch noch ein anderer Schluß ziehen. Obne Zustimmung des Kaiser« ist sie sicherlich nicht erfolgt. Und daß sie nicht nur das bayerische Centrum kränkt, sondern auch das preußische und das deutsche, obgleich die nichtbayerischen klerikalen Blätter den Schwabenstreich der Münchener Schwarzen als solchen bezeichnet und verurtheilt haben, das weiß der Kaiser ohne Zweifel. Und hätte er trotz dem die Veröffentlichung seiner scharfen Rüge gewünscht, Weil er sie als Warnung nicht nur an das bayerische Eentrum angesehen wissen wollte, so müßte er auch Mittel und Weg? kenien, mit und auf denen man in Preußen und im Reiche ohne das Eentrum auskommen kann, sofern es sich verärgert fühlt und „nicht mehr mit thut". Ob der letztere L-chluß zutreffend ist und ob Graf Bülow als Reichskanzler und preußischer Ministerpräsident sich auch seinerseits im Vollbesitze der nölbigen Machtmittel einem bockbeinigen Centrum gegenüber weiß, das kann erst die Zukunft lehren. Mit Bezug auf den unzweifelhaft mindestens ver frühten Antrag des Centrums auf Einführung der Ar-eiter-Wittwen- und Waiseu-Bersicherung innerhalb einer bestimmten Frist, bemerken die „Berl. Pol. Nach»." unter besonderem Hinweis auf die finanzielle Seite der Angelegenheit, cs lasse sich zur Zeit weder übersehen, wie hoch der Ausfall an Reichs-Einnahmen sich stellen würde, wenn die Mehr-Erträge der landwirtschaftlichen Zölle der etatsmäßigcn Verwendung im Sinne des Centrums-An trages entzogen würden, noch in welchem Betrage Ersatz für diesen Ausfall durch Erschließung neuer Einnahme quellen zur Erhaltung des Gleichgewichtes zwischen Ein nahmen und Ausgaben zu gewähren sein würde. Es unterliege daher keinem Zweifel, daß der Zeitpunct, um in verantwortlicher Weise die Forderung der Wittwen- und Waisenversorgnng der Arbeiter in die Aufgaben des Reiches zu übernehmen, noch nicht gekommen sei nnd daß daran frühestens im Zusammenhänge mit der Neurege lung der Finanzverhältnisse des Reiches herangetreten werden könne, welche nach dem Abschluß der Verhand lungen über den Zolltarif und die Handelsverträge in Aussicht stehe. Bis dahin werde man sich bei Cvnstati- rung des grundsätzlichen Einvernehmens der gesetz gebenden Factoren des Reiches damit begnügen müssen, daß, sobald die finanziellen Verhältnisse des Reiches es gestatten, die Reichs-Arbeitcrvcrsicherungs-Gesetzgcbnng durch die Fürsorge für die Wittwen nnd Waisen der Ar beiter unter finanzieller Mitwirkung des Reiches zu er folgen haben werde. — Ohne Zweifel richtig ist der Ge sichtspunkt, daß derartige Mehrbelastungen des Reichs schatzes erst vorgcnvmmeu werden können, wenn die finanziellen Verhältnisse des Reiches durch organische Neu regelung auf feste Grundlage gestellt sein werden. Ein Mitarbeiter der „Frkf. Ztg." hatte in Lcheve- ningen eine Unterredung mit dem früheren Staatssekretär Reitz. Reitz sagte, er für seine Person werde niemals Frieden mit England schließen, er habe außer seiner einstigen Stellung als Staatssekretär noch andere Gründe hierfür, die er nicht nennen wolle. Er will in Holland bleiben und „seine Zeit abwartcn", aber vermeiden, die Andern, die nach Südafrika zurück wollen, zu irgend etwas zu verleiten, was England schlimm anffassen könnte. Generalcommandant Louis Botha habe mit Recht gesagt, wer in Südafrika wohne, müsse sich dem Gesetz fügen, sonst sei er Rebell, im Uebrigen habe man in englischen Blättern viel Lügen von Botha erzählt. Er nannte vier, auf die Botha selbst hingewiesen hat: erstens, daß Botha den Tag der Uebcrgabe als einen glücklichen gepriesen haben solle, zweitens, daß Botha die Aufhebung der Con stitution des Caplandes gutgeheißen hätte, drittens, daß er dem Volke anbefohlen hätte, den Treueid abzulegcn. Im Gegenthcil, hätte Botha das Volk hier von abgehalten, da der Eid im Widerspruch mit der Ueber- cinkunft stehe, die die Uebcrgabe für besiegelt erkläre, sobald der Bürger die Waffen ablege. Man habe Botha von englischer Seite gesagt, der Unterschied sei doch kein so großer zwischen Eidablegung und Annahme des Status. Botha replicirte schlagfertig: Warum verlangt Ihr sie also ? Aus diesen Gründen sei auch die Eides forderung für Gefangene, die auf englische Kosten zu- rückgebracht werden, ungesetzlich. Allerdings spreche der Vertrag nur von Bürgern, die die Waffen niederlegen, eine Ungenamgkeit, die man habe annehmen müssen, da die Engländer vor dem Friedensschluß die Aeceptirung des Vertrags im Wortlaut forderten und nicht die ge ringste Wvrtänderung duldeten. Daraus erkläre sich auch die vage Fassung des Paragraphen 7, der von Einführung der colonialen Selbstverwaltung spricht. Viele Hütten nun den Eid aus Unkenntuiß geleistet, viele Andere nicht, so ein Lohn von Reitz, der in Sialcote in Indien gefangen saß. Die vierte Unrichtigkeit liege darin, daß Botha und andere Generäle Glückwunschtelegramme zur Krönung des Königs geschickt hätten. Bennet Burleigh habe wohl auf das Wünschenswerthe solcher Telegramme hingewiesen, sic seien aber nicht gesandt worden. Nicht aus Haß etwa, fügte Reitz hinzu, sondern weil die Zeiten zu traurig sind, um in Freude Telegramme zu schreiben. Aus Bombay, 17. Juli, schreibt man uns: Gelegent lich der ranschenden Feste, die vor Kurzem in London stattgefnnden haben, unter welchen das den indischen Fürsten gegebene Abeudfest, durch den dabei enisalteten Prunk — hat es doch die Kleinigkeit von 140 000 die natürlich Indien bezahlen muß, gekostet — besonders auf fiel, ist eine Rcminiscenz aus der Geheimgeschichte Indiens nicht unangebracht. Das indische Fest in London ist kurz gesagt einfach Rcclamc, nm allen Denen, die etwa noch an der Loyalität der indischen Fürsten zweifeln könnten, so recht deutlich vor Augen zu führen, daß sie schlecht unter richtet seien. Die Reden, die gehalten wurden, ließen keinen Zweifel darüber aufkvmmcn, und doch, dem Ein geweihten will es scheinen, als ob ein kleines Körnchen Unwahrheit mit untergemischt sei und all' die schönen Reden nur eitel Flunkerei seien. Es war im Jahre iMi. England hatte damals noch nicht den festen Griff wie heute über jene fern gelegenen Provinzen, wie Chitrai, Gilgit u. s. w., kurz, jenen im äußersten Nordwesten gelegenen, ^elkver'e^-nen Winkel, dos „Doch der Welt" genannt, erhalten. Kein Mensch dachte daran, sich mit diesen öden Gegenden zu befassen, nnd das keine russische Armee von dieser Seite nach Indien cinbrechen könnte. Der damalige Maharadscha von Kashmir war jedoch den Engländern gram. Er trat in geheime Verhandlungen mit Rußland, die bis zu einem gewissen Abschluß gediehen waren. Ruß land sollte den ganzen Pamir, Chitral und Hundes, kurz das ganze Gebirgsland nördlich vom eigentlichen Kashmir, erhalten, während Kashmir selbst unter russischen Schutz gestellt wurde. Man braucht nur einen Blick aus die Karte zu werfen, um zu verstehen, welche eminente Gefahr ein derartiges Abkommen für den Bestand der englischen Herrschaft in Indien bedeuten würde. Für Rußland war denn das gewünschte Einfallsthor in Indien gegeben. Bis zu diesem Punkte waren die Verhandlungen gediehen, als die indische Regierung Wind von der Sache bekam. Mit einer überraschenden Schnelligkeit wurde gehandelt. Zur ttcberraschung von Jedermann wurden in größter Eile so viel Truppen, als es möglich war zu verpflegen, in die be drohten Länder Chitral nnd Gilgit geworfen. Die heroische Vcrtbcidignng der kleinen Garnison von Chitral, die von den Eingeborenen monatelang belagert wurde und von allen Hilfsmitteln abgcschnittcn, wacker aushiclt bis Unter stützung kam, wird ein Ruhmesblatt der indischen Armee bilden. Kurzum, es gelang den Engländern damals, den Russen zuvor zu kommen und die Gefahr von dieser Seite war abgewendet. Was aber nun mit dem verrätherischen Maharadscha thun? Es kann kein Zweifel darüber ob walten, daß dies Hochverrat!) der schlimmsten Art war, denn der Maharadscha hatte den Eid der Treue geleistet. Tie richtige und einzige Antwort wäre gewesen, ihn abzu setzen und sein Land zu confisciren, d. h. direct unter britische Verwaltung zu bringen. Dazu konnte man sich aber nicht entschließen, denn man befürchtete einen Rück schlag auf die anderen indischen Fürsten. So ließ man denn den Maharadscha ruhig un Besitz seines Landes und die einzige Bestrafung, die er erlitt, war eine Verringerung der Ehrenbezeigungen. Und diese Verhältnisse sollen sich in zwölf Jahren radikal geändert haben'? Darüber täuschen selbst die rauschendsten Feste nicht hinweg, und hinter all' dem Glanz nnd Prunk im Jahre 1002 lauert noch der Geist der Schwäche, der im Jahre 1300 die Bestrafung des Hoch- vcrräthers verhinderte. Deutsches Reich. /v Berlin, 13. August. Ucber einen inter essanten Fall der Rechtsprechung in der Krankenversicherung wird uns berichtet: Zwei sächsische Ossicierc lmttcn die bei ihnen beschäftigten Dienstmädchen bei einer Ortskrankenkasse — dem Organ der Landes-Versicherungsanstalt — verspätet angemcldet. Die Orts-Z! rankeneassc erstattete bei dem zuständigen Stadtrath Anzeige und ersuchte nm Einleitung der Straf verfahren gegen die beiden Ossicierc. Ter Stadtrath lehnte ein Vorgehen ab, da er dazu nicht zuständig sei. Daraufhin wendete sich die Orts-Krankeneasse, um eine Entscheidung bittend, an die Krcishauptmannschaft Leipzig, die den Rekurs zurückwics, da die Erklärungen des Stadl raths, daß er zu einem Einschreiten nicht zuständig sei, durch die Militärstrafgcrichtsordnnng hinreichend gerecht fertigt würden. Die Landesversichernngsanstalt König reich Sachsen, die demnächst angernfen wurde, wies die Caste an, sich an die militärischen Instanzen zu wenden. Diese erklärten ihre Unzuständigkeit, die (fasse rief dann das sächsische Ministerium des Innern an. Dann wurde die Sache bei dem sächsischen Obervcrwaltungsgericht an hängig gemacht. Dieses wies die Anfechtungsklage ab. Sie konnte nach der getroffenen Entscheidung nicht für zulässig erachtete werden, da die Klägerin nicht als „Be theiligtc" im Sinne von 8 73 des Invaliden-Vcrsichc- rungs-Gesetzcs zu erachten und deshalb nicht zur Klage erhebung berechtigt sei. Betheiligt im Sinne dieser Gcseyesvvrschrift sei nicht schon derjenige, der in irgend einer Weise an der Sache ein Interesse habe, weil ihr Ansgang auch auf ihn günstig oder nachtheilig zurückwirkc, sondern lediglich der, über den die Entscheidung der Ver waltungsbehörde ergangen ist, demgegenüber sie also be stimmt, was für ihn Rechtens sein soll. Handelt es sich, wie im vorliegenden Falle, um eine strafbare ttcber- trctung, so ist die Berechtigung zur Herbeiführung einer Bestrafung des Thäters, zur Einlegung von Rechtsmitteln gegen eine ablehnende Entschließung der Verwaltungsbe hörde 1. Instanz und folgerichtig auch zur Erhebung der Anfechtungsklage nach dem Dafürhalten des Oberver- waltnngsgerichts im Allgemeinen von denselben Voraus setzungen abhängig, die für das Verfahren vor den ordent lichen Strafgerichten in Officialsachcn gelten. Demnach Faitillatan. Das Fraulein von Saint-Sauveur. 10s Roman von Gröville. (Nachdruck verboten.) „Wenn dem so ist", sprach Frau von Tournelles erregt; denn sic befürchtete jeden Augenblick, daß sich ihre Tochter ,zu einer heftigen Acnßerung Anreißen lassen könnte; „so bitte ich Euch um die Erlaubniß, mich zurückzuziehen. Ich bin nicht mehr jung und sehr müde." „Ich glaube, daß unsere lieben Gäste gleichfalls schon gerne zur Rnhe gehen werden", sagte Aolandc und klingelte. Ter Diener trat ein und trug die Tasse mit den Liqueurflaschen hinaus. Chantefleur blickte ihm nach, so lange er ihn sehen konnte, und sein Gesicht nahm einen sehr düsteren Ausdruck an. „Mama, ich begleite Dich", fuhr die schonungslose junge Dame fort. „Gute Nacht, meine Lieben; wenn Sie noch hier bleiben wollen . . ." „Nein, nein, wir gehe» hinauf", erwiderte Cölestine. Man wünschte sich verdrießlich und mit eiskalter Miene gute Nacht. Als Chantefleur in seinem Zimmer war, ließ er sich schwerfällig in einen Fauteuil fallen. „Herrgott, sind das Aufschneiderinnen!" knurrte er. „Weshalb hast Du aber auch von der Chartreusc ge trunken? Wir waren doch übcreingckommcn ,. ." be gann seine Fran heftigen Tones. „Halte den Mund!" fuhr sie ihr edler Gatte an. „Zum Glück habe ich meinen Kürbis mit mir." Er öffnete seinen Koffer und entnahm demselben eine schöne Rciseslasche in einem Futteral ans grauem Hirsch leder. Er machte daraus einen langen Schluck und hielt erst an, als ihm der Athen» zn versagen drohte. „Morgen wird Alles spurlos vorüber sein", sagte er zufriedenen Tones. „Da, Alte, trink auch einen Schluck Cognac und sei friedlich." Sie zuckte die Achseln, streckte die Hand nach der Flasche aus und befolgte das Beispiel ihres Gatten. Als sich Ehantcslcur an, nächsten Morgen erhob, rührte er seinem Versprechen gemäß nicht an die Cognacslasche. obschon ihm dies schwer zu fallen schien; dagegen richtete er die folgende kleine Rede an feine bessere Hälfte: „Da wir jetzt ungestört sind, Cölestine, so will ich Dir sagen, daß wir hier nichts mehr zu suchen haben, daß mir uns genügend belehren ließen. Du hast ihre Wagen und Diener mustern können, hast gehört, wie man zu ihnen spricht und wie sie keine Antwort geben. Das ist eine sehr gute Lection. Dann hast Du auch gesehen, wie man sich halten und sprechen muß. In den feinen Kreisen nämlich. Wenn inan bedenkt, daß diese alte gute Frau von Tournelles ebenso ungebildet war wie wir! Und welch ein Ansehen sie sich jetzt zu geben weiß! Sie fühlt sich in ihrem Schloß so wohl, wie ei», Fisch im Wasser; das Gleiche wird bei Dir der Fall sein. Nun aber können wir wieder nach Hause gehen, weil wir nichts mehr zu lernen haben. Sie hätten Freunde und Bekannte ei»,laden müssen, um »ms mit denselben bekannt zu machen; allein seit gestern weiß ich durch den Kutscher, daß man für die nächsten Tage Niemanden erwartet, und daß sogar die Leute, die bisher im Schlosse zu Gaste waren, plötzlich abgcreist sind. Sie sind eben reicher als wir — für den Augenblick wenigstens — und wir können nicht daran denken, sie nachzuahmcn. Sie geben jährlich wenigstens fünfzigtausend Fyankcn aus . . ." „Meiner Tante, die so geizig ist, muß das nicht wenig schmerzlich sein!" „Das ist ihre Sache. Wir gehen »rach Hause! Dort wirst Du auch ein hübsches Schloß und einen Garten haben." „Ich will ein Blumenbeet haben, wie dieses hier!" er klärte Cölestine, auf die sich unter dem Fenster ansdehncn- dcn Blumcnanlagen dcntcnd. „Sollst Du auch haben. Das wird nicht schwer halten; denn man braucht blos dicBäume forthauen zu lassen, die vor den» Hause ein solches Dickicht bilden. Bist Du nun zufrieden? Und nur, packe unsere sieben Sachen. Ich mache mich anheischig, sie von unserer Abreise in Kcnntniß zn setzen, ohne daß sic darob Thränen vergießen sollen. Denn sic hängen jedenfalls mit außerordentlicher Liebe an uns!" „Wir waren für drei Tage eingeladcn worden; was wirst Tu ihnen als Vorwand sagen?" „Ich werde sagen, daß ich morgen meine Erdarbeiter bezahlen muß und das ganz vergessen habe. Was haben schließlich Worte zu bedeuten, »venu inan sich nur das Aus sehen giebt, daß man aufrichtig spricht, und die Leutc eine Miene machen, als würden sie uns glauben ?" Darnach trafen die beiden Ehegatten ihre Vorbe reitungen zur Abreise, die sich ohne Schwierigkeiten voll zog, nachdem man blos einige wenige Einwendungen zn entkräften hatte, die nur der Form halber erhoben wurden. Elftes Capitel. Im Hause der Frau von Ornys fühlte sich Jehan von Olivettes lange nicht so behaglich, wie auf Schloß Tonr- nclleS; sie war, was man eine ganze Frau nennt, nnd zeitweilig bedauerte er bereits, daß er ihrer Einladung Folge geleistet hatte. Sie hatte eine Art, ihn anzublickcn, wenn er sein Selbstbcwußtscin leuchten ließ, daß seine Begeisterung flügellahm wurde. Er wußte indessen, daß cr an» nächster» Mittwoch Antoinette sehen werde und diese Aussicht verlieh ihn» die Kraft, sich zn beherrschen, ohne feinen Unmuth merken zu lassen. Er arbeitete auch; denn sei»» kleiner Vorrath an Gedichten, den er mit sich ge bracht hatte, begann den Reiz der Neuheit zu verlieren, und da er nicht leicht arbeitete, so kam es ihn fürchterlich schwer an, liebenswürdig zu sein und dabei absonderliche Alliterationen für seine albernen Ideen zu finden. Mit einem Male hatte Jehan eine geniale Eingebung. Ain Mittwoch Morgen schlitzte er Kopfschmerz vor, den cr vielleicht auch wirklich empfand, da er sehr schlecht ge schlafen hatte, und bat daher um die Erlaubnis», vom Früh stück fcrnznbleiben. Als er wußte, daß Jedermann bei Tische saß, verzehrte er eiligst die Suppe und das weiche Ei, welches er »ich geben ließ, und begab sich in den Garten hinunter, um Gedanken zu suchen, oder etwas anderes, was in» Nvthsallc für einen Gedanken gelten konnte. Im Hintergründe des in» englische»» Stil gehaltenen Gartens auf einer Hvlzbank sitzend, begann der Dichter nachzudenkcn, statt Reime zu schinicdcn. War er verliebt in Antoinette? Gerne hätte er sich selbst davon überzeugt; denn Fräu lein von Saint-Sauveur war eine der schönsten Frauen, die er im Leben gesehen; allein sein Gewissen — denn er halte eines — verneinte die Frage. Die herrliche Er scheinung des jungen Mädchens weckte nichts in ihm, was der Liebe geglichen hätte; doch wenn er ihre Liebe zn er wecken im Stande wäre, so würde er ihr die Bewunderung, die sie verdiente, voll nnd ganz bezeugen. Weshalb er sic eigentlich nicht liebte? - Weil er fühlte, daß sic vollkommen verschieden von ihm sei; denn sic gehörte einer anderen Welt — er hätte lieber gesagt: einem anderen Planeten — an, nnd weil er in- stinctiv fühlte, daß sic unerbittlich über ihn urtheilen würde, wenn sie ihn näher kennen lernet» würde, was sein Stolz als Mann und als Dichter aber natürlich nicht zngcben wollte .... Und er fürchtete sich vor ihren» Unheil. Diese Gedanken zogen ihm durch den Kopf, und gern hätte cr dieselben in Verse verwandelt; doch vermvchtc er eS nicht. Und selbst wenn cr cs in Stande gewesen wäre, so hätte er eS auch nicht gethan. Dennoch »vollte er etwas Neues schassen, etwas Neues für sic . . . Wäre eS indessen ein so großes Unglück, wenn sic ihn näher kennen lernen und über ihn nrtheilen würde, wenn man einmal mit ein ander verheirathet war? Wäre er der einzige Mann, dessen Fran nach der Vermählung enttäuscht war ? . . . Vermählung! Wie leicht er sich das vvrstelltc! Und wenn der Marquis „Nein" sagte ? Er hatte sich sagen lassen, das» Antoinette von mütter licher Seite ans auch sehr reich sei und das; ihr stolzer Charakter sic sehr wohl befähigen würde, selbst ihrem Vater Trotz zn bieten. Ja, wenn er nur ihre Liebe ge winnen könnte! Damit wären ja alle Hindernisse besiegt; denn der Marquis würde sich nachträglich sicherlich be sänftigen lassen, so erzürnt cr im Anfänge auch sein mochte. Und die Verse wollten noch immer nicht qnillen! Jehan drückte sich die Fäuste auf die Augen nnd begann die Form zu kneten. Der Inhalt wird noch immer gut geling aussallei». Er begann mit langen Schritten aus- und abzugehen, wanderte über die gekrümmten Wege des schönen Gartens, stieß mit den Ellenbogen gegen die Scheiben des Treib hauses, verirrte sich sogar, fand sich wieder zurecht, lies» sich wieder auf der Bank nieder, ans der er ursprünglich gesessen, und kehrte schließlich in das Schloß zurück, als schon die ersten Gäste vorznfahrcn begannen. „Rechtzeitig genug, um mich umzulleidcn und ein wenig zn verspäten", sagte er sich. „Wenn mir nur mein Ge dächtnis» keinen Streich spielt . . . Ich will das Ding lieber nicderschreibcn; denn sicher ist sicher." Mit hastiger Hand warf cr das „Ding", das ihm so viel Mühe gekostet, auf das Papier, steckte es in die Tasche, kleidete sich rasch nm nnd fand sich im Salon ein, nm von seiner Hausfrau einen t>alb ironischen, ball» wohlwollen den Blick zu erhalten. Er wurde wie gebührend vorgcstcllt, von der Seite, von vorne nnd von rückwärts in Augen schein genommen und schonungslos zergliedert; denn nach dem er den erste»» Hauch des ttiibetanntcn verloren, besaß cr bereits eine nicht unbeträchtliche Zahl von Neidern. Als
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