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|„Das russische Element in meiner Musik im allgemeinen — das heißt die dem russischen Lied verwandte Art und Weise der Melo dieführung und ihre Harmonisierung — ist darauf zurückzuführen, daß ich, in völliger Weltabgeschiedenheit geboren, von frühester Kindheit an von der unbescheiblichen Schön heit der charakteristischen Züge der Volks musik durchdrungen war und ich das russi sche Element in allen seinen Erscheinungs formen bis zur Leidenschaft liebe, mit einem Wort, daß ich eben ein Russe bin im erschöp fendsten Sinne des Wortes." Diese Worte Peter Tschaikowskis treffen in be sonderer Weise auf seine in den Jahren 1877/ 11878 (in unmittelbarer Nachbarschaft zur Oper „Eugen Onegin") entstandene, am 10. Februar 1878 in Moskau uraufgeführte Sin fonie Nr. 4 f-Moll o p. 3 6 zu, in der sich eine starke innere Beziehung zur Volks musik seiner Heimat deutlich widerspiegelt. Eine schwere, durch das Scheitern seiner un glücklichen Ehe bedingte Lebens- und Schaf fenskrise des Meistes, aber auch der Beginn neuer künstlerischer und menschlicher Gesun dung fanden in dieser Sinfonie ihren Nieder schlag. Tschaikowski widmete das Werk seinem „besten Freunde", seiner Gönnerin Nadjeshda von Meck, die ihm seit 1877 als verständnis volle seine Musik bewundernde Freundin zur Seite stand und ihn durch finanzielle Unter stützung für lange Zeit von materiellen Sor gen unabhängig machte. Durch den hochin teressanten Briefwechsel zwischen dem Komponisten und Frau von Meck, die sich übrigens bekanntlich persönlich niemals ge sehen haben (was Anlaß zu zahlreichen ro manhaften Deutungen dieses ungewöhnli chen Freundschaftsverhältnisses gegeben hat), erhalten wir gerade im Falle der vierten Sinfonie wesentliche Aufschlüsse über Haltung und Anliegen des Werkes. Obwohl Tschai kowski anderen (so auch seinem Schüler Sergej Tanejew) gegenüber leugnete, daß die neue Sinfonie programmatisch zu deuten sei, berichtete er jedoch Frau von Meck in einem ausführlichen Brief von einem eigent lich nur für sie bestimmten Programm der ein zelnen Sätze: „Unsere Sinfonie hat ein Pro gramm, das heißt, es besteht hier die Mög lichkeit, in Worten darzulegen, was sie aus zudrücken sucht." Der sehr umfangreiche erste Satz beginnt mit einer Einleitung, die nach Tschaikowski „den Keim der ganzen Sinfonie, ohne Zwei fel die Kernidee" enthält; der rhythmisch prägnante Triolengedanke des Anfangs sym bolisiert das „unerbittliche Fatum, jene Schick salsgewalt, die unser Streben nach Glück hindert, die eifersüchtig darüber wacht, daß Glück und Friede nicht vollkommen und un getrübt seien". Neben diesem Grundthema bestimmen zwei weitere Themen, eine schwe bend-elegische, sehnsüchtige Walzermelodie, das eigentliche Hauptthema, und ein liebli cher, von der Klarinette vorgetragener Seiten gedanke den an großen dramatischen Steige rungen, Kämpfen und Auseinandersetzungen ungemein reichen Satz, der in unerbittlicher Härte endet. Liedhaft-schlicht ist das folgende lyrische An- dantino mit seinem ausdrucksvollen volks liedartigen Hauptthema. „Das ist jenes me lancholische Gefühl, das sich des Abends ein stellt, wenn man allein dasitzt, von der Arbeit ermüdet. Ein ganzer Schwarm von Erinnerun gen taucht auf. Das Leben hat einen er schöpft. Wie schön ist es, auszuruhen und zu rückzublicken. Vieles kommt einem ins Ge dächtnis zurück. Es gab freudige Augenblicke, in denen das junge Blut überschäumte und das Leben einen befriedigte. Es gab auch schwere Augenblicke, unersetzliche Verluste. All das liegt schon irgendwie in der Ferne. Traurig und doch süß ist es, in die Vergan genheit hinabzutauchen . . ." „Der dritte Satz drückt keine bestimmten Empfindungen aus. Es sind allerlei Bilder, die einem durch den Sinn schweben, wenn man ein Gläschen Wein getrunken hat und leicht berauscht ist. Es ist einem weder heiter noch traurig ums Herz. Man denkt an nichts, gibt die Vorstellungskraft frei. Da taucht plötzlich das vergessene Bild eines betrunkenen Bäuer leins und ein Gassenhauer auf . . . dann zieht irgendwo in der Ferne Militär vorüber. Es sind abgerissene Bildfetzen, wie sie uns beim Ein schlafen durch den Sinn huschen" (Tschai kowski). Dieser Scherzo-Satz besticht vor al lem durch seine wirkungsvolle, aparte Instru mentierung. Während im ersten Teil, Pizzikato ostinato, nur Streicher eingesetzt werden, kommen im zweiten Teil ausschließlich Holz bläser, im dritten Teil nur Blechbläser zur An wendung, und „am Schluß plaudern alle drei Gruppen nacheinander in kurzen Phrasen". Variationen über das russische Volkslied „Auf dem Feld die Birke stand" enthält das stür misch einsetzende Finale. Die Düsternis des ersten Satzes wird hier schließlich in ein fest lich glänzendes Dur umgewandelt, obwohl auch das Schicksalsmotiv der Einleitung wie der aufklingt. Lassen wir noch einmal die Deutung des Komponisten sprechen: „Wenn du in dir selbst keine Gründe zur Freude fin dest, dann schau auf die anderen Menschen. Geh unter das Volk, sieh, wie es sich zu ver gnügen versteht, wie es sich schrankenlos den Gefühlen der Freude hingibt . . . Ein Volksfest findet statt. Doch kaum hast du dich selbst vergessen in der Betrachtung fremder Freu den, als das Fatum, das unentrinnbare Schick sal, aufs neue erscheint. Aber die anderen kümmern sich nicht um dich. O, wie fröhlich sie sind! Wie sind sie glücklich, weil alle ihre Gefühle unbefangen und einfach sind! Und du willst immer noch behaupten, daß alles in der Welt düster und traurig ist? Es gibt noch so viele einfache und schlichte Freude, und — du kannst leben!" Tschaikowski dirigierte übrigens am 20. Fe bruar 1889 im 5. Philharmonischen Konzert die Dresdner Erstaufführung seiner 4. Sinfonie, die nach seinen Worten „Sensation erregt hat". VORANKÜNDIGUNGEN: Mittwoch, den 25. November 1981, 19.30 Uhr (Freiverkauf) Festsaal des Kulturpalastes Dresden GASTSPIEL DES STAATLICHEN AKADEMISCHEN SINFONIE-ORCHESTERS DER UDSSR MOSKAU Dirigent: Wladimir Werbitzki, Solist: Waleri Klimow, Violine Werke von Mussorgski, Chatschaturjan und Tschaikowski Donnerstag, den 26. November 1981, 20.00 Uhr (AK J) Freitag, den 27. November 1981, 20.00 Uhr (Freiverkauf) Festsaal des Kulturpalastes Dresden 2. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Herbert Kegel Solistin: Annerose Schmidt, Berlin, Klavier Werke von Rachmaninow und Bruckner Freitag, den 8. Januar 1982, 20.00 Uhr (Anrecht A 1) Sonnabend, den 9. Januar 1982, 20.00 Uhr (Anrecht A 2) Festsaal des Kulturpalastes Dresden Einführungsvorträge jeweils 19.00 Uhr Dr. habil. Dieter Härtwig 5. PHILHARMONISCHES KONZERT Dirigent: Johannes Winkler Solist: Anton Kuerti, Kanada, Klavier Werke von Bach/Goldmann, Mozart und Bruckner Programmblätter der Dresdner Philharmoniker Redaktion: Dr. habil. Dieter Härtwig Die Einführung in die 4. Sinfonie von A. Dvorak schrieb unsere Praktikantin Sabine Bösche vom Fachbereich Musikwissenschaft der Karl-Marx-Universität Leipzig Spielzeit 1981 82 — Chefdirigent: Prof. Herbert Kegel Druck: GGV, Prod.-Stätte Pirna 111-25-12 ItG 009-57-81 EVP 0,25 M 4 - PHILHARMONI SCHES KONZERT 1981/82