Volltext Seite (XML)
1973 mit der Staatskapelle Dresden unter Arvid Jansons uraufführte. Das Werk „umspannt einen großen Bogen vom suchenden Anfang des mit weitem Atem geschriebenen, zu ausdrucksintensiven Steigerungen führenden langsamen ersten Teil, über den durch eine rasante Kadenz eröffneten schnellen Teil, der zu einem riesenhaften Kulminationspunkt anwächst, bis hin zur Erinnerung an das Rezitativ aus dem Finale von Beethovens 9. Sinfonie und dem daran anknüpfenden, ge wichtigen Ausklang; gestaltet in großer thematischer Dichte, mit einer in den differenziert durchgearbeiteten Orchesterapparat einbezogenen, imponierenden Virtuosität des Soloparts, mit klanglichem Reichtum und melodischer Intensität im Dienste beeindruckenden musikalischen Erlebens" (E. Steindorf). Als einen der bedeutendsten Komponisten der Gegenwart, dessen Werke sich in der ganzen Welt allgemeiner Anerkennung erfreuen, und den man heute als den größten lebenden Sinfoniker schätzt, darf man Dmitri Schostako- witsch bezeichnen. 1906 in Petersburg geboren, erhielt er seine Ausbildung am Leningrader Konservatorium, an dem er von 1937 bis 1941 als Professor tätig war. Seit 1943 lehrte er am Moskauer Konservatorium. Schostakowitschs 12. Sinfonie erhärtet abermals die Überzeugung des Kompo nisten, daß auch textlose Musik nicht ohne Beziehung zur gesellschaftlichen Ent wicklung bestehen kann. Schon der Einundzwanzigjährige betitelte seine 2. Sin fonie als „Sinfonische Widmung an den Oktober'', und die 3. Sinfonie trägt die Bezeichnung „Erste-Mai-Sinfonie". Seine 7. Sinfonie, 1941 während der Belage rung Leningrads entstanden, nahm der Komponist zum Anlaß, um in ihr, der „Leningrader", den Kampf und die Siegeszuversicht des sowjetischen Volkes zum Ausdruck zu bringen, und in seiner 11, Sinfonie „Das Jahr 1905" gab er in künstlerischer Form einen Rückblick auf die russischen revolutionären Ereig nisse des Jahres 1905. Es war nachgerade selbstvertändlich, daß Schostakowitsch auf dem Wege der politischen Durchdringung seines sinfonischen Schaffens fort schritt und seine 12. Sinfonie den weltbewegenden Ereignissen des Jahres 1917 widmete. Die Partitur des anläßlich des XXII. Parteitages der KPdSU uraufge führten Werkes trägt die Widmung „Dem Gedächtnis Wladimir Iljitsch Lenins". Die Krönung des Leninschen Kampfes, die Errichtung der Sowjetmacht, ist der gewaltige Inhalt des Werkes. Überschriften der einzelnen Sätze geben der Phan tasie Hilfen, in welcher Richtung sich unsere Vorstellungen, Gefühle und inne ren Bilder beim Erklingen der Tondichtung bewegen sollen. Der erste Satz trägt die Bezeichnung „Das revolutionäre Petrograd". Der heroi schen Haltung und den kühnen Entschlüssen der Männer jener historisch ent scheidenden Tage entsprechend, hat der Satz kämpferischen, oft marschartigen Charakter, wobei Melodiefetzen des Liedes „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit" hereinzuflatlem scheinen. In kompositionstechnischer Hinsicht ist die innere Ein heitlichkeit und Verwandtschaft der Themen und Motive dieses ersten Satzes hervorzuheben, die im Verlauf der Sinfonie — ihre Ideenverbindung unterstrei chend — noch weiterhin von Bedeutung werden. Schostakowitsch hat seine 12. Sinfonie streng nach dem Prinzip der klassischen viersätzigen Sinfonie angelegt, wobei allerdings — aber auch hierfür hat er große Vorbilder — die einzelnen Sätze pausenlos ineinander übergehen. Nach klassischem Muster folgt an zweiter Stelle der langsame Satz, über ihm steht in der Partitur das Wort „Rasliw". Dieser Hinweis auf den nahe der dama ligen Hauptstadt gelegenen kleinen Ort, in dem sich Lenin eine Zeitlang vor seinen Verfolgern verbarg, gibt dem Hörer einen Anhalt für den sinnenden, in tiefe Gedanken versunkenen Charakter dieses Satzes. Man hat den Eindruck, als ob der Komponist die weite Landschaft des russischen Nordens in Tönen ein fangen wollte und zugleich mit ihr die philosophischen Betrachtungen Lenins, in dem damals der Wille zum revolutionären Kampf reifte. Dieser nimmt dann im dritten Satz, der an Stelle des klassischen Sinfoniescher zos steht, hörbare Gestalt an. Der Salz trägt seinen Namen „Aurora" nach jenem schon legendär gewordenen Kreuzer der russischen Flotte, der die Oktoberre volution des Jahres 1917 durch seine Schüsse auf das Petrograder Winterpalais entscheidend beeinflußte. In diesem Teil verwendet Schostakowitsch noch unge hemmter als vordem naturalistische Geräuscheffekte zur Darstellung des Kampf lärms, so daß unverkennbar die Salven des Kreuzers „Aurora" erdröhnen. Bedeutete schon der Name „Aurora" die Morgenröte, so schildert der Komponist im Schlußsatz der Sinfonie — wie die Überschrift noch einmal nachdrücklich be sagt — „Die Morgenröte der Menschheit". Es versteht sich, daß ein solcher Satz in seinem Grundcharakter optimistisch und freudenvoll ist. Ehe es jedoch zu dem triumphalen Durchbruch dieser Gedanken kommt, erinnern wir uns noch mals der Kämpfe und Nöte, die dem epochalen Schritt des Menschen in das Neue vorangegangen sind. Deshalb zitiert Schostakowitsch bedeutungsvoll die Thematik des ersten Satzes, bis schließlich im hellen Glanz des ganzen Orche sters der Sieg der Zukunft widergespiegelt wird und wir als Hörer mit der frohen Gewißheit entlassen werden, Zeitgenossen der bedeutungsvollsten gesellschaft lichen Umwandlungen der Menschheit zu sein. VORANKÜNDIGUNGEN : Mittwoch, den 25., und Donnerstag, den 26. September 1974, jeweils 20.00 Uhr, Kulturpa'ast 2. AUSSERORDENTLICHES KONZERT FESTKONZERT ZUM 25. JAHRESTAG DER DDR Dirigent: Günther Herbig Solist: Wladimir Krainew, Sowjetunion, Klavier Werke von Geißler, Tschaikowski und Beethoven Freier Kartenverkauf Donnerstag, den 7. und Freitag, den 8. November 1974, jeweils 20.00 Uhr, Kulturpalast Einführungsvorträge jeweils 19.00 Uhr, Dr. habil. Dieter Hartwig 3. PHILHARMONISCHES KONZERT Dirigent: Heinz Bongartz Solist: Johannes-Ernst Köhler, Weimar, Orgel Werke von Mozart, Bach und Tschaikowski Anrecht A Programmblätter der Dresdner Philharmonie — Spielzeit 1974/75 — Chefdirigent: Günther Herbig Redaktion: Dr. habil. Dieter Härtwig Druck: GGV, Produktionsstätte Pirna - 111-25-12 2,85 JtG 009-78-74 Die Einführungen in die Werke von Wagner und Schostakowitsch stammen von Prof. Dr. H. Pischner und Prof. Dr. R. Petzoldt (j - ) »hiHnannrromio 2. PHIL H ARMONISCHES KONZERT 1974/75