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Schönburger Tageblatt SrlchLMt täglich lütt Ausnahme der Tag» «sch Svnn- und Festt«Skn. ERnahrne von Jnsersisn für dis nächster» scheinende Nummer bis nachmittags 2 Uhr. Ber Abonnementspreis betrügt visrieljähr« lich 1 SM. LS Pf. Inserate pro Zeile 10 Ps., Einzes. 20 Pf. Kzpediiion: Waldenburg, Obergasie 2S1s. — A»tÄlE str drs MLirÄtz M Maldeshmg. Zugleich weit verbreitet in den Städten Penig, Lunzenau, Lichteuftein-Callnberg und in den Ortschaften der FUlattN: in UMadtwaldenburg bei Herrn Kaufmann Otto Förster; tn Prnig bri Herrn Kaufmann. Rob. Härtig, Mandeigasss: in Rochsburg bei Herrn Paul Zehl; in Lunzenau Lei Hrn. Buchhändler E. D-etze; in Wechselburg bei Herrn Schmied Weber; in Lichtenstein b. Hrn.Vuchh. I. Wehrmann. nachstehenden Standesamtsbezirke: Altstadt-Waldenburg, Braunsdorf, Callenberg, St. Egidien, Shrenhain, Frohnsdorf, Falken, Krumbach, Kaufungen, Langenchursdorf, Langen« Lsuba-Niederhain, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Obergräfenhain, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rußdorf, Schlagwitz, Schwaben, Steinbach, Wechselburg, Wiederau, Wolkenburg und Ziegelheim. M 1V. Sommbeiid, den 19. Januar 1889. WiLLerungsaussichten für den 19. Januar: Fortdauernd heiteres und trockenes, etwas milderes Wetter. Barometerstand am 18. Januar, nachmittags 3 Uhr: 771 mm. Gestiegen. Justizminister Friedberg fein Amt nieder- gelegt. ''Waldenburg, 18. Januar 1889. Die vom „Deutschen Reichsanzeiger" veröffentlichte Anklageschrift im Geffckcn-Prozeß stellt interessante Thatiachen bezüglich des Urhebers der Tagebuch-Pu- blication fest. Es geht daraus hervor, daß Gesfcken Mitschuldige nicht gehabt hat, eber sowenig hat es sich auch um eine Verschwörung verschiedener Personen gehandelt, deren Ziel der Sturz des Reichskanzlers war. Die Sachlage ist die folgende: Professor Geff- cken gehört zu den klugen Leuten, die nur den Fehler haben, daß sie sich für klüger als alle anderen Menschen halten. Er mokirt sich selbst über seinen Gönner, den Kai- serFriedrich, und veröffentlichtdas Tagebuch, um die Leute, welche seineKlugheit nicht gehörig würdigen, besonders den Reichskanzler, gehörig zu ärgern. Daß Gesfcken daran gedacht hat, künftig noch eine glänzende Rolle zu spielen, geht aus der beschlagnahmten, für Kaiser Wilhelm II. bestimmten Denkschrift hervor, in welcher er sich als ein starrer, hochcouservativer Fanatiker zeigt. Geht er doch so weit, die Aushebung des geheimen Wahrechtes zum Reichstage zu fordern. Daneben ist er Partikularist vom reinsten Wasser, stellt die Sonder interessen über die Gesammtheit der Reichs-Interessen. Daß ein solcher Mann trotz aller Klugheit in seiner Eitelkeit doch einmal eine grenzenlose Dummheit be gehen kann, ist erklärlich; und da haben wir die Lösung des Geffcken-Falles. Die Thatsache, daß die Proklama tionen Kaiser Friedrichs von ihm ausgearbeitet sind, ist nicht überraschend. Derartige Schriftstücke rühren ja nie vom Monarchen selbst her, sondern werden von demselben nur begutachtet, resp. vervollständigt. Auch die ersten Erlasse Kaiser Wilhelm's II. sind von Ver trauenspersonen ausgearbeitet. Was bei dem ganzen Verhalten Geffckens am meisten verstimmen muß, ist die Thatsache, daß er das vom Kaiser Friedrich in ihn geletzte Vertrauen täuschte. Kaiser Friedrich gab ihm das Tagebuch zur vertraulichen Durchsicht, und solche Privatpapiere nützt man ohne Erlaubniß nie aus. Wie Gesfcken den Kaiser kannte, mußte er wissen, was er zu thun und zu lassen hatte. Gerade weil Kaiser Friedrich plötzlich verstarb, kam ihm nicht zu, eigen mächtig in die Speichen drs Weltrades eingreifen zu wollen. Die in der Anklageschrift unter den Zeugen genannten Herren von Stosch und von Roggenbach sind als Vertraute Kaiser Friedrichs längst bekannt, aber bei der Tagebuch-Publication nicht betheiligt ge wesen. Erwähnt mag noch sein, daß Gesfcken auch nicht politisch wahr gewesen ist. Dem Kaiser Fried rich zeigt er gewissermaßen liberale Tendenzen, und in der Denkschrift für Wilhelm II. zeigt er sich als Reaktionär. Das ist nicht charakterfest und in keinem Fall zu billigen. Es erklärt sich nur aus dem eitlen Wunsche, in jedem Falle eine Rolle spielen zu wollen. Ueber die neuen russischen Truppenverstärkungen wird aus Petersburg berichtet. In der letzten Stunde des alten (russischen) Jahres bestätigte die Regierung die ohnehin feststehende Thatsache, daß ihr Augenmerk auf die Erhöhung des Bestandes der Landtruppen ge richtet ist. Die eben angrordnete Vermehrung der Schützenregimenter ist nur ein Glied in der Reihe der Militärreformen, die mit Truppendislocationen be gannen und in der Verlängerung der Dienstzeit und Maßnahmen zur Beschleunigung der Mobilisirung im Kriegsfälle eine nicht mißzuverstehende Erklärung er hielten. Wie die im November angeordnete Vermehrung der Truppen der Grenzbezirke um zwei Infanterie divisionen nebst Artillerie hat auch der neue Tagesbe fehl, betreffend die Vermehrung der Schützen speciell die Verstärkung der Westgrenze im Auge und Alles spricht dafür, daß es mit diesen Reformen noch nicht sein Bewenden hat. Es werden zwanzig neue Schützen bataillone errichtet, was für den Krieg eine Armee verstärkung um etwa 10,000 Mann bedeutet. Als im vorigen Jahre die neue Anleihe von 500 Millionen Franken ausgenommen wurde, hieß es allgemein, die Summe solle nicht zu militärischen Zwecken verwendet werden. Was davon zu halten ist, zeigt sich jetzt, und wenn das Jahr 1889 zu Ende, wird Rußland seine Rüstungen abermals erheblich vermehrt und abermals kein Geld haben. Das Vollpfropfen der Westgrenze mit Soldaten thut indessen nicht gut und wird noch s viel mehr üble Folgen zeigen, als schon der Fall ge- s wesen. Ausbildung und Gesundheit der Mannschaften ! leide» erheblich; die großen Zahlen allein thun es nicht, ! es muß auch etwas dahinter stecken. Politische MmSschrm. Deutsches Reich. Kaiser Wilhelm hielt am Donnerstag wieder bei - Bückeburg eine Hirschjagd bei prächtigem Wetter ab, von welcher am Nachmittage die Rückkehr erfolgte. ' Jnsgesammt hat der Kaiser an 80 Slück Wild an beiden Jagdtagen erlegt. Nach einem Abschiedsdiner trat der Monarch am Abend unter lebhaften Kund- ' gedungen die Rückreise nach Berlin an, wo die Ankunft gegen Mitternacht erfolgte. Am Freitag wird der Kaiser ein Capitel des schwarzen Adlerordens abhalten, zu welchem zahlreiche Fürstlichkeiten in Berlin eintref fen. Die Kaiserin Augusta hat das Protektorat über den Luisen-Orden niedergelegt. Ihre Nachfolgerin wird . die Kaiserin Augusta Victoria. Wie über Kiel gemeldet wird, trifft die Kaiserin Friedrich Mitte Februar auf der englischen Königs yacht in Hamburg ein und begiebt sich von dort zum Prinzen Heinrich nach Kiel. Die Budgetcommission des Reichstages beschäftigte sich am Donnerstag mit den neuen Schiffsbauten, doch wurde eine Entscheidung noch nicht getroffen. Es wurde constatirt, daß daraus mit Geschütz- und Tor pedoarmatur eine einmalige Ausgabe von 160 Millio« j nen Mark, eine dauernde Ausgabe von 3'/r—4 Mil- s lionen erwächst. Verschiedentlich wurde aus technischen s Gründen Widerspruch gegen die Bauten laut. Von s der Marineverwaltung wurde aber erwidert, das schwere Geschütz habe gegenwärtig über dem Torpedo die Ober hand behalten, deshalb müssen auch schwere Panzer schiffe für die Küstenvertheidigung angeschafft werden. Im Interesse der Wehrkraft soll ein neues Land gestüt im preußischen Regierungsbezirk Königsberg, in der Nähe von Braunsberg, errichtet werden. Als erste Rate dafür werden 139 Mark gefordert. Der Prinz-Regent Luitpold von Bayern hat dem preußischen Gesandten Grafen Rantzau, dem Schwie gersohn des Reichskanzlers, das Großkreuz des Ver dienstordens vom heiligen Michael verliehen. Herr Windthorst, welcher am Donnerstag in sein 78. Lebensjahr eintrat, war im Reichstage der Gegen stand zahlreicher Beglückwünschungen durch Mitglieder aller Parteien. Auf dem Pult vor seinem Platze prangte ein prächtiges Blumenbouquet, abends fand dem Geburtstagskind« zu Ehren ein Festessen statt. Nach dem amtlichen Fractionsverzeichniß des preußischen Abgeordnetenhauses zählt die konservative Partei 124, das Centrum 98, die nationalliberale Partei 87, die freiconservative 66, die freisinnige 29, die der Polen 15 Mitglieder. Keiner Partei gehören 12 Mitglieder an. Erloschen sind die Mandate für 3. Köslin, 7. Arnsberg. Am letzten Sonntag wurden von badischen Grenz aufsehern 6 Personen am Rhein verhaftet, welche un ter ihren Kleidern Packete mit verbotenen socia- listischen Schriften einschmuggeln wollten. Die selben gaben an, von einem unbekannten Mann in Basel zum Transport angeworben zu sein, der ihnen jenseits ter Grenze neue Verhaltungsmaßregeln geben wollte. Von den in Apia verwundeten deutschen Seeleuten ist der Lieutenant zur See Spengler gestorben. Das Befinden der Uebrigen ist gut. Die Namen mit Ausnahme des Lieutenants Burchardt werden brieflich Mute Februar in Deutschland erst bekannt sein. Der Reichskanzler machte am Donnerstag Nach mittag einen Spaz'ergang im Thiergarten und stattete dann auf dem Rückwege dem englischen Botschafter einen Besuch ab. Nach dem nunmehr vorliegenden Gcsammtergebniß der Reichstagsersatzwahl in Regensburg ist Graf Wallersdorff (Cmtrum) mit 8000 Stimmen zum Reichstagsabgeordneten gewählt. Die Vorlage wegen Reorganisation der Feld artillerie wird eine Vermehrung der Batterien nicht ins Auge fassen, sondern für eine große Anzahl von Batterien die Bespannung lämmtlicher 6 Balleriege- schütze bereits im Frieden, sowie für die Felbartillerie an den Grenzen, analog den französischen Einrichtungen, die Einstellung bespannter Munitionswagen vorsehen. Diese Forderungen dürften daß Minimum dessen sein, was gegenüber der numerischen Ueberlegenheit der französischen Feldartillerie, die 576 Geschütze mehr zählt als die deutsche, anzustreben bleibt. Dem Reichskanzler ist die Dienstagssitzung des Reichstages nicht zum Besten bekommen. Am Mitt woch traten wieder krankhafte Erscheinungen auf und er muß nun einige Tage das Zimmer hüten. Im Reichstage hat sich der Fürst nicht eben aufgeregt; wahrscheinlich ist ihm die am 15. herrschende bittere Kälte nicht zuträglich gewesen. In parlamentarischen Kreisen fiel es auf, daß der Reichskanzler am Dienstag im Reichstage bei sei nen ersten Erwiderungen mit einer besonderen Beto nung des Vornamens immer von dem Abgeordneten Eugen Richler sprach. Es verlautete, daß der Kanz ler es als inkorrekt empfunden hatte, daß der Abge ordnete Richter in seinen Reden von dem Grafen Her bert Bismarck gesprochen, obgleich nur ein Graf Bis marck im Reichstage anwesend ist. Der Abgeordnete Richter, hierauf aufmerksam gemacht, unterließ es des halb auch, len Vornamen des Grafen Herbert Bis marck anzuführen. Ebenso ließ alsdann der Reichs kanzler bei der Citirung des Abgeordneten Richter des sen Vornamen fortan unerwähnt. Der Bundesrath nahm am Donnerstag von dem Anklagematerial im Proceß Gesfcken Kenntniß und über wies die ostafrikanische Vorlage den zuständigen Aus schüssen. Wie es heißt, haben sich die Führer der Centrumspartci, mit welchen der Reichskanzler zum Beginn der Woche über die ostafrikanische Vorlage conferirte, im Princip für dieselbe ausgesprochen, so