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Freiberger Anzeiger und Tageblatt. > Amtsblatt des Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter u. der Stadträthe zu Freiberg, Sayda u. Brand. -t- Freiberg, dm 13. März 1865. Mit lauschendem Ohr steht die Journalistik an der verschlossenen Thüre der Diplomaten, um ei» Wörtchen zu erhaschen, worauf Schlüsse und Combinationen über die Verhandlungen in der schles wig-holsteinischen Frage gebaut werden. Die Berliner und Wiener Diplomaten müssen der lichtscheuen Zeit angehören, denn sonst würde das Dunkel, worin sie ihre Verhandlungen hüllen, längst durchbrochen sein. Nichts, wie Vermuthungen über die Rückantwort Oesterreichs füllen die Zeitungsblättcr, und da auch wir nicht zu der Klasse der „Hellseher" gehören, so bleibt uns ebenfalls nichts weiter übrig, als unter der Fluth von Vermuthungen für unsere Leser diejenigen herauszugreifen, welche am wahrscheinlichsten uns dünken. Als die preußische Note in Wien angclangt war, brachte die dortige „N. Fr. Pr." sehr bald den Inhalt der preußischen Forderungen. Trotz mancher officiellen und officiösen Dementi's hat die „N. Fr. Pr." vollständig Recht gehabt, woraus hervorgeht, daß sie gut unterrichtet sein muß. Nur ans diesem Grunde citircn wir hier ein paar Stellen, welche die Stellung Oesterreichs in der Elbherzogthümerfrage charakterisiren, ohne daß wir selbstverständlich für die Richtigkeit der Anschauung bürgen können. Die „N. Fr. Pr." sagt nämlich: „In der Hauptsache wird uns der Erfolg Preußens als entschieden bezeichnet, und es ist sogar wahrscheinlich, daß die in den Herzogthümern stehenden österreichischen Truppen in nicht gar langer Frist abberufen werden, da unter den obwaltenden Umständen ihre Anwesenheit gcg en- standslos wird. Wir beklagen es tief, daß die Dinge sich so und nicht anders gestalten, aber wir glauben, daß der Sache der Herzog» thümer und Oesterreichs in Deutschland mit schönfärberischen illusorischen Nachrichten über eine von Oesterreich unterstützte Action des Bundes wahrlich kein Vorschub geleistet wird. Solche Darstellungen, deren Zweck leicht zu errathen ist, dienen nur Preußen, dem die Manipulation durch die Crheuchelung eines österreichischen Widerstandes nur -erleichtert wird. Oesterreich billigt nicht und widerspricht nicht; es läßt Preußen machen. Das ist österreichische Politik!" , Die „N. Fr. Pr," glaubt an die Annexion und sagt an einer andern Stelle: „Mit der Annexion der Herzogthümer an Preußen sinkt der Bau des deutschen Bundes in Trümmer und an seiner Stelle 'entfaltet die preußische Hegemonie ihre Schwingen. Gebieter im Norden, wird Preußen es bald auch in der Mitte und im Süden Deutschlands sein. Der Prozeß kann durch das Gewicht der Mittelstaaten verzögert, aber nicht mehr aufgehalten werden. Preußen braucht nichts mehr zu überstürzen, es braucht nur abzuwartcn; das Unvermeidliche vollzieht sich dann von selbst. Wir zweifeln, daß diese Wendung ein Glück für Deutschland wäre, aber für Oesterreich wäre sie jedenfalls ein großes Unglück. Mit der Wesenlosigkeit des deutschen Bundes und der wachsenden Bedeutung Preußens werden die Fäden bald gänzlich durchgeschnitten s^in, welche Oesterreich in politischer und nationaler Beziehung mit Deutschland ver knüpfen. Mit dem Verluste unserer Stellung am Bunde wird Oester reichs Schwerpunkt nach Ofen verlegt; das deutsche Element hört aus, der Träger des Staatsgedankcns zu sein. An diesem Tage beginnt eine völlige Umgestaltung der Weltstellung unseres Staates. Aus Deutschland verdrängt, sind wir vom Herzen Europas gerissen und gegen den Orient hinabgcdrückt, und die Consequenzen hiervon mag man sich selbst anSmalen, wir brauchen sie nicht herzuzählen." Das ist allerdings sehr wahr, was die „N. F. Pr." in Vor stehendem, sagt; auch unsere Ansicht ist's von jeher gewesen, daß mit der Lösung der schleswig-holsteinischen Frage die faktische Lösung der deutschen Frage beginnt. Tritt die Annexion wirklich ein, — und alle Anzeichen sprechen dafür — dann freilich wird die deutsche Frage eine andere Lösung finden, als man gehofft hatte. Jndeß wer will heute alle die Consequenzen einer Thatsache sich zu Gemüthe ziehen, die noch gar nicht da ist. Kommt wirklich die Zeit der Ausführung, — nun denn, der alte Gott lebt noch; er wird schon dafür sorgen, daß die preußischen Pickelhauben nicht bis in den Himmel wachsen. Freilich aber wird anch dabei das deutsche Volk Hände und Füße zu regen haben. — In Preußen kommt es zwischen Ministerium und Volksver tretung noch immer nicht zur Verständigung. Früher glaubte die Regierung, das Abgeordnetenhaus für die MMär« Reorganisation gar nicht nöthig zu haben und führte sie ein und durch, wie sie dieselbe in ihrem ursprünglichen Plane dargestellt hatte. Dieser Auffassung verdankt Preußen die budgetlose Regierung seit Jahren, wie die Entdeckung der Lücke kn der Verfassung. Jetzt nun ist daS Ministerium plötzlich von einer großen Scheu vor dem Abgeord netenhause befallen, wie der Kriegsminister jüngst in der Militär- Commission mittheilte. Die Sorge, mit einem Vorschläge den Sinn der Majorität doch nicht genau zu treffen, hält, wie der KriegS- minister versichert, das Ministerium jetzt ab, überhaupt einen Vor schlag zu machen, der die Concessionen an das Abgeordnetenhaus, oder vielmehr an die öffentliche Meinung des Landes enthält, mit welchem der Friede hergestellt werden könne. — Die Militär-Lom mission hat am 9. März die Generaldiscussion über die Militär- Novelle zu Ende geführt. Es folgt noch eine eingehende Special« discussion, und dabei ist es möglich, daß die Regierung mit einigen Zugeständnissen hervortritt. Abg. Gneist resumirte als Referent die ganze Debatte und legte schließlich der Regierung ein Entgegen kommen sehr an's Herz. Das Haus, so sagte er, ist nicht in der Lage, mit Gegenvorschlägen wirksam die Initiative ergreifen zu können. Amendements liegen vor von Lette, Stavenhagen und Bockum-DolffS. Die beiden Ersteren wollen den Friedenspräsenzstand auf 180,000 Mann fixirt wissen; Lette so, daß die Offiziere von dieser Zahl ausgeschlossen sind, während Stavenhagen Offiziere und Handwerker in die 180,000 Mann einschließt. Lette steht von sämmtlichen Commissions-Mitgliedern der Regierung am nächsten, v. Bockum- ' Dolffs fordert die zweijährige Dienstzeit mit dreijähriger Reserve bei der Infanterie, die dreijährige Dienstzeit mit zweijähriger Reserve bei den andern Truppengattungen. Der Abg. Mühlenbeck hält einen Mittelweg für rathsam. Die Regierung soll 175,OM Mann unter den FahneU im Frieden haben, indeß müsse das Abgeordnetenhaus, ehe es in diese Concession willigt, erst sein Budgetrecht sicher gestellt und ein Gesetz über die Ministerverantwortlichkeit, wie über die Oberrechnungskammer in Händen haben. Die Hauptansicht der Commission neigt sich aber zur puren Ablehnung der Novelle, was jedenfalls auch im Hause geschieht, sofern die Regierung nicht mit entsprechenden Concessionen hervortritt. Und das ist unwahrschein lich; man darf nur an die Thronrede und an die Aeußerung des Grafen Eulenburg denken, daß — so lange der jetzige König lebe — von der Reorganisation, wie sie ist, nicht abgegangen werden könne. Ueber den Stand der Dinge in Oesterreich geht unterm 9. d. M. der „V. Z." folgende treffliche Schilderung zu: „Die Verein« barungsversuche zwischen Ministerium und Finanz ausschuß sind gescheitert. Nach nahezu acbtwöchentlichen Verhandlungen, welche den Abschluß der Budgetberathungen um mindestens vier Wochen verzögert haben, steht der Finanzausschuß wieder auf dem alten Fleck. Das Ministerium hat seine letzten Zugeständnisse (Abstrich von 20 Millionen) als Ultimatissimum hin- gestellt und die Verhandlungen im Plenum des Hauses, die wohl in der nächsten Zeit schon beginnen werden, werden in Folge dessen den alten Weg gehen. Das Abgeordnetenhaus wird streichen, die Regierung wird sich hinter das Herrenhaus stecken, nach Wochen wird eine gemilchte Commission der beiden Häuser zusammentreten ! und — wahrscheinlich eine Vereinbarung nicht zu Stande bringen. Die Folge davon wird die sein, daß wir Mm Anscheine nach ohne 61. Erscheint jeden Wochentag früh d U. Inserate werden bi» Nachm. 3 Uhr für die nächste Nr. angenommen. Dienstag, den 14. März. Preis vierteljährl. 20 Ngr. Inserate werden die gespaltene Zeile oder deren Naum mit 8 Pf berechnet. 1863.