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Wöchentlich «scheinen drei Nummern. Pränumeration«-Preit 22j Siwcrgr. lj THIr.) vimujährück, 3 Thir. iur da« ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin dei Deit u. Comp., Iägerslraßc Nr. 28). so wie von allen König!. Post-Aem«ern, angenommen. Literatur des Auslandes. 73. Berlin, Sonnabend den 1'.). Juni 1847. Australien. Das englische Deportationswesen. Zweiter Artikel, »j Wenn, wie wir gezeigt haben, das Ueberweisungs-System ganz beson ders das Interesse der Ansiedler begünstigt, indem ihm der Sträfling den gemietheten theuren Arbeiter ersetzt, so führt es andererseits auch mancherlei Verhältnisse herbei, die auf das Wohl des Ucberwicsenen vom wichtigsten Einflüsse sind. Unter den Mängeln unserer Gefängniß-Disziplin ist gewiß keiner von nachtheiligercn Folgen, als die gleichmäßige Bchandlungsweise aller Sträf linge, ohne Unterscheidung der Individualität; hierdurch wird jeder Uebcrrest vom besseren Gefühl vollends zerstört. Dagegen vermag der Ansiedler, bei der verhältnißmäßig geringen Anzahl von Leuten, die zu seiner Disposition gestellt werden, mit mehr Rücksicht zu Werke zu gehen. Schon der Umstand, daß sie nicht massenweise beisammen leben und verpflegt werden, sondern in kleinen Abthcilungcn mehr auf häusliche Weise wohnen, trägt viel dazu bei, ihre Selbstachtung zu wecken und sie zur Thätigkeit aufzumuntcrn. Man ge stattete ihnen gern ein Stück Land, das sie gemeinschaftlich in den Freistunden bearbeiteten und wo sie Gemüse und Früchte zogen, die sie nicht verkaufen, sondern nur zum eigenen Gebrauch verwenden durften. Auf ein solches durch eigenen Fleiß hervorgerufcnes Besitzthum, das ihnen gesetzlich jeden Augenblick entzogen werden konnte, legten sie einen hohen Werth, und diese Begünsti gung trug gewiß viel dazu bei, den Sinn für redlichen Erwerb, wie für Arbeitsamkeit überhaupt, in ihnen zu wecken. Die Vorzüge des Ueberweisungs-Dienstes hatte der Verfasser besondere Gelegenheit, bei einer Klaffe von Dcportirten wahrzunehmen, die im Jahre 1831 nach Vandiemensland kam, die sogenannten INavKiue-dressier«. Es waren dies größtentheils Arbeiter aus den Agrikultur-Distrikten, die, in dem Wahne, die Nachfrage nach Arbeitern dadurch zu erhöhen, ackerwirthschaft- liche Maschinen und händesparende Apparate zerstört hatten. Die meisten derselben waren auf 7 Jahre und nur einige, welche Drohbriefe an die Päch ter unterschrieben hatten, auf 14 Jahre verurtheilt. Sie waren mit Zeug nissen ihres früheren guten Verhaltens versehen, und ihre ganze Erscheinung, ihr unbefangenes Auftreten zeigte gleich, daß sie nicht zur Klaffe der gewöhn lichen Verbrecher gehörten. In ein Gefängniß, unter einen Hausen verderb ter Sträflinge versetzt, wären diese an Beschäftigung im Freien, an ein ruhiges häusliches Leben gewöhnten Menschen physisch und moralisch zu Grunde gegangen; unter die Ansiedler vertheilt, lebten sie in dem gewohnten Elemente und leisteten als geübte Felvarbcitcr der Kolonie die wichtigsten Dienste. Von nicht geringerer Wichtigkeit ist die Gelegenheit, welche dem Sträf ling geboten wird, sich nützliche Fertigkeiten zu erwerben, die ihm später zu einem selbständigen Broderwerb verhelfen. Ein großer, ja vielleicht der größte Theil der Deportirtcn kommt aus den größeren Städten des Mutterlandes; es sind meistens Leute, die nie einen regelmäßigen Broderwerb betrieben, oder sie gehören der Klasse von Fabrikarbeitern an, die nur zu einförmigen Ver richtungen verwendet werden und über diesen Kreis hinaus ganz unbrauchbar scheinen. So erhielt der Ansiedler nicht selten, wenn er eine gewisse Anzahl von Leuten von der Behörde erbeten hatte, etwa den dritten oder vierten Theil brauchbare Hände; die Uebrigen bestanden aus Spinnern, Webern und ähnlichen Handwerkern, die von landwirthschaftlichcn Arbeiten kaum einen Begriff haben und überhaupt an Beschäftigung, die einen Aufwand von Kräf ten erfordert, nicht gewöhnt sind. Mit solchem Material sollte der Ansiedler Wälder urbar machen, den Acker bestellen, seine Hcerdcn warten und tausend andere Arbeiten verrichten. Es war eine schwere Geduldprobe, solche Leute in der ersten Zeit bei der Arbeit zu sehen; wie sie die ihnen ganz unbekannten Werkzeuge verkehrt handhabten, sich in nutzlosen Anstrengungen abmüdcten und am Abend das begonnene Werk verließen, wie sie es am Morgen gefun den. Und dennoch haben dieselben ungeschickten Hände später die anstren gendsten Arbeiten verrichtet und sich sogar Fertigkeiten erworben, Worin sie mit gelernten Handwerkern wetteifern konnten. Nirgends bewährt sich der Grund satz, daß außerordentliche Umstände den Menschen zu ungewöhnlichen Anstren gungen crmuthigen und ungewohnte Fähigkeiten ihm wecke», in so hohem Grade als bei den Dcportirten. Der Verfasser hatte unter seinen Leuten ') Bgl. Nr. es des Magazin«, einen Uhrmacher von Profession, der nach zweijähriger Uebung ein fertiger Zimmermann wurde und selbständig den Bau mehrerer Wirtschaftsgebäude aufzuführen vermochte. Ein ehemaliger Bäckergeselle bildete sich zum geschick ten Fuhrmann aus und verstand ganz besonders, die wildesten Ochsen zum Gespann zu bändigen. Mehrere seiner besten Schäfer waren ehemalige Taschendiebe aus London und Liverpool, und selbst sein eigener Hausbcdiente, der ihm v Jahre treu und redlich diente, hatte früher derselben Brüderschaft angchört. Solche Resultate hatte man den Bemühungen des Ansiedlers zu verdanken; seine Eristenz war gewissermaßen an den Fleiß der Deportirtcn geknüpft, und er bot alle Mittel auf, ihn zu belehren und anzuregen — es geschah, wir geben es zu, aus eigennützigen Motiven, allein wie wir im Ein gänge darauf hingewiesen, mußte die Colonisation mit der Deportation Hand in Hand gehen, und die Folge war, daß der Ansiedler sein eigenes Interesse nur gleichzeitig mit dem der Deportation befördern konnte. Daß so günstige Erfolge nicht bei allen Sträflingen durch gelinde Mittel erreicht wurden, daß ein großer Theil derselben erst durch wiederholte Strafen zur Einsicht dessen gebracht werden konnte, was ihr eigenes Wohl erheischte, und daß bei vielen alle Bemühungen erfolglos geblieben, wird Niemanden befremden, der Gelegenheit gehabt, mit Menschen dieser Klaffe bekannt zu werden. Eine Charakteristik dieser Leute nach den besonderen Eigenschaften der In dividuen, läßt sich nicht mit Genauigkeit aufstellcn; im Allgemeinen, und nach den am stärksten hcrvortretenden Merkmalen geordnet, zerfallen sie in folgende Kategorieen: Die erste begreift die eingefleischten Verbrecher, die selbst da, wo ihnen die Gelegenheit mangelt, ihren alten Neigungen zu folgen, durch Rohheit und Widersetzlichkeit sich auszcichncn unv in harte Strafen verfallen, die sie in den Straf-Niederlassungen (peiml-sekclomsuk), wie Norfolk-Island und Port-Arthur, abbüßen. Dergleichen Leute eigenen sich nicht für den Ueber- wcisungsdienst, sie sind für die Gesellschaft verloren und bringen ihr ganzes Leben im Gefängniß zu. In die zweite gehören die energischen Charaktere, die oft mit großen Fähigkeiten begabt sind, aber eben darum die Abhängigkeit um so drückender fühlen und, ohne bösartig zu seyn, sich zu sträflichen Handlungen hinreißen lassen. Bei zweckmäßiger Behandlung werven sie häufig sehr brauchbar, und ist cs erst gelungen, sie eine Zeit lang bei guter Aufführung zu erhalten und ihnen die Aussicht auf das I'ickec »s I«»vv näher zu bringen, so besitzen sie Charakterfestigkeit genug, auszudauern, und gehen dann einem besseren Schick- sale entgegen. Dagegen werden sie durch rücksichtslose Strenge leicht zur Insubordination verleitet; sie geben daun alle Hoffnung auf, einer Begünsti- gung je thcilhaftig zu werden, unv stürzen sich vollends ins Verderben. Aus dieser Klasse sind in früherer Zeit die meisten busb - rsnxer« hervorgegangen, von denen manche Beweise von Großmuth gegeben und eine Gesinnung an den Tag gelegt haben, wie man bei ihrem rohen Handwerk nie vcrmuthet haben würde. Zur dritten sind diejenigen zu zählen, die wegen körperlicher Schwäche oder geistiger Apathie zum Ueberwcisungsdienst untauglich find und bei sonst tadelloser Aufführung ihre Strafzeit in den Gefängnissen der Regierung zu- bringen. In Europa würden solche Individuen »ach ihrer Entlassung aus dem Gefängniß de» öffentlichen Wohlthätigkcits-Anstalten anheimfallen; bei dem hohen Werthe der Arbeit in den Kolonieen finden selbst so geringe Kräfte noch hinreichende Gelegenheit zu nutzbringender Beschäftigung. Die vierte begreift die Beffergesiniiten, die, früher an ein geregeltes und arbeitsames Lebe» gewöhnt und nur durch ungewöhnliche Verhältnisse zu einem Vergehen hingerissen, den Ueberwcisungsdienst benutzen, um allmälig eine bessere Eristenz zu erwerben. Solche Leute, und ihre Zahl ist größer als man erwarten würde, zeigen so viel Sorgfalt für das Interesse ihres Dienstherr«, daß sie nicht selten die Stelle eines Verwalters vertreten und zu den wich tigsten Dienstleistungen gebraucht werden. Wir kommen endlich zur zahlreichsten Klasse, bestehend aus dem Mittel- gute, das, wie allenthalben, auch hier die Masse bildet. Dahin gehören alle die jenigen, die weder besondere Fähigkeiten, noch den Trieb haben, sich in ihrem neuen Verhältniß nützlich zu machen, während sie andererseits besonnen genug sind, durch ein vorsichtiges Verhalten die engen Gränzen des Gesetzes zu bewahren. Versteht der Ansiedler solche Leute genau zu kontroliren und ihnen Ar beiten zu übertragen, bei denen das Maß der Leistung sich leicht nachweisen und beurtheilen läßt, und hält er streng aus Bestrafung selbst her geringsten