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WöcheMIiq, «richiinm drci Nununuti. Prämmicralion« Preis 22j Silbcrqr. (Z Tbir.) vieneliädrlia,, Z Td!r. sür du« ganze Iadr, ohne Erhöhung, in allen Neilen der Prenhisihen MonarSie. Maqazin für die Man pränunurirt ans diese« Liieraiur. Bialt in Berlin in der Expedition der >!ttlg. Pr. Staal« Zeitung (Friedrith«, Strage Nr. 72); in der Provinz so >vie ini Au«lande bei den WodUodi. Post Aemiern. Lite ratur des Auslandes. 133. Berlin, Mittwoch den 28- Dezember 18^2. England. Anatomie des Schlafes, oder die Kunst, sich nach Willkür festen und erfrischenden Schlaf zu verschaffen. Bon l)r. Ev. Binns. °> Dies ist der Titel eines unlängst in England erschienenen, sehr elegant ausgestatteten Buches, das sowohl in Bezug auf Inhalt, wie aus Typo graphie, ein wahres Kuriosum genannt zu werden verdient. Es ist näm lich vermittelst eines neu erfundenen Instruments gesetzt, bas ungefähr die Form eines Forlepiano's hat, die Tasten sind nach dem Alphabet geordnet: werden dieselben berührt, gleichviel, ob von zarten Damenhänden oder von dem Finger eines Kindes, so rechen sich die gewünschten Lettern, ganz eben so, wle nach der üblichen Lerfahrungsweise, nur, bei einiger Uebung, viel schneller und korrekter, an einander. — Das auf diese Weise gesetzte Buch läßt nichts zu wünschen übrig, und wenn anders die Anschaffung der Maschine nicht mit zu großen Kosten verknüpft ist, so könnte sehr bald eine Umwälzung in diesem Zweige der Kunst zu erwarten seyn. Unser Jahrhundert verdient mit Recht den Namen des erfindungsreichen! Man denke sich die gegenwärtig in Berlin ausgestellte Sprechmaschine in den Händen eines schweigsamen Lords unv dagegen die Setzmaschine unter den Fingern eines schreibseligen Deutschen Literaten! Welche Wohlthat für Beide! Wie unberechenbar die Vortheilc für das Britische Parlament und die Deutschen Leihbibliotheken! Vielleicht kündigt in nicht «gar ferner Zeit ein Virtuose ä I» I-iE Konzerte in dcr Bücherfabrication an, oder eine Tänzerin n la bNülee berührt mit kecker Fußspitze die Tasten der Sprechmaschinc, um dem begeisterten Auditorium eine Erbauungsreve abAtanzen! Wir überlasten cs einer kühneren Phantasie, diese Andeutungen weiter auszuspüren, und gehen näher auf den Inhalt des merkwürdigen Werkes ein. Schon der Titel ist ungewöhnlich und der seltsamen Entstehung des Buches angemessen. Eine Anatomie des Schlafes! Zwar Hütte der Verfasser ganz eben so gut Physiologie, Philosophie oder Theorie des Schlafes sagen können, doch war ihm wahrscheinlich einc Anatomie pikanter. — l)r. Binns giebt zu vörderst eine allgemeine Uebersicht der Physiologie der orgamschcn Wesen, von den Pflanzen anfangcnd und mit der des Menschen endigend: spricht daraus über die Beschaffenheit und Verrichtungen des Gehirns und erklärt alsdann die Erscheinungen im Gebiete des LcbenSmagnctismus, die Zustände der Ohn macht , Ertase u. s. f. — In der Hauptsache giebt er nichts Neues, und nur die hin und wieder eingestreuten Bemerkungen sind originell. So z. B. sagt er, daß die Thiere mehr als die Menschen schlafen; Katzen und Hunde seyen, wie es scheint, im Trante, nach Belieben einzuschlafen: dasselbe bemerkt man bei Blödsinnigen und bei Menschen von untergeordneten Geisteskräften über haupt; dieses käme daher, weil die Ideen oder Gcistescindrücke bei ihnen so schwach und in so seltenen Intervallen wiederkchrend seyen, daß deren Rcihe- folge sich aus Mangel an Fortdauer verliere; aus diesem Grunde behielte das Hirn nur daS von den äußeren Sinnen ihm zugesührte Bild für den Augen blick: cS tritt Müdigkeit ein, Bewußtlosigkeit folgt, und Schlag als natürliche Konsequenz der Erschlaffung, wird hcrvorgebracht. Aus der Erfahrung, daß Affen weniger, als alle andere Thiere schlafen, folgert der Verfasser, daß sie mit „Vernunft begabte Geschöpfe" seyen. Zum Beweise, wie unentbehrlich der Schlaf sey, führt vr. Binns auch unter Anderem die Thatsache an, daß einst ein ganzes Bataillon Infanterie während deS Marschirens geschlafen hätte! „Massa ruft Dich!" sagte einst ein Neger zu seinem Gefährten, der neben ihm eingeschlasen war. — „Schlaf kennt keinen Massa!" entgegnete der er müdete Knabe, und — er hatte Recht. Wir können den Mangel an Feuer, Speise und sogar Getränk viel länger, als den des Schlafs entbehren." Um unsere Leser zu überzeugen, daß der Verfasser den Schlaf wirklich auatomirt, diene folgende Beschreibung von dem Zustande, der dem Ein schlafen vorangeht und der erschrecklich gefährlich klingt: „Sein Herannahen äußert sich durch ein Gefühl von MuSkcl-Erschlaffung, die Beine werden müde, die Arme träge in ihren Bewegungen, der Griff der Hand wird kraftlos. Gähnen, ohne daß ein Unterdrücken desselben in unserer Macht steht, folgt oder geht diesem Zustande voran: die Aufmerksamkeit er lischt, so daß die anziehendste Erzählung sie nicht wieder erregen kann, wir W *) l^e nk 8!s!6s»; ar II'u «f Komi«! uu<! Llmulier >ViU. vv «6. »M«, >1. vr. — ckurelüll. werden mürrisch, ja sogar zanksüchtig. Inzwischen beginnen äußere Eindrücke zu verschwimmen. Versuchen wir zu lesen, so fließen die Zeilen in einander, blicken wir vom Lichte auf die Blattseiten, so erscheint die Schrift grünlich und bläulich. Das Gebächtniß verwirrt sich, die Augen werden trübe und verlieren ihr Feuer, während die Augenlider, trotz aller Anstrengung, sich bleischwer senken. Run erschlafft die Spannkraft der Hals- und Ruckenmuskeln und der Kopf fällt willenlos nach vorn über. Doch bleibt noch der Gehörssinn unge- schwächt, wir vernehmen und verstehen die Gespräche unserer Umgebung, wenn wir bereits nicht mehr die Personen und ihre Gestikulationen unterscheiden können. Dann und wann nahen sich uns angenehme Träumereien und ver schwinden wieder in immer ruhigerer Stufenfolge; das Gehirn scheint in einem See von friedlichen Träumen zu treiben, ein angenehmes Delirium überwältigt uns, wir wachen nicht länger — wir schlafen." Große Geister schlafen wenig; um dies zu beweisen, führt der Verfasser John Hunter, Friedrich den Großen, Napoleon und Wellington an. Ferner erzählt er dem großen Boerhave nach, daß ein Student, von der beMemen Theorie ausgehend, die natürliche Bestimmung des Menschen sey der Schlaf, dies dadurch praktisch bewies, daß er von vierundzwanzig Stunden stets acht zehn schlafend hinbrachte und daher zuletzt am Schlagfluß starb. — Wir er fahren ferner, daß De Moivre, als er drciundachtzig Jahre alt war, täglich regelmäßig zwanzig Stunden schlief; ob diese üble Gewohnheit gleichfalls einen frühzeitigen Tod hcrbeiführtc, wird nicht gemeldet. Doch besteht baü Wichtigste und Lehrreichste im Buche unstreitig in dem hier zum ersten Male veröffentlichen Geheimnisse, nach Belieben einschlafen zu können: dieses Geheimniß wollen wir zum allgemeinen Frommen mit den Worten des Dr. Binns wicdcrgeben: „Der Schlaflose wende sich auf die rechte Seite, lege das Haupt bequem auf die Kissen, und zwar so, daß er, wenn man sich eine Linie vom Kopf bis zu den Schultern denkt, genau einen Winkel beschreibt; dann athme er recht tief, mit leicht geschloffenen Lippen auf, dergestalt, daß er so viel Luft, wie nur immer möglich, durch die Nase einzicht. Doch ist dies gerade nicht unum. gänzlich nöthig, da Manche stets durch den Mund Alhem holen und dennoch vortrefflich schlafen. — Nach diesem einmaligen, tiefen Athemzuge überlasse man die Lungen ihrer eigenen Thätigkcit, mit anderen Worten: das Athmen sey weder zu lang gehalten noch zu kurz. Jetzt muß die Aufmerksamkeit sich allein auf den Akt richten, mit dem der Patient sich beschäftigt: er muß sich nämlich vorstellen, als sehe er den Athcm in Gestalt eines ununterbrochenen Stromes aus seiner Nase ziehen, „und m demselben Augenblicke, wo er im Stande ist, fern von allen anderen Ideen, nur allein daran zu denken, schwin- den Bewußtseyn und Erinnerung, Vorstellungskraft schlummert, Phantasie wird schläfrig, der Gedanke ist unterjocht, die Sinne verlieren ihre Empfäng lichkeit, das Ganglien-System erhalt die Oberherrschaft, und, wie bereits oben bemerkt, man wacht nicht länger, sondern — schläft." Rach des Verfassers Betheurung hat sich sein Rezept nur bei zwei Per sonen nicht bewährt, der eine der Jnkurabeln war ein berühmtes Mitglied des Oberhauses, und der andere — (hört!) Redacteur eines Morgen blattes. Das widerlegt die Brauchbarkeit des Rezepts eigentlich noch nicht, da Jeder cs nur zu gut weiß, daß Staatsmänner und Journalisten gerade nicht auf Rosen gebettet sind und selten ihr Haupt bequem niederlegen können; jedenfalls empfehlen wir die Vorschrift des Dr. BinnS unseren Lesern recht angelegentlich zur Selbstprüfung. Frankreich. Der Magnetismus in Paris. lFortsetzung.) Dabei übergehen wir die Jndiscrctionen gewisser Gesellschafts-Magne- tiseurs, welche die Hände der Frauen ergreifen, um sie in Schlaf zu brin gen, ihnen auf die Stirn hauchen, ihnen die Finger auf das Herz legen und kurz nichts vernachlässigen, was sie, nach der Sprache der Wissenschaft, mit ihnen in Rapport setzen kann. Da wir ein galantes Volk sind, so spielt der Magnetismus bei uns Vie Rolle des Unterhändlers: der Eine schreibt sich die Macht des Blickes zu und bildet sich ein, vermittelst dieser Macht alle Frauen zu beherrschen; der Andere behauptet sie durch die Kraft des Willens an sich zu ziehen; ein Dritter bedient sich des magnetischen Fluidums, das er gegen die Herzen richtet, die er erobern will. Wir haben einen jungen