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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.02.1905
- Erscheinungsdatum
- 1905-02-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190502051
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19050205
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19050205
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-02
- Tag 1905-02-05
-
Monat
1905-02
-
Jahr
1905
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.02.1905
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Morgeu-Au-gabe: nachmittag» 4 Uhr. Anzeigen siud stet» a» die Expedition zu richten. Ertra-Vetlagk« (nur «st der Morgen. «u»gade- nach besouder« Beretnbarung. Die Erdedtttan ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- abend» 7 Uhr. Druck »ad Verlag von G. Patz in Leipzig <Iuh. l-r. B„ R. L W. «linkhardtl Nr. «5. Sonntag den 5. Februar 1905. SS. Jahrgang. Var rvicbtigrle vsm Lage. * Der Zivillord der englischen Admiralität Lee hielt am Freitag eine Rede, die einer direkten Heraus- forderuug Deutschlands gleichkommt. (S. 2. Leitartikel.) * Ein neuer Nachtragsetat für Südwestafrika im Betrage von 50 Millionen Mark wird vorbereitet. sS. Dtsch. Reich.) * Die Beratung der Handelsverträge im Reichs tage soll bereit-am DienStag beginnen. (S.Dtsch.Reich.) * Geh. RegierunaSrat Robert Fischer, ein be deutender Lehrer der GabelSbergerschen Stenographie, früher Oberbürgermeister von Gera, ist gestern rn Gera ge- storbeu. - * Franz Kossuth wird in Wien vom Kaiser Fran; Josef empfangen werden; die ungarische Unabhängigkeits partei jubelt. (S. Ausland.) * Der Handelsvertrag zwischen dem Deutschen Reich und Rußland wird am 9. Februar im ReichSrat beraten werde« * Die Ausreise des dritten russischen Ergänzungs geschwaders von Libau soll am 14. Februar erfolgen. (S. russ.-jap. Krieg.) * Die Meldung von der Demission des serbischen Kabinett« Pasitsch wird dementiert; zwischen der Krone und der Regierung soll vollste- Einvernehmen erzielt sein. Lslitftchr Aochenzcha«. Die Handelsverträge mit den sieben Der- tragSstaaten sind mm der Öffentlichkeit zugänglich ge mocht worden. ES war ein Augenblick deS Triumphes für den leitenden Staatsmann, als er die Aktenstücke auf den Tisch des Reichstages nioderlegen konnte. Sorg fältig war der Moment vorbereitet worden durch geschickt gefärbte Auszüge, die von der offiziösen „Nordd. Allg. Zeitung" veröffentlicht wurden. Doch sah man durch alle Hüllen hindurch schon hier, daß es in erster Linie darauf abgesehen war, unsere Agrarier zufrieden zu stellen. Graf Bülow unterstrich dann diese Tendenz in seiner Reichs tagsrede noch: zwar wollte er jedem eine Gabe bringen, aber die Geschenke fielen recht ungleich in ihrem Werte auS. Die Landwirtschaft erhielt erhöhten Zollschub, während sich Industrie und Handel mit der „Stabilität" unserer Handelsbeziehungen abspeisen lassen mutzten. Nun verkennen wir gar nicht, daß eS für unsere Ausfuhr allerdings sehr wesentlich darauf ankommt, ob sie ihre Dispositionen mit Sicherheft auf eine längere Reihe von Jahren treffen kann, oder ob sie sich auf irgendwelche un- vorhergesehene Ereignisse gefaßt zu machen hat. Nur mutz es die Stabilität des Fortschritts sein, nicht die Stabilität des Rückschritts. Leider scheint es aber, als ob eine Reihe von Industriezweigen, die ganz besonders auf die Ausfuhr angewiesen sind, bei den neuen Ver trägen recht ungünstig abgeschnitten haben. Natürlich braucht man nicht alle?, waS von den Jnteressenver- tretern gesagt wird, für bare Münze zu nehmen, auch wird erfahrungsgemätz im wirtschaftlichen Leben nichts so heih gegessen, wie eS gekocht wird: aber daß sich die Verhältnisse vielfach zu Ungunsten unserer Ausfuhr ver schieben werden, damit mutz man rechnen. Graf Bülow stellte daS auch nicht in Abrede: er meinte nicht mit Un- recht, daß, wie der Zolltarif selbst, so auch feder Handels vertrag einen Ausgleich der Interessen vorstelle: doch will eS uns scheinen, als sei die „richtige Linie", die er gefunden zu haben glaubt, etwas sehr nach rechts hinüber- gerutscht. Während die Debatte über die Handelsverträge in der kommenden Woche die ReichStagssitzungen auSfüllen dürfte, hat im preußischen Abgeordnetenhaus die Ver- Handlung über die umgestaltete Kanalvorlage bereits begonnen. ES hat mancher Schiebungen vor und hinter den Kulissen bedurft, um die Entscheidung über die Verträge und den Kanal ungefähr auf den gleichen Zeitpunkt zu verlegen. Beide Vorlagen, so verschieden sie von einander sein mögen, hängen ja aufs engste mit- einander zusammen. Hier wie dort handelt eS sich um ein Geschäft zwischen der Regierung und den Agrariern, und hier wie dort muß man zugestehen, daß die Agrarier daS bessere Teil erwählt haben. Ob sie nun zufrieden sind? Noch habrn sie ihr letztes Wort nicht gesprochen. Aber die Regierung bemüht sich wenigstens, die schwankenden Gemüter zu gewinnen. Selbst dec preußische Landwirtschaftsminister v. PodbielSki hat sich in rhetorische Unkosten gestürzt, indem er im Landes- ökonomiekollegium ein Loblied auf die neuen .Handels verträge sang. Aber die Zirkusvcrsammlung deS Bundes der Landwirte steht bevor, und wir mutzten unsere Agrarier schlecht kennen, wenn wir nicht vorauSseben würden, daß sie auch jetzt noch über die unzulänglichen Verträge so laut wie möglich jammern würden. Daß der Bund der Landwirte die Verträge und den Kanal zum Scheitern bringen wird, ja, daß er auch nur ernstlich auf dieses Ziel hinarbeitet, glauben wir aller dings nicht. Seine Führer wissen nur zu gut, daß sie bessere oder auch nur ähnliche Verträge nie wieder be kommen würden, und deshalb werden sie ihre Opposition in unschädlichen Grenzen halten. Herr v. .Kardorff aber sammelt schon die Häupter seiner Lieben, um sie der Regierung als Schubgarde beim Marsch durch den lebten parlamentarischen Engpaß zur Verfügung zu stellen. Viel bedenklicher scheint die Frage, ob sich im Auslands die Verträge so schnell mit Gesetzeskraft umkleiden lassen. Es kommt hier besonders Ungarn in Betracht, das bei den Neuwahlen den AuSgleichsfeinden einen überraschen den Sieg bereitet hat. Wer immer die Erbschaft des Grafen Tisza antreten wird, der muß damit rechnen, daß die Forderung „LaS von Oesterreichl" sich mit un gewöhnlicher Heftigkeit geltend macht. ES ist wenigsten- zur Zeit gar nicht abzusehen, wie sich im ungarischen Parlament eine Mehrheit für die Fortsetzung der Politik nach der Grundlage von 1867 finden lassen soll. Die Annahme deS deutschen Handelsvertrages würde aber um viele Jahre den bisherigen Zustand verlängern: deshalb muß man von der Opposition der Kossutbianer den schärfsten Widerspruch gegen den Vertrag mit Deutschland erwarten. Graf Bülow ist wohl absichtlich auf die im Auslande vorliegenden Schwierigkeiten nicht näher eingegangen: man darf aber wohl annehmen, daß sie ihm gleichfalls nicht fremd sind. Nicht weniger bedenklich erscheint leider noch immer die Lage im Ruhrgebiet. DaS Versprechen der Regierung, die wichtigsten Beschwerden der Arbeiter durch eine Novelle zum preußischen Berggesetz zu b >- seitigeu, l>at nicht erhoffte Wirkung gehabt, daß die Arbeit wieder aufqenornmen wurde. Daran ist einmal das Mißtrauen der Bergarbeiter schuld, die schon zu lange mit Versprechungen gefüttert worden sind, als daß sie nicht endlich einmal nach derberer Kost verlangten. Nicht minder aber hat das Verhalten der Bergwerks- besitzer, die nach wie vor eine Verhandlung mit den Arbeitern ablehnen, zu einer Versumpfung deS Streiks geführt. Es will uns aber bedünken, als ob die Berg herren die Lage diesmal verkennen. Wir sind nickst mehr im Jahre 1889; das Volk hat seitdem dazu gelernt, und auch die Regierung bemüht sich, die begangenen Fehler durch größeren Eifer wieder gut zu machen. Besonders hat Graf Posadowskh, in dem wir ja den fähigsten und aufgeklärtesten Kopf im weitschichtigen Gebiet der Sozial- Politik besitzen, am Mittwoch und Freitag im Reichstage den Unternehmern gehörig die Wahrheft gesagt. Er be tonte mit vollster Bestimmtheit die Oberhoheit des Staates, die heute umso nötiger sei. als an Stelle der privaten Bergwerksbesitzer Kapitalmächte getreten seien. Das klang fast, als sei die Verstaatlichung der Berg- Werke nicht mehr gar so weit. Jedenfalls sollten sich die Unternehmer durch die Stimmung in der Regierung wie im Volke warnen lassen. Eine Fortsetzung ihrer intran sigenten Haltung könnte ihnen selbst am teuersten zu stehen kommen. In Frankreich hat das Kabinett Rouvier sich seine Daseinsberechtigung durch die Deputiertenkammer bestätigen lassen. Aber selbst in der überwältigenden Mehrheit, mit der das gestellte Vertrauensvotum ange nommen wurde, lag ein bitterer Stachel. Denn so sehr sich Herr Rouvier bemühte, sich als radikalen, mit sozialem Oel gesalbten Politiker hinzustellen, so wenig nahm ihn die Kammer ernst. Es lag etwas Kompromit tierendes in dem Vertrauen, das ihm die Nationalisten und Reaktionäre entgegenbrachten. Sie hörten aus allen seinen radikalen Phrasen den Zettel im Löwenfell heraus, wie er immer wieder versichert, daß er in Wirklichkeit kein Löwe sei. Das ist ein schlimmes Zeichen für die Dauerhaftigkeit des neuen Kabinetts, ein umso schlimmeres, als die für Ende dieses Jahres be- vorstehenden Neuwahlen eS ihm unmöglich machen, sein großspuriges Programm auch nur ernstlich in Angriff zu nehmen, viel weniger durchzuführen. Aus Petersburg kam endlich einmal eine er freuliche Botschaft, die in der ganzen Kulturwelt Wieder klang, daß Maxim Gorki der Freiheit zurückgegeben ist. Die Proteste werden dazu wohl nicht viel beige tragen haben. Er wird hoffentlich aus dem Abenteuer die Lehre ziehen, daß der Dichter zwar noch besser mit dem Volke als mit dem König gehen soll, daß er sich aber vor der Parteipolitik möglichst in Acht zu nehmen hat. Leider ist Gorkis Enthaftung der einzige Licht- blick in dem trüben Dunkel der russischen Verhältnisse. In Petersburg zwar hält Trevow mit harter Hand Ord- nung, ja, der Zar versucht sogar jetzt, den Arbeiterkaiser zu spielen, und redet wie ein Vater zu der sorgfältig ausgesuchten Arbeiterdeputation. Aber dies« Depu- tation wird natürlich von der Arbeiterschaft nicht an erkannt. So ist es begreiflich, daß die Arbeiter unruhen immer weiter um sich greifen. Der Peters- burger Metzelei ist die N e v o l t e in Warschau ge folgt, die kauni weniger blutig verlaufen ist, und von einem Abflauen der revolutionären Stimmung kann kaum gesprochen werden, wenn auch nicht mehr zweifel haft ist. daß es der Regierung des Zaren gelingen wird, den offenen Aufruhr überall niederzuwerfen Umso be- sorgter muß man fragen, wohin Rußland treibt, wenn man sieht, daß jetzt die krasse Reaktion wieder die Ober hand gewonnen.bat. Als ihr erstes Opfer fiel der Minister des Innern, Fürst Swiatovolk Mirski, der ein paar Monate davon geträuint hat, er könne in Rußland Reformen einfllhren. An seine Stelle tritt der frühere Gouverneur von Kaluga, das Mitglied des ReichsrateS Bulygin. Er wird kaum etwas anderes sein wollen aÜS ein Handlanger LrepowS. Nimmt man dazu, daß General Kuropatkin sich abermals von den Japanern eine empfindliche Niederlage geholt hat, so kann man sich der Erkenntnis nicht verschließen, daß die russische Krise ihr Ende noch lange nicht erreicht hat. tzuickum. kine englirche firrauLlsräerung. Von offizieller englischer Seite wird mal wieder Oel in« Feuer gegossen. Wie über London gemeldet wird, hielt am Freitag der Zivillord der Admiralität Lee in. East-Leigh eine Rede, in der er sagte: die Regierung habe nicht so sehr Frankreich und das Mittelmeer zu überwachen, als mit Unruhe, obschon nicht mit Furcht, nach der Nordsee hinzublicken. Aus diesem Grunde seien die englischen Flotten so umgestaltet worden, daß sie jeder Gefahr von dieser Seite trotzen können. Wenn es unglücklicherweise zu einer KriegS- erkörunn kommen sollte, würde die englische Flotte den erste« Schlag sichren, noch ehe man auf der anderen Sette Zeit gehabt hätte, die Kriegserklärung in den Blättern zu lesen. Mit der „anderen Seite" kann in diesem Falle nur Deutschland gemeint sein, da die übrigen Nordseeländer für einen Krieg mit England ernstlich garnicht in Betracht kom men. Nach dem, WaS in letzter Zeit amtlich und halbamt lich von deutscher Seite erklärt worden ist, erscheint es geradezu unerfindlich, wie man jenseits des Kanals in Deutsch land immer und immer wieder den mutwilligen Friedens störer erblicken kann. Wer mit gesunden Sinnen und nur einigermaßen gereiftem politischen Urteil begabt ist, muß das Haltlose derartiger Verdächtigungen ohne weiteres einsehen. Wir bauen unsere Flotte lediglich so groß und so stark, wie sie nach unserer Auffassung zum Schutze der deutschen Interessen sein muß, nicht zu An- griffSzwccken, und lassen uns allerdings in der Beurteilung besten, waS hierzu notwendig ist, lediglich von unserem eigenen Urteil leiten, aber in keiner Weise von einer fremden Macht bevormunden." Nun sind wir allerdings darauf ge spannt, ob unsere Regiernng immer noch an der Fiktion von dem freundschaftlichen Verhältnis zu Eng land festhält und alles als Kombination bezeichnet, WaS über gespannte Beziehungen verlautet. Das Eine ist ja möglich, daß man nur in London unwirsch und in Berlin sanftmütig ist. DaS aber würde die Lage zu allem Ueberfluß auch noch im höchsten Grade demütigend für uns machen. Eine so protzig herausfordernde Sprache von einer amtlichen aus ländischen Stelle ist Deutschland seit 1870 noch nicht wieder geboten worden. Sind wir nun glücklich so glänzend isoliert und so wenig wehrkräftig, daß wir das ohne Mucken hin nehmen müssen? Wir fürchten, von Berlin wird eine neue Beschwichtigungsaktion unternommen werden, und Herr Bash- ford hat Chancen für ein neues Kanzlerinterview. Gern werden wir an- aber einen anderen Paffu- an der Rede des streitbaren Lord- zu eigen machen, nämlich de» folgenden: Die besten, schnellsten und bestgepanzerten Schiffe werden in den Seeschlachten der Zukunft eine Rolle spielen. Infolgedessen ist beschlossen wordeu, keine Ausgaben mehr für Reparaturen alter Schiffe zu machen. Man wird mit dem Ertrag dies« Ausgaben Schiffe von größtem und schnellstem Typ, ausschließlich armiert mit schwerster Artillerie und durch di« stärksten Panzer geschützt, Herstellen. Da« Programm muß auch für unsere deutschen Schiffs- bauten gelten und e- ist nur zu wünschen, daß bei unfern Neubauten streng nach diesen Grundsätzen verfahren wird. Jetzt muß auch der Stumpfste sehen, um wa- e« sich hier handelt. Vie flrftir in stnrriana. Adressen von Adelrtagen sind dem Zaren, wie wir meldeten, in den letzten Tagen wiederholt überreicht worden. Die .Schles. Ztg." gibt die markantesten Stellen der Kostromaschea Adresse wieder: . . . „Allersrömmster Herrscher! Gestatten Sie dem treuen Kostromaschen Adel, der durch Jahrhunderte seine Ergebenheit bewiesen hat, hier, an derselben Eiell«, wo dir Wiege de» Hause» Romanow stand, Ihnen eia aus der Tiefe der Seele flammende« Wort zu sagen: di, gekrönten Vorgänger Ew. Maiestät haben schon öfter« in den Gesrtzdn alle Rechte, aus die wir Hinweisen, ausgezeichnet und sind mit Liebe den entstehenden Lebensbedürfnissen entgegen gekommen. Doch leistete ihnen, den Monarchen, stets die Bureankratir Widerstand, die eine unüber- steigliche Mauer zwischen den Zaren und demselben Volk bil dete, welches vor zweihundert Jahren den großen Stammvater Ew. Majestät frei gewählt bat. Im Gesetz steht es auch jetzt schon klar, daß alle vor ihm (dem Gesetz) gleich sind, daß jeder ein- zelne für die Verletzung desselben verantwortlich ist, daß alle russi- scheu Untertanen und ihre Glaubensbekenntnisse gleichmäßige Achtung besitzen... In Ansehung dessen betrachten wir mit Rücksicht auf die staatliche Ruhe und die Befriedigung der wichtigsten Be dürfnisse unseres örtlichen Adel», der zugleich ein Teil des all nationalen Adels ist, es sür unsere Pflicht, Ihnen, Herrscher, unsere tiefe Ueberzeugung anSzusprechen, daß nur die unmittelbare Berbinvung deS selbftherrschendeu Monarchen mit frei erwählten Vertretern der Bevölkerung imstande wäre, die Gemüter zu beruhigen, die lebendige Verwirklichung der Gesetze unerschütterlich sicher zu stellen und die unweigerliche Durchführung jener Reformen zu verbürgen, deren Entwürfe Ew. Kaiserliche Majestät in dem Ukas vom 25. Dezember nieder gelegt haben" Dazu wird der „Schles- Ztg." au« Petersburg ge schrieben: Welcher Erfolg kann nun von solchen Petitionen erwartet werden? Uns dünkt, sie werden eine andere Be handlung erfahren als die Tschernigowsche Adresse. Denn seither sind vor dem Palais des Kaisers und in den Straßen seiner Residenz Dinge geschehen, deren Bedeutung auf die Dauer niemand dem Auge des Kaisers verbergen kann. Wir sprechen ferner nach eigener Wahrnehmung, wenn wir sagen, daß heute in bestimmten Ministerien die Idee einer Verfassungsänderung nicht mehr mit Abscheu be frachtet wird. Leider haben wir keine homogene Regie rung, und so denkt man an den verschiedenen Regierungs stellen recht verschieden über die Lage. Wenn wir aber aus einer Unterredung mit konservativen Staatsmännern die richtigen Schlüffe ziehen, so glaubt man die un beschränkte Alleinherrschaft der Bureaukrati« doch nicht mehr aufrecht erhalten zu können. Hieraus folgt, daß mau die Hinzuziehung von Standevertretern zur Regierung in irgend einer Form für möglich hält. Dre Form heißt der Semski Ssobor (wörtlich: Landschafts-Versammlung) und schon beginnt die bureaukratische Presse von dieser Form zu reden. Der Semski Ssobor ist der altrussische Land tag, den die Zaren öfters einberiefen, »m die Stimmung der Volksstände kennen zu lernen und bereu Rat einzuholen. Die Herrschrrgewalt wurde dadurch nicht verkürzt, aber die Entschließung der Zaren doch wesentlich beeinflußt. Nach der Auffassung unserer Gewährsmänner wäre eS leicht, den russischen Reichsrat, gegenwärtig die oberste gesetz gebende Körperschaft, in einen Semski Ssobor umzu wandeln. Jene Körperschaft besteht zurzeit nur aus alt gewordenen Beamten und Militärs; künftig würde sie mit etwa gleichen Vollmachten, eine Versammlung von Vertretern aller russischen Volksstände sein, die der Kaiser in diesen Ssobor beriefe. Darin steckt nun der erste Haken. Denn der Kaiser persönlich kennt ja die einzelnen Vertreter nach ihrer Würdigkeit und Geschicklichkeit nicht, das Geschäft der Berufung glitte also doch wieder in die Hände der Bureau- kratie. Zweitens ist uns keine Gesellschaftsklasse oder Kor poration in Rußland bekannt, di« sich jetzt »och mit dem Modus der Berufung, anstatt der freien Ständewahl, zu frieden gäbe. Aur Witte» Departement. An daS Finanzministerium richteten mehrere große Handels städte, darunter auch Odessa, daS Gesuch, in der Kommission für die Reform der Jndustriesteuer vertreten sein zu dürfen. Herr v. Witte hat im Einvernehmen mit dem Ministerium des Innern diesen Antrag abgelehnt mit der Begründung, daß den Stadtverwaltungen keine Anteilnahme an den Beratungen der Reichsregierung gewährt werden könne. Diese Antwort rief eine scharfe Kritik deS „Rußkoje Slowo" hervor, die nach dem „H- in folgenden Ausführungen gipfelt: „ES ist höchst bedauer lich, daß zur Entscheidung einer solch bedeutsamen Frage nur Beamte und nicht Sachverständige und Interessenten heranßezogen werden. Wenn die oben genannte Kommission sich sur berufen hält, im Vorstande von großen handels industriellen Unternehmungen vertreten zu sein, so sollte doch ganzen Jnduslriebezirken ein gleiches Recht zugestanden werben, sobald es sich um die Steuerbelastung der Industrie handelt, die nur in Rücksicht auf die Bedürfnisse und Interessen der verschiedenen Arbeit-klassen günstig und zweck dienlich durchgcführt werden könne." Die Odessaer Duma hat ungeachtet des verneinenden Bescheide- der Regierung eine zweite Petition an die Kommission gesandt mit der dringenden Bitte, die Gründe, die für die Vertretung der Handels- und Industriezentren sprechen, genau in Erwägung zu ziehen. Maßregelungen und Entlassungen. Der Sohn deS früheren Justizministers Nabokow, Wla dimir Nabokow, ist seiner Hofwürden entkleidet, ebenso der AdelSmarschall v. Tschernigow. Der erstere war während eine- auf einem Bankett vom Oberbürgermeister ausgebrachten Toastes auf das Wohl deS Zaren sitzen geblieben. Der letztere hatte daS bekannte Glück wunschtelegramm zum Namenstage des Zaren an diesen gesandt, worin die Bitte um eine Konstitution ausgesprochen wurde. Diese Maßregelung, die Entziehung einer Hofwürde, ist eine überaus seltene Strafe. — Die Primadonna der russischen Hofoper, Frau Kusa, hat plötz lich ihre Entlassung erhalten. Die Künstlerin war Augenzeugin der blutigen Vorgänge am 22. Januar und konnte sich nicht versagen, die Offiziere, die auf die Menge zu schießen befahlen, zu schmähen. Infolgedessen wurde ihr Kontrakt seitens der Direktion sofort gelöst. Dl« Situation in jpeterrburg. In der Fabrik Leffnier ist, wie dem „H. C." ausführlicher depeschiert wird, abermals der Streik auSgebrocken. Bon 5000 Arbeitern haben 1000 Mann am Freitag die Arbeit eingestellt. Sie sind unzufrieden mit der Ansprache, die der Zar an die Arbeiterdeputation gehalten hat. Sie erwarteten einen anderen Inhalt und zerrissen die verteilten Exemplare, die die Ansprache de« Zaren Wiedergaben. Bereit« bat eine Konferenz mit dem Direktorium stattgefundrn, bi-her ohne Resultat. Besonders aufgebracht sind die Arbeiter über den Passus, in denen der Zar ihnen »verzeiht", da fi« sich al- angegriffen betrachte».
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