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«I. Jahrgang. ^ S5S. Sonntag, 16. September ISI7. Drahtanschrift: «achrichte» Lrebbe». Fernsprecher-Sammelnummer: »6641. Nur für NachtgesprSche: SV 011. >77-7//VFES/»/ Schr-tleitung und HauptgeschLstsstelle: Marienstraste 28 4V. Druck u. Verlag von Liepsch ck- Neichardt in Dresden. Bezugs-Gebühr °.'SW '"-.^7^.-.« 3« Ä!! Anzeigen-Preise. Jer Rigaer Busen im vollen Besitz der deutschen Flotte. Lebhafte Gefechtstötigkeit ln Flandern. — Wieder 20000 Tonnen versenkt. — 32 italienische, 11 österreichisch-ungarische Flieger im August adgeschossen.—Kornilows Unterwerfung unter Kerenski. — Deutschland und Argentinien. — Die Neuordnung in Polen. Der deutsche Abendbericht. Berliii. IS. September, abends. (Amtlich. W. T. B.s Ju Teilen der flandrischen Krönt und südöst lich von Klrras lebhafte GofcchtStätigkcit. Bo in Osten nichts Neues. Amtlicher deutscher Admiralstabsbericht. Berlin, IS. Sept. sSlmtlich.s Neue Untersee boot-Erfolge im Aermel-ttanal: Vier Dampfer und ein Scaler mit rund 2000» Br.-N.-To. Die Dampfer waren sämtlich bewaffnet, einer davon ei» Tank dampfer. Der Segler hatte 1100 Tonne» Oel. Reis und Stückgut nach Le Havre geladen. lW. T. V.j Der Chef des Admiralstaüs der Marine. Sefterrelchisch-ungarischer Kriegsbericht. Wien, 13. Gept. Amtlich wird verlautbart: Auf dem östlichen Kriegsschauplatz« und in Albanien leine besonderen Ereignisse. An der Kson 10 front lobte die Kampstätigkcit stellenweise auf. Südlich von Selo am Jsonzo sind meh rere italienische Vorstöße geicheiiert. Aus dem Monte San Gabriele liegt schweres Gcschützseucr. Teil- angrifsc der Italiener wurden abgeschlagen. Die Zahl der im August an der Südwcstsrant ab- geschossenen italienischen Flieger beträgt 32. Wir verloren in derselben Zeit 11 Flugzeuge. IW.T.B.j Der Chef des General st ab s. Ser Aigasr Busen in deutschem Besitz. <D r a b I in c ! L u n g u » screS Kölner M i t a r b e i t c r S.s Kopenhagen, IS. Scpt. Nach der Meldung der «Rorvoic Wrcmja" befindet sich nunmehr der Meerbusen von Riga vollkommen im Besitze der deut schen Flotte. De» deutsche» Kriegsschiffen gelang es. sämtliche russische Minenfelder in icrstören. woraus die russischen Kriegsschiffe sich inrückiogen. Da sich in der letzten Zeit wiederholt deutsche Unterseeboote in den finnischen Gewässern geneigt haben, wurde der Hase« von Helsingfors sür die Schiffahrt geschlossen. s„K. Z."i Die Tätigkeit des sächsischen Verfassungsausschusses kst durch die Ablehnung sämtlicher vorliegender Anträge über die Reform des Wahlrechts zur Zweiten Kammer auf einen toten Strang geraten. Die Sozial demokraten wünschten in dieser Lage Rücksprache mit ihrer Fraktion zu nehmen und die Verhandlungen wurden in folgedessen ans nächsten Dienstag vertagt. Es war ein ziemlich buntes Bukett von Forderungen, die im Aus schuß ausgestellt wurden: außer Sen weitgehenden, für keine ihrer Verantwortung bewußte Negierung .und keine von Staatsgcsühl durchdrungene Partei diskutablen Radika lisierungsanträgen der Sozialdemokratie wollten die einen di«Verhältniswahl kombiniert mit dem Reichstagswahlrecht, ferner wurde eine Ncueinteilung der Wahlkreis« mit einer gegen die landwirtschaftliche Vertretung gerichteten Spitze verlangt, weiter kam man ans eine Alterszusatzstimme zu, und endlich lag noch ein nationalliberaler An trag Hettncr vor, der eine Prüfung der Wahlrechts frage ans Grund der mit dem in Aussicht stehenden neuen preußischen Wahlrecht zu machenden Erfahrungen forderte. Die sozialdemokratische Presse gießt über den zuletzt ge- nannien Antrag mit ganz besonderer Beflissenheit die Schale ihres Zornes ans und erklärt, die Annahme dieses Vorschlags hätte „wie eine Verhöhnung des nach Rechts gleichheit auf Grund der Kriegsopfer rufenden Volkes anmuten müssen". Mit Nichten! Man muß vom Stand punkt einer sachlichen Würdigung der Beweggründe des nationalliüeralen Antrags im Gegenteil sagen, -ah er durchaus die politische Vernunft für sich hat. Jedes neue Wahlrecht ist mehr oder weniger ein Sprung ins Dunkle, dessen Wirkung sich auch von dem durchdringendsten Scharf blick großer Intelligenzen nicht mit Sicherheit im voraus beurteilen läßt. Es gilt daher vom Wahlrecht in hervor ragendem Maße der alte bewährte Grundsatz des Quieta non movere, d. h. daß man an einem bestehenden Wahlrecht, das im wesentlichen trotz mancher Mängel im einzelnen sich als brauchbar erwiesen hat, nicht rütteln soll, solange man nicht die positive Gewißheit hat, etwas zweifellos Besseres an seine Stelle setze» zu können. Wenn sich nun vollends eine Gelegenheit bietet, die Erfahrungen, die ein benach barter Bundesstaat mit dem Versuch eines neuen Wahl rechts zu machen im Begriff steht, abzuwarten, ist es dann nicht ein durchaus gesunder Gedanke, eine überstürzte Aktion zu vermeiden, um später bei der eigenen Wahl reform aus den sich etwa ergebenden Mängeln des in dem anderen Staate reformierten Wahlrechts die entsprechende NuchanweÄbÜNg ziehen zu können? Der Eifer, womit die Sozialdemokratie eine solche realpolitische abwartcnde Al tung bekämpft, ist jedcnfaKS verdächtig: er läßt erkennen, daß die Sozialdemokraten vor jeder auf noch so wohl erwogenem Grunde beruhenden Hinausschiebung der Wahl reform Furcht haben, weil sie sich, wenn auch nach außen hin uneingcstandcncrmaßcn, im Innern selbst sagen, daß die angebliche gewaltige Volksbewegung, auf die sie pochen, in Wirklichkeit gar nicht hinter ihnen steht, und daß die Feldgrauen, wenn sic nach Friedensschluss an einer Reform des Wahlrechts mitzuwirken haben, in mancher Hinsicht erheblich anders denken werden, als es den heimischen Ver tretern der sozialdemokratischen Anschauungen lieb fein dürfte. Für die Negierung ist nunmehr der weitere Weg klar vorgezcichnct: sic kann bis ans weiteres dem Landtage überhaupt keine Vorlage über die Wahlrechtsreform zü geheil lassen, da sie für keinen Entwurf auf eine Mehrheit im Plenum rechnen kann und sic cs selbstverständlich ab- leynen muß, eine so bedeutungsvolle Gcsetzgebmigsaktion in die Wege zu leiten, wenn ihr von vornherein jede Aus sicht auf eine gedeihliche Erledigung der Angelegenheit ver riegelt ist. Dabei muß aber mit allem Nachdruck betont werden, daß die Negierung keineswegs jeder Wahlrcsorm grundsätzlich feindselig gegcnübcrstcht. Der Minister des Innern Graf Vitzthum v. Eckstädt hat in diesem Frühjahr ausdrücklich erklärt, daß er berechtigten Wünschen zur Ver besserung des geltenden LandtagSwnhlrechtcs durchaus nicht abgeneigt sei, daß aber unberechtigte Wünsche solcher Art auf kein Entgegenkommen von seiner Seite rechnen dürften. Als unberechtigte Forderungen mies der Minister das allgemeine und gleiche Wahlrecht für den Landtag, sowie das Fraucnmahlrccht ab »nd ebenso eine Neucin- teilung der Wahlkreise, die den Unterschied zwischen Stadt und Land verwischen will. Innerhalb des danach ver bleibenden Rahmens wird also die Negierung nach wie vor bereit sein, ihre Hand zu einer Reform des Wahlrechtes zur Zweiten Kammer zu bieten. Voraussetzung zu einer gesetzgeberischen Initiative nach dieser Richtung ist aber, daß sich in der Zweiten Kammer eine Partcigruppicruirg herausbilbet, die der Regierung eine Mehrheit sür be stimmte annehmbare Vorschläge gewährleistet. Anders liegt der Fall mit Bezug auf dieReform der Ersten Kammer, weil hier die Beschlüsse des Ver fassungsausschusses nicht im Sande verlaufen sind, sondern ein positives Ergebnis gezeitigt haben. Die Negierung kann daher mit der Möglichkeit rechnen, daß eine Gcsetzcs- vorlage über den Gegenstand in der Zweiten Kammer eine Mehrheit finden wird, und da auch die Erste Kammer keine unversöhnliche Gegnerin einer innerhalb der Grenzen des Erreichbaren abgcstcckten Reform ist, so erscheint die Er wartung begründet, daß diese Frage, die schon so lange Zeit hindurch die öffentliche Meinung unserer engeren Heimat bewegt hat, in nicht mehr ferner Frist einer Lösung ent gegengeführt werden wird. Es wird natürlich noch ein gehender Beratungen bedürfen, ehe die Sache zum end gültigen Abschluß gebracht werden kann. Ucber das Knie brechen läßt sich eine so bedeutsame Acnücrung ans keinen Fall und cs ist daher auch nicht möglich, noch in der gegen wärtigen, dem Abschluß zueilendcn Tagung die Reform durchzuführen. Daß aber dem nächsten ordentlichen Land tage eine entsprechende Vorlage zugehen wird, daran ist nach der ganzen Sachlage um so weniger zu zweifeln, als der Minister des Innern bei der bereits vorhin erwähnten Gelegenheit in diesem Frühjahr, als er sich über die „Neu orientierung" äußerte, die bündige Erklärung abgegeben hat, daß die Regierung nach wie vor von der Notwendigkeit einer Reform der Ersten Kammer durchdrungen sei. An diesen Worten ist nicht zu rütteln und zu deuteln, und eS wird nun Sache der Zweiten Kammer sein, die Erfüllung der ministeriellen Zusage durch ein verständiges Maßhalten in der Begrenzung der Neformfordcrungcn zu sichern. Als springender Punkt hebt sich dabei heraus, daß alle Versuche, die verfassungsmäßigen Rechte der Ersten Kammer zu be schneiden und unser Oberhaus von dem Range eines gleich berechtigten Faktors der Gesetzgebung aus das Niveau einer bloß beratenden Körperschaft herabzudrücken,^von vornherein die ganze Reform gefährden müßten. Die Erste Kammer selbst Hyt unzweideutig zu erkennen gegeben, daß sie" für eine der artig« Neuregelung unter keinen Umständen zu haben sein wird, und die Negierung steht fest auf dem Boden der gleichen grundsätzlichen Anschauung. ES kann sich also, wenn etwas Positives bei der Sache herauskvmmen soll, nur darum handein, daß die Zusammensetzung der Ersten Kam mer in einer den modernen Zeitverhültnissen entsprechenden Weise geändert wird. In dieser Beziehung herrschen zwar auch noch mancherlei Meinungsverschiedenheiten, die aber nicht prinzipieller Natur sind und bei gutem Willen aus allen Seiten die Auffindung eines Weges zur Verständi gung nicht allzu schwer erscheinen lassen. Ursprünglich war nur daran gedacht, der Industrie und dem Gewerbe eine der Landwirtschaft gleichwertige Vertretung in der Ersten Kam mer zu gewähren. Neuerdings ist dann aber die Forderung hinzugctreten, den Kreis der Bcrcchtigien noch erheblich weiter zu ziehen und auch dem Arbeiterstande, den freien Berufen und den Lehrständen eine Vertretung cinzuräume:,. An sich ist cs gewiss begrüßenswert, dass die gciiaanien Berufsstände mit hinzugczogen werden, aber ans der anderen Seite leuchtet cs auch ein, dass nicht noch darüber hinaus ins Uferlose fortgeschritten werden darf, wenn die Erste Kammer nicht in Gefahr ge raten soll, ihren eigenartigen, gerade in der Art ihrer Zu sammensetzung wurzelnden Charakter als besonders autori tative Körperschaft zu verlieren. Eine weitere Verichiedei:- heit der Ansichten bezieht sich ans die Frage, ob die neuen Mitglieder ihr Recht auf Sitz und Stimme in der Ersten», Kammer unmittelbar durch berussständischc Wahl oder durch Berufung seitens der Krone erwerben sollen. In letztere:» Falle würden die Verufsstände dann lediglich das Recht haben, Vorschlagskandidaten zu wählen, aus denen der König nach eigenem Ermessen die Mitglieder zu ernennen hätte. Es wird wohl über diese Punkte noch manche Debatte geben, und überall die Marksteine richtig zu setzen, so dass L:c Erste Kammer in ihrem Grundcharaller erhalten bleibt, wird nicht ganz leicht sein. Immerhin müsste schon ein ganz besonderer Unstern über den Verhandlungen wallen, wenn sich über die einschlägigen Streitfragen zweiten Ranges nicht schliesslich zwischen Negierung, Erster und Zweiter Kammer ein Ein vernehmen erzielen ließe, sofern nur die verfassungs mäßige G l e i ch b e rc ch t i g u n g des Oberhauses nicht a n g c t a st c t wird. Kornilows Unterwerfung unter Kerenski. Die Nachrichten aus Rußland lauten nach wie vor außerordentlich widerspruchsvoll. Fcstzustchen scheint vor läufig nur, daß der frühere Generalissimus Koniilow in eine Falle gegangen und vom größten Teile seiner An hänger verlassen ist. Dagegen ist noch nicht klar ersichtlich, ob er sich dem unleugbar mit großem Geschick operierenden Kerenski schon auf Gnade und Ungnade ergeben hat oder ob er versucht, noch weiter Widerstand zu leisten. So lautet die eine Meldung: Petersburg. IS. Scpt. lRcutcr.t Die Negierung wurde von der Verhaftung Kornilows und seiner haupt sächlichen Mitschuldigen verständigt. tW. T. B.j Kerenski hat natürlich bas Bestreben, den Auslehuungs- vcrsuch Kornilows als möglichst unbedeutend und rasch ab getan hinzuskcllen, um seine diktatorische Macht nicht er schüttern zu lassen und um etwaigen Hcrrschaftsgelüstcn anderer Generale oder Politiker beizeiten einen Riegel vor- inschicben. Nach privaten Nachrichten hat sich nämlich Kor- nilow noch nicht bedingungslos ergeben, wie aus der nach- Re Sestrrbnnge» zur Reform derkrften und zweiten Kummer in Sachsen.