Volltext Seite (XML)
so Pfg. „Meißetttz. Zeitung" erscheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. Sb Pfg-, zweimonatlich 84 Pfg-, eininonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummer« 10 Pfg. — Alle Postan- ftalten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be- , , Amtsblatt für die Königliche AmishMptmannfchaft Jippoldiswalde, sowie für die Königlichen Umlsgerichte nnd die Stadlräthe Inserate, welche bet der bedeutenden Auflage deS Blattes eine sehr wirk same Verbreitung finden, werden mit 10 Pfg. die Spaltenzeile oder deren Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirt« Inserate mit entsprechen dem Ausschlag. — Eiiige- Veranttvortlicher Redacteur: Carl Ikhne in Dippoldiswalde. Nr. 27. Englands Verlegenheiten. Ehe Gladstone der Führer der englischen Politik wurde, hat er seinem Vorgänger Lord Beaconsfield (Disraeli) die schlimmsten Dinge vorgeworfen. Nach Gladstone war Beaconfield's Politik diejenige eines „rasenden Thoren", und eines hülflosen Greises auf dem Dache, der am Größenwahn leide. Nun, jetzt sitzt in London auf dem Negierungsstuhle auch ein Greis, der sich nicht zu helfen weiß, und dieser Grsis heißt — Gladstone. Er, der früher als Oppositions mitglied die ganze politische Welt narren zu können glaubte, wird jetzt von ihr gründlich genarrt und Jedermann weiß es, nur Herr Gladstone nicht. Im Sudan stehen die Dinge, Dank der verkehrten Politik Englands, außerordentlich kritisch. Die eng lischen Streitkräfte müßen sich vor denjenigen des Mahdi nordwärts zurückziehen, das ist eine offene Thatsache, wenn die Engländer sie auch zu bemänteln suchen. Vor zwei Jahren sagte Gladstone noch: Was geht uns der Sudan an, mag dort herrschen wer will, wir beschränken uns auf Egypten. Als aber der Mahdi mächtiger wurde, da schickte Gladstone den General Gordon nach dem Sudan, um mit Güte, List oder Gewalt den Mahdi unschädlich zu machen. Nun ist Gordon todt, Kartum gefallen und die Macht des Mahdi im Steigen, also haben in den letzten Jahren die Englänger in Folge von Gladstone's eigensinniger Schaukelpolitik im Sudan Alles verloren und in Egypten in ihrer schwierigen Stellung auch nicht ein Haar breit gewonnen. Dazu kommt, daß trotz aller Wiederrufe, Rußland doch jetzt die Gelegenheit benutzt, um, wenn auch nicht gerade in Indien einzufallen, so doch seine Stellung in Zentralasien zu erweitern und die letzten Etappen und Thore, die nach Indien führen, in Besitz zu nehmen. England nahm bekanntlich vor drei Jahren einen Theil von Afghanistan in Besitz, um der Aus breitung Rußlands in Zentralasien zuvorzukommen. Rußland ist nun seit jener Zeit bemüht, dem eng lischen Schachzuge einen neuen entgegenzusetzen und entweder im Vertragsweg mit bewaffneter Hand das auch dem Emir von Afghanistan tributpflichtige Herat oder vorläufig auch nur Penjdeh zu gewinnen. Die russische Regierung soll sogar dem Emir von Afgha nistan im Geheimen ein Bündniß und Hülfe gegen England angetragen haben, wenn der Emir einwillige, daß Rußland Herat in Besitz nehme. England, wel ches vor einigen Jahren Afghanistan bekämpfte, und sich in dessen östlichen Grenzländern festsetzte, darf sich nicht darüber beklagen, wenn Rußland nun Afgha nistan gegen England aufzuspielen sucht, das ist ledig lich politische Klugheit. — In Hinblick auf die tragi komische Thatsache, daß der leitende Staatsmann Eng lands in der auswärtigen Politik von einem Fehler in den andern gefallen ist und zum großen Theile die Verlegenheiten Englands im Sudan, Egypten und Zentralasien verschuldete, hat sich nunmehr im eng lischen Parlamente auch die Opposition von rechts und der äußersten Linken zu einem Entrüstungssturme gegen die Gladstone'sche Politik ermannt, und es ist nicht unwahrscheinlich, daß noch im Laufe der Woche Gladstone zum Rücktritte veranlaßt wird. Ob nun freilich der Nachfolger Gladstone's England bald aus den Verlegenheiten ziehen wird, bleibt eine andere Frage, denn die Erbschaft Gladstone's ist ein wahrer politischer Rattenkönig, verwickelt, verfahren und wider wärtig im höchsten Maße. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde, 2. März. Vorigen Freitag hielt der Gewerbeverein eine recht gut besuchte Ver sammlung ab. Aus den zahlreichen Eingängen be merken wir nur die Mittheilung, daß der Wander lehrer der Gesellschaft für Volksbildung, I)r. Wisli- cenus-Wiesbaden, nunmehr bestimmt den 20. April Dienstag, den 3. März 1885. hierher zu kommen versprochen hat, und daß derselbe nach Wunsch des Vereins: „lieber die Lage des Hand werks" sprechen wird. Ferner wurde mitgetheilt, daß die Aufnahme des Vereins in den deutschen Kolonial verein, vorläufig unter dem Namen des Vorsitzenden, erfolgt und die Mitgliedskarte beim Schriftführer, Hrn. Kaufm. Lincke, deponirt ist, wo sie von denjenigen Mitqliedern, welche einem Vortrage des Kolonialver- eins^ Sektion Dresden beiwohnen wollen, zur Legiti mation entnommen werden kann. Höchst interessant war der nun von einem Gaste, Hrn. Direktor Lamer aus Hainsberg, gehaltene Vortrag „Ueber die Sozial demokratie." Drei Sprichwörter seien es, so begann der Vortragende, welche uns bei der beabsichtigten Betrachtung der hochwichtigen Frage leiten könnten, l) Man soll das Kind nicht mit dem Bade ausschüt ten. 2) Man soll nicht Alles über einen Kamm scheeren. 3) Ein jedes Ding hat zwei Seiten. Nach einer kurzen verständlichen Erklärung und Anwendung derselben auf die sozialdemokratische Frage, gab der Redner einen gedrängten Rückblick auf die Geschichte der sozialdemokratischen Lehren und Bestrebungen. Die selben seien nicht erst in unserer Zeit aufgetaucht, sondern sie seien so alt wie die Menschen selbst und nur ihre jetzige Benennung sei neu. Es werden die selben auch fortdauern, so lange es Menschen gebe. Als Vater des modernen Sozialismus sei Karl Marx, geb. 1818, gest. 1883, zu betrachten. Sein eifrigster Vertreter war Lassalle. - Er rieth den Arbeitern, ihre ganze Kraft auf die Erkämpfung des allgemeinen und direkten Wahlrechtes zu konzentriren. Er begründete 1863 in Leipzig den allgemeinen deutschen Arbeiter verein, der sich die Aufgabe stellte: „auf friedlichem und gesetzlichen Wege" für seinen Zweck zu wirken. Nach seinem frühen Tode (1884) bemächtigten sich haupt sächlich Bebel (geb. 1840) und Liebknecht (geb. 1826) der Frage, gaben aber bald die Parole aus, daß sich ihre Bewegungen auf legalem Wege nicht verwirklichen ließen. Dadurch war der Bruch mit den Laffalleanern vollzogen. Die Bebel'sche Partei konstituirte sich als „Sozialdemokratische Arbeiterpartei", als deutscher Zweig der Internationale, d. h. die Ausdehnung der ursprünglich nur deutschen Vereinigung auf die Arbeiterkreise aller Nationen. Die sozialistische Partei gehe von dem Grundsätze aus, daß der heutige Staat weder den Willen noch die Fähigkeit habe, eine wahr haft soziale Reform herbeizuführen und richte demnach ihre ganze Thätigkeit auf die Untergrabung aller sitt lichen und rechtlichen Grundlagen der bestehenden Ord nung, um auf deren Trümmer das Gebäude des sozia listischen Zukunftsstaates erstehen zu lassen. Diese Be strebungen in Verbindung mit den beiden Attentaten auf Se. Maj. den Kaiser bewogen 1878 den Reichs tag zu dem „Gesetz gegen die gemeingefährlichen Be strebungen der Sozialdemokratie". Und die Erfahrung, namentlich die beiin Niederwaldattentat zu Tage ge tretene Bestialität der Dynamitarden, mache ein ent schiedenes Bekämpfen dieser Richtung zur unabweis- lichen Pflicht. Die Mehrzahl der Sozialdemokraten sei mit den eigentlichen Grundsätzen und Zielen der Partei nicht bekannt. Die Führer versprächen goldene Berge, regten den Klassenhaß an, wüßten aber ihre Endziele jesuitisch schlau zu verhalten. Zu denken brauche die Menge nicht, sie habe nur dem Führer blind zu gehorchen. Es besteht also eine ungeheuere Kluft zwischen den Führern und den Anhängern. Die Bemühungen der Gegenpartei zur Aufklärung der Ar beiter seien vielfach verfehlt gewesen. — Unser jetziger Staat sei so eingerichtet, daß darin Jedermann seine Meinung aussprechen und auf deren Verwirklichung hinwirken könne, so lange er nicht den Bestand des Staates selbst gefährde. Eine Zertrümmerung desselben im sozialdemokratischen Sinne würde uns in Blut und Schrecken, in das Faustrecht zurückversetzen. — Für die Besserung der Lage der Arbeiter sei durch die sozialistische Pattei nichts geschehen. Alle Besserung 51. Jahrgang. ^7> habe sich historisch nach und nach in langen Zeiträumen entwickelt. Die Lehre der allgemeinen Gütertheilung sei ein Hirngespinst. Nur Der, welcher Kranke gesund. Krumme gerade machen und die Sonne über die ganze Erde gleichmäßige Wärme ausschütten machen und schließlich alle Gemüther über einen Leisten umkneten könnte, der möge die Ausführung versuchen. — Daß die Sozialdemokratie trotzdem Anhänger habe, liege in dem verlockenden Klange der gemachten Versprechungen, in der Urtheilslosigkeit derselben (wovon Redner ein in der That drastisches erheiterndes Beispiel erzählt) und in dem anfänglichen vornehmen Schweigen der Ord nungspartei, wie'nicht minder in der Gleichgültigkeit und Disziplinlosigkeit der Letzteren, wie sie sich be sonders in der Zersplitterung der Stimmen bei Wahlen zeige. Wie soll man sich aber der sozialdemokratischen Partei gegenüber verhalten? Wohlwollend zunächst. Und das sei ja geschehen. Das Krankenkassen- und Unfallversicherungsgesetz, dem auch die Altersversorgung bald nachfolgen werde, sei Beweis dafür. Bismarck habe sich große Verdienste dabei erworben. Man müsse begierig sein, was die sozialdemokratische Partei im Reichstage, wo sie nun zur selbstständigen Stellung von Anträgen zahlreich genug sei, schaffen werde. Sie hüte sich aber, etwas Positives zu schaffen, sie tadle nur, damit die Maßnahmen des Reichstags und der Regierung in Mißkredit geriethen und sie den Boden für ihre Thätigkeit nicht verliere. Möglicherweise sei jetzt für die Partei ein gefährlicher Wendepunkt ge kommen. Durch zir zahme Anträge würde sie ihre Anhänger enttäuschen, durch zu schroffe die Gemäßig ten und einigermaßen Denkenden abstoßen. Der Rath des Redners sei der: man solle die Forderungen der Sozialdemokratie sorgfältig prüfen, das Vernünftige und Ausführbare gewähren, das Unmögliche aber ruhig ablehnen. „Wer zu essen verlangt, nun dem gebe man zu essen, wer aber verlangt, daß der Mond gras grün angestrichen werden solle, den lasse man ruhig laufen." Reicher Beifall lohnte den überaus klaren und nach beiden Seiten wohlwollenden und gerechten Vortrag, von dem wir hören, daß er, ursprünglich auf Verlangen von Arbeitern entworfen, nun auch in größerer Vollständigkeit zur Belehrung dieser Kreise gedruckt werden soll. — Einen umfänglichen Bericht über die letzte Be- zirks-Ausschuß-Sitzung bringen wir in nächster Nr. — Nächste Mittwoch wird in dem Altstädter Hof theater die Oper „der Wildschütz" mit Frl. Lilli Leh mann aus Berlin als Gast, und im Neustädter Theater das neue fttnfaktige Schauspiel „Marguerite" gegeben werden. Da auch noch der Circus Carrv, dessen Vor stellungen im Laufe dieser Woche geschlossen werden, besucht werden kann, wird voraussichtlich der Extra zug wieder sehr besetzt werden. — Am Freitag Nachmittag in der 4. Stunde ist im Wohnhause des Leinewebers Matthes in Rechen berg Feuer entstanden, und zwar ist in einer zur Wohnung des Bahnarbeiters Fleischer gehörigen Kam mer des Oberbodens ein Dcckbette verbrannt, sowie der Fußboden, mehrere Dachsparren und ein Theil des Schindeldachs angebrannt, resp. verkohlt. Der Brand ist vom Hausbesitzer Fischer, dem Werksührer Burkhardt nnd dem Hausknecht Friedemann, sämmt- lich aus Nechenberg, rechtzeitig bemerkt und gelöscht worden, so daß die erschienene Ortsspritze gar nicht in Thätigkeit gekommen ist. Der Besitzer des Hauses hat nicht versichert und ist eigenthümlicher Weise bereits zweimal, im Jahre 1854 in Rechenberg und 1881 in Holzhau, abgebrannt. Dem Vermuthen nach liegt bös willige Brandstiftung vor; indeß haben die zeither ge pflogenen Erörterungen zu einem bestimmten Resultat noch nicht geführt. Dresden. Die Stadt Dresden besitzt gegenwär tig 7 Bürger- und 18 Bezirksschulen. Die Bürger schulen unterscheiden sich von den Bezirksschulen durch