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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.07.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-07-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000717014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900071701
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900071701
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-07
- Tag 1900-07-17
-
Monat
1900-07
-
Jahr
1900
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Den Anfang mit dieser Tendenz behandlung macht soeben rin Mitarbeiter des „Vorwärts", der die Lebenshaltung der deutschen Arbeiterklasse am Ende des neunzehnten Jahrhunderts darzustellen und dabei ziffernmäßig den Beweis zu führen sucht, daß in diesen letzten 5 oder 6 Jahren die Kosten der Lebenshaltung des Arbeiters um mindestens 10 Procent sich gesteigert hätten. Der Beweis wird derart geführt, daß die Preise von 1894 gewissermaßen als Einheits- und Normalpreise zu Grunde gelegt werden. Von ihnen ausgehend, stellt der Mitarbeiter des „Vorwärts" fest, daß bis 1899 neunzehn wichtige Verbrauchs- arkitel der Massen im Preis gestiegen sind, und zwar mehr oder minder erheblich, während nur elf sich im Preise nach abwärts bewegt haben. Zu den neunzehn gehören das Brodgetreide, Hafer, Kartoffeln, Mehl, Kalb- und Hammelfleisch, Butter, Reis, Heringe, Textilwaaren, Häute und Felle, Roheisen, Pe troleum und Steinkohlen. Gesunken sind im Preise: Mais, Rindfleisch, Schweinefleisch, Zucker, Kaffee, Schmalz, Roh tabak, Baumwolle, Baumwollen- und Leinengarn. Nun ist schon jede Rechnung willkürlich, die feststellen will, wie weit die Masse der Arbeiter an der einen und der anderen Gruppe der Verbrauchsartikcl betheiligt ist. Aber es ist überhaupt eine durch aus verfehlte Behandlungsweise, wenn man die Jahre 1894 und 1899 mit einander vergleicht. Wenn der Tausendkünstler, der diesen Beweis führt, überhaupt einzelne Jahre mit einander vergleichen will, warum vergleicht er nicht den Anfang und das Ende der neunziger Jahre? Freilich würde sich dann Heraus stellen, daß außer Roheisen, Petroleum, Steinkohlen und Tchxtil- waaren alle anderen Verbrauchsgegenstände, namentlich Brod getreide und Fleisch, um ein ganz Erstaunliches im Preise ge sunken sind. Derartige Rechnungen sind aber werthlos und olle darauf gebauten Schlüsse können lediglich als Trugschlüsse gelten. Einen Werth für die wissenschaftliche volkswirthschaft- liche Betrachtung hat es doch lediglich, wenn man im großen Durchschnitt der Jahrzehnte die Preisbewegung vergleicht. Dies hat zu Anfang des Jahres der bekannte Statistiker August Sauerbe ck in dankenswerther Weise gethan. Er hat ermittelt, daß die Preise am freien Markte, als« am englischen, im Durchschnitt der Jahrzehnte 1867—77, 1878—1887, 1889—1898 sich folgendermaßen entwickelt haben. Vegetabilische Nahrungsmittel, die im ersten der drei Jahrzehnte (1867—1877) den Einheitswerth von 100 hatten, sind im letzten der drei Jahrzehnte (1889—1898) auf 62 im Werthe gesunken, also um 38 Procent, und hatten Ende 1899 nur noch den relativen Werth von 58,7. In gleicher Weise sind animalische Nahrungsmittel von 100 im ersten Jahrzehnt auf 80 im dritten Jahrzehnt, bezw. auf 79,9, im December 1899 herabgesunken. Speciell Zucker, Kaffee und Thee sind gesunken von 100 auf 65, bezw. im December 1899 auf 53,7. Demnach ergiebt sich für die VerzehrungSgegenstände der breiten Massen am freien Markt eine Abwärtsbewegung um 41, bezw. 20, und speciell für Zucker u. s. w. von 46 Procent. Das sind die Bewegungen am Weltmärkte. Die Bewegung am geschützten Markt ist im Verhältniß zum Zoll geringer. Unter der Voraussetzung, daß das Inland allein den Zoll trägt, bleibt aber selbst für Brodgetreide noch eine Verminderung des Preises um 10 bis 15 Procent übrig. Anders verhält es sich um die Mineralien und die Webstoffe. Erstere haben sich in dem zweiten und dritten Jahrzehnt stetig abwärts bewegt von 100 bis 69, sind aber bis December 1899 wieder emporgestiegen bis 98,3. Web stoffe sind im Laufe der drei Jahrzehnte von 100 auf 57 zurückgegangen und haben sich bis Ende 1899 bis 71,2 im Preise wieder erholt. Hier wird also für daS Ende deS Jahr hunderts zuzüglich deS Zolls etwa derselbe Durchschnittspreis wieder erreicht sein, tvie er 1867—1877 im Durchschnitt ge wesen ist. Nun möchten wir dem Statistiker des „Vorwärts" anheim geben, hiernach seine Berechnungen zu revidiren. Wenn er allein für die Zeit von 1894 bis 1898 eine Steigerung des Arbeits lohnes um 11 Procent zugiebt, — in Wahrheit dürfte sie mehr betragen haben —, so wird er nicht bestreiten wollen, daß die entscheidenden Lohnsteigerungen im Anschluß an die große Bergarbeiterbewegung von 1889—1891 erfolgt sind. Das Auf steigen der Löhne von Jahrzehnt zu Jahrzehnt zu ermitteln, erscheint uns schwierig und auf Schätzungen möchten wir uns nicht einlassen. Aber daran ist doch nicht zu rütteln, daß, während die Verzehrungsgegenstände in den drei Jahrzehnten im Preise gesunken sind, Mineralien und Webstoffe den Preis des ersten Jahrzehnts nur allmählich wieder erreicht haben, die Aufwärtsbewegung der Löhne in diesen drei Jahrzehnten eine ganz bedeutende gewesen ist. Man wird an vielen Orten ge radezu von einer Verdoppelung reden können. Dann fragt sich allerdings noch, wie weit die Kaufkraft des Geldes sich in den Verglcichsjahren geändert hat. Keinesfalls so sehr, daß nicht die Lebenshaltung der deutschen Arbeiterklasse einer außer gewöhnlichen Steigerung fähig gewesen wäre, wie das ja alle Beobachtungen des täglichen Lebens bestätigen. Der Rechen künstler des „Vorwärts" bringt es gleichwohl zu Wege, den Ar beitern mit Zahlen die verwirrende Meinung beizubringen, als hätte sich ihr Einkommen nicht im Verhältniß zu der Preis bewegung der wichtigsten Verbrauchsartikel entwickelt. An diesem Beispiele mag wieder einmal erkannt werden, wie wenig die Socialdemokratie und ihre Presse von den wirklichen Lebens verhältnissen des Arbeiters versteht. Eine Zeitschrift für die polnische Jugend. Schon vor längerer Zeit war in den Kreisen der polnischen Jugend der Gedanke aufgetaucht, eine Zeitschrift zu begründen, die einerseits die jüngeren Polen zusammenschaaren und sie im polnisch-nationalen Sinn erziehen, andererseits aber die ältere Generation in Fühlung mit den Zielen und Wünschen der jüngeren bringen sollte. Alle nach dieser Richtung hin unter nommenen Bestrebungen gingen von der „Akademischen Lese halle" in Krakau aus, auf deren Anregung bereits im Jahre 1895 die „Akademische Zeitschrift" begründet wurde. Ein langes Dasein war ihr aber nicht beschicken, schon nach einem Jahr ging sie wieder ein. Ein Jahr später ließ man diese Zeit schrift wieder aufleben, aber der Erfolg war nicht besser; auch sie mußte im April 1898 ihr Erscheinen einstellen, da die nörhigen Abonnenten sich nicht finden wollten. Aber die in der Förderung nationaler Interessen zähen Polen erlahmten nicht; bereits im December 1898 wurde in Krakau die akademische Zeitschrift „Die Jugend" gegründet, die sich seitdem behauptet hat und, wie es scheint, an Lesern und Einfluß unter den pol nischen Akademikern erheblich zunimmt. Mit diesem Erfolge hat man sich aber nicht begnügt; die polnische Rührigkeit in nationalen Dingen ließ findige Köpfe sofort einen zweiten Schritt thun, nämlich, eine Zeitschrift für die Jugend an den Mittelschulen und Gymnasien ins Leben rufen, die eine Art Ergänzung und Vervollständigung jener akademischen Zeitschrift bilden, und die noch die Schule besuchende Jugend vorbereiten will für das Verständniß der Auf gaben, die später an die Besucher der Hochschulen herantreten. Diese Zeitschrift erscheint seit Anfang des Jahres 1899 in Lem berg im Verlage der Druckerei von W. A. Szyjkowski allmonat lich und führt den Titel „T eka" (Mappe, Schriftmappe). Be zeichnend für die Richtung, die dieses neue Organ der polnischen Jugend verfolgt, ist schon sein Aeußeres. Jedes erste Blatt einer Nummer enthält daS Motto: „A»S moskowitischer, österreichischer und prtußi- scher Knechtschaft befreie uns, o Herr." Die Zeitschrift hat einen besonderen Redactionsausschuß für den preußischen Antheil und erfreut sich zahlreicher Mitarbeiter aus den Provinzen Posen und Westpreußen, die offenbar den Kreisen polnischer Studenten und Gymnasiasten angehören. Der fachwissenschaftliche, nur für Schüler berechnete Inhalt der Zeit schrift verschwindet fast ganz vor den Artikeln politischer wie nationaler Natur. Der Zweck der „Teka" ist, davon kann man sich aus jeder Nummer überzeugen, der, schon in den Schülern und Gymnasiasten die Liebe zum polnischen Vaterlande zu wecken und sie anzuspornen, mit allen Mitteln mitzuarbeiten an der Befreiung Polens aus der „Knechtschaft". Um zu zeigen, mit welchem Geiste die sich heranbildende polnische Jugend be lebt und welchen verderblichen Einflüssen sie durch die Aufsätze der „Teka" ausgesetzt wird, seien im Folgenden einige charak teristische Aeußerungen aus den bisher erschienenen Nummern wiedergegeben. Im Februarhefte 1899 heißt es: „Heute, wo die Liebe zu den „öffentlichen Acgclcgenheiten", die Sorge um möglichst hohe Vervollkommnung in socialer Be ziehung bei uns den konstanten Charakter von auf dieWieder- gewinnung der selbstständigen nationalen Existenz abzielenden Bestrebungen angenommen hat, muß dies Streben der gesammten Jugend eingeimpft wer den, als die L e i t i d e e des gesammten Lebens, als der einzige Ansporn zu allem Thun." Im Septemberheft 1899 lesen wir: . . . „Wir glauben heilig und fest daran, daß uns derFre i- bcitsstcrn aufgehe u wird, daß dervondenFesseln befreite weiße Adler sich wieder stolz über unserem freien, gleichen, unabhängigen Vaterlande erheben wird!" Derselbe Gedanke wird im Octoberheft 1899 weiter gesponnen: , . . „Wenn wir auch nach dem Jahre 1863 für längere Zeit die Schilderhebuugcn von dein nationalen Programm gestrichen haben, so haben wir keineswegs darauf verzichtet, die politische Unabhängigkeit anzustreben..." In demselben Artikel heißt es ferner: »Ich erwähnte bereits, daß alle unsere Bemühungen, Unsere ganze Arbeit nur einen Endzweck haben kann, nämlich die nationale Unabhängig eit. Auf eine Intervention und ein Erbarmen der Mächte haben wir längst zu rechnen auf gehört; wir fühlen alle, daß wir nach dieser Richtung hin ledig lich eine eigene Action unternehmen können, indem wir uns auf unsere eigenen Kräfte verlassen." Im Januarhefte 1900 wird den Schülern gepredigt, sich von den Deutschen möglichst abzusondern: . . , „Es ist die Pflicht der polnischen jungen Leute, aus allen Vereinen auszutreten, in welchen die deutscheSprachc und deutscheSitten herrschen. Bei Vergnügungen ist es sehr leicht, der nationalen Verpflichtungen zu vergessen, den eigenen Idealen entgegenzuwirken und un merklich in den Dienst der Feinde überzutreten. Statt dessen müssen wir überall eigene Vereine begründen, damit die Deutschen uns in der Entwickelung der physischen Kraft nicht übertreffen, wir müssen unsere Kräfte ausbilden, aber dies müssen wir ohne Einbuße für unsere nationale Würde thun. Wir brauchen mehr Kräfte als die Deutschen, um das „Haus von dem Kehricht zu säubern" In einem Artikel Uber die Pflichten der polnischen Jugend in Preußen (Octoberheft 1899) wird den Schülern und Studenten dringend ans Herz gelegt, Aufklärung in das polnische Volk zu tragen, und für diesen Zweck namentlich die Ferien auszunutzen. Die Studenten sollen ferner während ihres Aufenthaltes in den Universitätsstädten sich bemühen, die polnischen Colonien vor der Germanisirung zu schützen, die Kinder der polnischen Arbeiter und Industriellen zu unterrichten, die in der deutschen Umgebung Gefahr liefen, das Polnische zu vergessen, und in Ortsvereinen Vorträge zu halten. Damit diese nationalpolnische „Auf klärungsarbeit" systematisch betrieben werden kann, soll sie in eine: besonderen Organisation zusammengefaßt werden. Zu diesem Zwecke wird in dem Aufsatze empfohlen, ein Centralcura- torium aus der Mitte der Jugend zu wählen, dessen erste Auf gabe die Gründung von Behörden oder Filialen unter der Jugend sämmtlicher höherer Lehranstalten sein müßte. Diese Behörden hätten die Pflicht, moralisch auf die Collegen einzu wirken und sie zu veranlassen, während der Ferien in der Pro vinz Vorträge zu halten. Wie man sieht, ist das Polenihum auf dem besten Wege, nunmehr die polnische Jugend auf den Gymnasien zu organisiren und aus ihr auch eine national-polnische revolutionäre Hilfs truppe heranzubilden. Die Leiter der höheren Lehranstalten in der Ostmark sollten daher dem Treiben der polnischen Gym nasiasten und den Aufsätzen der „Teka" die größte Aufmerk samkeit schenken. („Ostmark".) Die Wirren in China. Nach einem telegraphischen Berichte deS Chefs deS deut schen Kreuzergeschwaders auS Taku vom 12. Juli war die Lage in Tientsin die folgende: Während der Nacht auf Len 11. haben die Chinesen daS Ostarsenal vou Tientsin beschossen, sie wurden zurück gewiesen. Gleichzeitig haben die Japaner einen Theil der Chinesenstadt besetzt. Die Russen halten das Ostarsenal und Lager auf dem linken Ufer, südlich vom Bahnhof. Die übrigen Nationen stehen auf dem rechten Ufer theilweise in den zu gehörigen Niederlassungen, dieDeutschen in der Universität am äußer st en Südostende der deutschen Nieder^ lassung. Die deutsche Hauptaufgabe ist da« Offenholten des Peiho-Flusscs zum Verkehr mit Taku. Dieser ist ungehindert. Täglich gehen Artillerienachsendungen nach Tientsin. Die Chinesen halten die veraltete Citadelle in der chinesischen Stadt und das Lager nordöstlich davon. Die telegraphische Verbindung ist wieder hergestellt von dem russischen Lager nach Taku. General Alexejew mit Armeestab ist in Tientsiu. Der kaiserliche Consul in Tschifu hatte d^n General gouverneur der Provinz Schantung die Botschaft de« Kaiser«, enthaltend das Versprechen von Geldpreisen für die Befreiung eine» jeden der in Peking eingeschloffenen Fremden telegraphisch bekannt gegeben. Der General- Gouverneur Hot darauf am 13. d. M. dem Consul zurücktelegraphirt, die Einschließung der Fremden gehe ihm sehr zu Herzen; Versuche zu ihrer Befreiung seien wegen des Ausstandes in Tjchili gescheitert; er wolle!jetzt nach besten Kräften neue Versuche machen. Die deutsche Missionsanstalt in Tsining sei unversehrt. Tie „Nordd. Allg. Ztg." erklärt die Blättermeldung von einer angeblichen Desertion der Chinesencompagnie in Kiautschau nach in Berlin eingegangenen, bi« zum 12. d. M. reichenden Nach richten von dem deutschen Gouvernement in Tsingtau für auf Erfindung beruhend. * Wien, 16. Juli. (Telegramm.) Der „Neuen Freien Presse" zufolge werden zum Schutze der österreichisch-ungarischen Untcrthanen in China noch zwei Kriegsschiffe, der Kreuzer „Karl Vl." und das Torpedoschifs „ASpern" nach den chine sischen Gewässern abgehen. * Parts, 15. Juli. Der „TempS" schreibt über da- Rund schreiben des Grafen Bülow: Der deutsche Staatssekretär hat in diesem meisterhaften Exposö mit Klarheit, Nüchternheit und Kraft die Principien, welche die Handlungen seiner Regierung leiten, zusanimengefaßt, und man muß sich ohne jeden Hintergedanken znr Correctheit dieser Haltung und zur Loyalität beglückwünschen, mit welcher Kaiser Wilhelm seine Absicht bekräftigt, den durchweg einmüthigen Entscheidungen der Mächte beizutreten. * Paris, 16. Juli. (Telegramm.) In dem heutigen Min ist errath sprach sich der Minister des Auswärtigen Drl- cassö über die Lage in China aus. DaS einzige Telegramm, das heute Vormittag aus China eingegangen ist, rührt von dem französischen Consul in Shanghai her und ist vom 9. d. M. datirt. Der Consul thetlt. mit, daß dem Taotai von Shanghai Aus dem Nhonethal. von vr. Rudolph Rübnrr. Nachdruck vnLoteu. In aller Frühe begaben wir uns in Lyon auf dem Bahnhof, um dm zwischen Paris und Marseille verkehrenden Schnellzug, der um 5 Uhr Morgen» von Lyon abfährt, zu benutzen. Bei der Abfahrt fanden wir auf dem Bahnsteig und im Restaurationszimmer ziemlich viel Reisende vor, wa» man in Frankreich nicht häufig beobachten kann, doch während der fünf stündigen Fahrt von Lyon bi» Orange, da» für diesen Tag fest gesetzte Ziel unserer Reise, waren wir fast immer allein. W r vermißten auch di« Gesellschaft ganz und gar nicht, denn d e Fahrt durch da» Rhonethal bot un» de» Interessanten genug. Man fährt wie durch einen Garten dahin. Zu beiden Seiten der Bahn bildet hier daS Rhonekhal eine weite, grüne Fläche, durch zogen von langen Rrihen grüner Hecken, welche die Wein pflanzungen und die Obstgärten mit ihren Kirsch- und Apri kosenbäumen voneinander trennen, und sich bi» auf die im Hintergrund liegenden Bergabhänge hinaufziehen. Ziemlich selten sieht man auf diesem Grün vereinzelte Getreidefelder, und die wenigen, die da» Auge entdeckt, heben sich scharf von dem Grün ihrer Umgebung ab; sie waren hier um diese Zeit, Ende Juli, meist schon abgrmäht. DI« B«rge»höh«n im Hintergrund zeigen, wie unsere deutschen Mittelgebirge, abgerundete, bewaldete Kuppen und Rücken, von denen wir am Rhein da und dort eine Burgruine, al» ein Denkmal de» FeudaliSmu», in» Thal herab schaut. Der Eindruck, den diese» prächtige Bild in seiner Ge« sammtheit macht, wird noch wirksamer durch da» grelle, dem Nordländer ungewohnte Sonnenlicht, von dem es Lberfluthet ist, das Hell und Dunkel scharf trennt. Als der Zug das erste Mal hielt, waren wir in Vienne ange kommen, dem Vienna der Allobroger, einer kleinen Industriestadt von ungefähr 24 000 Einwohnern. Von der Bahn aus gesehen, liegt e» zu Füßen des Reisenden, der auf ein wirres Durchein ander von örtlichen, sonnengebleichten Ziegeldächern hereinschaut. Bei dieser Fahrt nach dem Süden ist es augenfällig zu beob achten, wie die Landschaft mehr und mehr einen südlichen Charakter annimmt, und man da» Gebiet des mitteleuropäischen Wiesen- und Waldlande» verläßt, da sich ja bekanntlich die Wirkungen des Mittelmeerkltma» im Rhonethal weit nach Norden geltend machen. Der Grundton des Landschaftsbilde» wird gelbgrau, die BergeShöhen sind kahl und zeigen gelbgraues Erdreich. Wiesen, di» immer seltener auftreten, bestehen au» mageren, holbverdorrten gelblichen GraSbüscheln. Die wenigen Stoppel felder sind so staubig und auSgetrocknet, daß man sie kaum noch al» solche ansehen kann. Zu diesem gelbgrauen Grundton de» Bilde» paßt daS Weiße der Häuser, da» Rothbraun der Dächer derselben und da» Grün der immer verschlossenen Fensterläden sind durch die Sonnen« gluth bi» zur Unkenntlichkeit entfärbt. Da» wenige Grün, da» sich in diesem Bild findet, tritt aber um so wirkungsvoller auf in den dunkelgrünen, kugelrunden Laubkronen der Maulbeerbäume und den spitzen, schmalen Cypressen, die, in dichten Reihen oder Gruppen stehend, meist in unmittelbarer Nähe der Ortschaften sich finden, und denselben ein kirchhofartige» Aussehen verleiben. Ueber da» Ganze ist ein tiefblauer, fast sechs Monate lang wolken loser Himmel ouSgespannt, von dem die Julisonne au» fast senkrechter Höhe ihr grelle» Licht herabwirft und jeden Gegen stand, Baum und Hau», mit einem kurzen, aber intensiven Schatten auSstattet und die Landschaft mit einer für den Nord länder unerträglichen Gluth überzieht, di« di« Luft erzittern macht Um 10 Uhr früh gelangten wir in Orange an; wir schnallten unsere Tornister auf, legten die Plaids nach Art eines ge rollten Soldatenmantels um und zogen recht froh, nicht länger in dem heißen Eisenbahnwagen aushalten zu müssen, vom Bahn hof nach der 10 Minuten entfernten Stadt. Unser Weg führte eine Landstraße entlang, die zwar entsetzlich staubig, aber auf der sichS angenehm marschiren ließ, da die auf beiden Seiten der Straße angepflanzten Platanen ihre dichtbelaubten Beste so weit über dieselbe gebreitet hatten, daß man glaubte, auf einem schattigen Promenadenweg zu wandeln. Da wir lediglich nach Orange gekommen waren, um die römischen Alterthümer, den Triumphbogen und das Theater zu sehen, so begaben wir uns sofort nach dem im Norden von Orange auf der Straße nach Lyon stehenden römischen Triumphbogen. Wir durchschritten mehrere Straßen mit elenden, kleinen Häusern und sahen am End« der Stadt, im freien Felde, einen Triumphbogen. Es soll der am besten erhaltene in Frankreich sein. Er ist von mäßiger Höhe, 22 m nach Bädeker, nach meiner Schätzung ungefähr so hoch wie der auf dem Boulevavd St. Deni» in Paris zu Ehren eine» der allerchristlichen Könige von Frankreich errichtete Bogen. Mit Ehrfurcht schaute ich auf zu dem Bauwerk, das die Land leute eine» Caesar hier in der ehemaligen Sallia NarbonenoiS errichtet haben, in dieser weiten, heute wie damals sonnendurch- glüthen Rhonrebene, di« jetzt mein Fuß betrat, ein Rest deS ewigen Rom», in der That rin monumentum nerv perennius, da« in seiner starren, erhabenen Größe greifbar vor meinen Augen stand, da» Jahrtausende überdauert hat, wie die markige, ewig schöne Sprache, die in unserem Geist und unserem Herzen fortlebt. Der Triumphbogen besteht auS drei Bogengängen, einem hohen, In der Mitte und je einen niedrigen rechts und link». Die Außenseiten und die Bogenwölbungen sind mit Relief» bedeckt, die Säulen, Schilde, Liktorenstäbe und Kriegergestalten darstellen, Alle» fast zur Unkenntlichkeit verwittert. Vom Triumphbogen wendeten wir unS zurück nach der Stadt und gingen durch die enge, au» kleinen Häusern bestehende Haupt straße von Orange. Sie war ziemlich belebt. Männer schlen derten die Straße entlang, be'ide Hände in den weilen Hosen taschen, gut gekleidete Herren und Officiere standen in Gruppen beisammen im Schatten der Häuser oder unter den leinenen Tüchern, die man hier zwischen den gegenüberliegenden Häusern Uber die Straße auSgespannt hatte zum Schutz gegen die Sonnen hitze, eine praktische Einrichtung, die der Straße ein regellos malerisches Aussehen verleiht; denn das eine Tuch ist straff ge spannt, das andere hängt in der Mitte muldenartig herunter; dieses steht grau, das andere schmutzig roth aus. Ohne uns aufzuhalten, marschirten wir nach dem am anderen End« der Stadt liegenden römischen Theater und standen plötzlich vor einer hohen, massigen altersgrauen Mauer von großen, würfel förmigen Sandsteinblöcken aufgeführt. ES war die Hinterwand deS nach der Stadt zugewendeten BühnengebäudeS, da» die kleinen Häuser derselben weit überragte. Bekanntlich sind die meisten antiken Theater so angelegt, daß der Zuschauerraum mit seinen weiten, im Halbkreis aufgeführten Sitzreihen an den Abhang eine» Hügel» hinaufgebaut ist. Wir gingen um diese gewaltige moles von Steinen herum, zogen noch durch eine enge, winklige und steile Straße, die un» dicht an die Seite des Theaters führte, und kletterten dann trotz der glühenden Mittagssonne über Steingeröll den kahlen Bergabhang neben der seitlichen Theatermauer hinauf und gelangten auf die Höhe unmittelbar hinter die oberste Sitzreihe de» Theater». Don hier aus konnten wir nicht nur über die ganze Stadt hinwegsrhen bi» zu dem am gegenüberliegenden Ende hoch aufragenden Triumphbogen, sondern auch weit hinau» in dir Ebene de» Rhonethale». Aber unmittelbar vor un» blickten wir hinab in den Zu schauerraum de» Theater», wie wenn man in einem Eircu« auf der obersten Gallerie sitzt, der nach vorn abgeschlossen war durch dos fast ganz erhaltene, hohe Bühnengebäude mit der eigen- thümlichen, ein schmale» Rechteck bildenden Bühn». Welch' ge«
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