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Aus dem Seiche. Einberufung des sächsischen Landtages. Die Einberufung der Ständeve r- sammlung, die, wie schon früher gemeldet, am 11. November d. I. erfolgt, wird nunmehr vom Gesamtministerium im „Dresdn. Journal" in folgender Forni bekannt gegeben: Seine Majestit der König haben beschlossen, die getreuen Stände des Königreichs Sachsen zu einem gemäß 8 115 der Verfassungsurkunde abguhaltcnden ordentlichen Landtag für den 11. November dieses Jahres in die Residenzstadt Dresden einberufen zu lassen. Die Mitglieder der beiden städtischen Kammern werden vom Ministerium des Innern besondere Zuschriften erhalten." Dte Wahl des Präsidiums im sächsischen Landtage. Die Mitglieder der konservativen Fraktion der Zweiten Ständekammer hielten in Dresden eine Sitzung ab und faßten einstimmig folgen den Beschluß hinsichtlich der Besetzung des Direk toriums in der Zweiten Kammer: „Die Mit glieder der konservativen Fraktion der Zweiten Ständekammer erklären, daß sie im allgemeinen vaterländischen Interesse bereit sind, bei der Bildung des Direktoriums der Zweiten Kammer dahin mitzuwirken, daß unter allen Umständen die Wahl eines Sozialdemokraten in das Direktorium ausgeschlossen sein mutz. Unter dieser Voraussetzung wollen die Konservativen für die kommende Tagung au den P o st e n des e r st e n Präsidenten, auf den sie nach dem parlamentarischen Gebrauch als stärkste Fraktion unbedingten Anspruch haben, verzichten, beanspruchen aber für sich den Posten des e r st e n Vizepräsi denten und eines amtierenden Schrift führers." Neue Kaifermünzen. Das Wochenblatt der Wiener Numismati- schen Gesellschaft bringt in seiner Septemver- nummer Abbildungen von Medaillen mit dem Kops des Deutschen Kaisers, die von Professor Rudolf Marschall in Wien hergestellt sind. Aus dem Geheimen Zioilkabinett des Deutschen Kai sers ist dem Schöpfer ein sehr anerkennendes Schreiben zugegangen, wonach der Kaiser in folge des nach dem Leben modellier ten Neliesporträts Prof. Marschalls angeordnet habe, datz die neue Kolonialöenk- münze, sowie die neuen deutschen Münzen mit dem Porträt des Kaisers nicht mehr mit blotzem Halse, sondern „in der von Pros. Marschall ge wählten Form und Auffassung" ausgefühüt wer den sollen. Dies neue Brustbild zeigt den Kai ser als Kriegsherrn mit den bekannter: Gesichts zügen, während die frühere Darstellung mehr hellenisch idealisiert war. Zur Wctfenfrage. Das preußische Staatsministe- rium berät nächster Tage über die braun schweigische Frage, die dann in Form eines Antrages vor den Bundesrat gebracht werden soll. Wie der „Berl. Lok.-Anz." hört, wird der Bundesrat am 24. oder 25. d. M. Gelegenheit haben, zu diesem Anträge endgültig Stellung zu nehmen. Prinz Ernst August wird am Tage seiner Anfang November zu erwav- tenden Thronbesteigung eine Kundgebung er lassen, die ein klares Bekenntnis zur Reichsverfassung enthalten soll. Die „N o r d d. A l l g. Zt g." schreibt: In einem Artikel des „Hannov. Kur." wird die bevorstehende Erledigung der braunschweigischen Thronfolge als ein politisches Opfer, das aus. dynastischen Rücksichten gebracht werde, schar, getadelt. Weil des Kaisers Tochter den letzten Welfensprossen zum Gemahl erkoren habe, gehe man über wichtige Reichsinteressen hinweg und treibe Hauspolitik. Der hierin liegende V o r- wurf gegen den Kaiser kann nicht scharf genug zurückgewiesen werden. Mögen auch die Ansichten Uber die Bedingungen für die Thronbesteigung des Prinzen Ernst Augnst noch auseinandergehen, fest steht jedenfalls, datz für die Haltung des Kaisers und seiner Regie rung nicht die Heirat der Kaisertochter und dynastische Hausinteressen, sondern die von dem Prinzen vor seiner Verlobung und Hoch zeit mit Zustimmung seines Vaters abgegebe nen Erklärungen und die damit für die Zukunft des Reiches und Preußens geleisteten Garantien entscheidend waren. Abgelehnte Junggesellensieuer. Aus Lübeck schreibt man: Die bei der Revision des Einkommensteuergesetzes vorge- schhagene L e d i g e n st e u e v ist von der Bür gerschaft abgelehnt worden. Auch der Senat lehnte sie ab, da er eine Abwanderung der Jungge'ellen befürchtete. Di- Rücksichtnahme der Straßburger. Die Intendanz des Straßburger Stadt theaters hat das fünfaktige V o l k s st ü ck aus M „VMW-MWMk W Me eines MMN? Nach einem Telegramm der Newyorker „Tri bune" sollen die Reeder der „Uranium"-Gesell schäft überzeugt sein, daß das Feuer aus dem „Volturno" durch absichtlich in den Lagerraum gelegte Bomben verursacht wurde. Der Ge schäftsführer der Gesellschaft Tinsley erklärte, daß zwischen den holländischen und belgischen Matrosen und der Gesellschaft sine sehr feind selige Stimmung herrschte, unD daß kurz vor Abfahrt des „Volturno" ein Bries aus dem Bu reau der Gesellschaft eintraf, in welchem es hieß: „Wenn Sie unsere Forderungen unbeachtet las sen, wird eins Ihrer Schiffe eingeäschert wer den." Aus Newyork wird ferner gemeldet: „Nach einem Funlspruch vom „Kroonland", der den Kapitän Inch vom „Volturno" an Bord hat, soll dieser infolge der dein: Brande seines Schif fes erlittenen Verletzungen zeitweilig erblindet, sein." Das Rettungswcrt der deutschen Dampfer. Wie schon mitgeteilt wurde, ist außer dem Lloyddampser „Großer Kurfür st" auch während die Schiffahrtsboo'te des Dampfers „Volturno" bei den: Versuche, sie zu Wasser zu bringen, größtenteils zerschlagen wurden. Nach dem vorliegenden Bericht hat das Verhal ten der deutschen Mannschaften ei nen außerordentlich günstigen Eindruck hinterlassen. Nach den jetzt weiter vorliegenden, sehr aus führlichen Berichten über das furchtbare Schiffs unglück des „Volturno", die von Augenzeugen, die auf der „Carmania" in England angelangt sind, abgegeben wurden, ist die geflissentlich von deutschfeindlicher Seite verbreitete Geschichte von einer „Meuterei belgischer und deutscher Mann schaften" absolut unwahr. Mr. Artur Sturgen, ein Direktor der Verlagsfirma Chaffell u. Co-, der diese phantosievolle Meutereigeschichte als einziger verbreitet hatte, wagt in seinem heuti gen Bericht selbst nicht mehr, sie zu wiederholen. Dagegen erklärt Herr Hart, der Betriebsdirektor der „Daily Mail", der sich auf der „Carmania" befand, mchts von einer unwürdigem Haltung ^ben: Der unter^egongene Dampfer „Volturno". — Kartenskizze der Unfallstelle. Hur Brnndlntnstrvphc des Dampfers „Bokturno". der Lloyddampfer „Seydli tz" bei der Ret tung der Passagiere des brennenden Dampfers „Volturno" beteiligt gewesen. Beide Dampfer befanden sich auf der Ausreise nach Newyork be ziehungsweise Philadelphia und eilten auf die oon dem Dampfer „Volturno" auf drahÄosem Wege erlassenen Hilferufe sofort nach der Un- fallstelle, wobei auf der Fahrt alle Vorbereitun gen für ein vorzügliches Eingreifen bei dem Rettungswerk getroffen wurden. Dank der Diszi plin und der bei dem Norddeutschen Lloyd be reits seit Jahren bestehenden systematischen Aus bildung der Besatzung, die im Deutschen Reiche oei der Marine gestellungspflichtig und besonders im Boots- und Sicherheitsdienst geschult ist, ge lang es denn auch trotz der schwierigen Ver hältnisse, unter denen sich die Hilfeleistungen bei dem herrschenden schweren Nordnordwest sturm mit hochgehender See zu nächtlicher Zeit vollzogen, über 15 0 Personen zu ret - t e n, ohne daß sich irgendein Unfall ereignete, des deutschen Teils der Schisfsbeman- nung bemerkt zu haben. Im Gegenteil habe die Mannschaft des brennenden Dampfers das R e t- tungswerk mit größter Auf opferung unternommen. Hart warnt das englische Volk vor Vorurteilen und davor, sich ein unrichtiges Urteil zu bilden. Der Untergang des Dampfers „Volturno" hat auch eine Reihe von Opfern aus dem rhei nisch-westfälischen Industriegebiet gefordert. Aur dem Dampfer befanden fich sechs Berg le u t e von der Zeche „R adbo d", die nach Kanada auswandern wollten, von denen fünj bei der Katastrophe den Tod gefunden haben Ferner befanden fich auf dem Dampfer vier Bergleute mit ihren Familien aus Hamborn, die sich auf der Reise nach Amerika befanden. Sie sind alle ertrunken. Ein Bergmann aus Essen, der sich ebenfalls auf dem Schiff befand, dürfte auch zu den Toten gehören. den deutschen Freiheitskriegen „Das Eiserne Kreuz" von Artur Dinter abgelehnt, mit der Begründung, daß man in Straßburg mit Rücksicht auf die Bevölkerung kein Stück aufsühren könne, das an die Zeit der deutschen Freiheitskriege erinnere. Der Verfasser, ein ge borener Elsässer, der durch seine elsässische Komödie „Die Schmuggler" über seine Heimat hinaus bekannt geworden ist, hat sich über diese Begründung der Ablehnung beim kaiserlichen Statthalter von Elsaß-Lothringen beschwert. Koloniales. Eine Jahrhundertfeier in Deutsch Südwestafrika. In Windhuk wurde am Sonntag unter reger Beteiligung aller Kreise der Bevölkerung die Feier der Völkerschlacht bei Leip zig begangen, die bereits am Sonnabend durch einen Fackelzug eingeleitet wurde. Gouverneur Seitz hielt die Festrede und brachte das Kai serhoch aus. Ein Streik in Deutsch-Afrika. Wie die „Usambara-Post" meldet, sind die indischen Angestellten und Handwerker der O st- afrikanischen Eisenbahngesell- schäft in einen Streik nach europäischem Muster eingetreten. Den Grund bildet eine Ver fügung der Direktion, durch welche die bisherige halbstündige Frühstückspause auf eine Viertel stunde beschränkt wird. Die Leute haben eine tägliche Arbeitszeit von Stunden und wer den recht gut bezahlt. Manch indischer Hand werker erhält 6 bis 7 Rupien pro Tag. Der Streik wird ganz nach modernen Grundsätzen geführt, mit Streikpostenstehern und allem mög- lichen Zubehör. Als elwa 20 arbeitswillige Inder sitz zur Arbeitsstätte begeben wollten, wurden sie von den Streikposten überfallen, ver hauen und am Betreten der Arbeitsstätte ge hindert. Schon am frühen Morgen kontrolliert ein in tadellosem weißen Anzug in einer Rick- schaw umherfahrender Inder die Wohnungen der Sireikenden, um sich zu vergewissern, daß niemand arbeitet. Man sieht hier deutlich, zu welchen Auswüchsen das inder- freundliche Regiment führt. Frhr. v. Reitzenstein f. Der frühere Hauptmann der Kaiserlichen Schutz truppe für Deutsch-Ostafrika Freiherr Ludwig v. Reitzenstein ist in Marquardstein aus dem Leben geschieden. Er litt, so schreibt man aus München, seit langen Jahren an einem schweren Nervenleiden, für das er wiedecholt in verschiedenen Heilanstalten Besserung und Heilung suchte. Da alle ärztliche Hilfe vergebens war, hat er sich jetzt erschossen. Deutschland verliert in Hauptmann v. Reitzenstein einen verdienten K o l o n i a l p o l i t i k e r, der als Offizier der Schutztruppe in Ostafrika verschie dene Eingeborenenaufstände unterdrückt und sich als letzter StatiouSchef von Kilimatinde auch in der Verwaltung bewährt hatte. Für seine Verdienste erhielt er den Roten Adlerorden mit Schwertern und den bayrischen Militärvcrdienstorden. Der Haupt mann, der die Würde eines Königlichen Kammer junkers bekleidete, entstammte der bny-ischen Linie Hartungs deS freiherrlichen Geschlechtes v. Reitzen stein. Er war am 27. August 1869 in Bayreuth geboren, hat also nur ein Alter von 44 Jahren er reicht. Aus Lem Auslände. Eine politische Skandalaffäre in Ungarn. Eine große politische Skandalaffäre beschäf tigt gegenwärtig das öffentliche Leben der Stadt Budapest. Die Allgemeine Verkehrs-Aktien- Gesellschaft fordert von der Regierung 1s^ Mil lionen Kronen nebst gewaltigen Spesen. Die Bank zahlte dem früheren Ministerpräsidenten Lukacs den obigen Betmg für Wahlzwecke unter der Bedingung der Erteilung einer Kon zession für die Spielbank auf der Margareten- insel in Budapest. Lukaes genehmigte die Statuten, er verzögerte jedoch die Herausgabe mit Rücksicht auf die Lukacs-Desy-Affäre. Auch versicherte er der Bank, die Konzession werde auch durch jeden eventuellen Kabinettsnachfolger respektiert werden. Als Graf Tisza Kabinetts- ches wurde, erklärte der Staatssekretär Jes- zensky, die neue Regierung halte die Abmachung von Lukacs für sich bindend. Trotzdem zog Graf Tisza die Konzession zurück, da er er fuhr, daß die Opposition über die Machinatio nen Kenntnis habe. Er offerierte der Verkehrs bank die Rückgabe der 1s^ Millionen. Die Bank fordert jedoch auch Ersatz für Unkosten an Bau ten und Erdarbeiten auf der Margareteninsel. Die Oppositionspresse nützt diesen Skandal ener gisch gegen die Regierungspartei aus, der die Existenzberechtigung aus solcher Basils abge'pro- chen wird. Staatssekretär Jeszenszky muß bereits sein Amt verlassen. Das französisch-spanische „Einvernehmen". In der Definition des Verhältnisses mit Spanien ist man in Frankreich bereits vom Ausdrucke der „Entente cordiale" zu dem b e- s ch e i d e n e n Wörtchen „E i-n v e r n e h- m e n" Hera'gestiegen. Der „Petit Parisien" er klärt in einem sichtlich offiziösen Artikel, das Ergebnis der Madrider Reise des Präsidenten Poincaree und der Besprechungen Pichons mit Romanones und Lopez Munoz lasse sich dahin kennzeichnen, daß zwar kein formelles Bündnis abgeschlossen, aber ein völliges Einvernehmen erzielt worden sei. In Marokko werde sich die «panische Regierung bemühen, die dastlbst von Frankreich befolgte Politik nachzuahmen. Sie werde Ausstände mit Waffengewalt auf das Min destmaß einschränken und durch Fühlungnahme mit den Stämmen den Frieden herzustellen trach ten. Was die allgemeine Politik anlange, so hätten die Verhandlungen einen vollständigen Einklang betreffend die Auslegung des Abkom mens von 1907 ergeben, durch das Frankreich, Spanien und England sich verpflichteten, den Statusquo im westlichen Mittelmeere und in einem Teile des Atlantischen Ozeans zu ver bürgen. Der Zweck dieses Abkommens sei ein hervorragend friedlicher. Die türkische Demobilisierung. Die 30. und 32. Nizamdinsion, die zum 9. Armeekorps gehören und sich in Dimotika befinden, sind nach Gallipoli beordert worden. Die auf Urlaub weilenden Offiziere dieser Truppenkörper wurden ausgefordert, sich airekt nach Gallipoli zu begeben. Diese Trup penbewegung wird als Beginn der Demobilisie rung betrachtet. — Eine weitere Meldung aus Konstantinopel, 14. Oktober, lautet: Die Demobilisierung hat heute in Eregli, Rodosto und Gallipoli, wohin Transportschiffe entsandt worden sind, begonnen. Ein amerikanischer Einspruch gegen Huertas GewaltpottNk. Huertas Gewaltpolitik und seine Versuche, durch ein Schreckensregiment die ge ordneten Verhältnisse in Mexiko wieder herzu stellen, hat natürlich nicht den Beifall der Ver einigten Staaten gefunden. Nach einer Konfe renz zwischen dem Präsidenten Wilson und dem Staatssekretär Bryan wurden Mv. Lind in Veracruz und der mexikanische Gesandte in Mexiko telegraphisch instruiert, dem Präsiden ten Huerta und der mexikanischen Regierung vorzustellen, daß es in den Vereinigten Staaten, einen ungünstigen Eindruck machen würde, wenn den verhafteten mexikanischen Abgeordneten irgend etwas zuleide getan werde. Mexiko gab dem amerikanischen Geschäftsträger Shaughnessy die Versicherung, daß den verhafteten Abgeord neten kein Leid geschehen werde. Die Mehrzahl von ihnen werde allerdings vor Gericht gestellt werden. Das amerikanische Amtsblatt veröffentlicht mehrere Dekrete, die klar dartun, daß Huerta Diktator sein will. Er erklärt darin, die Exekutive mit allen Funktionen des Kon gresses übernommen zu haben, doch sollten die Gerichte ihre bisherigen Befugnisse behalten, so fern diese mit den gegenwärtigen oder zukünfti gen Erlassen des Präsidenten übereinstimmen. Nach den letzten Nachrichten sind in Tor reon bisher keine Deutschen um ge kommen. Auch ist kein deutsches Eigentum verletzt worden.