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Die „Ottendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich t Mark. Durch die Post bezogen l,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme »an bis vormittag l» Uhr. Inserate werden mit w Pf. für die Sxaltzetle berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Vkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Vkrilla. Nr. 23. Sonntag, den 22. Februar 1903. 2. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Vttendorf-Okrilla, r;. Februar 1903. Wie aus dem Inseratenteil der vor liegenden Nummer ersichtlich, wird beabsichtigt für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla, Moritz dorf, Cunnersdorf, Grünberg, Hermsdorf, Lomnitz und Umgebung einen Geflügelzüchter- Verein ins Leben zu rufen und findet am Sonntag, den 1. März, nachmittags 4 Uhr, eine Versammlung im Gasthof zum schwarzen Roß statt, welche sich mit der Gründung be fassen wird. Am morgenden Sonntag hält der Landwirtschaftliche Verein zu Ottendorf-Okrilla im Gasthof zum schwarzen Roß sein dies jähriges Fastnachts-Kränzchen ab. — In der Prozeßsache Sr. Königl. Hoheit des Kronprinzen gegen seine frühere Gemahlin wegen Scheidung der Ehe ist in diesen Tagen das Urteil dem Vertreter der vormaligen Frau Kronprinzessin zugestellt worden. Sicherem Vernehmen nach unterbleibt jedoch die Veröffentlichung des Urteils, weil in dem Verfahren die Oeffentlichkeit ausgeschloffen war und der Vertreter der vormaligen Frau Kron prinzessin gegen die Veröffentlichung ausdrücklich Widerspruch erhoben hat. — Jetzt, unmittelbar vor dem Zeitpunkt, wo wieder zahlreiche Schüler die Schule ver- iaffen und an deren Eltern die Frage heran tritt, welchen Beruf sie für ihre Söhne wählen sollen, sei daran erinnert, daß der Beoarf an Bewerbern für die mittlere Postbeamtenlaufbahn noch immer nicht gedeckt ist. Zum Teil ist dies wohl darauf zurückzuführen, daß die günst igen Aussichten, die sich nach Neuregelung der einschlägigen Verhältnisse diesen Beamten er öffnen, noch immer nicht genügend bekannt sind. Danach können sie fortan auch in höhere und besser bezahlte Stellungen einrücken, zum Beispiel als Obersekretär, Postmeister, Bureau- und Kaffen-Beamte, Bedingung für die Annahme von Zivilanwärtern ist das Reife zeugnis für die Untersekunda einer neunstufigen oder das Reifezeugnis für die erste Klaffe einer sechsstufigen öffentlichen höheren Lehranstalt. Auch das Abgangszeugnis einer städtischen Mittelschule für Knaben gilt als ausreichender Nachweis, ebenso ausnahmsweise das Berech tigungszeugnis der Prüfungskommission für Einjahrig-Freiwillige. Der Bewerber muß bei seiner Einstellung das 17. Lebensjahr vollendet und darf im Falle der Annahme zum Post gehilfen nicht das 20., im Falle der Annahme zum Telegraphengehilfen nicht das 18. Lebens jahr überschritten haben. Die Vorbereitungs zeit, während welcher der Bewerber sich zu unterhalten hat, dauert vier Jahre; die jungen Leute können aber schon während dieser ZeN bei geeigneter Gelegenheit gegen Vergütung oder Tagegeld beschäftigt werden Dieser Fall tritt bei dem zur Zeit herrschenden Beamlen- Mangel meist recht bald ein. Nach Ablauf der Vorbereitungszeit ist die Post- oder Tele graphen-Assistenten-Prüfung abzulegen. Es erfolgt dann die Beschäftigung gegen Tagegeld (bis 5 Mark) und soweit Stellen verfügbar sind, die etatsmäßtge Anstellung als Post- oder Telegraphen-Assistent oder als Postverwalter. Das Bestehen der Sekretärprüfung eröffnet den Beamten die Aussicht auf Anstellung als Post oder Telegraphen-Sekretär, Obersekretär, Buch halter, Kassierer u. s. w. Seitens des Ministeriums des Innern im Einvernehmen mit dem Finanzministerium wurde dem Gemeindeverband zur Durchführ ung des Baues einer elektrischen Bahn Loschwitz —Pillnitz mittelst Verord nung vom 4. Februar laufenden Jahres die Genehmigung erteilt. Sie gelangte im Wege der Königlichen Amtshauptmannschaft am 8. Februar zur Kenntnis des Gemeinde verbandes. Gleichzeitig wurde auch die Aus dehnung der Spurweite auf duS Maß der Dresdner Straßenbahn (Breitspur) genehmigt und somit eine direkte Verbindung voll Pillnitz nach Dresden ohne Umsteigen ermöglicht. Im großen und ganzen ist die Genehmigung an iene Bedingungen geknüpft, wie sie seinerzeit der Firma Kummer gestellt wurden- Eine weitere Bedingung des Ministeriums ist die, daß der Bau bis längstens 1. Juli laufenden Jahres fertig gestellt sein muß und die Bahn u diesem Zeitpunkt in Betrieb gesetzt werden änn. Es steht daher der ganzen Angeltgenheil insofern nichts mehr im Wege, als auch bereits der Betriebsvertrag mit der Deutschen Straßen bahn-Gesellschaft abgeschlossen wurde. Der Kauf mit der Kummerschen Konkursoerwaltung wurde am 16. d. Mts. abgeschlossen, und es erübrigt nur noch die Vergebung des Stromes und der Arbeiten. Ersteres wird edensalls in nächster Zeit geschehen und die Arbeiten dürften voraussichtlich am 23. d. M. vergeben werden. Obwohl seitens des Ministeriums als spätester Zeitpunkt der Vollendung der Bahn der 1. Juli estgesetzt wurde, so hofft man doch, daß die Bahn schon zu Pfingsten in Betrieb gesetzt werden kann. Der Verwaltungsausschuß und insbesondere dessen rühriger Vorsitzender, Herr Gemeindevorstand Friedrich in Nieds rpoyritz, haben bisher alles getan, was in ihn Kräften ag und werden es auch in Zukunft au nichts ehlen lassen. -- Eine für Hausbesitzer und Leyr.r gleich wichtige Frage hat die Zivilkammer des Elber- elder Landgerichts auf Betreiben des Rechts schutzes des rheinischen Provinzial-Lehrecvereins entschieden. Das Landgericht hat unter dem 30. Januar entschieden, daß auch die cuf An trag erfolgte Versetzung („Berufung") eines Lehrers eine Versetzung im Sinne des ß 570 des Bürgerlichen Gesetzbuches ist, nach welchem ein Lehrer im Falle der „Versetzung" nach einem anderen Orte unter Einhaltung der ge setzlichen Frist das Mietsverhältnis vorzeitig kündigen kann. Für den Gesetzgeber, so führt das Erkenntnis aus, konnte bei dem Ausdruck „Versetzung" nur die Veränderung im Amts wohnsitze in Betracht kommen. Ob die Ver setzung gegen den Willen des Lehrers ober auf besten Antrag erfolgt sei, bleibe für die vor zeitige Aufhebung des MietsoerhältnisseS völlig belanglos. Die Entscheidung dürfte vielleicht bei anderen Gerichten anders ausfallen. — Zur Jago auf Krähen, Raben und Dohlen ist jetzt die beste Zelt. Die Bäume sind kahl und die Krähennester auf den Wipfeln der Eichen unferer Waldungen daher deutlich sichtbar. Auch sind die Schwarzröcke jetzt regelmäßig in ihrer Behausung anzulreffen, da sie nun mit dem Bau oder der Aus besserung der Nester beschäftigt sino, denn bereits gegen Ende des Monats beginnt das Brutgeschäft. Welch arge Räuber die Krähen unter den Singvögeln und dem Wllostande, besonders unter den jungen Häschen unb Feld geflügel sind, ist schon oft erörtert worden, so daß zum Abschuß dieser schwarzen Gesellen allen Ernstes geraten werden kann. — Die Pfändung von Post- a n w ei s u n g s b e tr ä g en. Im dem ersten Hefte des neuesten Jahrganges der Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts weist der Berliner Postrat Scheda darauf hin, daß im geschäftlichen Leben häufig Gerichlsdeschlüsse erwirkt werden, welche die Pfänüu^g und Ueberweisung einzelner benannter oder auch aller Beträge aussprechen, die mittelst Post anweisung an einen Schuldner bei oer Post eingehen. Tatsächlich bekümmert sich jedoch die Post um diese Pfändungen gar nicht und sie wird dabei durch ein Eckennmis des Reichs gerichts vom 17. Februar 1899 gedeckt. Das Reichsgericht erklärt eine solche Pfändung für unzulässig. Denn einmal besitzt der Adressat einer Postsendung keinen selbstständigen An spruch gegen die Post auf Aushändigung der Sendung nach ihrer Ankunft am Bestimmungs orte. Dies ergebe sich klar aus dem H 35 der Reichspostordnung vom 11. Juni 1892, nach welcher der Absender einer Postsendung dieselbe zurücknehmen könne, so lange sie dem Empfänger noch nicht ausgehändigt sei. So dann aber würde die Ausführung der Pfänd ung durch Uebergabe des gepfändeten Betrages an einen vom Gläubiger zu beauftragenden Gerichtsvollzieher unmittelbar zu einer Verletz ung des im ß 5 des Reichspostgesetzes aus gestellten Rechtsgrundsatzes der Unverletzlichkeit >es Briefgeheimnisses führen. Für straf gerichtliche und konkursrechtliche Verhältnisse ind Ausnahmen von diesem Grundsätze be- onders aufgestellt worden, nicht aber für zivil- wozeffuale Fälle. Mit Recht faßt daher Post rat Scheda seine Ansicht dahin zusammen, daß die Postbehörde solche Pfändungen, da sie un zulässig sind, gar nicht beachten darf, und daß nur ein Reichsgesetz, welches ausdrücklich eine weitere Ausnahme von dem Briefgeheimnis und oem Widerrufsrechte des Absenders zuließe, die Post berechtigen und verpflichten könnte, der artigen Beschlüsten irgend eine Folge zu geben. — Berechtigt der Empfang von Ohrfeigen das Gesinde zum Verlassen des Dienstes? Diese Frage hat der höchste preußische Straf gerichtshof in einer Strafsache gegen das Dienstmädchen Marie Nowak in verneinendem Sinne beantwortet. Die Genannte, die bei einer Gutsherrschaft in der Nähe von Posen als Magd im Dienst stand, hatte wiederholt die Milchgefäße nicht genügend gereinigt und erhielt für diese Pflichtwidrigkeit von ihrem Dienstherrn ein paar Ohrfeigen. Die Nowak verließ darauf den Dienst, wurde von der Polizeibehörde zu ihrer Herrschaft zurückgeführt und lief dann wiederum fort. Jetzt stellte der Dienstherr den Antrag auf Bestrafung der Magd aus dem Gesetze vom Jahre 1854. Das Schöffengericht erkannte auf Freisprechung der Angeklagten, die Strafkammer des Land gerichts zu Posen verurteilte sie aber zu zehn Mark Geldstrafe. Wegen Verletzung des ß 137 Nr. 2 der Gesindeordnung, nach welchem das Gesinde den Dienst ohne Aufkündigung ver lassen darf, wenn es die Herrschaft mit aus- ichweifender und ungewöhnlicher Härte be handelt hat, ergriff die Angeklagte das Rechts mittel der Revision. Der Strafsenat des Kammergerichts, der in den Ohrfeigen nur die übliche Form einer gelinden Züchtigung er blickte und deshalb die Angeklagte nicht für berechtigt erachtete, den Dienst zu verlaffen, er kannte dem Anträge des Oberstaatsanwalts ent sprechend auf Zurückweisung der Revision. Radeberg. Gestern Vormittag von 8 Uhr an fanden im Knabenschulgebäude zu Radeberg die Lehrproben für die ausgeschriebene Lirektorstelle statt, an welche sich die sofortige Wahl anschloß. Gewählt wurde Herr Schul direktor Barchewitz aus Lengefeld im Erz gebirge. Gemeldet hatten sich 55 Bewerber. Laube gast- Am Mittwoch Abend in der 7. Stunde beobachteten von der Arbeit heimkehrende Männer oberhalb der Spalteholz- schen Dampfsägewerke in Laubegast eine Frauens person, als sie in die Elbe sprang. Sie ver schwand sofort in den Fluten, sodaß sie niemand zu retten vermochte. Coswig. Der Arbeiter Wolf hier ver setzte Montag Nachmittag seiner 14jährigen Tochter mit einem Messer eine solche Wunde am Leibe, daß dieselbe im Kcankenhause unter- gebrackt werden mußte. Als Grund hört die „Kötzschenbrodaer Zeitung", daß das Mädchen nicht mit Erfolg gebettelt hatte I Der Unmensch wurde selbstverständlich in Haft genommen. Meißen. Der vor längerer Zeit hier nach Unterschlagung von 1000 Mark zum Nachteile einer dortigen Firma flüchtig ge wordene Arbeiter ist vorgestern in seiner Wohnung, wohin er zwei Tage vorher zurück gekehrt war, verhaftet worden. Ein kleiner Teil des veruntreuten Geldes wurde in der Wohnung versteckt oorgefunden. Meißen, 20. Februar. Ein Teil der zur Zeit am Kai Mit Einladen von Ziegeln beschäftigten Arbeiter und Arbeitererinnen legte gestern die kaum aufgenommene Arbeit nieder, weil ihnen die gezahlten Stundenlöhne von 15 Pfennige für Frauen und 25 Pfennige für Männer zu niedrig waren. Sie forderten 20 uni 30 Pfennige und da dies der be treffende Unternehmer nicht zahlen wollte, so wurde die Arbeit eingestellt. Eisenberg-Moritzburg. Dienstag, den 3. März, findet hier Roß- und Vieh markt statt. Großenhain. Mit der linken Hand unter den Friktionshammer geriet in der Achsenfabrik von Günther L Co. in Mülbitz der Schmied Bäumler, dem hierdurch die Hand zerschlagen wurde. Der Verunglückte wurde dem Krankenhause zugeführt. Großenhain, 20. Februar. Der eltene Fall, daß ein städtisches Kollegium dem anderen beziehentlich einzelnen Mitgliedern des- elben wegen einer pflichtgemäß geübten Kritik n städtischen Angelegenheiten mit Privatklage droht, ist hier eingetreten, wie in der letzten Stadtverordnetensitzung kund ward. Mehrere Stadträle hatten eine kritische Aeußerung eines Stadtverordneten in Sachen des Submissions verfahrens der Stadt als persönliche Beleidi gung aufgefaßt. Es ergab sich, daß die an- Miche Beleidigung überhaupt nicht gefallen war und daß die Sache auf Zuträgerei zurück zuführen war. Durch die vom Stadtverordneten vorsteher erfolgte Klarstellung wurde der Zwist UN Keime erstickt. Riesa. Ein recht tragisches und zur Vorsicht mahnendes Vorkommnis ereignete sich vorgestern im Hausgrundstück Poppitzerstraße 8 in Riesa. Das ca. «/i Jahre alte Söhnchen des Arbeiters Sielskl schlief Nachmittags in seinem Bettchen. Während einer kurzen Ab wesenheit der Mutter hatte sich die Hauskatze so auf das Gesicht des Kindes gelegt, daß es erstickte. Beim Wiedererscheinen der Mutter fand diese den Knaben als Leiche vor. Mühlberg a. d. E., 18. Februar. Der Arbeiter Dietrich aus dem Dorfe Arzberg entfernte sich vor einigen Tagen aus seiner Wohnung und ist bisher noch nicht wieder dort hin zurückgekehrt. Er litt an Influenza und hat sich im Fieberwahn barfuß und nur mit dem Hemd bekleidet früh morgens heimlich ent- sernt. — Auf dem im nahen Falkenberg ab gehaltenen außerordentlichen Verbandstage wurde von den anwesenden Vertretern der dem Ver- vaude angehörigen Vereine einstimmig die Auf lösung des Elbe- und Elsterkriegerverbandes beschlossen. Oschatz, 19. Februar. Gestern Nach mittag gegen ^5 Uhr scheute in der Körner straße das vor einen leichten Jagdwagen ge spannte Pferd des Ulanen-Leutnants von der Decken, so daß es mit dem Wagen gegen einen etwa 15 Zentimeter starken Baum anrannte und diesen umbrach. Die Insassen des Ge fährts, der genannte Offizer, Zahlmeister Pohle und ein Bursche, wurden herausgeschleudert. Leutnant von der Decken trug eine Kopfwunde davon, der Zahlmeister blieb unversehrt, der Ulan erlitt gleichfalls eine leichte Wunde am Kopfe. Zittau, 19. Februar. Int nahen Waltersdorf wird seit Dienstag voriger Woche Herr Pastor Agsten vermißt. Er soll ein« größere Summe Geldes — man sagt einige tausend Mark — bei sich führen. In der Gemeinde herrscht die Ansicht vor, daß dem Vermißten ein Unglück zugeswhen sein könne. Adorf. Der Kömgliche Amtsstraßen meister Hiller aus Adorf, dessen Verhaftung seinerzeit Aufsehen erregte, wurde vom Schwur gericht Plauen i. V. nach achtstündiger Ver handlung wegen Verbrechens im Amte zu zwei Jahren Zuchthaus und 300 Mark Geldstrafe, sowie zu zehn Jahren Ehrenrechtsverlust ver urteilt.