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Dresdner Journal : 06.07.1882
- Erscheinungsdatum
- 1882-07-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188207063
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18820706
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18820706
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1882
-
Monat
1882-07
- Tag 1882-07-06
-
Monat
1882-07
-
Jahr
1882
- Titel
- Dresdner Journal : 06.07.1882
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M154 Donnerstag, den 6. Juli. 1882. LdovovmeQtvprvS»: l-» »»»„ L«ied« lLt»rIicl»; . . . . l8 öl»rk. ^^rlioU- 4 L0 ?s. liumin«rir: I0kk Lo»i«rv»Id 6«» 6«ut»ci>ea kvivk«, tritt kost- an6 8towp«l»u»cdlit^ tim»». Ia»vrLteoprs1»vr kür 6«v lt»uw einer xespnltenen ?stitreil« 20 kk. Unter „Lio8e,nn6t" 6>« 2«ils SO kf. U« 1'»d«Uen- nitti 2itrsrn»ntr LV H DresdnerÄurnnl. ürvekeloear ^Uii«^ wit Xuenndms 6er 8000- ov6 k'eisrtn^s H>»n6» kür dso kolxentien 'H. Verantwortliche Redaction: Oberredacteur Rudolf Günther in Dresden. Io»er»t«»»»a»kme »u»H»Rrt»r H. Lran«i«tetter, Coinlni»«ionLr 6s» Dresdner 6ourn»l»; Lnnldur, Lsrlt» Visa l^ipii, In—l Lr«,I»n krnnktnrt ». > : ÄaaLenntei»» <t ^»A/er, Lsritn-Visn S»wdn>A kr»U r.«lp«>^ kr»nlrtnrt ». N. Nüned»n: ö/»«,. L«rUn: /nrai>6r^6tt»t/ Lr»w«n: L Lr»»l»n: /. ÄanAen » Lurrru Lcibaeti-,' rrnnklnrt » » : L ^urArr'»cks N'ickli»n6Iuox; vdrltt»: t- ökUtter; Lnnnvrsr: <7. ?nrt» >«rli» rrnn^knrt n. N.- LtnN^nrr: KanLe tt Oo., Lnwdnrx: ^16. Lteiner Uernusxederr Lünisl. Lrpe6ition 6s» vre^Iner 6ourn»i», Dresden, ^vin^erstrnss« k<o 2V. Nichtamtlicher Theil. Uebersich«: Telegraphische Nachrichten. Zeituugsschau. (Jrishman.) Tagesgeschichte. (Dresden. Berlin. Wien. Prag. ParrS. Rom. London. Kopenhagen. S. Peters burg. Belgrad. Sofia. Konstantinopel. Alexandrien.) Dresdner Nachrichten. Provinzialnachrichten. (Leipzig. Altenberg. Plauen. Pirna.) Vermischtes. Statistik und Lolkswirthschaft. E.ingesandtes. Feuilleton. Tageskalender. Telegraphische Witterungöderichte. Inserate. Beilage. Ernennungen, Versetzungen rc. im öffentl. Dienste. Die Verhandlungen deS sächsischen Gemeindetages. Provivzialnachrichteu. (Leipzig. Geithain. Gelenau. Glauchau. Crimmitschau. Werdau. Sayda.) Lotteriegewinvliste vom 4. Juli. Borseuuachrichten. Inserate. Telegraphische Nachrichten. London, Dienstag, 4. Juli, AbendS. (W. T. B.) Da» Oberhaus hat iu seiner heutigen Sitzung mit 138 gegen 62 Stimmen den von dem Lord Argyll eingrbrachteu Gesetzentwurf, betreffend den ParlamrntSeid, wonach es den Pairs, wie den Ab geordneten freistrhrn sollte, anstatt der Eides leistung eine Erklärung an EideSstatt abzugeben, abgrlehnt. Das Unterhaus nahm heute für die irische ZwangSbill mit 462 gegen 19 Stimmen die Dring lichkeit an. Die Parnelliten verlasen hierauf eiuen von ihnen gefaßten Beschluß, wonach sie an der ferner» Debatte über die ZwangSbill nicht mehr Theil nehmen wollen, und verließen mit Ausnahme von 4 Mitgliedern der Partei, nämlich Bigger, Eallan, Metge und Richard Power, daS HauS. London, Mittwoch, S. Juli, früh. (WT. B.) DaS Unterhaus hat im Fortgänge der Sitzung die Eiuzelberathung der irischen ZwangSbill er- lediat. (Vgl. die Rubrik .Zeitungsschau*.) Während der gestrigen Sitzung deS Oberhauses und deS Unterhauses fand in Westminster ein CabivetSrath Statt. Der Earl Granville verließ die Sitzung deS Oberhauses, um dem Cabinetsrath beizuwohnru. Auch der TruppenoderbefehlShader und die Minister conferirten miteinander. St. Petersburg, Mittwoch, 5. Juli. (Tel. d. Dre»dn. Journ.) DaS Arkadiathrater ist gestern bis auf den Grund viedergebrannt. Das Feuer entstand gelegentlich einer Probe. Menschen find nicht verunglückt. (Einem St. Petersburger Privat telegramm der .Boss. Ztg.' entnehmen wir noch fol gende Detail-: DaS Operettentheater, ein Holzbau im Garten Arkadra aus Nowojaderewnja, ist nebst den reizenden in russischem Stile erbauten TrrrassensalonS abgebrannt. Das Feuer entstand auf der Bühne wahrend einer Probe am 4. d. gegen 2 Uhr Nach mittag-. Die Ursache der Entstehung deS Brandes ist noch nicht festgestellt. DaS Inventar ist zu Grunde gegangen.) Belgrad, Dienstag, 4. Juli, Abends. (W. T. B.) Die Session der Skupschtina wurde heute Nachmittag durch den König mit einer Thronrede geschloffen. Die Thronrede betont die freundschaftlichen Be ziehungen Serbiens zu allen Mächten, gedenkt sodann der abgeschlossenen Handelsverträge und spricht schließ lich die Hoffnung aus, daß die neuen Gesetze, besonder» ditjenigen zur Löiung der Agrarsrage, dem Lande zum Wohle gereichen werden. Konstantinopel, Dienstag, 4. Juli. (Agence HavaS.) Die Pforte wurde vertraulich davon ver ständigt, daß nach der morgigen Coaferenz die Botschafter ihr unter der Korm eines freund schaftlichen RatheS die Entsendung eines Occu- pationScorpS nach Aegypten Vorschlägen werden. Dresden, 5. Juli. Nach 20 langwierigen Sitzungen war das eng lische Unterhaus am vorigen Freitag kaum über die Eiuzelberathung der Hälfte der Artikel der iri schen ZwangSbill hinauSgekommen, und eS mußte in der Thal etwas geschehen, um der verschleppenden Taktik der Parnelllten ein Ende za machen. Keine legislative Versammlung der Welt, außer der eng lischen, hätte ihre Laugmuth so lange bewahrt, und in keinem andern Parlamente wäre ein solcher Miß brauch, wie ihn Parnell und Genossen jetzt schon wiederholt mit den parlamentarischen Privilegien ge trieben, überhaupt möglich gewesen. Die Vorgänge »m Unterhause am letzten Sonnabend werden in den Anna len deS britischen Parlament- als denkwürdige verzeich net werden Die Actron der Majorität des Hauses gegen die verhältnißmäßig sehr winzige Minorität der Parnelllten kann mit Fug und Recht als ein Staatsstreich bezeichnet werden. Aber mit Ausnahme einiger weniger extremer Radicaler und ihrer Preß organe werden sehr Wenige geneigt sein, da- Ver fahren der Regierung und der Majorität zu tadeln. Nicht nur hatte die Berathung der einzelnen Artikel sehr geringe Fortschritte gemacht, sondern die ange meldeten Zujatzantrage nahmen auch täglich zu. Für jedes erledigte Amendement wurden sofort wieder neue angemeldet, und fast jeder Buchstabe der Bill wurde von den Parnelliten auf da- Eingehendste debattirt. Uebermüthig und keck war da- Verhalten der Ir länder in der 32 stündigen, der Berathung der Bill zur Verhütung der Verbrechen gewidmeten ParlamentS- fitzung am Freitag und Sonnabend. In wahrhaft maßloser Weise beleidigte namentlich O'Donnel den Vorsitzenden, und nur durch da- einmüthige Zusammen gehen von Conservativen und Liberalen gelang es, alle Versuche der Irländer, die Emscheidung abermals hinauSzuichieben, zu vereiteln. Richt weniger al- 25 irische Deputirte wurden im Laufe der Verhandlung suSpendirt, und i'chließlich war die Zahl der im Hause verbliebenen Irländer auf 6 herabgesunken, gegen deren Nein die Endabstimmung erfolgte. ES bedurfte neuer agrarischer Blutthaten, um die Bill, welche unter dem unmittelbaren Eindruck der Ermordung von Lord Cavendish und Mr. Burke dem Parlament zugegangen war, zur Annahme zu bringen. Mehrere rasch nach einander erfolgte Doppelmorde in Irland, von denen nicht zweifelhaft fern konnte, daß sie von langer Hand vorbereitet waren, mußten endlich auch die Quäker und Radialen zur Erkenntmß bringen, daß jeder weitere Aufschub nicht nur mit den größten Gefahren für die allgemeine Sicherheit verknüpft sein würde, sondern auch das Parlament zum moralischen Mitschuldigen an zukünftigen Mordthaten machen müsse. Die der Regierung durch die ZwangSbill einge räumten Vollmachten sind.allerdings so weit gehend, wie möglich. N cht nur, daß, um die Bestrafung der Verbrecher zu ermöglichen, die Schwurgerichte suSpen dirt werden sollen, wird der Executive auch die Voll macht zu weitgehenden Vorbeugung-- und Unter- drückungSmaßregeln zuerkannt, die sich nicht blo- auf die Verdächtigen, sondern auf alle Diejenigen erstrecken werden, die, sei eS aus Furcht, sei eS aus Sympathie, den Verbrechern Vorschub leisten. Außerdem wird der Regierung die Besugmß zugesprochen, sür die Ruhe gefährliche Ausländer zu verhaften und auSzuweisen. Dem Vicekönig wird ferner die Befugniß eingeräumt, durch ein summarisches Verfahren der öffentlichen Ordnung gefährliche Gesellschaften aufzulösen, Ber- fammlungen, die in der gleichen Weise Verdacht erregen, zu verbieten und zu Ungesetzlichkeiten auf reizende Journale zu unterdrücken. Aber nichts destoweniger vernimmt man zahlreiche Stimmen, welche der Meinung sind, daß daS ZwangS- gesetz feinen Zweck verfehlen werde. Jedenfalls muß ein Gesetz, um seinen Zweck zu erreichen, auch in der richtigen Weise auSgeführt werden. Dit Ausführung ist bei der Bill zur Verhütung der Verbrechen vor Allem daS Schwierige. ES erscheint zweifellos, daß in Irland eine wohlorganisirte geheime SchreckeuS- regierung besteht, deren Beseitigung und Vernichtung auch ^durch Vieles Gesetz nur sehr unvollkommen er reicht werden dürfte. Man glaubt daher vierfach, daß die Regierung mit der Verkündigung deS Belagerungs zustandes für Irland und mit energischer Handhabung desselben durch tüchtige Offiziere und Beamte weit sicherer zum Ziele gelangt wäre. Vorgestern wurde im Unterhause zunächst über die Beleidigung debattirt, welche O'Donnel am Sonnabend dem Vorsitzenden de» ComüeS zugesügt hatte. Der Antrag deS Premiers Gladstone, O'Donnel auf 14 Toge von den Sitzungen auSzuschließen, gelangte mit 181 gegen 33 Stimmen zur Annahme. Sodann begann die Spicialdebatte über die von der Regierung ange- meldeten neuen Artikel, welche, wie der Telegraph mel det, in voriger Nacht zu Ende gegangen ist. Für die Eiuzelberathung hatte Gladstone die „Dringlichkeit* beantragt und gestern mit 402 gegen 19 Stimmen zugestanden erhalten. Nach dem im vorigen Jahre zum ersten Male zur Anwendung gelangten soge nannten DringlichkeitSreglement hat der Sprecher, wenn nach erfolgter Anmeldung ein Antrag ge stellt wird, daß der Stand der öffentlichen Ge schäfte ein dringlicher ist und 40 Abgeordnete den Antrag durch Erheben von ihren Sitzen unter stützen, sofort die Fiage zu stellen, und ist keine De batte, kein Amendement und keine Vertagung mehr gestattet. Wenn nach Abgabe der Stimmen der Sprecher nicht darüber im Zweifel ist, daß der Antrag abgelehnt ist, so soll seine Entscheidung nicht ange- sochten werden; andernfalls hat sosort eine Abstim mung stattzufinden, und wenn die Frage durch eine Majorität von nicht unter drei Vierteln bejaht wor den ist, so sind die Machtbefugnisse de- Hause- für die Regulirung der Geschäfte bezüglich der verschiedenen Stadien der Vorlage und Anträge und aller anderen Angelegenheiten dem Sprecher unterstellt und bleiben dies so lange, bis der Sprecher erklärt, daß der Stand der öffentlichen Geschäfte nunmehr kein dringlicher mehr sei. Nach erfolgter Annahme des DnnglichkeitSantraoe» verlasen die Parnelliten einen von ihnen gesüßten Be schluß, wonach sie an der sernern Debatte über die ZwangSbill nicht mehr Theil nehmen wollen, und ver ließen, mit Ausnahme von 4 Mitgliedern der Partei, daS Haus. Durch eine dritte Suspension wären näm lich die Parnelllten, von denen einige bereit- zwei Mal suSpendirt waren, mit Ausschließung sür den Rest der Session bedroht gewesen. In Irland setzt man große Hoffnungen aus die gegenwärtigen au-wärtigen Verwickelungen de» Cabiuets Gladstone. Die Sprache der Ligapresse ist mit einem Male wieder so drohend geworden, wie zur schsnsteu Zeit de» „ungeschriebenen Gesetze»* und der Macht de» „ungekrönten König» von Irland*. So sagte dieser Tage der „Jrishman', nachdem er zunächst gegen Cromwell'» Andenken al» da» eine» Scheusal- und Usurpators gewüthet: „Im Jahre 1782 war e», wo unsere muthvollen, entschlossenen Vorsahren Eng land am Halse packten und ihm einen Vertrag ao- zwangen. ... ES wäre ein Zusammentreffen von günstiger Vorbedeutung, wenn sich 1882, gerade 100 Jahre nach Grattan'S Triumph, die Geschichte wieder holte und Englands Verlegenheiten Irland Gelegen heit geben würden, ein Parlament zu erlangen. Mit Spannung sehen wir der Entwickelung der ägyptischen Frage entgegen. Kommt Krieg, so muß Irland mit schnellem Sprung aufstehen. . . . Ueberzeugt sind wir, daß, wenn England gezwungen wird, wegen Aegypten daS Schwert zu zücken, die Flammen de» Aufstande» um sich greifen und Irland eine gute Aus sicht, wie sie in 100 Jahren nicht wieder kommen mag, erlangt, die Zerreißung der Union zu erzwingen.' AuS Dublin wird vom Sonnabend Abend ge schrieben: Eine große Aufregung herrschte heute Nach mittag hier in Dublin, veranlaßt durch die Nacht- und Tagsitzung deS Unterhauses in London. In Irland ist die Meinung allgemein, daß nichts Gute» mit der VerbrechenverhütungSbill geschaffen werden wird. Kein Gesetz könne Berüber von Gewaltthaten und Mord anschlägen entdecken, und da» Princip, die Bewohner eme» Bezirks, in welchem Verbrechen vorfallen, dafür verantwortlich zu machen, wird von Allen für unbillig gehalten. Die Verbrechen werden keineswegs in den Grafschaften geplant, wo sie verübt werden, und es wird allgemein dafür gehalten, daß der Antrieb dazu von Amerika auSgeht. Die umsichtige Art und Weise, in welcher die diabolischen Ermordungen zur Ausfüh rung gelangen, werden als Beweis dafür angesehen, denn wenn damit die Morde, welche vor 5 oder 6 Jahren vorgekommen sind, verglichen werden, so ist der gegenwärtige moäua opsrunäi ein ganz verschiedener. ES herrscht eine große Befürchtung und Besorgnlß, daß da» Land noch erst am Ansange der schlimmsten Uebel steht. Diejenigen, welche mit den Irländern seit Jahr und Tag bekannt sind, vermögen e» nicht, die schreckliche Zunahme der Gewaltthaten zu erklären. Selbstverständlich werden in einem jeden Bezirke, wo Mordthaten vorkommen, dieselben von den Einwohnern Fremden zugeschrieben. DaS Versahreu der Regierung, die Durchsetzung der Zwangsacte zu forciren, glaubt man, werde eine höchst beklagenSwerihe Wirkung durch daS ganze Land hervorbringen. Die Ausschließung der irischen UnterhauSmitgl'eder ist der einzige Gegen stand de» Gesprächs, während die Ermordung Blake'» und seine» Diener», obgleich die That erst am Donners tag geschah, schon zu den vergangenen und vergessenen Dingen gehört. Sagesgeschichte. Dresden, 5. Juli. Zur Beseitigung der in neuerer Zeit sich wieder häufenden Klagen über Rauch- und Rußbelästigungen durch Dampfkesselfeuerungen hat das Ministerium deS Innern an die Dampfkessel- inspectionen die folgende Circularverfügung er lassen: Die neuere Technik bietet eine Auswahl von Mitteln, um bei Dampskeflelseueruagen eine rauchfreie Verbrennung des Brennstoff- in Verbindung mit ökonomischer Verwendung desselben zu erzielen. Dem ungeachtet findet bei einer gro ben Anzahl von Dampskesselsruerungen theilS wegen mangel- Hafter Loustruction derselben, theil« wegen unnchn^r Be handlung der an sich guten FeueruugSanlogen rin« beklagen». Feuilleton. Vedigirt von Otto Bauet. Mr. Timseu der Spekulant. Roman von Lonrad Fischer-Sallstein. Erste» Capitel. „Wie weit sind Sie mit Ihrer Liste, Mr. Tip»? Zählen Sie zusammen, wie viel Tobte blieben bei Bull-Run?' Mr Tip» hob den Kops hinter dem Conceptpapier hervor und zeigte ein verzweifelnde» Gesicht, wie ein Mensch, der eine Arbeit überwältigen soll, von der er fest überzeugt, daß sie nicht zu überwältigen ist. „Verwundet ein Punkt, todt ein Kreuz; die Kreuze find so undeutlich, Mr. Dorell * „Achten Sie besonder» auf die Kreuze und arbeiten Ele fleißig, 14 Dollar Zulage.* „Ich danke Ihnen, Sir,' murmelte Mr. Tips und versenkte sich wieder in die endlose Verlustliste vom Kriegsschauplätze, wobei er emsig mit dem Zeigefinger aus dem Papier herumstrich, um nach den Kreuzen zu suchen. So ost er auf der beschriebenen und beklexten Ver lustliste rm Kreuz ausfindig gemacht, glitt ein Strahl der Freude über sein Gesicht und sofort tauchte er die Feder in da- Tintenfaß und trug den ost unaussprech lichen Namen mit einem wahren Feuereifer in die Reinschrift über. *) Nachdruck untersagt. Mr. Dorell sah feinem Gehilfen vom Sofa aus, auf welchem er lang hingestreckt lag, schweigend zu und rauchte dabei eine Cigarette, deren Dampf er be haglich vor sich hinblir». Seit etwa drei Wochen hatte Jean Dorell feine Advocatur in Boston eröffnet und Mr. Tips war fein Gehilfe. Dorell war brünet mit einem vollen wohlgepflegten Schnurrbart in dem bleichen Gesichte; er trug noch seine OsfizierSunisorm und hatte die ausgesprochene Absicht, sobald er von seinen Wunden wieder voll ständig hergestellt, Mr. Tip» bis auf Weitere- zu ent lassen und sich wieder zu seinem Regimente zurück zu versügen. Dorell machte unter General Karl Schurz den letzten Feldzug bi» zu den Kämpfen am Ohio-River mit, war dann bei einem unbedeutenden Scharmützel, da- da» erste Regiment gegen die wilden Gesellen de» Generals Jackson zu bestehen hatte, nicht unbedeutend verwundet worden und lag bi- vor Kurzem in einem Lazareih der Stadt Hendersen. Da» Zimmer mit den bescheidenen Möbeln, dem Pult und dem Conceptpapier verdankte Dorell seinem Freunde und Gönner dem Mr. Timsen, welcher sich alle Mühe gab, ihm eine Praxi» zu verschaffrn, trotz dem gar nicht abzusehen war, ob diese Bemühungen jemal» irgend welchen Erfolg haben würden, denn Dorell bot durchaus nicht den TypuS eines avocatori schen Streber- der Vereinigten Staaten, im Gegentheil, es war noch zuviel Deutsche» in seinem Wesen zurück geblieben, al» daß man ihm jemals eine gesegnete Praxi» sür die Zukunft hätte prophezeien können. Er kam al» zwölfjähriger Junge mit seinen Aelterv au» der Rheinpfalz herüber; in New York suchten sich die beiden Gatten eine Existenz und gingen im Kampfe mit einer solchen, wie dies ja tausendfach geschieht, unter. Dem Umstande, daß Dorell im Hause eines armen deutschen Lehrers nach dem Tode seiner Aeltern ein Unterkommen gesunden, verdankte er die Erhaltung seiner Mutersprache, sowie eine nicht unbedeutende Bildung. Nachdem er dann al» junger Mensch durch einen glücklichen Zufall ein kleines Capital gewonnen hatte, ging er nach amerikanischer Art auf zwei Jahre nach Deutschland, um zu studiren. Dort hatte er einen gleichalterigen junge» Mann, Franz v. Leuteritz zum Freunde gewonnen, der in der Residenz seines Vater landes auf der Krieg-fchule war. Mr. Tip» tauchte jetzt mit freudestrahlendem Ge sichte hinter dem Conceptpapier empor, strich sich mit der Hand über die Stirn, al» wollte er sich den Schweiß abwlschen, den ihm die Arbeit abgrrungen und sagte dann: „Ich finde keine Kreuze mehr, Sir, ich habe meine Arbeit beendigt.* Eine gewsse Genugthuung lag dabei in seinem Gesichte, er sah zu dem jungen Advocaten auf, als erwarte er über seinen Fleiß ein Lompliment. Dorell wollte etwa- erwidern, al» in dem Augen blicke e» an die Thür pochte und gleich daraus ein langer hagerer U^ker rintrat, dem ein junger Offi zier nachfolgte, welcher bei dem Anblick de» auf dem Sofa liegenden Dorell in einen Areudenruf ausbrach. Dorell nahm sosort den Krückstock, der neben «hm am Sofa lehnte, erhob sich, nicht ohne ein schmerz liches Verziehen seine» Gesichtes, denn seine Wunden waren immer noch nicht geheilt, und wankte dem Ein- tretenden entgegen. „Ab, Mr. Timsen, da bringen Lie mir meinen Freund! Willkommen, Franz v. Leuteritz!* „Ja*, antwortete der Danket, „da bringe ich iha; aber der Urlaub ist kurz bemessen; die Sache kostet mich zweihundert Dollar», auf Wort, Sie werden sie buchen, Mr. Dorell, hoffe ich.* „Ich habe Dich mit Ungeduld erwartet, Franz, mir scheint, Dir hielt e» schwer, Dich aus ein paar Tage loSzumacheu* „Sagte Dir nicht Mr Timsen, wie schwer e» hielt, gerade jetzt einen Urlaub au»zuwirkcn? Grant ist kein Mac Donald Kommen wir rasch zur Sache, Freund, man braucht da unten in Florida meine Haut! Vor Allem bitte ich Dich, all« Umschweife bei Seite zu lassen, in einer Stunde reise ich wieder ab; ich habe mein Wort verpfändet und Du kennst mich in solchen Dingen.' „Sprich nicht davon, Leuteritz, ich bin nicht um sonst mit Dir zwei Jahre lang denielben Krieg»pfad gegangen, bi» mich drunten am Ohio-River ein schwarzer Schurke auf'» Karn nahm; die Wunde will immer noch nicht heilen.' „Laß da»*, rief Franz v. Leuteritz ungeduldig, „wer wird von solchen Kleinigkeiten sprechen? Hast Du nach Deutschland geschrieben? Sind Briefe zu rückgekommen? Es wird besser jein, Du fährst selbst hinüber, um al» mein vollbefugter Anwalt das mw durch meinen Onkel zugefallenc Majorat Leuteritz iu meinem Namen in Besitz zu nehmen E» »st ei» Glück, daß die nicht rosigen Verhältnisse meiner Fa- milie endlich einer sorgenlosen Lage weichen; ich hoffe
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