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SWsche DllrsMmg Erscheint tiigltch »ach«, mit «uSnahme der Sorm«». Kesttage. VezugSprelSr Bierteljährl. 1 Mk. 86 Pf. (ohne Bestellgeld). Post-Bestellnummer 6888. Bei auherdeutschen Postanstalten laut Zeitungs-Preisliste. Einzelnummer 10 Pfennige. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freche». vutdtlrirclmei. beSairttsn unä 6e5ckaN5rteller Dresden. Pillnitzer Straße 43. Inserate werden die 6 gespaltene Petttzeile oder deren Raum mit 18 Pf. berechnet, bei Wiederholung bedeutender Rabatt. Redaktions-Sprechstunde: I I—1 Uhr. i» « a. F ernsprccherr Amt l. Nr. 869. »-Nr»». Donnerstag, den 26. November 1903. 8. Jahrgang. Nur 50 Pfg. pro Monat exklusive Zustellungsgebühr kostet das Abonnement auf die „Sächsische Dolkszeitnng" mit der Sonntagsbeilage „Feierabend" und bitten wir, die Bestellung für den Monat Dezember recht bald bewirken zu wollen, um unliebsame Verzögerungen in der Zustellung zu vermeiden. Wir beginnen in diesen Tagen mit der äußerst spannen, den Original-Erzählung: „Hohes Ziel" von W. Dora und sind wir gern erbötig, die bis zum l. Dezember er- schienenen Nummern dieser Erzählung neu hinzutretenden Abonnenten gratis nachzuliefern. Das bevorstehende KZeihnachtsfest gibt uns Ver- anlassung, unsere geschätzten Freunde ans den Inseratenteil "MU der „Sächsischen Volkszeitung" aufmerksam zu machen und empfehlen wir die darin angekündigten Einkanfsquellen gütiger Berücksichtigung; auch bitten wir um fleißige Be- Nutzung unseres Inseratenteils zu Ankündigungen aller Art, die in der „Sächsischen VolkSzcitung" von bestem Erfolge begleitet sind. Achtungsvoll WedaLtion u. Geschäftsstelle d. „Sachs. Jolksz." Gewissens- und Kultnsfreiheit. Im Leitartikel der Sonntagsnnmmer machte die „Sächs. Volkszeitung" Erwähnung von einem Briefe, den Herr Pastor Klotz in Zwickau an die Redaktion des genannten Blattes richtete. Veranlassung hierzu gab ihm ein Artikel in Nr. 201, welcher aus seinem ans dem Familienabend des Evangelischen Bundes nach dem Berichte des „Zwick. Tgbl." iNr. 260) gehaltenen Vortrage folgende Sätze wörtlich zitiert: „Die katholische Kirche nimmt dem Lehrer das Recht, was ihm das Höchste ist, das Recht, die Kindcrherzen mit Gott bekannt zu machen." — „Ein Papst des vorigen Jahrhunderts hat die Gewissensfreiheit für Wahnsinn erklärt." Daraufhin schickte Herr Pastor Klotz mit Berufung auf 8 l l des Preßgesetzes der Redaktion folgendes Schreiben: „Meine Worte lauteten nicht so wie angegeben; „die Kinderherzen mit Gott bekannt machen" kann der Lehrer auch in anderen Stunden; ich sprach aber vom Religions- unterricht, den die Mehrzahl der evangelischen Lehrer als die Krone und Seele ihrer ganzen Arbeit ansehen und den sie nicht entbehren möchten. — Der Papst des vorigen Jahrhunderts, der die Gewissensfreiheit einen Wahnsinn nannte, ist Gregor X VI. in seiner Enzyklika Hsirni'i vom 15. Ang. 1002, vgl. das Zitat in Pins' IX. Enzyklika (Quanta Onrn vom tt. Dez. 1004. Er nennt die Lehre von der Gewissensfreiheit >!olii-am«'»< um. Wollen Sie das statt mit Wahnsinn lieber mit einem anderen Worte übersetzen — Possen. Albernheit — so ändert das an der Sache nichts." Herr Pastor Klotz schließt sein Schreiben mit folgendem Satze: „Ich glaube es gern, daß Ihnen diese Tatsache un bequem ist, kann sie aber nicht ändern." Was den ersten Punkt der „Berichtigung" anlangt, so ist uns nicht klar, was sie „berichtigen" will. Tie „Sächs. Volkszeitnng" zweifelte ja gar nicht, daß viele evangelische Lehrer den Religionsunterricht als die Krone und Seele ihrer ganzen Arbeit ansehen. Wir anerkennen auch, daß Herr Pastor Klotz von den katholischen Lehrern die gleiche Ansicht hat. Wie wir ans dem Zitat seiner Rede in der Soimtagnnmmer erfahren, beschuldigt er die katho lische Kirche, sie nehme den Lehrern das Recht, die Kinder- herzen mit Gott bekannt zu machen. Es wundert uns, daß dem Herrn Pastor nicht bekannt zu sein scheint, wie viele weltliche Lehrer in Sachsen den katholischen Religions unterricht in den Schulen erteilen; es ist ihnen also keines wegs benommen, dies zu tun. Wenn aber überall dort, wo eS angelst, der Geistliche den Unterricht in der Religion gibt, so ist das nur etwas ganz selbstverständliches. Wo ein Lehrer für die Sprachgegenstände vorhanden ist, wird man den Unterricht darin nicht durch den Lehrer der Mathematik erteilen lassen, selbst wenn ersterer diesem Unterrichte gewachsen wäre. Das gilt auch von der Rest- gion. Dem Lehrer ist übrigens auch im Unterricht viel seitiger Spielraum gelassen, die Kinderherzcn mit Gott be kannten machen — auch außer der Nelgionsstnnde. Ter zweite Teil der „Berichtigung" war offenbar der jenige, an welchem dem Herrn Pastor Klotz das meiste ge legen ist. Zwar ist ihm Gelegenheit geboten, in dein von ihm redigierten „N. Sächs. Kirchenblatt" seine Ansicht zu begründen, wir gehen einer sachlichen Polemik auch keines- ^m Wege. Ta er es jedoch vorzielst, der „Lächs. Volkszeitnng" durch eine zngesandte Berichtigung die Antwort nahezulegen, so möge sie mit Rücksicht auf die Wichtigkeit des Gegenstandes in Kürze hier erfolgen. In der Enzqklika ()muitn mi,-» heisst es: „Kraft der durchaus falschen Auffassung der Leitung der Gesellschaft des ein stehen sie nicht an, diese irrige Meinung, welche der katho lischen Kirche und dem Heile der Seele sehr nachteilig ist und von Unserem Vorgänger. Gregor X V I. als ein Wahn witz Olistii-niiu-iiiuni- bezeichnet wurde, zu begünstigen, daß nämlich: „die Freiheit des Gewissens und Kultus das eigene Recht eines jeden Menschen sei Recht, welches durch das Gesetz j„ jedem wohlkonstitnierten Staate verkündigt und geschützt werden niüsse, und daß die Bürger ein Recht besitzen, mit einer gänzlichen, weder durch die geistliche, noch durch die bürgerliche Autorität zu be schränkenden Freiheit, ihre Ueberzengnngen. welche sie auch seien, durch Worte oder durch die Presse oder durch andere Mittel knndzugeben und zu erklären." Das Wort „<I.-Ii,-:m,«-,,ium^ wird sinngemäß viel richtiger durch den Ausdruck „Wahnwitz", als durch die von Herrn Pastor Klotz oben vorgeschlagenen Worte übersetzt. Deshalb wühlten nur auch diesen und ließen— „Possen" und „Albernheit" unberücksichtigt. Tie Enzyklika beschäftigt sich an dieser Stelle mit den falschen Meinungen über die Gewissensfreiheit und Kiiltnsfreiheit. Betrachten wir zuerst die Gewissens freiheit. Es wird bestritte», daß diese ein ursprüngliches und uneingeschränktes Recht eines jeden einzelnen Menschen sei. Suchen wir die Gründe für dieses Urteil. Der Mensch besitzt den freien Millen. Es ist in seine Hand ge geben, das Gute oder das Böse zu tun. Kein Staat wird seinen Angehörigen diese» ihren freien Witten abstreiten wollen. Und dennoch gibt es auch keine Gesetzgebung, in welcher dieser freie Witte zur Rechtsnorm erhoben wird, kraft deren es im Belieben des Menschen liegt, nach Gut dünken zu morden, zu rauben, zu stehlen; der Mensch kann es tun, aber er hat nicht das Recht dazu. Wenden wir dies auf die Religionsfreiheit an. Ter Mensch kann durch die Religionsübung den freien Witten dazu benützen, »in Gott seine Huldigung darznbringe»; er braucht es aber nicht, denn er hat den jsreien Willen. Er kann eine Religion, trotzdem er sie als wahr erkennt, znrückweisen und entweder keine oder eine falsche annehmen. Nie und nimmer kann der Mensch aus dieser seiner Freiheit schließen, daß er im Gewissen berechtigt ist. sich für den wissentlichen Irrtum, statt für die erkannte Wahrheit zu entscheiden. Bischof Emmanuel v. Ketteler sagt in seiner Schrift „Freiheit, Autorität und Kirche" t^XXIll»: „Ein Recht, eine falsche Religion anznnehinen, sie zu organisieren, sie zu verbreiten, kann es an sich nicht geben, vielmehr bleibt es immer die erste und höchste Pflicht des Menschen, die wahre Religion zu wählen und ihr alle seine Kräfte zu schenken. Ebenso kann auch die katholische Kirche nicht aufhören, alle falschen Religionen als den größten Mißbrauch der Freiheit anzn- sehen nnd^ihn mit allen ihren Mitteln zu bekämpfen." Ter ^atz, daß die Gewissensfreiheit noch nicht das Recht in sich schließt, wissentlich in einer falschen Religion zu verbleiben, ist vollkommen klar. Wer von seiner WillenS- Blei iin Herzen. Erzählung von I. R. von der La ns. «us dem Holländischen übersetzt von L. van Heemstede. >59. Fortsetzung.) -Nachdruck verboten.) „Und Dir ist er auch nicht verloren, denn im Himmel betet er für Dich, für seine arme Mutter, für uns Alle!" Ter Greis nickte und lauschle, als seien die dem ein fachen Ehristen so geläufigen Wahrheiten etwas ganz neues für ihn. Es ging ihm wie den Meisten von uns in den Sorgen des Alltagslebens: er mutzte dies Alles sehr wohl, er glaubte es, aber jetzt erst ward es ihm klar. „Und werde ich denn für Dich verloren sein, wenn ich als armes Nönnchen fortwährend Deiner gedenke und all meine Arbeiten und meine Gebete Gott zum Opfer darbringe, damit ich von ihm erlange, daß Du glücklich sein mögest!" „Gewiß, Du hast ganz recht — und doch nein — nein Annette. Dich werde ich nie entbehren können!" „Aber dann war es ja nicht Tein Ernst, was Du mir einst im Vertrauen gesagt hast, Du wolltest gerne auf alles Verzicht leisten, wenn Tn von dem Kummer, der Dich niederdrückt. befreit würdest. Wenn das wahr ist, so würdest Du gerne das Opfer bringen, das im Grunde doch ja nicht so groß ist . . . ich gehe ja nicht aus der Welt hinaus . . ." „Nun ja, aber es ist nicht die Frage, ob das Dpser nur zu schwer fallen wird, sondern vielmehr, ob ich zulassen darf, daß Du mir dieses große Opfer bringst. Tu willst allem entsagen, und Dich in ein Kloster begeben, nur um von Gott zu verlangen, daß Tein Vater glücklich sein möge. Das darf ich nicht annehmen, und das kann der liebe Gott auch nicht von Dir verlangen, Annette!" „O Vater, wenn das Deine einzige Sorge ist." sagte das Mädchen mit froheren: Lächeln, „so muß ich Dir sagen, daß es mein liebster Wunsch ist, als armes Nönnchen meine Tage in Gebet und guten Werken zubringen zu dürfen, und daß Du mir keine größere Freude machen kannst, als wenn Du mir dazu Deine Zustimmung gibst." Es nahten sich Schritte im Gang. Annette erhob sich von den Knieen. „Lassen wir die Sache vorläufig ruhen, liebes Kind!" sagte ihr Vater, „wir wollen sie später in aller Ruhe über legen. Es wird Zeit, daß ich mich nach meinen Patienten mmehe . . ." Doktor de Vries nahm seine vielgesuchte Praxis Wieder aus und fand darin eine wohltätige Zerstreuung iür seinen herben Kummer. Aber während er allein in seinem Wagen saß. der ihn von dem einen Kranken zu dem anderen brachte, kamen ihm oft die Worte wieder vor den Geist, die Annette zu ihm gesprochen hatte. Je mehr er darüber nachdachte, um so mehr ward es ihm klar, daß die schweren Schläge, die ihn getroffen hatten, und das neue schmerzliche Ltffer, das ihm abver- langt wurde, in Gottes Hand das Miltelsein würden, um ihn von der unerträglichen Last, worunter er seither gebückt ging, zu befreien. Tein ganzes Leben war ein vergebenes Ringen ge wesen. um die schwere Schuld, die er in jener unseligen Nacht, von Leidenschaft verblendet, auf sich geladen, von sich abznwälzen. Das war ihm wegen seiner Fra» und wegen feiner Kinder unmöglich gewesen. Seine Frau war j das größte Hindernis; hätte sie ihm helfen wollen, io hätte sich wohl ein Weg finden lassen, um das ungerechte Gur dem rechtmäßigen Eigentümer wieder zuznstellen. ohne daß er seine Familie der Schande, feine Kinder der Armin zu > überantworten brauchte. Seine Frau aber hatte ihn wegen seiner Skrupeln ansgelacht, ihm gedroht, wenn er der Stimme feines Ge- wiff'ens folgen würde, ihm in allen Stücken Widerstand geleistet. Dieses größte Hindernis mar jetzt beseitigt. Ter hoff- nungölose Wahnsinn, der die Aermste umnachtet hatte, gab ihm die freie unbeschränkte Herrschaft über ihr Vermögen. Er konnte dieses jetzt den Geschädigten wieder zustellen, was hätte ihn davon noch abhalten können? Die einzige Schwierigkeit bestand nur darin, eine passende Form für diese Entschädigung zu finden, wodurch jeder Argwohn ferngehalten wurde. Diese Form bol sich ihm jetzt nach alledem, was Amiele ihm diesen Morgen anverlraut hatte, wie von selbst dar. Lo schmerzlich diese Mitteilung ihn anfangs berühr! hatte, so dankbar und freudig stimmte sie ihn bei reiflicher Uebcrlegnng. Annette verlangte, der Welt Lebewohl zu sagen, niif alles Verzicht zu leisten. Tein Sohn war schon ans der Welt geschieden. To blieb nur noch Henriette übrig und dem Scharisiim des Vaters konnte es nicht entgangen sein, das; ne und Adolf Weever den stillen Herzenswunsch hegten, einander einmal ganz anzngehören. Vermöge dieser Heirat kam dann alles ans dem natür- lichsten Wege wieder zurecht. Henriette würde ihrem Bräutigam alles znrückgeben, was die Missetat ihres Vaters ihm entwendet hatte. Das Glück des braven jungen Mannes, die Freude der daran teilnehmenden Mutter würde beiden vollauf die Entbehrungen, die ne sich halten anserlegen müssen, ersetzen. Ein Gefühl von seliger Wonne, wie er sie seit langen Jahren nicht mehr gekannt Halle, überflutete das Herz des reuigen Büßers bei diesem Gedanken; und wie sehr sein Herz noch bluten mochte aus den Wunden, welche die letzten schmerzlichen Ereignisse ihm geschlagen halten, doch empfand er dabei einen io süßen Trost, daß er; gerade so wie Annette, nicht zu sagen wußte, ob die Tränen, die ihm in die Augen traten, ihm vom Schmerz oder von der Freude entlockt wurden. Als er am Abend dieses Tages seiner teuren Annette den Gutenachtkuß aus die Stirn drückte, las ihr kluges Auge in seinen Mienen die mit ihm vorgegangene Ver- änderung. Tie schroffen Züge waren milder geworden, ein Heller Glanz funkelte in den sonst so düster blickenden Augen. „Hast Tu den Trost schon erfahren, den ich Dir prophezeite. Vater?" fragte das Mädchen, schüchtern, aber vertrauensvoll zu ihm anfblickend. „Ja. mein Kind. Du bist mein guter Engel, ich danke Dir tausendmal!" .(Fortsetzung folgt.)