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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 16.04.1908
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-04-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080416022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908041602
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908041602
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-04
- Tag 1908-04-16
-
Monat
1908-04
-
Jahr
1908
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vezugS'Prei» chr L»t»»t- «»d Vorort» durch uns«, träger und Spediteur» tut Hau« gebracht r Sutgad« L luur moraenl) »tertrljährltch 3 vi., monatlich I vi.; Lutgub» 3 (morgen» und abend«) viertel jährlich «.30 M., monarlich II» «. Durch die Post «u bqiedeur fl mal täglich) innerhalb Deutschland« und der deutsche« Kolonien vierteljährlich 5,2b M., monarlich 1,7ü M. autschl. Post bestellgeld, sür Oesterreich S L 66 b, Ungar» 8 L vierteljährlich. Ferner in Bel gien, Dänemark, den Donaustaaten, Frank reich, JraUen, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Nichland. Schiveden, Schwei» und Spanien. In allen übrigen Staaten nur direkt durch di» Lxped. o. Bl. erhältlich. Abonnement-Annahme: Sugustusviatz 8, bei unseren Trägern, Filialen, Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämtern und Briefträgern. Die einzeln« Nummer kostet 10 Pfg. Nedaktion und Lrpedtttru: Johannttgasse 8. Telephon Nr. 14692, Nr. 14693, «r. 14694. MpMerTagMM Handelszeitung. Amtsblatt des Nates und des Nolizeiamtes der Stadt Leipzig. Anzeigen-Prett ist» Inserat» au« lieipV« und Umgebung dl, «qespalten» Petitzeile 25 Ps., stnanzlell» Auzeigen SÜ Ps., Reklamen l M.: von »»«wärt« M Ps., Reklamen 1.20 M.; vomAutl-ndSOP«., ftnan,. «obigen7LPs., Reklamen 1.50 M. Inserate v. Behörden in amtlichen Teil 40Pt. «eilagegebübr 5 M. p. Tausend exkl. Post gebühr. Geschästsanzeigen an bevorzugter Stelle im Preise erdähi. Rabatt nach Taris Festerteilte Aufträge können nicht zurück gezogen werden. Für da« iäricheinen an oeltimmten Tagen und Plagen wird kein« Garantie übernommen Anzeigen. Annahme: Lugustu«pla, 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen expeditionen de» In- und Autlande«. Haupt-Filiale Berlin- Carl Duncker, Herzog!. Baar. Hosbuch- Handlung. Lutzowstrade 10. (Telephon VI, Nr. 4603). Haupt.Filiale Lre«den: ^ecstrahe 4,1 (Telephon 4621). Nr. 106. Donnerstag 16. April 1908. 102. IabMnq. Das wichtigste voin Tage. * Das Kaiserpaar hat seinen Aufenthalt auf Korfu verlängert. sS. bes. Art.) * Dem Bundesrat ist ein Gesetzentwurf über das Automobilhastpflichtgesetz zugegangen. sS. Dti'chs. R.) * Dem Elsaß-Lothringischen Landesau L schuß ist eine Ge setzesvorlage der Staatsregierung auf Zulassung der franzö sischen Sprache in den Versammlungen des Reichslandes zugegangen. * König Eduard wird am 26. d. Mts. Stockholm besuchen. lS Ausl ) * Das Repräsentantenhaus der Bereinigten Staa- len lehnte den Bau von vier neuen Schlachtschiffen mit großer Mehrheit ab. sS. Ausl.) * An der russisch-persischen Grenze und in Südost- persien sind ll n r u h e'n ausgebrochen. sS. Ausl.) Lin schwerer ALainpf. Als von Rom aus der Kampf gegen den Modernismus, d. h. den kirchlichen Liberalismus, einsetzte, begann zugleich auch ein schärferes Vorgehen gegen den politischen Liberalismus. Es wurden wieder die alten Waffen aus der Rüstkammer geholt, die Schlagworte Kultur kampf, grundsätzliche Religionsfeindlichkeit des Liberalismus usw. Es kam der Fall Grandinger. Zwar wagte es der zentrumsfromme Bischof nicht direkt, ihm den Beitritt zur liberalen Partei zu verbieten» ober schon in der Schul- und Kirchenfrage kam es zum Konflikt zwischen Grandinger und seinem Bischof, der weiter verschärft wurde durch Bor träge, die er in liberalen Versammlungen hielt und die dann kürzlich zu dem gemeldeten Verbot der aktiven Teilnahme katholischer Geistlicher an liberalen Veranstaltungen führten. Zugleich mit diesem allgemeinen Verbot für die bayrischen Klerikalen hatte der Bamberger Erzbischof dem Pfarrer Tremel verboten, im Bayreuther Jungliberalen Verein einen Vortrag zu halten. Tremel hat sich aus persönlichen Gründen gefügt, ober die Bayreuther Jungliberalen haben sich nicht damit be ruhigt, sondern den Kampf ausgenommen. Sie haben sich, wie wir bereits berichteten, an die juristischen Fakultäten der deutschen Universt- kätcn mit der Bitte gewandt, durch Gutachten zur Klärung der Frage bei- zutragen, ob ein Bischof seine Kleriker von derTätigkeit für «ine bestimmte bürgerliche politische Partei — die liberale — abhalten dürfe, während die Tätigkeit für «ine andere — das Zentrum — gestattet werde. Welche Antwort werden die deutschen juristischen Fakultäten geben? Sie werden wohl nichts anderes antworten können, als daß die geist liche Obrigkeit auch das außerdienstliche Verhalten der Kirchendiener unter die Disziplinargewalt zu ziehen vermöge und daß der Genuß der staatsbürgerlichen Rechte den Kirchendienern durch diese Disziplinar gewalt theoretisch und praktisch beschränkt werden könne. Einer Ein- schränkung der Staatsbürgerrechte unterliegen ja auch die Soldaten und Beamten teils durch besondere Gesetzbestimmung, teils durch dos Mittel der Disziplinargewalt. Leider unterzieht auch die protestantische Kirche das politische Auftreten ihrer Geistlichen einer Aufsicht; «v ist eine fort gesetzte Reihe von Fällen zu nennen, in denen die protestantische Kirchen obrigkeit gegen politisch sich betätigende Geistliche eingeschritten ist. Einer der letzten Fälle war der Fall Korell in Hessen. Die Jungliberalen Bayreuths werden durch ihr Vorgehen schwerlich erreichen, sür den Pfarrer Tremel, den Pfarrer Grandinger und so viele andere, die unter dem klerikalen Drucke stehen, die Freiheit des Han delns herbeizuführen und den Truck von ihnen zu nehmen. Sehr wert voll ist es aber schon, wenn es ihnen gelingt, die allgemeine Aufmerk samkeit daraus zu richten, daß auf jener Seite die Freiheit nicht zu haben ist. Wenn man diese Tatsache, zunächst gar nicht in der Hoffnung, sie zu ändern, sondern einfach nur, um sie sestzustellen, immer von neuem betont, so ist schon ein gutes Stück erreicht. Beim Klerikalismus wird gerade mit der angeblichen Freiheit ein Sport getrieben. Haben wir es doch erlebt, daß bei den Verhandlungen über das Vereins- und Versammlungsgesetz im Reichstage das Zentrum immer noch sich als Hort der Freiheit aurspielte. Tas hat man gewagt im Jahre nach dem Erlaß der Enzyklika gegen die Modernisten, nach dem Vorgehen gegen Schnitzer, nach Niederwerfung der von Münster ausgehenden Jndexbewegung, nach ausdrücklicher Beseitigung der Koalitionsfreiheit der Priester, wenige Tage nach Auflösung einer für den Westen des Reiches gegründeten Priestervereinigung! Ein Mann wie Schädler wagt nach alledem, im Reichstage sich als Vorkämpfer der Freiheit gegen die Blockparteien aufzuspielen! Die Blockparteien haben eine sehr weitgehende Zurückhaltung geübt und sind nicht zum Angriff übergegangen. Es wird die Zeit kommen, wo auch im Reichstage dem heuchlerischen Treiben des Zentrums in systematischer Weise entgegen zutreten sein wird. Ter Fall Tremel soll angereiht werden an die übrigen Zeugnisse, und wer überhaupt Sinn für Logik hat, wird dann ja wohl mit der Zeit einsehen, daß auf klerikaler Seite nicht die Freiheit herrscht, son dern die Gebundenheit und die Unfreiheit! Das Araiserpaar auf Atorfu. Da das Wetter sich gestern herrlich gestaltete, wagte man endlich die . . , Illumination, - die am Ankunftstage des Kaiserpaares unterblieben war. Die ganze Via rriunapbalis war mit Tausenden farbiger Lampions geschmückt. Auf der Feststraße promenierten Tausende unter den Klängen der Musikkapelle. Raketen stiegen auf, und die alte Felsenfestung erstrahlte in magischer Pracht. Tas Kaiferpaar wohnte mit der Prinzessin Viktoria Luise der Illumination bei. Am Nachmittag unternahm die kaiserliche Familie mit Gefolge einen Ausflug in Automobilen nach Peleka, wo der Tee eingenommen wurde. Die Landbevölkerung begrüßte die kaiserliche Familie mit Freudenrusen. Prinz Oskar wird Korfu am Montag mit der „Hohenzollern" verlassen und nach Sardinien reisen. Auf besonderen Wunsch der Kaiserin ist der Aufbruch, der auf den 18. April festgelegt war, auf Anfang Mai verschoben worden. Ter Kaiser erhielt anläßlich des Brandes der Garni'onkirckie in Berlin zahlreiche Beileidsdepeschen. — In der griechischen Kammer verlas der Präsident ein Schreiben deS deutschen Gesandten, in welchem er den Tank des Kaisers übermittelt sür die Sympailoekun!"cbunzen der Kammer am 11. April. In dem Schreiben heißt es, der Kaiser habe mit großer Befriedigung von den liebenswürdigen beredten Worten Kenntnis genommen, die der Präsident unter Zustimmung der Kammer an ihn gerichtet habe. Er beauftrage seinen Gesandten, sür diese ver- kindliche angenehme Aufmerksamkeit bei der Ankunft in Korfu seinen Tank auszusprechen. Italien und Tripolis. sVon unserem römischen ^.-Korrespondenten.) Rom, 13. April. Ser Exminister Nasi, dem der Senat des Königreichs wegen rechts- widriger Verwirtschaftung von Staatsgeldern eine mehrmonatige Ge fängnisstrafe, sowie den mehrjährigen Verlust der politischen Rechte ausgehängt hat, mag in diesen Tagen die lebhafteste Genugtuung darüber empfinden, daß Italien nun endlich den von ihm so ersehnten „Zwischen fall" in Tripolis erlebt hat. Nasi hat auf zweierlei Weise einen solchen „Zwischenfall", der ein energisches Auftreten Italiens in Tripolis heraussordern sollte, herbeisühren wollen. Erstens durch eine „archäo- logische" Expedition nach der Kyrenaika, die er im April 1902 in seiner Eigenschaft als Unterrichtsminister anregte und durch Beigabe von Spezialisten des Kriegs- und Marineministeriums zweckgemäß auszu gestalten wünschte; die türkische Regierung hat seinerzeit die Konzession für eine aus nur 4 Personen zusammengesetzte Kommission und zu archäologischen Ausgrabungen an der Küstenstrccke erteilt gehabt, das italienische Ministerium des Auswärtigen hat nicht bloß diplo matisch für das Unternehmen gewirkt, sondern auch Geld beigesteuert, — aber es kam zu nichts, und zwar weder im Jahre 1902 noch im Jahre 1906, als im Kabinett Sonnino der Minister Guicciardini die Praktiken wieder aufnehmen wollte. Zweitens durch die Erwerbung von Grund besitz in Tripolis von feiten italienischer Privatleute, deren zu ge- wärrigendc Schädigung oder Vergewaltigung seitens der Behörden oder Eingeborenen die italienische Regierung zu einem Einschreiten veranlaßt hätte, das endlich den erwünschten italienischen „festen Fuß" ermöglichen sollte; indessen war die türkische Lokal- und Zentralregierunz gut genug informiert und wachsam, um jeden Erwerb von Grundbesitz zu verbiete« und zu verhindern. Das einzige, was gelang, war die Ansiedelung von Franziskanern in Derna im Jahre 1903, da diese bereits in und um Tripolis selbst während, vieler Jahrzehnte Missionstätigkeit hatten ausüben dürfen, und einiger Nonnen, die ebendort charitativ'wirken.wollten. Nun haben die guten Franziskaner nichts Eiligeres zu tun gehabt, als sür ihre Gemeinde, die noch gar nicht existiert und in ihrem embryonalen Zu stande gut und gern ihr gottesdienstliches Bedürfnis in einem unauf fälligen kleinen Räume befriedigen könnte, eine Kirche zu erbauen. Dieser ostentative Konfessionalismus, der sich im Zusammenhang mit anderen Umständen auch als italienischer Nationalismus darstcllte, hat Aergernis erregt, und eines Tages war der Chef der Franziskaner mission, Pater Pacini, ermordet. Die Proteste der italienischen Regie rung gegen diese Mordtat ließen selbstverständlich nicht auf sich warten, und die türkische Regierung entgegnete außer mit Komplimenten auch mit der Behauptung, daß Pacini einfach von einem anderen Franzis, kaner ermordet worden sei. Tie italienische Regierung, in deren juristische Kompetenz durch diese türkische Behauptung die ganze Ge. schichte eingestellt wurde, beeilte sich nun, zwei Kcusularbeamte zur direk- Feuilleton. Es gibt keine größere Zeitverschwendung, als die Stunden zu zählen. Wozu soll das nützen? Und auch nicht Törichteres gibt es, als sich vom Schlag der Uhr, statt von Verstand und Ueberlegung leiten zu lassen. Rabelais. * Die ReklametragS-in. Ihrer Memoiren, über die Sarah Bernhardt den Titel „21a äoubls vis" schrieb, hat sich jetzr auch der Import bemächtigt, «chulze L Co. in Leipzig haken den dicken Reklameband übersetzen lassen, dem noch weitere Bände mit Reklamehistorie folgen sollen. Schade, daß man nicht den Um schlag des Originalbuches für die hübsche Uebertragung gewählt hat. . öuLnck möme" prangt darauf, ihre Devise, mit einem Harlekin, einem Schwert und einer Maske. Auch durch luftiges Geflunker und pompöse Phantasien, mit denen die Bernhardt ihre Selbstbiographie geschmückt hat, erhält diese den Wert eines Dokumentes. Einen Ausruf des Herrn Mendes, der immer für die hagere Tragödin posaunr hat, kann man unbedingt gellen lasten: „Man kann von Sarah Bernhardt nur immer wieder sagen, eS ist etwas schier Unfaßbares, daß cs eine solche Frau überhaupt gibt." DaS Wort läßt sich aber anders drehen, wenn man daran erinnert, daß die Colombier sie einst Sarah Barnum taufte. Sarah sprühte damals vor Wut. Sie eilte nach der Wohnung der boshaften Komödiantin und traktierte sie mit einer Reitpeitsche. Auch vor dem Tribunal hat die Theatergöttin dann ihre Neklameszene gehabt, als ihr Triumphlächeln den Richtern entschwebte. Sogar noch im kanonischen Alter, das raffinierte Toilettenkünste verschleiern, plauscht sie immer wieder von Edmond de Goncourt, der sie im berühmten Journal beschrieben hat, wie sie in einer goldblitzenden Robe, mit diamantenbesctzter Lorgnette und einem Spitzenhütchen auf dem feurigen Haarbusch vor ihm erschien. Die ckessse, die „die Beinlänge der Frauen der Renaissance hat", log dem großen Romancier schon damals, im Jahre 1893, die Haut voll. Sie erzählte ihm Räubergeschichten von „Schiffsladungen von französischen Sprach lehrern", die nach Amerika geschickt wurden, um die Misses für die An kunft der prunkenden Tragödin zu präparieren. Sie log von Buenos Aires, wo acht Männer, die als ihre Leibwächter bestellt waren, so gründ- lich eingeschläfert worden seien, daß sie nichts hörten und man sie selbst aus dem Bett werfen mußte, um sie losch zu kriegen, und daß auch ihr ekliger Wauwau drei ganze Tage geschlafen habe. Und in diesem Tamtamstil plappert die Grandiose auch ihre Mc- moiren. Schon das erste Kapitel fä.ngt an zu lügen. Sie spielt sich auf die Jllusionistin hinaus, verzaubert dürre Tatsachen zu Romantik, wenn iie berichtet, ihre Mutter, die in Wirklichkeit aus Holland kam und Klavierstunden gab, sei eine wunderschöne, verschwärmte Frau gewesen. Sarah macht aus ihr fast eine in Mysterien gerückte Kameliendamc, Der Memoirenband weiß nicht mehr, daß skk einmal erzählt hat, ihre Mutter sei eine Berliner Putzmacherin gewesen, die sich in Paris nieder gelassen habe. Ihren Papa, der Advokat und natürlich auch schön wie Apoll war, läßt sie irgendwo in China leben und in Pisa sterben. Kurz, alles ist in flüsternde Geheimnisse getaucht. Schon die Einleitung ist imstande, die Mordlust zu hundert schwatzenden Romankapiteln zu wecken. Und so etwas zieht immer. Mit Sorgfalt beschreibt sie ihre Jugend. Sic erzählt, sie sei Novize gewesen im Kloster Grand-Champs bei Versailles. „Mit einer sehr leb- haften Einbildungskraft und äußerster Empfindsamkeit begabt, nahm mir die christliche Lehre Herz und Geist gefangen. Der Gottessohn wurde mein Kultus und die Mutter der Sieben Schmerzen mein Ideal." Beim feierlichen Empfang eines Monseigneur Sibour sollen die Klosterkinder ein religiöses Stück „Die Heilung des blinden Tobias" mimen. Sarah spielt einen Engel mit Papierflügeln, in blaßblauem Tarlatan. Der spöttische Herzog von Morny ruft, man solle die Kleine aufs Konservatorium schicken. Sie weiß auch gleich von der Rachel zu erzählen, die, bleich wie eine Vision, in den Klostergarten geraten sei. Die junge Konservatoristin empfängt Herr Auber, der ein Elfenbeingesicht gehäbt habe, in dem „zwei herrliche schwarze Augen glühten". Sie plappert vor dem berühmten Di- rektor des Konservatoriums, daß sie gar nicht fürs Theater schwärme. Mit ihrer Tante Rosine — Sarah verschweigt, daß sie nach ihr getauft wurde — geht sie zur Aufnahmeprüfung, deklamiert bestürzt eine Fabel und wird Konservatoristin. Damals stand schon ihr nervöses, zänkisches Wesen in Blüte. Sie besät wütend die Pausbacken ihrer dicken Schwester Regina mit Ohrfeigen, die dann den Bourrße-Tanz ausführt und von ihrem „kleinen Bäuchlein" singt, „das sich nicht freut". Am ExamenStag schluchzt sie über die Häßlichkeit ihrer blonden Negerinnenfrisur. Nach der Prüfung für die Tragödie erhält sie keine Anerkennung. Das Lust, spiel bringt ihr den zweiten Preis ein. Das zarte, ekstatische Geschöpf mit den Himmelsaugen wird von Verzweiflung gerüttelt. Einige Tage später wird sie dann von Thierry an das Tb4Ltre-Fran- «ais engagiert. Ihre erste Rolle ist Racincs Iphigenie, ihre zweite Mo- IiSreS Valßrie. Tann treibt sie ein Ohrfeigenskandal mit der feierlichen Madame Nathalie, einer alten Sozietärin, wegen ihrer plumpen Schwester aus der ComKdie. Sie füllt ihre Memoiren mit Kulissenstank an, berichtet vom Gymnase, wo die Ranküne eines boshaften Regisseurs ihr zuseht. Er schiebt ihr alberne Rollen zu. Sie will sich mit Opiumtinktur vergiften. Nachdem sie bis zur Erschöpfung lamentiert hat, kneift sic auS. Als sie zurückgekchrt ist, kommt das Intermezzo am ThäLtre de la Porte- Saint-Martin. Sie tritt dort in einem Zaubermärchen „Ta kiah^ au ^ois" als Prinzessin auf und wird vom Publikum mit einer dreifachen Beifallssalve belohnt. Vom VolkStbeatcr wandert sie in das Odöon. Hier sagt ein gewisser Chilly von ihr: „Sie ist eine lange Latte für unser Publikum, und noch ohne Kraft und Saft dazu." Am 18. Februar 1868 gibt man „Kecm". Sarah spielt die Anna Damby. Im Zuschauerraum gellt ein Charivari. Das Parkett schreit: „Ruy BlaS! Ruy BlaS! Victor Hugo! Victor Hugo!" Der große Dumas erblaßt und zetert in seiner Loac. Als der Vorhang sich hebt und die Rampen strahlen, tobt das Höllenkonzert weiter. Erst als Sarah in exzentrischem Putz auf die Bühne tritt, beruhigt sich das Publikum, bezaubert von der Musik ihrer erlöschenden Stimme, besänftigt wie von einem „kleinen Orpheus". Die Studenten auf der Galerie, die „Larackotours", werden ihre Freunde und bringen ihr Ovationen dar. Eine Kollegin, Fräulein Agar, stellt ihr Francms Coppße vor, für dessen Bonapartekopf Sarah schwärmt. Da- mals erhielt sie auch von einem Hotelier das Anerbieten, gratis in seinem Hotel zu wohnen. Im großen Speisesaal müsse sie dafür jeden Abend, als Reklamedame, dinieren. In den Kriegskapiteln der Erinnerungen hat sich ihre Phantasie viele Abenteuer geleistet. Als die brausenden Boulevards von Paris am 19. Juli 1870 die Marseillaise brüllen, überfällt ein Nervenchok ihre zarte Gesundheit. Sie spuckt Blut und hat immer ein Stück Eis >m Munde. Saint-Privat verschafft ibr Fieberanfälle und Traumängste. Bei der Nachricht von der Sedankalastrophe will sie sich die Lippen blutig gebissen haben. Und so wird Frankreichs Unglück in den Memoiren ein aufge donnertes Kapitel der eitlen Sarah-Legende. Sie schwafelt von einem Eisenbahnintermezzo mit einer dicken Dame und einem Jüngling mit weißen Haaren, der, wie sie weiß, Felix Faure, der spätere Präsident der Republik, gewesen sein soll. Im Odöon, das zu einem Lazarett hergerich- tet wurde, übernimmt die Tragödin die Rolle der Krankenpflegerin. Während des Waffenstillstandes reist sie nach Homburg, um sich bei ihrer Familie aufzuhalten — und hat wieder eine Eisenbahngcschichtc parat. Ein preußischer Oberstabsarzt, mit dem sie zusammen in einem Waggon sitzt, raucht eine schreckliche Pfeife. Sarah öffnet das Fenster. Ter Arzt — er hat Zahnweh — schließt es Wiede». Dieses Spiel mit dem Schiebe- fenster wiederholt sich mehrere Male, biS die resolute Primadonna die Scheibe zerschlägt. Ihre Eitelkeit putzt die Erzählung noch mebr auf. wenn Sarah von einem Duell berichtet, das eigentlich sic zwischen dem groben Arzt und einem lachenden Baron, der Zeuge der Coupöaffäre war, angezettelt hat. Daß ihre Hintertreppenphantasie alle abenteuer- lichm Kulissen der Kriegsszene zusammenträgt, braucht kaum erwähnt zu werden. ES ist natürlich, daß sic auf dem Schlachtfeld einen Leichen- Plünderer im Schäfermantel und im Mondcnlicht erwischt, dessen „Hauch ihren Atem verpestet". Nach einer Fahrt durch Walder und Moräste ge. langt die chauvinistische Sarah endlich an die deutsche Grenze und landet dann in Homburg. Nach dem Kriege spielt die Bernhardt noch im Od^on und wird dann 1872 Sozietärin der Comedie. Ihre ewige Zanksucht macht Pcrrin wütend. Mit der Croizctte, ihrer früheren Freundin, kämpft die Hysterische um einen Theatermond, der in dem Stück „Tic Svhinr" von Octave Feuillct aufgeht. Sic will, daß auch ibr magerer Körper, wie der der Rivalin, von Mondlickt übergossen wird, wie überhaupt der Knall, esfckt der Inhalt ihrer Kunst war. Und sic kriegt ibr Mondlicht, weil Octavc Feuillct findet, „daß Fräulein Bernhardt in ihrem Mondstraül ein idealer Anblick ist". In grünem Schimmer darf die Bernhardt blaß und zuckend über eine Brücke irren. Bis auf den heutigen Tag hat sie sich so etwas nicht nehmen lassen. Einen neuen großen Krach mit der Com^die verursacht ihre London, reise, die der pfiffige Impresario Jarrett arrangiert. Oscar Wilde, der
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