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für Bürgertum/ Beamte/ Angestellte u. Arbeiter Freitag, den 2? September 1929 Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 L MW VMMnMiltM Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meisten, des Amts- gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstremamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Bundespräsident Millas hat die Vereidigung der in Wien anwesenden neuen Regierungsmitglieder noch in vorgerückter Abendstunde am Donnerstag vorge nommen. Anzeigenpreis: die Zerspaltene Naumzeile 20 Rpfg., die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Keichs« Pfennig, die 3gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. Nachweisuugsgebiikr 20 Reichspfennige. Dor- oesci>rtcde»eLrschci»uns-. , , . .. „ la,c und Platz»»rschrislcn werden »ach Möelichkeu Fk VN sy vk G LV: AlNt WilSdrUst Nv. 6 b.-räcksichiigl. Anzeigen- annnknie bis norm.10Uhr. - - > " -— — — —— Für die Richtigkeit der durch Fernruf übeimittellenAnzeigen übernehmen wir keine Garantie. ^vderRadatranfpr c! er ncht, wenn der Betrag durch „OLe Reichsbahn -em Neich." Forderungen der Eisenbahner. Die in der Zeit vom 21. bis 25. September 1929 in Dresden stattgcfundene Sitzung des Hauptvorstandes der Gewerkschaft Deutscher Eisenbahner e. V., an der über hundert Vertreter aus dem gesamten Reich und mehrere Reichs- und Landtagsabgeordnete teilnahmcn, faßte einen Beschluß, der u. a. sagt: Bei den durch den Young-Plan umzugcstaltenden Ncichsbahngcsctzcn fordert der Hnuptvorstand der Gewerk schaft Deutscher Eisenbahner e. V. die Herausnahme der Reichsbahn aus fremdem Pfand und ihre Unterstellung unter den Einfluss des Reiches aus allgemein-volkswirt schaftlichen, verkehrspolitischen sowie aus Gründen der Betriebssicherheit als unbedingte Notwendigkeit. Das vor tvenigcn Tagen gefällte Urteil in bezug auf die Verant wortung für das Münchener Eisenbahnunglück beweist mit aller Deutlichkeit, daß neben unzulänglichen technischen Oesterreichs neues Ministerium. Das Kabinett gebildet. Um 18 Uhr Donnerstag abend hat der österreichische Nationalrat das neue Kabinett gewählt. Besonderes Auf sehen erregt der Eintritt des früheren Bundespräsidenten Dr. Hamisch in das Ministerium. Die Liste der Minister setzt sich wie folgt zusammen: Bundeskanzler: Polizeipräsident Schober, Vize kanzler und Minister für Heereswesen: Vaugoin, Justizminister: der bisherige Justizminister Dr. Slama, Minister für soziale Verwaltung: Universitätsprofcssor Dr. Theodor Innitzer, Minister für Land- und Forstwirt schaft: der bisherige Minister Födermeyr, Minister für Handel und Verkehr: der frühere Bundespräsident Dr. Michael H a i n i s ch. Der bisherige Vizekanzler Schumy wird das Ressort des Innern übernehmen. Mit der Leitung der Ministerien für Finanz und Unterricht soll einstweilen Bundeskanzler Schober betraut werden, bis die hierfür in Aussicht genommenen Persönlichkeiten erreicht werden können. Die Regierungserklärung soll erst im Laufe des Frei tag nach entsprechenden Vorberatungen das Kabinett er folgen. Verschmelzung Deutsche Vanl- SiscoMo-GefellHafi. Nationalisierung im deutschen Bankgewerbe. Im deutschen Bankgewerbe erfolgt gegenwärtig eine riesenhafte Verschmelzung, die die größte der Nachkriegs zeit ist. Die Deutsche Bank und die Diseonto-Gesellschaft verschmelzen sich. Diese Verschmelzung kommt für die Börse und für die deutsche Wirtschaft vollkommen über raschend. Als aufnehmendes Institut fungiert die Deutsche Bank. Der Aktienumtausch soll im Verhältnis ! : 1 er folgen. Die Deutsche Bank wird eine Kapitalerhöhung vornehmen, die nach den ersten Meldungen etwa 100 Mil lionen Mark betragen wird Bisher hat die Deutsche Bank ein Aktienkapital von 150 Millionen Mark und offene Reserven von 90 Millionen Mark, während die Disconto- Gefellschast über ein Aktienkapital von 135 Millionen und offene Reserven von 52 Millionen verfügt Welch ungeheurer Bankkomplex aus der Fusion ent steht, geht aus den Bilanzadditionen der beiden Institute hervor. Die Deutsche Bank und die Diseonto-Gesellschaft haben nach den neuesten Ziffern der Monatsbilanzen per 31. August zusammen eine Bilanzsumme von rund 4.7 Mil liarden. Wenn man bei der Diseonto-Gesellschaft die Ge meinschaftsbilanz, die auch noch den A. Schaasfhausen- schen Bankverein in Köln und die Norddeutsche Bank in Hamburg umfaßt, zur Grundlage nimmt, so kommt das neue Großbankunternehmen zu einer Bilanzsumme von mehr als fünf Milliarden. Welche Wir kungen sich aus dieser Riesenfusion aus das Bankgewerbe im einzelnen ergeben werden, läßt sich im Augenblick noch nicht übersehest, doch steht fest, daß damit die Ratio nalisierung innerhalb des deutschen Bankgewerbes einen neuen entscheidenden Fort schritt macht. An der Börse wurde die finanzielle Riesentransaktivn selbstverständlich ausführlich besprochen. Gerüchtweise verlautet, daß noch weitere Fusionen bevorständcn. In teressant ist im übrigen die Mitteilung daß nach Mel dungen aus Newyork die National-City-Bank einen Teil der neuen Aktien der Vereinigten Deutschen und Dis- conto-Bank übernehmen wird. Eine solch? Maßnahme erscheint als nicht ausgeschlossen. besonders, wenn man an den auf der Tagung deS Rcichsverbandes der Deutschen Kommerzienrat Max Steinthal. Dr. Max von Schinkel, Vorsitzender des Aufsichtsrates Vorsitzender des Aufsichtsratei der Deutschen Bank. der Diseonto-Gesellschaft. Industrie gehaltenen Vortrag des Direktors der Deutschen Bank Dr. Kehl denkt, der für eine Beteiligung des Aus landes an deutschen Unternehmungen eintrat. Bei der Schaffung des neuen Ricsenkonzerns tauchen natürlich eine Anzahl Handels- und sozialpolitischer Fra gen auf, die aber erst eingehend erörtert werden können, wenn noch nähere Einzelheiten über die Verschmelzung bekanntgeworden sind. Das eine kann schon heute gesagt werden, daß die Machtstellung der beiden neuen ver einigten Banken im deutschen Wirtschaftsleben ganz über ragend werden wird. Hoffentlich wird sie der Wirtschaft Deutschlands auch zum Segen gereichen. Allerdings muß schon jetzt mit Bedauern festgestellt werden, daß diese Großrationalisierung der Banken bereits umfangreiche Kündigungen von Bankpersonal zur Folge hatte, das durch die Zusammenlegung von Filialen und der Ver waltung nach Ansicht der Bankdirektionen überflüssig ge worden ist. Die Deutsche Bank verfügt über etwa 181 Nieder lassungen im Jnlcmde und sieben Niederlassungen im Auslande. Außerdem besitzt sie 100 Depositenkassen, da von 37 in Berlin und zwei im Auslände. Die Zahl der Angestellten beträgt etwa 13 000. Der Umsatz betrug 1928 225 Milliarden Mark, die Zahl der Konten 422 694. Die Diseonto-Gesellschaft verfügt über etwa 50 Filialen und etwa ebensoviel Zweigstellen sowie über 30 Depo sitenkassen. Der Personalstab umfaßt etwa 7000 Personen. Der Umsatz betrug 1928 120,6 Milliarden Mark, die Zahl der Konten 166 765. Das Verwaltuugskommuuiquä Die Aufsichtsräte der Deutschen Bank und der Dis- conto-Gesellschaft haben Donnerstag nachmittag definitiv beschlossen, die Vereinigung beider Banken ihren Ge neralversammlungen am 29 Oktober 1929 vorzuschlagen. Das vereinigte Institut wird die Firma „Deutsche Bank und Diseonto-Gesellschaft" führen und ein Aktienkapital von 235 Millionen Mark mit zirka 160 Millionen Mark Reserven erhalten. Von dem Aktienkapital fallen 135 Millionen Mark den Anteileignern der Disconto-Gesell- schaft im Verhältnis von eins zu eins zu. Der Aufsichts rat soll aus den sämtlichen Mitgliedern des Aufsichtsrates der Deutschen Bank und der Diseonto-Gesellschaft ge bildet werden. Den Aufsichtsräten, Geschäftsinhabern und Vor- stß7lden der Norddeutschen Bank in Hamburg, des A. Schaafhausenschen Bankvereins A.-G. in Köln, der Rhei nischen Kreditbank und der Süddeutschen Diseonto- Gesellschaft A.-G. in Mannheim soll angeboten werden, in alsbald einzuberufenden Sitzungen zu beschließen, den Generalversammlungen die gleichzeitigen Vereinigungen dieser Banken mit der „Deutschen Bank und Diseonto- Gesellschaft" vorzuschlagen. Für die Vereinigung der Norddeutschen Bank in Hamburg und des A. Schaaf- hausen'schen Bankvereins A.-G. Köln werden keine Aktien benötigt, weil deren gesamte Aktienkapitalien der Dis- conto-Gesellschaft gehören. Die zur Übernahme der Rheinischen Kreditbank und der Süddeutschen Diseonto-Gesellschaft A.-G. erforder lichen, übrigens nicht erheblichen Aktienbeträge der Deut schen Bank und der Diseonto-Gesellschaft, werden Groß aktionäre gegen Barverrechnung zur Verfügung stellen. In der Veröffentlichung der Banken heißt es: Die Vereinigung der beiden Bankkonzcrne wird Ersparnisse an Betriebs kosten, sachlicher und personeller Art, erbringen, auch Ab stoßung von Immobilien ermöglichen, damit also als Rationalisierungsmnßnahme den Interessen unserer Ge samtwirtschaft gerecht werden. Bei der durchzuftihrenden Nationalisierung werden die sozialen Gesichtspunkte im Ange behalten. Np. 226 — 88. AahkDttNg Lelegr.-Adr.: „Amtsblatt" Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das Wilsdruff» Tag-dlatt" erlchrini an allen Werktagen nachmittags S Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in d» GrschSIlsst-llc und den Ausgabestellen 2RM. im Monat, bei Zustellung durch die Bote» 2,3« AM., der Postbestellung ISRpfg.All-Postanstalten Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Postboten und unsereAus. träaerundGeschäftsstellen - nehmen zu jeder Zeit De. ftellungeu entgegen. ImFalle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteh- deinAnspruch aus Lieserung der Zeitung oder Kürzung Les Bezugspreises. — Ancksendung cingesandter Schrrstsillckc ersolgt nur, wenn Porto bciticgt. Der Regierungswechsel in Oesterreich Ein neues Bild im politischen Kaleidoskop des Öster reichs von heute: der bisherige Bundeskanzler Dr. Streeruwitz ist zurückgetreten, sein Kabinett desgleichen — aber nur teilweise. Der neue — aber nicht unbekannte — Mann aus dem verlassenen Posten ist Dr. Schober, bisher Wiens Polizeipräsident, oder „der Mann des 15. Juli", wie ihn seine Gegner nannten, seitdem an jenem Tage vor zwei Jahren rings um den brennenden Justizpalast die Gewehrsalven knatterten. Aber — das war einmal und selbst die österreichische Sozialdemokratie, die den für alles verantwortlichen Polizeipräsidenten aufs heftigste angegriffen hatte, steht in demselben Mann jetzt den jenigen, der den Willen und die Macht hat, ein außer parlamentarisches Vorgehen der Heimwehren, den wirk lichen — oder angeblichen — „Marsch auf Wien" ge- gebenenfalls mit Gewalt zu unterbinden. Man betrachtet ihn und seine Wahl zum Bundeskanzler daher im sozial demokratischen Lager zwar nicht mit heißer Liebe, aber doch zum mindesten mit „Gewehr bei Fuß" — was im heutigen Österreich übrigens auch wörtlich zu nehmen rst —, wird also sein weiteres Handeln abwarten. Die Vorlage für eine Änderung der Verfassung wird sehr bald an das Parlament gelangen, und wenn alles nur parlamentarisch zugeht, ein Druck von außen her von dem neuen Bundeskanzler verhindert wird, dann kann die Sozialdemokratie ihre parlamentarische Stellung aus nützen, ihre Fraktionsstärke in die Wagschale werfen, bei der für Verfassungsänderungen notwendigen Zweidrittel mehrheit eine allzu radikale Neugestaltung dieser Ver fassung hemmen. An und für sich steht aber Dr. Schober politisch ziemlich auf dem rechtesten Flügel der Christlichsozialen, hat auch die andern beiden Rechts parteien hinter sich — nur fragt es sich im Augenblick sehr, Wieweit und wie lange er dem Druck der außerparla mentarisch wirkenden und wirksamen Heimwehrbewegung tatsächlich im Interesse einer ruhigen, rein parlamentari schen Erledigung der Verfassungsfrage wird mildern können. Ein Vertrauensmann dieser Bewegung sitzt im neuen Kabinett. Infolgedessen ist jedenfalls im Augen blick mit einem außerparlamentarischen, „putschistischen" Austragen der politischen Gegensätze kaum zu rechnen. Diese waren viel zu hoch angeschwollen, als daß sich Dr. Streeruwitz noch zwischen ihnen halten konnte; denn er hatte seinen Vorgänger Dr. Seipel ersetzt mit einem Programm der Versöhnung in der Tasche, das nun aller dings in der Tasche steckengeblieben ist. Wie so manches andere, auch das Wirtschafts- und Außenpolitische, z. B. der Versuch, durch einen Besuch in Prag die Beziehungen Österreichs zur Tschechoslowakei intimer zu gestalten. Des Deutschen Reiches Hauptstadt freilich hat 'ihn nicht ge sehen. Die Entscheidung ist also fürs erste zurückverlegt in das Parlament und Dr. Schober, der sich ausdrücklich als Gegner irgendwelcher „Diktatur"pläne erklärt hat, wird zunächst einmal versuchen, auf parlamentarischem Wege dem Willen der Heimwehrbewegung nach einer „oraa- nischen Verfassungsänderung" Rechnung zu tragen. Das Gelingen — oder Mißlingen — dieses Versuchs dürfte mau wohl auch im Lager der Heimwehren abwarten, da man dort ja gerade Dr. Schober als politischen Ge sinnungsfreund betrachtet und nach außen hin behandelt hat. Ebenso wird man aber auch durch Demonstrationen nnd sonstige Mittel zu beweisen fortfahren, daß die Heim wehrbewegung die weitere Entwicklung „mit aufmerk samen Augen beobachtet", um eine schon ziemlich geläufige Politische Phrase zu gebrauchen. Also auch hier ein ..Gewehr bei Fuß". * v Österreich der Kabinetkswechsel also Ausdruck der pA.s'.k wesentlichen außerparlamentarischer Macht- s 5 ruegen die Gründe für die soeben erfolgte Auf- ! / r beiden Parlamente im Nachbar- -s ch e ch o sl ow a k e i, auf dem Gebiet partei- Eifersüchteleien, Unzufriedenheiten ohne deutschen Hintergrund „Neuwahl ohne Pa - r o l e '»new bewichncn verweise ein großes Prager Ma". deutschen Lager wird es sich darum droben, bei der Wahl und durch sie ein Urteil über die Teilnahme emielner deutscher Parteien an der festigen Regierung zu fallen, dahingehend also, ob die stiele er reicht worden sind, die die Befürworter dieser „Politik der Mitarbeit" anstrebten: eine wesentliche Erleichte rung des Loses der S n d c t e n d e u t s ch e n Oder ob die deutschen Kabinettsmitglieder nach dieser Richtung hin einflußlos geblieben sind. Oie Gaarverhandlungen. Erste Beratungen in Paris. Die erste Sitzung des Komitees für die Vorbereitun gen der deutsch-französischen Saarverhandlungen hat nach Festsetzung der Art ihrer Arbeiten zum Vorsitzenden der französischen Verhandlungsdelegation AAHwr Fon taine ernannt. Fontaine ist bisher Generalinspektor der unter französischer Verwaltung stehenden Gruben gewesen und bekleidet den Posten eines Präsidenten des admi nistrativen Komitees des. Internationalen Arbeitsamtes in Genf. Die wirklichen entscheidenden Verhandlungen sollen, dem Vernehmen nach, aber erst in der zweiten Oftoberhälfte beginnen.