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Mittwoch, den 16. Juli 1902. Nr. 162 52. Jahrgang. Wochentag abends für den folgenden Tag und ncymen außer der Expedition auch die Au-träger aus rostet durch die Austräger pro Quartal Mk. 1IL MM IM 8, 8M dem Lande entgegen, auch befördern die Annoncen» durch die Post Mk 1,82 frei m's Haus. Expeditionen solche zu Originalpreisen. HohensteinGrnstthal, Oberlungwitz, Gersdorf, Lugau, Hermsdorf, Kernsdorf, Langenberg, Falken, Langenchursdorf, Meinsdorf, Rußdorf, Wüstenbrand, Grüna, Mittelbach, Ursprung, Erlbach Kirchberg, Pleißa, Reichenbach, Callenberg, Tirschheim, Kuhschnappel, Grumbach, St. Egydien, Hüttengrund u. s. N AVntsblcrtt für das Königliche Amtsgericht und den Stadtrath zu Hohenstein - Ernstthal«! Grgcrn crllev Gernerrröe-Verrvaltrrrrgerr ösra irrnlregerröerr Ortschaften. Freitag «nd Sonnabend, Seil 18. mi iS. M ISSZ, bleiben sämmtliche Geschäftsräume des Rathhaufes (Altstadt) wegen Reinigung geschlosten. An diesen Tagen werden nur dringliche, keinen Aufschub duldende Sachen erledigt. Hierzu, sowie zur Entgegennahme der standesamtlichen Anzeigen von Tokessällen ist das Wacht- lokal (Zimmer Nr. 9) an beiden Tagen Vormittags von 11 bis 12 Uhr geöffnet. Die Sparkasse (Stadthaus) ist Sonnabend, den 19. Juli 1992, ebenfalls wegen Reinigung der Geschäftsräume für den öffentlichen Verkehr geschlosten. AMuüh Hchchin-Wihal, Seil U. Mi IM. vr. Polster, Bürgermeister. Sonntag, den SO. Juli d. I. ist hier der Berkans von Etz- und Materialwaren in der Zeit von vormittags 7 bis Uhr, mittags von r/,11 bis 1 Uhr, sowie nachmittags von 2 bis 8 Uhr gestattet. Oberlungwitz, am 14. Juli 1902. Der (Äemeindevorstand. Lieberknecht. Bekanntmachung. Mittwoch, den 16. Juli Einnahme des 2. Termins Gemeindeanlagen und des Zuschlags zur Einkommensteuer in der Gemeinde-Expedition, außerdem Vormittags von 9 bis 12 Uhr in Röders Restauration. Hermsdorf, den 11. Juli 1902. Ter Gemeindevorstand. Müller. Der englische Ministerwechsel hat sich folgendermaßen vollzogen: Lord Salisbury, der den Wunsch baldiger Abdankung bereits vor acht Tagen durch seine Einwilligung in die Promotion seines langjährigen Chefsekretärs zu erkennen gegeben hatte, ließ sich am Freitag Nachmittag zur Audienz beim König melden und bat mit Rücksicht aus sein zunehmendes Alter und seine nicht mehr hinreichend widerstandssähige Gesundheit um Entlassung aus sei nem hohen Amte. Der König gewährte sie in den gnädigsten Ausdrücken und sprach den Wunsch aus, seiner Anerkennung der hohen Verdienste Lord Salis burys durch Verleihung der Hcrzogswürbe Ausdruck zu geben, was der Minister jedoch mit Dank ablehnte. Verfassungsmäßig würde Lord Salisbury nicht befugt gewesen sein, dem Könige einen Nachfolger zu empfeh len, ohne daß der König ihn um einen Vorschlag er suchte. Dies geschah jedoch, und der scheidende Minister nannte als den in Anbetracht der politischen Lage ge eignetsten Premierminister seinen Neffen Arthur Balfour. Es wurde daher an Baljour, der sich im Unterhause besand, eine entsprechende königliche Botschaft gesandt. Bei der zwingenden Nothwendizkeit, sich vor allem deS Einverständnisses desjenigen Mannes zu ver sichern, der seit Jahren die Seele und die treibende Kraft des Kabinets gewesen ist, fuhr Balfour sofort zum Kolonialsekretär Chamberlain, der ihn alsbald in seinem Krankenzimmer empfing. Es wird offiziös versichert und ist, da Chamberlain keine praktische Aussicht auf den formell leitenden Posten gehabt hat, durchaus glaubhaft, daß beide Männer sich in der herzlichsten Weise mit einander verständigten, daß Chamberlain Balfour als den gegebenen Nachfolger Salisburys anerkannte, fowie ihn feiner aufrichtigen und vollen Unterstützung versicherte. Nach dem Ko lonialminister suchte Balfour theils noch im Laufe des Freitags Abends, theilS Sonnabend Vormittag seine übrigen Minister-Kollegen auf und empfing von allen, besonders — wiederum osfiziöser Versicherung gemäß — auch vom Herzog von Devonshire, dem Führer der immer noch so genannten liberalen Unionisten, über einstimmende und befriedigende Zusicherungen loyaler Unterstützung. Sonnabend Nachmittag um 1 Uhr konnte er dem König berichten, daß der Kabinetsbestand gesichert und er also in der Lage sei, die Regierung zu führen. Darauf wurde Balfour formell mit der Leitung der Staatsgeschäfte betraut. Er erließ darauf die Einladungen zu einer Generalversammlung der parlamentarischen Vertreter der vereinigten Konserva tiven und liberal-unionistischen Parteien, die Montag Mittag um '/gl Uhr im Auswärtigen Amte stattge- funden hat. Weitere Veränderungen im Ministerium dürften mit der Zeit nicht ausbleiben. Die mit dem Rückwitt Salisburys unmittelbar zusammenhängenden Verän derungen sind allerdings mehr von formeller Be deutung. Neben Chamberlain, so meint man von anderer Seite, wird es noch einen zweiten Enttäuschten geben, das ist Rosebery. An ein Kabinet Rosebery unter der Zusammenfassung der liberalen und der unionisti- schen Elemente konnte so lange gedacht werden, als die Dinge in Südafrika schief gingen und kein Ausweg aus dem blutigen südafrikanischen Abenteuer zu winken schien. Nach dem, freilich mit unermeßlichen Opfern erkauften Siege der von Chamberlain inaugurirten imperialistischen Politik hat die wackelig gewordene Herrschaft der Konservativen wieder eine Festigung erfahren. Daß aber statt des extremen imperialistischen Chamberlain der maßvolle und ruhige Balfour, der in diesen Beziehungen feinem Oheim gleicht, dessen Nachfolger wurde, ist ein Beweis dafür, daß man in England den Geschmack an der imperialistischen Po litik etwas verloren hat. Denn im Gegensatz zu Chamberlain, der auf dem Gebiete der internationalen Politik nur zu oft Beweise von Mangel an Takt und politischer Vernunft geliefert hat, gilt Balfour als ein Mann der milden Tonart, der sich außerdem durch politischen Taki auszeichnet. Der von seinem Posten zurückgetretene Lord Salisbury wurde am 3. Februar 1830 geboren, ist also 72 Jahre alt. Bereits mit 23 Jahren trat er in das Unterhaus und damit in die Politik em, wo er innerhalb der konservativen Partei, deren Füh rer er später wurde, infolge seiner politischen Begab- ang und Beredtsamkeit bald eine bedeutsame Rolle pielte. 1866 wurde er im Kabinet Derby Staats ekretär für Indien, trat jedoch schon nach einem Jahre zurück, Nach dem Sturze des Kabinets Glad- tone im Februar 1874 trat er als Staatssekretär für Indien in das Kabinet Beaconsfield ein, in dem er im April 1878 Minister des Auswärtigen wurde. Nach dem Sturze des Kabinets im Jahre 1888 wurd. er, nachdem Beaconsfield 1881 gestorben war, der Führer der konservativen Partei. Als solcher hat er dreimal an d r Spitze der Regierung gestanden. Vom 24. Juni 1885 bis zum 28. Januar 1886, wo er Gladstone weichen mußte, vom 28. Januar 1886 bis zum 13. August 1892, wo er abermals durch ein Kabinet Gladstone abgelöst wurde, dem im März 1894 das ebenfalls liberale Kabinet Rosebery kolgte, und endlich vom 24. Juni 1895 bis jetzt. In der aus wärtigen Politik war Salisbury stets ein Mann der versöhnlichen Tonart, wobei er freilich in Chamberlain ein starkes Hinderniß zur Seite hatte. War es doch Salisbury, der einst den Abschluß des Dreibundes als eine „große Freudenbotschaft" begrüßte. Der neue Premierminister Arthur James Balfour wurde am 25. Juli 1848 geboren, if also 54 Jahre all. Er studiere in Eton und Cam bridge und wurde 1874 Mitglied des Unterhauses. Von diesem Zeitpunkte an bis zum Jahre 1880 war er Privatsekretär seines Onkels, den er auf den Ber liner Kongreß von 1878 begleitete. Damals soll Beaconsfield gesagt haben, Balfour würde einmal ein zweiter Pitt werden. Im ersten Kabinet Salisbury wurde Balfour 1885 Präsident des LokalverwaltungS- amtes, im zweiten Kabmct Salisbury 1886 Sekretär iür Schottland, 1887 Generalsekretär für Irland, auf welchem schwierigen Posten er große Energie bewies, und 1891 erster Lord des Schatzes und Führer der Konservativen im Unterhause. Dieselbe Stellung nahm er seit dem 24. Juni 1895 auch im dritten Kabinet Salisbury ein; auch' hat er in den letzten Jahren zweimal interimistisch das auswärtige Amt geleitet. Litterarisch hat er sich besonders mit Philosophie be schäftigt; aus volkswirthschaftlichem Gebiete zeigte er früher starke bimetallistische Neigungen, die er jedoch ack acta gelegt haben soll. Der Charakter des Kabi- netk Balfour wird vor allem davon obhüugen, inwie weit es ihm gelinge, den Einfluß Chamberlains zu dämpren. Der eingestürzte Glockeuthurm. Venedig, 14. Juli. Die MOduag vom Einsturz des gewaltigen Baues, tue wer gestern verbreiteten, ist sehr überraschend ge- kommen, trotzdem die Nachricht, daß der Thurm zu sammenzubrechen drohe, seit einigen Tagen in Venedig umherging. Die Baumeister erklärten aber, daß die ^gestellten Risse keine unmittelbare Gefahr in sich 'chlössen, und ordneten nur eine neue Untcrpfeilerung an. Jedenfalls haben die Behörden der Lagunenstadt es dann auch nicht für nöthig gehalten, den stets be lebten Markusplatz abzusperren, und da erscheint urs nie in den Drahtnachrichten ausgedrückte Meinung, daß Verluste an Menschenleben nicht zu beklagen seien, etwas zu optimistisch. Der Campanile di San Marco yat seit vielen, vielen Jahrhunderten auf die Stadt Venedig herabgcfehen. Er war Zeuge der Entwickelung oon Venedigs Macht, Zeuge des Glanzes der Dogen- herrfchaft, als die Lagunenstadt die Meere beherrschte, Zeuge ihres Verfalls. Er hat die rauschendsten Feste miterlebt und niedergeschaut auf furchtbare Greuel, auf die unglücklichen Opfer, die den düsteren Gefäng nissen des Dogenpalastes zugeführt wurden, um sie nicht mehr zu verlassen. Dann überdauerte ec die Herrschaft der Oesterreicher in Venedig, und sechsund dreißig lange Jahre stand er unter italienischer Königs Herrschaft auf seinem Platz, bis er heute zusammen stürzte. Der Campanile war ein gewaltiger R cke. Fast hundert Meter hoch ragte er in die Luft, vier eckig und trotzig, in der schlichten gelblichen Farbe des Alters. Sein Geburtsjahr war das Jahr 888. Später wurde an ihm mehrfach gebaut; so werden Restaurirungsarbeiten aus dem Jahre 1329 g meldet, und im 16. Jahrhundert erweiterte ihn San Savino durch die Loggetta, den östlichen Vorbau. Letzterer wurde ursprünglich von den Nobili Venedigs benutzt. Darauf dienten die Räume als Sitz der staatlichen Hauptwache, wenn die venezianische Regierung drüben im Dogenpalast im Saal des Großen Rath ihre well- bewegenden Sitzungen abhielt. In der Neuzeit war oben auf dem Thurm das Quartier eines Feuer- mächters, der Ausschau hielt, ob die Bürger Venedigs sorgsam Feuer und Licht bewahrt hätten. Aber der freundliche Mann dort oben führte kein einsames Da- ein. Er bekam gar viel Besuch von Touristen aus oller Herren Länder, die den Weg 89 Meter in die Höhe aus Schneckenwindungen sich nicht hatten ver drießen lassen. Die Anstrengung wurde jedoch voll belohnt durch die herrliche Aussicht. Weit schweifte das Auge über die Stadt Venedig hinaus bis zu den ichneebedeckten Zügen der Alpen, hinaus über die Lagunen zum Adriatischen Meere, und tief unter sich ah man das Gewimmel der Menschen auf dem Markusplatz als durcheinander huschende dunkle Punkte, die Kuppeln der MarkuSkirche und den Dogenpalast, lind die Tauben von San Marco umschwirrten den Thurm, der festgefügt für die Ewigkeit erschien und nun geborsten am Boden liegt. Zur Katastrophe wird überdies gemeldet: Venedig, 15. Juli. Der Einsturz desGlocken- thurmeS von San Marco hat in der Stadt und in ganz Italien ungeheure Erregung hervorgerufen und wird als ein großes nationales Unglück angesehen. Man hielt die Katastrophe nicht für so drohend. In dem Augenblick, als kurz vor dem Einsturz der Platz geräumt wurde, war derselbe von Neugierigen dicht besetzt, die zum Theil Mühe hatten, sich zu retten. Die Trümmer des Thurmes haben eine Höhe von 30 Metern. Die Basilika und der Dogenpalast sind unversehrt. Viele Bürger der Stadt und auch zahl» reiche Freunde begaben sich auf die Bureaus der Zeitungen, um dieselben aufzufordern, eine nähere Subfcription zum Wiederaufbau des GlockenthurmeS u eröffnen, wobei sie gleichzeitig sich bereit erklärten, Summen hiersür zu zeichnen. Unterrichtsminister Nasi trifft heute hier ein. Venedig, 15. Juli. Während des ganzen gestrigen Tages strömte die Bevölkerung nach dem Markusplatz. Truppen sperrten die Unglücksstelle ab. Jnsolge Beschädigung der Gasleitung war der Markus platz Abends nicht beleuchtet und bot in der Dunkel heit einen überaus traurigen Anblick. Der Stadtrath hat gestern Abend einen ersten Kredit von 500000 Lire für den Wiederaufbau des GlockenthurmeS und der Loggetia de San Sorino bewilligt. Die Spar kasse eröffnete eine öffentliche Subfcription für den gleichen Zweck und zeichnete dafür 100 000 Lire. Venedig, 15. Juli. In der gestrigen Sitzung d s Smdtraths verlaß der Bürgermeister Telegramme ver Königin Margueritha und des deutschen Reichs kanzlers, in welchen diese ihrem Mitgefühl Ausdruck geben. Leipziger Vant-Prozetz. Der bereits gestern durch Depeschen skizzirte 24. VerhandlungStog brachte die Vernehmung des früheren Treberdirckrors Schmidt-Kassel, erhob sich also über die durchschnittliche Bedeutung. Wir berichten heute ergänzend: Vors.: Der Zeuge Adolf Schmidt ist vor- msühren. (Allgemeine, große Bewegung; den Ange klagten Exner überfällt eine auffällige Blässe, er blättert in nervöser Hast in den Akten.) Nach einigen Minuten wird der frühere Generaldirektor der Trebergcsellfchaft Adolf Schmidt, ein großer, fehr intelligent ausfehender Herr mit dunkelblondem, kurzgefchnittenem, wohlge pflegtem Vollbart und schönfrisirtem, vollem dunkel blonden Haupthaar, von einem Gerichtsdiener in den Saal geführt. Schmidt, der unter Aussetzung der Vereidigung vernommen wird, bekundet auf Befragen des Vorsitzenden, daß er mit Vornamen Johann, Philipp, Heinrich, Adolf heiße, 43 Jahre alt und evangelischer Konfession fest — Vors.: Wann lernten Sie Exner kenncn? — Schmidt: Ich möchte zunächst eine generelle Erklärung abzeden. — Vors.: Dann bitte. — Schmidt: Ich mhme an, daß die Gutachten der Kasseler Herren bereits vorliegen. Ich muß nun bemerken, daß die Kasseler Herren nicht geeignet sind, hier als Sachverständige aufzutreten, da sie vollständig befangen sind. Die Herren haben seit meinem Weg gänge von Kassel alle Geschäfte der Trebergesellschaft als Spitzbübereien bezeichnet. Ich erkläre, die Kasseler Herren sind nicht bloß voreingenommen, es fehlt ihnen auch jede Fähigkeit, um hier als Sachverständige auf zutreten. (Heiterkeit) Es fehlt den Sachverständigen jedes praklffche Verständniß zur Beurtheilung der vor liegenden Angelegenheit. Um unsere Geschäfte beur- theilen zu können, dazu gehört ein etwas größeres Verständniß für kaufmännische und industrielle Ver hältnisse. Es ist also nicht bloß Mangel an Objek tivität, die die Kasseler Herren als Sachverständige ungeeignet macht. Die Herren nennen die von uns gegebenen Wechsel Reitwechsel. Ich habe schon zu dem Herrn Sachverständigen Daltrop gesagt, daß ich mit Herrn Sachverständigen Plauth einmal ein ähnliches Geschäft gemacht habe. — Vors.: Herr Schmidt, ich muß Sie ersuchen, jetzt zur Sache zu kommen. — Schmidt: Ich bemerkte.Herrn Daltrop, wenn unsere Wechsel Reitwechsel sind, dann machen alle deutschen Banken Geschäfte in Reitwechseln. — Vors.: Ich muß Sie wiederholt ersuchen, zur Sache zu kommen. Ich kann nicht dulden, daß Sie in dieser Weise fortsahren. Also, wann wurden Sie mit Exner bekannt? — Schmidt: Im Jahre 1895. — Vor«.: Wodurch lern-