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Nr. L7» — LO. Jahrgang Sonnrag den 30. Juli LOL» Erscheint Uigltch ««chm. mit Ausnahme der Sonn- und Festtage. A«-»«be 1 mit .Die yeit in Wort und Aild" viertcljShrlich 2,10 4«. In Dresden durch Boten «,40 ^c. In gang Deutschland frei HauS 2,52 in Oesterreich 4.4» U. A«S«ad« 8 ohne illullrierte Beilage dicrlelidbriich l.AO In Dresden durch Boten 2,10 In ganz Deutschland sret Haus 2.22 in Oesterreich 4,07 L — Einzei-Nr. 10 Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit Inserat« werden die Ngespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 15 4. Reklamen mit 50 z die Zeile derechnci. bei WiederkoiU! gen entsprechenden Rabait. Vnchdruckerei, Redaktion und OteschästSftclle ^ Dresden, Pillattzer Strafte 4». — Fernsprecher IttOB Jnr Rückgabe unverlangt. Schrtstftllckekeine'vcrbindlichket» RcdakIions>Sprcchsiunde: II bis 12 Uhr. Lssto LsLUAvi^usUs! Vor-üxHrli« OSNS uoä ^sdrttuvtrts, ttllv ttolL- Ullä LtilnrtvQ 80^is v»otr u H I RI!a 8 voll 60 Llsrlc all kissigs Xusvakl, gitnstig» 2»dlvoi»e, Kot», tlassouradutt l INet-I-I»»»» I s«b»oo-veorg«o-1II«» I» Für die Monate August u September abonniert man auf die „Sächsische Volks zeitung" mit der täglichen Romanbcilage sowie der wöchentlich erscheinenden Beilage „Feierabend" zum Preise von 1 Äv Mk. lohne Bestellgeld), durch den Boten ins Hand 1.4V Mk. Der Bezugspreis auf die Ausgabe mit der illustrierten Untei- haltungsbeilage „Die Zeit in Wort und Bild" erhöht sich monatlich um 10 Pfennig. Niederlagen des Zentrums. Dresden, den 2st. Juli tSll. Der Wahlausfall in Jmmenstadt und Günzburg gibt einer Anzahl von Zeitungen die Veranlassung, einen Jubel- Hymnus ob des abbröckelnden Zentrumsturines anzustim- men und zu sagen, daß in den Rcichslandcn und in Düssel dorf das Zentrum sich Niederlagen holen müsse: der Partei müsse das Schicksal der Christlichsozialen Oesterreichs berei tet werden. Wenn dabei der Sozialdemokratie ein erheb licher Teil zu fällt, so kümmert dies die Zcntinmstöter n'cht, denn sie sehen einen hervorragenden Einfluß der Sozial demokratie lieber, als wenn das Zentrum als gleichberech tigte Partei mitmarschiert. Ist aber der ganze Jubel nicht verfrüht? Man darf diese Frage wobl rundweg bejahen, denn der Zentrnmstnrm steht unerschüttert da. Tie Wahlniederlagen in Bayern haben keine symptomatische Bedeutung: sie sind aus rein lokalen Umständen zu erkläreil. Wenn dabei das Zentrum ein Mandat an den rechtsstehenden Bauernbund, an den Agrarradikalismus, abgibt, so hat mau doch links wenig Ursache zur Freude. Wie die Wahlen zur zweiten Kammer in den Reichslanden ausfallen, kann niemand sage»: daß das Zentrum unter erschwerten Umständen arbeiten muß, wußte die Fraktion in Berlin und sie stimmte doch der Ver fassung zu ohne Rücksicht auf momentane parteipolitische Nachteile. Wer sich aber der Hoffnung hingibt, daß die Neichs- tagswahlen das Zentrum zerschmettern würden, der kann im Januar 1012 einen schlimmen Katzenjammer über sich ergehen lassen müssen. Bei den Ersatzwahlen hat das Zen trum stets einen besonders schweren Stand, da kann der „Haß gegen Nom" sich austoben: das Zentrum kann nicht sofort Gegenleistungen bieten und die Parteien können nach Herzenslust sich vereinige», um diese Partei zu schwächen. Man erlebte es in Günzburg, wo Bauerubündler, Konser vative, Nationallibcrale, Junglibcrale, Volksparteiler und Sozialdemokraten ihre Stimme sofort dem Zentrumsgegner geben konnten: bei allgenieinen Wahlen ist es anders. Da hat das Zentrum auch in anderen Kreisen mitzusprechen und statt des blinden Hasses entscheidet der kühle Bleistift, so daß das Zentrum selbst in den Stichwahlen noch manches holen kann. Nahezu 90 Prozent seiner Mandate aber wird es schon im ersten Wahlgange sich wieder holen, dafür sorgt die Treue und Schulung seiner Wähler, und wo diese nicht ansrcichen sollen, die Dummheit — man darf den Ausdruck gebrauchen — der Zentrumsgeguer. Seit den letzten Wahlen hat uns diese Dummheit ein geradezu unerschöpfliches Agitationsmaterial gegeben; der Block selbst war schon ein solches. Dann aber erst beim Scheitern desselben die Dankrede Vasserinanns an Bülow, weil er „nochmals in schwerer Stunde den Kampf gegen Rom gewagt" habe. Tie ganze Bewegung ob der Borro- mänsenzyklika hat allein Material für Dutzende von Flug blättern geliefert und endlich erst der Streit um den Mo- dernisteneid, wo man von liberaler Seite ganz rücksichtslos die Verletzung der Parität und dis Zurücksetzung der Katho liken im Staatsleben forderte. Mit solchem Rüstzeuge kommt der Liberalismus gegen das Zentrum nicht auf. Aus Anlaß des Falles Jatho zeigt sich auch immer deutlicher, daß die Frage der Trennung von Staat und Kirche heute keine rein akademische mehr ist: die deutschen Katholiken werden bei zeiten hierzu Stellung nehmen und sich gegen eine Ueber- rumpelung zu sichern wissen. Was die liberale und sozial- demokratische Presse jeden Tag hier an Abwehrmaterial lie fert, ist sehr willkommen. Zu diesen religiösen und kirchen- politischen Fragen konnnt dann die Entscheidung über die porrellan Lteinxut Kristall Oebi-Luctis- u. lluxus- OeLenstsnöe Xänigl blotliekerlmt ^nkäusen Dresden, Xöni^-dolisnn-Ltr. Weiterführung der bisherigen Wirtschaftspolitik. Nach der Generalprobe von 1903 kann nur ein Idiot damit rechnen, daß diese das Zentrum spalten könnte, zumal cs gelungen ist, unmittelbar vor den Wahlen das 1903 der Arbeiter schaft gegebene Versprechen der Hinterbliebeuenvcrsicherung einzulösen: dies hat den Wahlkamps für das Zentrum sehr erleichtert. Dazu kommt, daß das Zentrum sich draußen im Volke nie auf daS politische Faulpolster legt, sondern das ganze Jahr hindurch unzählige Versammlungen ab hält, die seine Wählerschaft aufklären, so daß der Gegner auf Granit beißen wird. Zum dritten internattonalen Mttelsiandskongretz. Noch ist der zweite internationale Mittelslaudskougreß in bester Erinnerung, der im Jahre 1908 in Wien stattfaud. Zirka 900 Vertreter von Gewerbe, Industrie, Handel und Landwirtschaft aus allen Staaten Europas beteiligten sich an demselben, und seine Beschlüsse wurden richtunggebend auf dem Gebiete der Mittelstandspolitik. Er trug viel bei zur Vertiefung der Mittelstandsfrage, die in der nächsten Zukunft wohl die brennendste aller sozialen Fragen sein wird. Das große Interesse, das man im letzten Jahrzehnt der Arbeiterfrage zuwandte, bewirkte es, daß die kulturelle und wirtschaftliche Lage der Arbeiterschaft, insbesondere der industriellen und gewerblichen Arbeiterschaft einen völlig un geahnten Aufschwung genommen hat. Dies sei der Arbei terschaft von Herzen gegönnt, obwohl der Mittelstand davon leider keinen Nutzen gehabt hat. Vielmehr mußte er große Opfer dafür bringen. Die erhöhten Arbeitslöhne und hohen Wohnungs-, Werkstätten- und Bedarfsartikelpreise haben eine Teuerung gebracht, unter der der Mittelstand schwer leidet, während die Arbeiterschaft immer mehr und mehr den Konsumvereinen ihre erhöhte Kaufkraft zuweudet. Viele Gewerbetreibende wurden dadurch zu Proletariern, viele zehren bereits am B'triebskapital und sehen der Zu kunft mit Bangen entgegen. Jüngst hat ein Geschäftsmann in der Genossenschaftsverse.mmlung folgendes Bild eines Mittelstaudsmannes entwerfen: „Das Haus, wenn er über haupt noch eins hat. ist im: Hypotheken belastet, das Waren lager verpfändet, die Außenstände belehnt, die Kasse leer und der häufigste Gast der Erekutor." Dieses Bild ist nickst übertrieben und des Hinneigen des kleinen Mannes znr Sozialdemokratie, wie es verschiedene Wahlen zeigten, beweist dessen Vcrzwei ".w zskampf und große Unzufrieden heit. Natürlich verbessert er dadurch seine Lage nicht; aber es handelt sich bei ihm darum, gegen Regierung und Staat, welche ihn zugrunde gehen lassen, zu protestieren. Die vernünftigsten Elemente des Mittelstandes haben erkannt, daß mit solchen Demonstrationen dem Mittelstände nicht geholfen werde, sonder» daß sein Untergang besiegelt werde. Sie erkannten richtig, daß der Mittelstand zur Selbsthilfe und zur Selbstzucht reifen müsse und dann erst in die Lage kommt, gegenüber dem Staate und der Ge setzgebung seine Forderungen dnrchzusetzen. Selbsthilfe und Selbstzucht sind aber nur im Wege der Organisation des Zusammenschlusses aller in einer selbstgeivählten Leitung und »ach einem einheitlichen Programme zu erreichen. Die Mittelstandskongresse verfolgen nun den Zweck, durch Selbsthilfe und Selbstzucht den Mittelstand zu erziehe», so wie ein internationales Programm für ihn aufznstellc» und ferner zu den großen Fragen, die den Mittelstand am stärksten berühre», Stellung zu nehmen. An der Hand der Erfahrungen und Einrichtung verschiedener Staaten auf dem Gebiete der Förderung des gewerblichen, kauf männische» und landwirtschaftlichen Mittelstandes, sowie der wissenschaftlichen Forschung, sollen die Verhältnisse dieser Erwerbsklasse zur Erörterung gelangen und neuen praktische» Vorschlägen zur Hebung des Mittelstandes die Bahn gebrochen werden. Der dritte internationale Mittel standskongreß wird in der Zeit vom 28. bis 30. Oktober in München tagen. Als beratende Gegenstände sind vor gesehen: „Schule und Mittelstand" «Referent Stadtschulrat Tr. Kcrschensteiner. München), „Welche Arbeitsmethoden der Arbeitervereine und Konsumvereine können für den Mittelstand nutzbar gemacht werden?" (Referent Dr. Lam brechts, Brüssel). „Vergebung öffentlicher Lieferungen an den Mittelstand" (Referent Malermeister und Reichstags- abgcordneter Irl in Erding), „Versichcrungsniöglichkciten für den Mittelstand" (Referent Handwerkskainniersekretär Schüler in Ulm), „Hausindustrie in Bayern" (Referent Dr. jur. ing. Götz. Gewerbeinspektor in München), „Die Frau im Handwerk" (Referent Buchbinder und Kommerzienrat Nagler in München), „Die periodische Brot- und Fleischnot" (Referent Prof. Dr. Ruhland in Frciburg in der Schweiz), :: 8^8/1888 30 ^rsiliovt- und ^tsttsr-^usnsttmso Vsl'gräüspuoßso Xindsi-dilctsr Lpoet ° so >037 „Güterzertrümnicrung" (Referent Dr. Schmelzle in Mün« chcn). An der Spitze des Kongretzkomitees steht Prof. G, v. Mayr in München, der auch den Kongreß eröffnen wird, Außer den erwähnten Verhandlungen stehen auf dem Pro gramm des Kongresses u. a. Besichtigung der Fach-, Fort- bilduugs-, Volks- und Frauenarbeitsschulen von München, Tie Tagesordnung zeigt, daß man in den leitenden Kreisen des Mittelstandes auf der Höhe der Zeit steht. Mögs man das bald auch von jedem einzelnen Angehörigen des Mittelstandes sagen können. Politische RuttöschüL Dresden, den 2g. JuU 1811 — Der preußische Krirgsminister hat einem Ojfizstr des Beurlaubtcnstandes den Abschied erteilt, weil er öffent lich bei einer Stichwahl in einer parlamentarischen Körper schaft für die Wahl eines Sozialdemokraten eingelcrteu ist. Wir finden die Verfügung vollkommen begründet. Der Eid der Königstreue ist mit der Umsturzpartei nicht ver einbar. — Vier SchiffSvetrrauen sind abermals aus den Listen gestrichen worden. Der Kaiser verfügte die Streichung der beiden Schulschiffe „Nixe" und „Rhein" sowie der beiden Hafenschiffe „Komet" und „Meteor" a»2 den KriegS'ckßffS- listen. Die Schiffe besitzen bereits seit Jahren einen Gefechtswert nicht mehr. Ersotzschiffe für diese Veteranen sind bereits im Dienste respektive auf den Wersten im Bau begriffen. — Abtretung Togos an Frankreich? Der „Temps" schreibt über die Berliner Verhandlungen: „Wenn wir recht berichtet sind, dreht das Gespräch sich noch immer um die Ausdehnung der Zugeständnisse, dis Deutschland im Austausckie gegen den Verzicht auf seine po litischen Interessen in Marokko von »ns fordert. Diese Zugeständnisse können auch den Namen von Austauschen trage», da im Geiste des Berliner Kabinetts die Abtretung der deutschen Kolonie Togo und gewisser Striche Kameruns an Frankreich die übertriebene» Ansuchen kompcnsiereu würde, die man betreffs der Kongokolonie au uns stellt. Die Unterredungen zwischen unserem Botschafter und Herrn v. Kiderlen sind in den letzten Tagen etwas herzlicher ge worden, aber sie haben die Sache nicht viel gefördert." Diese Meldung könnte zutreffend sein, wen» die fran zösische Presse sofort ihren ersten Nachrichten von der Ab tretung des französischen Kongo hinzugefügt hätte, daß auch! Deutschland gewisse Ländereien abtritt, dann würde dis ganze Aufregung nicht entstanden sein. Man rechnet iw Berlin damit, daß der Kaiser am Freitagabend in Swine- inünde den bisherigen Verhandlungen seine ausdrückliche Zustimmung geben wird, und daß man dann in ein rasches Tempo eintritt. Für die ersten Tage des August kann mair de» definitiven Abschluß des Vertrages erwarten. — Tic Rcichsvcrsichcrnngsordnung hat die Unterschrift! des Kaisers erhalten, so daß der Verkündung des Gesetzes nichts mehr entgegensteht. Gleichzeitig mit der Reichsver- sichernngsordnung wird auch das zugehörige Einführungs- gcsetz veröffentlicht werden. Mit dem Tage der Verkün dung des Gesetzes treten zunächst nur die Bestimmungen über die Angestellte» der Krankenkasseu in Kraft, über die im Cinfnhriingsgesetze besondere Vorschriften erlassen sind. Ueber den Zeitpunkt des Inkrafttretens der einzelnen Ab schnitte der Neichsversicherungsordnuug sind teilweise be reits Entschließungen ans der Konferenz der sozialpoliti schen Abteilung des Neichsamtes des Innern mit den Mini- sterialreferenten sämtlicher Bundesstaaten gefaßt, so zum Beispiel über daS Inkrafttreten der Vorschriften für dis Unfallversicherung und für das Verfahren. ES herrschte dabei auch Uebereinstiiumung darüber, daß die Krankeuver- sicherung erst zu einem späteren Termine zur Durchführung gelangen kann, weil noch vorher sehr umfangreiche Vor arbeiten zu bewältigen sind. — Ei»r deutsche Eisciibnhiigciiicilischaft. Im Anschlüsse an die Berichterstattung über die mit dem Staatswagen verband gemachten Erfahrungen vertrat der Abgeordnete Freiherr v. Wöllwarth in Beziehung ans die Verwaltung der württembergischen Staatseiscnbahnen auch Heuer wie der in der Kammer den Gedanke» der Schaffung einer deut schen Eisenbahngemkinschast. Die Durchführung dieser Idee würde für Württemberg das Aufgeben des zustehen den Rescrvatrechtes und einen Verzicht auf selbständige Eisenbahnneiibauten bedeuten. Die Anregung blieb ohne Beachtung in der Kammer. Obwohl Herr v. Wöllwarth mit derselben Anregung schon in früheren Jahren wieder holt denselben Erfolg erzielt hatte, versäumt er es doch nie, bei sich bietender Gelegenheit auf denselben zurückzukom- V U -!u i in j 4 ' i '' !'