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Schönburger Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme Ler Lage »ach So»»- und Festtagen. Annahme von Inserate« für die nächster- scheinendc Nummer bis vormittags 11 Uhr. Der Abo»nem«ntSpreiS beträgt vierteljähr- '!» 1 Mk. 25 Einzelne Nm. b Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., Vin,es. 20 Pf. Tabellarischer Satz wird ooppett bemchnel. uud Ulialen: i« Altstadtwaldenburg bei Herr» Kaufman» Otto Förster; in Saufungen bei Herrn Fr. Zanaschcl; in Langenchursdorf bei Herr» H. Stiegler; i» Penig bei Herr« Wilhelm Dahler, Ligarrengeschäft an der Brücke; in Rochsburg bei Herr» Paul Zehl: in Wollen bürg bei Herrn Ernst Rösche; tu Ziegelheim bei Herr» Eduard Kirsten. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Zugleich weit verbreitet in den Städten Ptvig, ö«vze«a«, 8ichteuftet«sLall«derg, und in den Ortschastm der nachstehenden StandeSamtsbczirke: Altstadt-Waldenburg, Bräunsdorf, Callenberg, St. Egidien, Ehrenham, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchursdorf, Langen« leuba-Niederhain, Langenleuba-Oberhain, Riederwiera, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rußdorf, Kernspreche» Rr. s. Schlagwitz, Schwaben, Wolkenburg und Ziegelheim. AS Mittwoch, de» 3«. Mai 1SV0 Witterungsbericht, ausgenommen am 29. Mai, nach«. 4 Uhr. Barometerstand 763 MM. reducirt aus den Meeresspiegel. Thermometerftaud -f- 14° 0. (Morgens 8 Uhr -f- 13,»° 6.) Feuchtigkeitsgehalt der Luft na^ Lambrecht« Polymeter 54°/o. Thaupuutt > 5 Grad. Wiudrichtuug: West. Daher Witternngsausstchten für den 30. Mai: Wechselnde Bewölkung ohne erhebliche Niederschlüge. Für den Monat Juni eröffnen wir ein besonderes Abonnement auf das „Schön burger Tageblatt" zum Preise von 42 Pfennigen. Bestellungen nehmen sowohl unsere Filialen und Austräger, wie die Postaustalten und Briefträger entgegen. Die Expedition. "Waldeuburg, 29. Mai isoo. In Paris herrscht schwüle Lust. Aller AuSstellungö- trubel kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß die fran zösische Republik die vorjährige schwere Krisis nicht be. siegt, sondern sic nur verlängert hat. Und es ist eine bekannte Sache, daß eine Krankheit, die im Anfänge nicht radikal behandelt wird, leicht einen schleichenden und damit unheilbaren Charakter annimwt. Die Krank» heit, um welche cs sich hier handelt, ist keine andere, als die Sehnsucht der Pariser nach einem glänzenden Hofhalt. Manchem ist dies Leiden anfänglich harmlos «schienen, aber die Harmlosigkeit ist »»rüber. Der Be» iuch ^es russischen Zaren in Paris mag seinerzeit für d'e Republik als solche eine hohe Genugthuung bedeutet haben, g^utzt hat er ihr nichts, im Gegenthcil: Die Pariser h^n damals den gewaltigen Unterschied zwischen einem hinein glänzenden Hofstaat umgebenen Herrscher und ihre»; Präsidenten im Frack gesehen, und das Bild ist von ih^ ujcht nieder vergessen. Sie werden die Erreichung stillen Wünsche nicht auf den Barrikaden zu erkämpfe» suche,., der Seinebewohner »on heute ist «in Mann, der sein Leben für politische Ideale in die Schanze zu schlagen bereit ist, ihre Waffe sind die Stimm zettel, von sie auch in letzter Zeit IN nicht mißzuver» stehender W-'.sc Gebrauch gemacht haben. Die gebietenden Männer der Republik, in der Presse sowohl, wie «m Parlament, haben die Pariser außer ordentlich falsch beurtheilt, rcsp. nicht die Wahrheit sagen wollen. Die große, große Mehrzahl der Pariser hat niemals geglaubt, daß Dreyfus unschuldig ist, sie glaubt eS auch heute noch ^schi, sie hält es für eine Verleum dung, was für die Mitglieder de« französischen General- stabeS gesagt worden ist, sie «st überzeugt, daß sie von den Ministern hnter« Licht geführt wird, sie erhofft ein neues glänzende- Leben m ihrer Stadt nur von einem alle Anderen überragenden Manne. Sie ist sich wohl kaum klar darüber, wem sie sich m die Arme werfen soll, aber von dem heutigen Präsidenten Loubet hält sie gar nichts, und da« strenge Republikanerthum de» Ministerium, Waldeck-Rousseau 'st 'hr 'n ine Seele zu» wider. Weil sie unwirsch über das 'st, wa« heute be steht, hört sie auf die, welche etwa« Neue« an die Stelle des Bestehenden setzen wollen, und eS konnte nur be- sremdlich erscheinen, daß sie auch solchen Leuten, wie dem „Helden" der Rue Chabrol, Monsieur Euerm, ihre Sympathieen zuwendet. Doch widerspricht da» nicht dem Charakter des Pariser«, der nur den schätzt, der handelt, nicht den, der blo« spricht; ob da« Handeln geschert oder verdreht ist, spi^ bei ihm keine übermäßig große Rolle. Ein republikanische« Pariser Blatt warf vor Kurzem die Flöge auf, was die Pariser wohl thun würden, wenn ein Monarch vom Wesen Kaiser Wilhelm'« II- an der Spitze Frankreichs stände. Da« Blatt schrieb ganz offenherzig, die Pariser würden einen solchen Fürsten in der That ihrem Präsidenten im Frack vorziehen, aber, fuhr e« fort, auch em solcher Monarch würde sich nicht für sein Leben in Frankreich behaupten können, denn die Pariser seien zur dauernden Bewunderung nicht geboren. Ohne daran zu denken, bricht mit diesen Worten das Blatt auch der herrschenden Staatssorm den Stab. Die Pariser sind nicht zur dauernden Bewunderung geboren, zu der einer Monarchen nicht, aber ebensowenig zu der der Republik. Immerhin wird ein aufmerksamer Beobachter de» Pariser Charakter« die Frage bejahen müssen, daß sie einen Monarchen doch wohl noch länger bewundern würden, al« einen Präsidenten. Denn die Leute an der Seine haben heute nicht mehr, wie schon oben angedeutet, die alte Barrikadentollheit im Leibe, die Geldgier hat alle Kreise ergriffen, und daß diese die Tapferkeit schwächt, ist hinreichend bekannt. Die Republik ist nun einmal auf Stimmzetteln, also auf einem sehr luftigen Gebäude «richtet, sie war daher aus die Armee angewiesen für die Stunde, daß sie einmal das Recht der Stimmzettel, also da« der Majorität, nicht achten wollte. Diese Stunde wird kommen, vielleicht schon diesen Winter, aber wie e« dann mit der Armee stehen wird, bleibt abzu warten. Es war, da man Dreyfus Recht verschaffen wollte, nicht zu umgehen, daß man einflußreichen Armee- krciscn den Fchdeschuh hinwarf, aber war e« auch ehr lich, vortheilhaft für die Republikaner war e« nicht. Daß der Ueberdruß der Pariser über die heutige Re gierung sehr groß sein muß, wird dadurch bewiesen, daß sie trotz der Ausstellung mit ihrem vernichtenden Votum nicht zurückhielten, daß sie ihrer Stadt eine Verwaltung gaben, wie sie ein Monarch sich nicht gefügiger wünschen kann. Und diese Verwaltung, der die erbittertsten Feinde de» heutigen Ministeriums angehören, beschließt alljährlich über die Verausgabung von mehr al« einer Viertel Milliarde städtischer Gelder. Damit läßt sich im Parla ment viel, in der Stadt noch mehr thun, denn an auS- gestreckten und writgeöffneten Händen fehlt e« in Pari« nirgend« und niemals. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser, der am Sonntag nach Berlin zurückge kehrt ist, hatte am Montag während seines Spazierganges im Thiergarten eine längere Besprechung mit dem Hof gartendirector Geitner, hörte darauf im Auswärtigen Amt den Vortrag de« Staatssekretär« Grafen Bülow und im kgl. Schlöffe die Vorträge de« Ches« deS Civil- cabinet« Or. v. Lucanu«, de« Chef« de« Marinecabinet« v. Senden, sowie de« Staatssekretär« deS Rcichtmarinr- amts Tirpitz. Nach dem Befinden des König« Otto von Bayern wurde dieser Tage im bayerischen Finanzausschuß gefragt. Ministerpräsident v. Crailsheim theilte darauf mit, daß der König seit zwei Jahren etwa an einem Blasen- oder Nierenleiden erkrankt sei, sein geistiger Zustand erschwere sehr die Untersuchung. Zur Besorgniß für sein Leben sei zur Zeit keine Veranlassung; die Nahrungsaufnahme sei genügend; Gehen und Stehen vermeide der Kranke, er bringe sechs bis acht Stunden täglich sitzend im Freien zu. Der geistige Zustand sei unverändert. Der Schah von Persien wird am 23. Juli officiell in Berlin eintrcffen und als Gast de« Kaisers im kgl. Schlöffe Bellevue Wohnung nehmen. Sein Aufenthalt in der Reichshckttptstadt ist auf vier Tage berechnet; am 27. Juli beabsichtigt der persische Herrscher sich zu« Besuch der Weltausstellung nach Pari« zu begeben. Die Torpedoslottillr traf am Sonntag Nachmittag in Koblenz ein. Für die Offiziere fand im Civilcafino' ein Festmahl statt, während die Mannschaften im GörreS, bau bewirthet wurden. Am Montag wurde ein Ausflug in den Stadtwald unternommen. Heute, Dien-tag, setzen die KricgSfahrzeuge die Fahrt rheinabwärts fort. Die „Nordd. Allg. Ztg " schreibt an der Spitze ihrer jüngsten Ausgabe im hochofficiösen Sperrdruck, die Blätter meldung, Prinz Ludwig von Bayern habe durch einen höfischen Vorgang während der Festtage zur Feier der Großjährigkeitserklärung deS Kronprinzen Anlaß zur „Mißstimmung" erhalten, sei wahrheitswidrig. E» ist nicht daS Geringste vorgefallen, insbesondere auch nicht auf „höfischem" Gebiete, was al« Anhaltspunkt für der» gl ichen leichtfertige Ausstreuungen dienen könnte. Prinz Ludwig war während der Festtage gar nicht in Berlin, und der Vertreter des bayerischen Königshauses, Prinz Leopold, hat in Berlin, wie immer, so auch bei de« Großjährigkeitsfeier den höflichsten und freundlichsten Empfang gefunden. Ueber das Zustandekommen derUnsallversichrrungS- gefetze im Reichstage hat der Kaiser große Genug thuung empfunden. Wie der „Rcichsanzcigcr" bekannt giebt, hat der Monarch dem Staatssekretär Grafen Po- sadowrky seine Freude ausgesprochen über die feiten» deS Reichrtages so einmüthig erfolgte Annahme der neuen Unfallversicherungsgesetze, „dieses für den weiteren Aus bau der Fürsorge für die arbeitenden Klaffen so be deutungsvollen Werke«." Durch den Ausdruck seiner Freude über da« Zustandekommen de« Gesetze« hat der Kaiser aufs Neue kundgethan, wie .sehr ihm alle Maß nahmen zur Förderung de« Wohle» der Arbeiter am Herzen liegen, und wie wenig Recht diejenigen haben, welche behaupten, daß die socialpolitische Thätigkeit im deutschen Reiche sei. Der Kaiser hat den ungewöhnlichen Weg, seiner Freude über dir Verabschiedung eine« Ge setze« vor aller Welt durch den „ReichSanzciger" Aus druck zu geben, gewählt, um keinen Zweifel darüber zu lassen, daß er an den Februarerlafsen de» Jahres 1890 fcsthält und daß seine Arbeitersürsorge auch durch die Erfahrungen deS verflossenen Jahrzehnt» nicht hat ver mindert werden können. Ueber einen unerhörten Vorgang im PeterSdom zu Rom machte rin deutscher Geistlicher dem Berichterstatter de» „Berl. Tgbl." Mitthcilung. Während de« jüngsten Pilger- empfanges stimmten die in der Minderheit befindlichen Deutschen ihre Kirchenlieder in deutscher Sprache an. Sofort begannen die französischen Pilger wie auf Com- mando zu zischen, zu pfeifen und die Deutschen in pöbelhafter Weise zu unterbrechen. Die wiederholten Versuche de, Deutschen, ihre Kirchenlieder zu fingen, wurden in der« elben Weife vereitelt. Dagegen durften die Franzosen ihre Hymnen singen, ohne im Geringsten behelligt zu werden. Schließlich kam es zu derartigen Scenrn, daß ranzöfische Geistlich« einen deutschen AmtSbrudcr mitten in der PeterSkirchr ohrfeigten, wa« die Deutschen im Interesse de« lieben Frieden« unbegreiflicher Weise hin nahmen. Das Erscheinen de« Papstes machte den un würdigen Vorgängen rin Ende. Wie e« heißt, haben die Deutschen dir Sache dem Vatikan mitgetheilt und eine strrnge Untersuchung beantragt. Dir Einnahmen de« Reiche« an Zöllen nnd Ver brauchssteuern haben im Rechnungsjahr 1899/1900 784,450,844 Mk. betragen oder 2,171,619 Mk. mehr al« im Vorjahre. Die Zoll» zeigen einen Ausfall von 13,9 Mill. Mk., die Branntweinmaterialsteuer von 2,7 und die Brcnnsteuer von 1,2 Mill. Mk. Dagegen weist die Zuckerstcuer ein Mehr von 8 Mill. Mk. auf, die