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riensrag, l». September 1» l I liw soov rKIiiü Bmni». Nr. 418. Sechster Jahrs«««. 5luer Tageblatt und Anzeiger Mr das Erzgebirge o.,«.«««» mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Au« Sonntagsblatt. , . Malt« Uran». Sprechstunde der Reaktion mit Ausnahme d« Sonntag, nachmittag» von «—» Uhr. — Lelegramm-Ndreff«: Tageblatt Aueerzgeo.cge Ferntznech« 5». ,, ^rzgeb. Seide in An» i. Lrzg«l>. Für unverlangt eingesandt« Manuskripte kann Gewühr nicht geleistet werden. Bezugspreis! Durch unsere Boten ft ei ins Hau, monatlich so 0fg. Bei der Geschäftsstelle abgebolt monatlich 40 psg. und wSchentlich 10 Pfg. — Bei der Post bestellt und selbst abgeholt vierteljährlich t -do lltk., monatlich so pfg. — Durch den Briefträger frei ins Hau» vierteljährlich >.qr monatlich t-t pfg. — Linzelne Numm« zo pfg. — Deutsch« postzettungskatalog. — Erscheint täglich in den Mittagsstunden, mit Ausnahme von Sonn- und Feiertagen. ZnsertionLprets: Die fiebengeftaltene Korpuszeile oder deren Raum für Inserate aus Aue und den Drtschasten de» Amtshauptmannschaft Schwarzenberg 10 pfg., sonst >s Pfg. Reklamepetitzeile r» pfg. Bei größeren Abschlüffen ent- hrechender Rabatt. Annahme von Anzeigen bis spätesten» g'ft^lhr vormittags. Für Aufnahme von «räßeren Anzeigen an bestimmten Stellen kann nur dann gebürgt werden, wenn sie am Lage vorher bet uns eingrhen. »kfe Vst»»«' »keßt s ktim Da» Wichtigst, vow Lage Der bekannte Re ich »taggabgeordnete Liebermann von Sonnenberg ist gestern in einem Sanatorium zu Tchlachttnfte gest 0 rben. (T pol. Tgssch.) » Sine Distkonterhöhung der Deutschen RetchSbank wird in der heutigen Sitzung de« Zeiitralaueschusse» der Bank beschlossen werden. Der r u s s t s ch e Mint ste rp rSs i d e n t S t 0 lyp in ist gestern abend gegen 10 Uhr gestorben. (S. Tel.) Bet den vorgestrigen Unruhen in Wien wurden 2 S 3 Der« Haftungen vorgenommen. Bon den Verhaftungen sind ISO an das Landgericht etngeltefert worden. (S. A.t. t. Blg.) In Bulgarien haben die Wahlen zur Sobranje statt» gefunden. Man glaubt, daß die Regierung eine große Mehrheit erlangt hat. IMP- Mutmaßlich« Witterung am 20. September: Südwest» wind, aufhoiternd, etwas Würmer, kein erheblicher Niederschlag. Jena Die sozialdemokratische Heerschau ist nunmehr vorüber, und es erübrigt sich nur noch, das F ag i t der Verhandlungen zu ziehen. Es läßt sich picht leugnen, daß der Parteitag diesmal ein wesentlich anderes Bild zeigte als in früheren Jahren: nicht mehr >war es der einist im Vordergründe stehende Kampf zwi schen den Alten und den Jungen, in Jena war es die Zwistigkeit zwischen denExtr « men unter der Führung der Rosa Luxem- burg.und dem gewiß radikal gesinnten Parteivorstand, gegen den Sturm gelaufen wurde. Man warf der.Parteileitung vor, daß sie in ihren Maßnahmen zu schwächlich vor gegangen sei und di« Parteiprinzipien mehrfach durchbrochen habe. Es wurde aber ein Sturm im Wasserglas«, dem Partei- > Vorstande sprangen zur großen Enttäuschung derer um Luxem» st bürg die Revisionisten bei, und die Extremen mußten schließlich einen Rückzug antreten. Die Defensive leitete kein ge- I ringerer als August BeLel, der es trefflich versteht, den Spieß umzukehren und seinerseits zum Angriff vorzugehen. In den letzter Jahren hatte es den Anschein, al» ob der greise Bebel aus Gesundheitsrücksichten auf dem besten Wege sei, au» dem akti ven politischen Leben auszuscheiden. Namentlich im Reichstage hört« man.kaum noch etwas von ihm, und es schien schon bei. nahe, al» ob man sich nach einem Nachfolger für ihn umsehe, vor allen Dingen al» Paul Singer gestorben war. Aber August Bebel ; zeig e sich in Jena wider alles Erwarten frischer und freudiger ! denn je und an ihm bewahrheitete sich wieder einmal das alte Dichterwort: Oft schon begrub der Kranke den Arzt, der ihm da» ; Leben absprach! " Bebels Reden über Marokko und di« Wahltaktik waren geradezu glänzend, wie auch der Gegner zugeben muß, j und der Jubel, mit dem sie ausgenommen wurden, war verständ- lich. Aber nicht nur das schillernde Gewand seiner Darlegungen fällt vielen in die Augen, sondern auch von großer Bedeutung war das, was «r sagte. Man erkannte August Bebel kaum wie der, als er sich zur Kolomialpolitik bekannte und unter Verleugnung der sonstigen internationalen Prinzipien betonte, daß Deutschland ein Recht darauf habe, dieselben Vorteile in Marokko zu fordern wie Frankreich. Ja, sogar der »Kaiser be kam ein Lob ab, weil er sich dem alldeutschen Drängen auf krie- ! gerischen Austrag widersetzt habe. Ueberhaupt läßt sich nicht ver- ! kennen, daß Bebel eine maßvolle Tonart anschlug, die auch in seiner Rede über die Reichstagswahlen zutage trat. Man weiß, daß der sozialdemokratische Führer ein überaus gewiegter Taktiker ist, und mau gcht daher wohl nicht fehl, daß er eine solche Tonart mit Rücksicht auf die Mitläufer gewählt hat. Gerade aus diesen rekrutiert sich «in nicht geringer Teil der Wähler, zum Teil auch au» bürgerlichen Kreisen, und es liegt nahe, daß Bebel nicht» daran gelegen sein konnte, diese vor den Kopf zu stoßen. Ähnlichen Motiven sind auch die Grundsätze entsprungen, die für die Stich Wahlparole maßgebend sein sollen. Früher waren die Bedingungen, unter denen sozialdemo kratische Wahlhilfe gewährt wurde, sehr scharf, .man hat diese jetzt ganz bedeutend herabgemindert, .wohl auch in der Hoffnung, Lei der bürgerlichen Linken Unterstützung zu finden, wenn ein sozialdemokratischer Kandidat zur Stichwahl ansteht. Zieht man das Resultat der gesamten Verhandlungen, so läßt es sich nicht leugnen, daß eine gewisse Annäherung zwischen den Alten und Jungen erfolgt ist, und die beiderseitig geübte Zurückhaltung in der Polemik dürfte wohl nicht in letzter Linie wahftaktischen Gründen entsprungen sein. Die marottauische Frage. Au« der französischen Presse. Zu den deutschen-fran-üstschen Verhandlungen schreibt der T emps: Wenn die Ergebnisse der Verhandlungen nur den ge ringsten Zweifel darüber lassen, ob Deutschland uns nun auch wirklich völlig frei« Hand in Marokko läßt und sich nicht mehr in unser« Angelegenheiten einmtscht, so ist.es bester, wir brechen die i Verhandlungen ab und vermeiden dadurch den Verlust eine» Silkes unseres Kongogebietes. Der Figaro schlägt hohe Töne an in einem Artikel: Wenn der Krieg auübrechen sollte! Er ! eiinnerte an die Zeiten der I « anne d' Are und der frangösi- 'chen Revolutionskrtegeund kommt zu folgenden Schluß- > forgeruZgen; In einem Krieg würde heute Frankreich für die edelsten Ideen kämpfen, die «in Volk begeistern kann, es würde nicht nur ungerechte Angriffe abwehren, sondern auch di« Auf- j gabr übernehmen, di« traurigen Niederlagen von 1870 auszu löschen und unser« geliebten Brüder in Elatz-Lothrtngen zu be freien! Ja, wenn Deutschland uns zum Kriege zwingt, so wird man von dem einen bis zum anderen Ende Frankreich« den Ruf hören, der di« Kräfte unserer Armee verzehnfacht: Vorwärts! für Elsaß-Lothringen. — Di« Erinnerung an Jeanne d'Arc, wi« an die Kriege der Revolution, wo es sich für den französischen Bauernstand und die ungeheuere Mehrheit des ganzen Volkes da» rum handelte, den eben «rworbenen Bodenbesitz und ! die endlich erlangten bürgerlichen Recht« und Freiheiten gegen ! den europäischen Feudalismus zu verteidigen, passen recht schlecht zu dem Konflikt, den das schon seinem Ursprung nach recht bedenkliche englisch-französische Marokkogeschäft hervorge- rufen hat. Ebensowenig ist in dem Frankreich der Parlamentart, scheu und sozialen Anarchie auch nur eine Spur von jener Begei- sterung zu verspüren, die di« Armeen der Hoche, Marceau und Napoleon Bonaparte beseelte. Ntzu« Kämpf« kn Marokko. Der Daily Telegr. veröffentlicht ein Kabeltelegramm au» Tan ger, in welchem es heißt, daß di« Stämm « umS efrun herum die Stadt am 12. ds. Mts. angriffen, aber von den Franzosen unter Oberst Bremond nach einem erbitteren Kampfe zurückge schlagen wurden. Die Verluste der Franzosen wpren sehr schwer. Di« Militärbehörden suchen sie zu vertuschen. Ueber die Lage in der Umgebung von Melilla wird aus dieser Stadt dem Daily Telegraph berichtet, daß die Verbindungen zwischen ! Melilla und dem Flusse Kert sehr unsicher sind. Die Mauren «r- l halten immerfort weiter« Verstärkungen, und unter den Leuten, die sich ihnen letzthin angeschlossen haben, sollen sich mehrere sehr einflußreiche Kaids befinden. Am Sonnabend gelang es einem spanischen Posten, eine Anzahl Mauren gefangen zu nehmen, die Kriegekonterbande schmuggelten. Sie hatten besonders Muni tion unter Giern versteckt, die sie in großen Körben trugen. Fortgang der deutsch-französischen Unterhandlungen. Staatssekr«tär von Kiderlen-Wächter empfing gestern nach mittag den französischen Botschafter Eambon, um ihm diedeut - sche Antwort auf die französischen Vorschläge zu überreichen. Die Mnver. Skizze von G. Rita. * Sie s tzen einander beim Kasfeetisch gegenüber, die beiden a.ten Leute, wie chon iei. sechsundvierzig Jahren allmorgendlich — und doch heut anders. Wie wippte da» Morg«nhüubchen auf dem kahlen Scheitel der Frau hin und her, und da» Augenglas wurde schier in einem fort von dem Stumpfnäschen herunter, genommen und geputzt. Und ebenso auffällig machte sich da» Knistern der Zei.ung, hinter welcher der Mann sein gelbe» Per- gamentgesicht mit den vielen Runzeln und Kalten zu verbergen sucht«. M dem Tische neben der blanken Kaffeekanne lag «in Brief mV« überseeischen Marken. Wir werden also Kinder b«. kommen, sagt« die Greisin mit Rührung in der Stimme, zwei prächtige Jungen»! Wi« lange haben wir un» di» gewünscht! ... Ich bin d«tn«r Nicht« ja so dankbar, daß st« uns ihr, Söhn« anvertraut I Dankbar? St, kann sich doch höchsten» freuen, wenn st» di« Jungen» unter so gutem Schutz weiß! knurrt« der Drei», womöglich noch versteckter, hinter dem Blatt hervor. — S, scheint mir j«tzt beinah« «in Glück, daß wir ktnderlo» g«. blieb,n sind. So könn«n wir un» so »echt der armen Kleinen ann«hm«n l — Ra, na, so klein find st« doch prahl nicht mehr, fünfzehn und sechzehn Jahr» —! — Gerade da« Alter, wo st, de» Schutze» am meisten bedürf«». verraten und «erkauft wären p» unter lauter Fremden, di« ihr« Sprach» nicht verstehen! — Run, nun — Deutsch werden st« doch können! — Abe« «» ist doch alle» so ander» hier, al» in Südamerika! Gewiß «erden st» Heimweh bekommen, di« armen Kinder! Mr aber werden «»an Liebe nicht fehlen lasten . , . Vater und Mutter «»wen «i, ihnen ersetz«» ... und ... und . wieder droht« di« Stimme dm Fr« vor Rührung um,ukip» pen Um so — gemacht — trockmer warf da der Mann da. st Mischen: wo sollen st« denn schlaf«»? Da aber «ar die Hauefrau «rst ganz in ihrem Element und «»klärte schier feierlich, daß man da, Alltags-Wohnzimmer, das ihr Mann stets eigentlich am gemütlichsten fand, sehr gut entbehren könne. Frisch gemalt, weißt du, und neu tapeziert . . . weiße Türen, lichte Tapete», bunte Bilder an den Wänden . . . und ringsherum Börde für die Spielsachen — Spielsachen? Dazu sind sie doch wohl zu groß! Jungens von fünfzehn und sechzehn Jahren —>! — Spie, len auch noch gern, spielen erst recht sehr gern! Wenn auch nicht mit Baukasten und Kreiel — Gott bewahre! — aber weißt du denn nicht, daß es auch Spielsachen für große Jungens gib ? Dampfmaschinen! Elektrtsierapparat«! Ktnematographen! Luftschiff» und Flugapparatmodelle l — Und denk« nur einmal, wi» reizend es im Somm«r wird, malt« sie sogleich in den hell, sten Farben au», wenn wir Ausflüge machen: Die Jungen» mir Votantstertrommel und Schmetterlingsnetz! Sie sammeln Pflan» zen und Käfer . . , brschen sich Zweige von den Bäumen . . . und wir wandern all« vier durch den grün«n, grünen Wald Und k»h«n in einem guten, guten wirt»hau» ein, wp's echt«, Bier gibt — Aber ButterLröte nehmen wir mit! Solch« Jun gen» entwickeln «inen Riesenappetit! Dagegen kann man gar nicht an! — Du willst st« doch nicht etwa knapp Halten? Da aber wurde st« schier bös«: Knapp halten? Wa» denkst du denn »tgentlich von mir? Pflegen will ich ste, daß st« dicke, rot« Lacken bekommen und ihr» liebe Mutter stch freut, wenn ste ste wieder» peht! Und all« Tag« sollen sie »in« süß« Speis» haben . . gar soviel Fleisch ist gar nicht gesund ,.. aber recht viel Gemüse! R«u«» Leben rührt« stch nun in dem stillen Hauehalt: Hand» werter trieben ihr Wesen, und von Lieferanten eilte«» hin und her, so daß da» an Ruhe gewohnte Dienstmädchen schier d«n Kopf verlor. Der Eheherr wurde recht besorgt, di, Anstrengungen und Aufregungen all könnten von Schaden für di« Eheliebst, «erden; di« aber guckt» di« Achsel und meinte wichtig: Da» ist nun einmal nicht ander, — Kind,, mach«, Arbeit! Und wenn st» «rst da find, wird', noch viel ärg«r l Ab«, auch der Mann — wenngleich d«r alle» «In wenig abwendig tat, daß man nur ja nicht das letseft« Anzeichen eines Gefühlsüberschwang«» merkt« — holte sich erst ein« englische, sodann «ine spanische Grammatik und suchte seine eingerosteten Sprachkenntntste aufzufrischen. Ja, er nahm sogar «in Naturgeschichtsbuch vor und studiert« schließ lich das Konversationslexikon: Jungen» fragen soviel — und da ist es Loch direkt unangenehm, wenn man ihnen nicht ant worten kann —I Es war wjahrhaftig ein Bild, zu sehen, wie die beiven Al.en sich jetzt bis spät abends bei der Lampe gegen über süßen: sie — mit ihren zitternden Fingern Mullvorhänge säumend, er — Schmöker wälzend und büffelnd, während sonst um diese Zeit längst jede» in seiner Sofaecke eingenickt wari Und wa» interessierte sie nicht sonst noch alles: selbst da» Reper toire des Theater», für da» ste doch schon seit Jahren keinen Sinn mehr gehabt! Sie meinte anfänglich zwar, Kinder würden höchstens um di« .Weihnachtszeit in» Märchen geführt; aber da hättet ihr ihn höre».sollen: für so.große Jungen» sei auch da» eine oder andere klaisische Stück geeignet. Und dann kramten st« «inträchtiglich ihrss Literaturkenntnisse hervor und debattier- t«n mit spätem F«uer, ob man Kabale und Liebe oder gar Romeo und Julia mit ihnen sehen könnte, ohne ihre Moral zu gefähr den. Auf die Kinematographenvorführungen aber schalt der Alte gewaltig und schrieb selbst «inen flammenden Artikel für den Sprechsaal der Zeitung: man solle in der Wahl de» Pro- gramm» denn doch mehr Rücksicht auf da» jugendlich« Publikum nehmen — sonst ginge, rmitseinen Jungem» nun und ntm» mernwhr hin! , , Mit klopf«nd»m Herzen fuhren di« beiden greisen Leutchen an die Bahn, nachdem zu Haus« all und jede« fix und fertig -um Empfang bereit und di, -au»frau dem Mädchen insonderheit noch auf di, Seele gebunden, den Braten ja oft zu Legießen und dte Tort, um Himmel» willen nsttzd anbrennen zu lasten! Und reichlich dretvtertel Stunden vor Ankunft de» Zuge» trippelten st» schon den Bahnsteig auf und nieder, zu aufgeregt, um still sitz,n zu können. Dabei di» Rede von nicht» al» den Jungen»