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Großenhainer Anterhaltungs- und AmetSeblatt. Gedruckt, verlegt und rcdigirt von Herrmann Starke. 90. Sonnabend, den 9. November 1850 Tagesnachrichten. Sachsen. Des Landtags erste Kammer hat ihre 28. Schurig gehabt. Zu bemerken ist davon nur, daß die Debatten über das Preßgesetz began nen. Der Minister Zschinsky that der Kammer kund, daß baldigst derselben in einer geheimen Sitzung die Ursachen der (bekanntlich wieder zum Theil zurückgcnommencn) Mobilisirung des Heeres sollten bekannt gemacht werden. Die 29. Sitzung war ohne alles Interesse und blos durch die Er öffnung des Finanzministers, daß in der Staals- cafie einige 90,000 Thaler fehlen, bemerkcnswerth. Wohin dieselben gekommen und wer den Betrug gemacht habe, war noch ungewiß. — Die zweite Kammer hatte ebenfalls das unangenehme Fehlen in der Staatscasse und die in einer geheimen Sitzung auscinanderzusctzenden Ursachen der Mobilisirung der Armee zum Gegenstände; außerdem einige Kleinigkeiten. — In der Armee sind eine große Anzahl Beförderungen vvrgckommcn. — Ucber Lie Ursache der Armeemobilisirung sagt das ministerielle Journal, daß sie deßhalb angevrdnet worden sei, weil Preußen bundeswidrig in Hessen eingcrückt und damit der erste Angriff auf den Frankfurter Bundestag geschehen sei, Sachsen daher die Ver pflichtung habe, seine Armee für etwaige Fälle der Bundcsgcwalt zur Verfügung zu stellen und in vollständiger Bereitschaft zu halten. — Nach dem so eben veröffentlichten Hauptresultate der Volks zählung vom 3. December vorigen Jahres ist die Gesammtbcvölkerung Sachsens auf 1,894,636 Ein wohner (58,203 mehr als 1846) gestiegen. Von diesen wohnen 663,040 in den 142 Städten und 1,231,596 in den 3699 Dörfern rc. Die Zunahme der Bevölkerung ist verhaltnißmäßig in den Städten fast doppelt so stark als auf dem Lande gewesen, denn sie beträgt dort 27,846 und auf dem Lande 30,357 Personen. Unter der Gesammtbevölkerung befinden sich 923,364 Personen männlichen und 971,272 weiblichen Geschlechts, was ein Mehr von circa 50,000 Frauen ergiebt. Verhältnißmäßig be finden sich auf dem Lande mehr Frauen als in den Städten. — In Folge der neuesten Nachrichten aus Berlin werden die bereils abbestcllten Rüstun gen wieder fortgesetzt. Kein Mann wird mehr ent lassen. Die bereits Entlassenen erhalten Contreordre. Preussen. Die Kammern sind auf den 21. No vember zusammenberufen. — Der Austritt des Ge nerals v. Radowitz aus dem Ministerium ist ein Zeichen, daß die österreichische Partei in Preußen gesiegt hat und daß letzteres den österreichischen Plänen nachzugeben gedenkt. Die Volksstimmung ist darüber nicht eben erfreut, die preußische Ehre darf auch allerdings nicht eben über diese Unter- thänigkeit triumphircn. Der Minister Ladenberg bleibt vor der Hand Minister, desgleichen auch v. d. Heidt. Der König, sowie der Prinz von Preußen sollen bei dem Ministerrathe auf der Seite des Generals v. Radowitz gewesen sein, jedoch den andern Ministern nachgegeben haben. — Die neueste Note nach Wien soll erklären, daß man die Union gegenwärtig nicht ausführen wolle und hofft auf Verständigung in Hinsicht auf Hessen und Schles wig-Holstein, verlangt aber zugleich die Einstellung der Rüstungen Oesterreichs und Sachsens und er klärt sich bereit zur Beschickung einer freien Conferenz zur Beendung der deutschen Wirren. — Der Kriegs minister hat seine Entlassung eingereicht. — Die ministerielle Reform bringt folgende wich tige Nachricht: „Das Staatsministerium hat in seiner heutigen Sitzung, welcher im entscheidenden Momente auch Se. Majestät der König beiwohnte, den Beschluß gefaßt, das gesummte preußische Heer, mit Einschluß der Landwehr, mobil zu machen." Veranlassung zu dieser Maßregel hat die neuerdings an Preußen gestellte Forderung der Räumung Kur- Hessens gegeben, indem cs Angesichts dieser erneuten Zumuthung, verbunden mit den inzwischen auf mehreren Seiten fortgesetzten Truppenmärschen un möglich schien, es fernerhin ohne weitere Vorsicht auf den Ausgang der angeknüpften Verhandlungen ankommen zu lassen, wiewohl die Hoffnung auf den befriedigenden Ausgang derselben nicht aufzu- gcbcn ist. Die diesseitige Regierung hatte noch gestern auf telegraphischem Wege nach Frankfurt die Aufforderung gerichtet, daß dem weiteren kriegeri schen Vorgehen in Kurhessen Einhalt gethan werde; aber wiewohl der Graf Thun geneigt war, hierauf cinzugehen, so gelang es doch dem Minister Hassen pflug , im Bundestag eine Majorität für den Fort gang der militärischen Maßregeln zu erlangen. Dem General Graf Gröben ist hierauf der Befehl zugegangen, nunmehr blos nach militärischen Rück sichten zu operiren. Bei den angeordneten militäri schen Maßregeln wird es auch nothwendig werden,