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Exped. «. Redakn»» PreSdeu-Reustavt N. Meißner »ässe 4 Die Zeitung erscheint rte»fta,, »onnersta, und »»«nadeuß srüh. Atzonncmcnt»- Preis: vierteljährl. M. 1,50. Zu beziehen durch die kaiserlichen Post- anstaltcn und durch unsere Boten. Bei sreier Lieferung inS HauS erhebt die Post noch eine Ge bühr von 25 Pf. Sächsische VorsMilg. Lin unterhaltendes Blatt für den Bürger und Landmann. Amtsblatt für die kgl. Amtshauptmannschaften Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. Verantwortlicher Redakteur und Verleger Herrmann Müller in Dresden. Inserate werdtn biS Montag, Mittwoch u. Freitag Mittag angenommen und kosten: dieispalt. Zeile 15Pf. Unter Eingesandt: 30 Pf. Inserat,n- Annahmeftellenr Die Arnoldische Buchhandluna, Jnvalidcndonk, HaascnsteinLBogkr, Rudolf Mossc, G. L. Daube L Co. in Dresden, Leipzig, Frankfurt a/M., G. Kohl, KcsselSdorf u. s. w. Ar. 129. Dienstag, dm 2. Aovemöer 1897.59. Iakrgang. DmtMnk-MMllg. Bestellungen auf die „Sächsische Dorfzeitung" für die Monate November und Deeember nehmen alle taiserl. Postaustaltev und Postexpedtttonen, sowie auch alle Landbrtefträger gegen Vorausbezahlung von 1 Mark entgegen. Die Verlag- Expedition. Politische Weltschait Deutsche- Reich. Während draußen herbstliche Blätter fallen und die Natur sich zum Winterschlafe rüstet, sekrt da- protestantische Deutschland sein Reformation-fest. Am 31. Oktober 1517, also vor nunmehr 380 Jahren, schlug der ehemalige Wittenberg'sche Mönch Martin Luther seine berühmten Thesen an die dortige Schloßkirche an, welche gegen über mönchischer Befangenheit und den finsteren Ab wegen, auf welchen die katholische Kirche im Laufe der Jahrhunderte gerathen war, einen neuen Frühling deS geläuterten Glauben- und der geistigen Freiheit auch auf religiösem Gebiete erwecken sollten. „Der wahre Schatz der Kirche ist das allerheiligste Evangelium der Herrlichkeit und Gnade GolteS", so lautet die Luther'sche These Nr. 62. Mit derselben wurde GotteS Wort auS dem Dunkel der Sakristeien, aus den Winkeln der Klöster, aus den Truhen der Vergessenheit und Ver borgenheit hervorgeholt und wiederum auf die Altäre der Kirchen und den Gemeinden ans Herz gelegt. In Sachsen, der „Wiege der Reformation", ist der 31. Oktober darum stets al- einer der höchsten Festtage gefeiert worden und auch am vergangenen Sonntag wieder wurde in allen Kirchen de- Lande- der be freienden That Luthers und ihrer religiösen Segnungen gedacht. Der Eammelruf an die evangelische Christen heit hat in diesem Jahre um so lauter und eindringlicher getönt, da eS leider an verletzenden Angriffen gegen den auf Grund der Augsburger Konfession verbürgten > konfessionellen Frieden auch in diesem Jahre von Römischer Seite nicht gefehlt hat. Die Schmähungen, welche Papst Leo Xlll. in seiner au- Anlaß der CanifiuSfeier erlassenen mehrfach erwähnten Encyklika gegen Luther und sein Werk geschleudert, mußten da» evangelische Gefühl auf das Tiefste verletzen. Es ist wahr, Luther ist uns kein Heiliger, wie die Heiligen im Sinne der katholischen Kirche. Er gehört nicht zu den „Einrichtungen" der evangelischen Kirche und wir können nicht nach dem Staatsanwalt rufen, wenn man ihn verunglimpft. Wir wissen, er war auch ein Mensch, behaftet mit menschlichen Schwächen, und eS liegt uns fern, diese Schwächen etwa bemänteln oder beschönigen -u wollen. Aber seine Schwächen werden thurmhoch überragt durch die Verdienste, die er sich um die Kirche und um unser deutsche- Volk erworben hct. Man streiche einmal Luther und die Reformation aus der Geschichte Deutschlands und versuche sie ohne diese Faktoren zu kon- struircn und man wird finden: was Deutschland ge worden 19, trotz vielfacher Kämpfe und Irrwege, daS dankt eS nächst Gott unserem vr. Luther und seiner Reformation. Wer darum Luther angreist, der greift dem deutschen Volke an da- Herz, wer ihn antastet, der tastet seine Ehre, sein Gewissen an. Wer Luther einen „Aufrührer", den evangelischen Glauben ein „unheilvolle- Gift" nennt, der ist unser Feind, mag er heißen, wie er wolle und wer der evangelischen Lehre eine Steigerung der „Sittenverderbniß bis zum Aeußersten" zuschreibt, der schlägt der Wahrheit und den Thatsachen der Geschichte ins Gesicht. Solche Angriffe können nur das eine bewirken, daß das evangelische Volk sich immer fester schart, um die durch Luther ge wonnene Lehre, die noch kein pfäffisch - klerikaler An sturm von Rom zu erschüttern vermochte. Denn da- alte Kampf, und Lutherlied: „Ein feste Burg ist unser Gott" hat in protestantischen Landen auch heute noch seine Geltung. Unter der Ueberschrift: „AuS der Vergangenheit" greifen die „Hamb. Nachr." auS einem Aufsatze deS ReichSgerichtSratheS a. D. vr. Otto Mittelstaedt einige Sätze heraus, um daran einige interessante Bemer kungen zu knüpfen. ES hieß in dem Aufatze, „daß, als Kaiser Wilhelm I. die müden Augen schloß, die biSmärckische Kunst und Staatslenkung mindestens in der inneren Politik deutliche Zeichen des allmäh- ltgen Niederganges erkennen ließ." Dazu schreibt das Hamburger Blatt: „ES überrascht unS, daß ein so klarer Beurtheiler wie Mittelstaedt nicht sagt, worin der von ihm behauptete Rückgang bestanden habe. Daß zu jener Zeit ein gewisser Wechsel in den poli tischen Maaßnahmen deS damaligen ReichSkanzlerS eingetreten ist, war natürlich und zwar als selbstver ständliche Folge deS RegentenwechselS. Denn da die politischen Ueberzeugungen des Kaisers Friedrich doch nicht identisch mit der Politik seine- Vater- waren und da die Politik des jetzt regierenden Kaisers da mals noch ganz unbekannt war, so war eS natürlich, daß mit dem Ableben deS alten Kaisers eine gewisse vorsichtige Zurückhaltung in der Politik deS Kanzler eintrat, bis die Verhältnisse sich klären würden. Aber Mißerfolge liegen in dieser Zeit nicht vor; gerade um gekehrt: der letzte große Erfolg der inneren Politik, den Wilhelm I batte, war ein parlamentarischer und bestand darin, daß cm 6 Februar 1888 da- Ein greifen der Regierung von einer vorher im deutschen Parlamente nie dagewesenen Wirkung war, indem nach der Rede deS Kanzlers alle Parteien einig waren in der Annahme früher von ihnen zum Theil bekämpfter Regierungsforderungen. Ein zweiter sehr großer Er folg der damaligen deutschen Politik lag in den auS- wärtigen Verhältnissen, nemlich in der Gewinnung der Zustimmung Rußlands zu der Verlängerung deS bis 1887 bestandenen DreikaiserbündniffeS zu Zweien, nach dem die Neigung Rußland-, e- zu Dreien fortzusetze», nicht mehr vorhanden war. Daß aber Rußland nach allen damaligen Erlebnissen nach 1890 bereit war, den den Frieden sichernden Neutralität-Vertrag zwischen Deutschland und Rußland zu erneuern, ist wohl ein sehr großer diplomatischer Ersolg gewesen, der nur durch spätere Caprivi'sche Ablehnung vereitelt wurde. Die Militärstrafproceßreform wird nun doch an den Reich-tag kommen, denn dem Vunde-rathe ist bereits eine Ankündigung derselben zugegangen. SS scheint somit in letzter Stunde zwischen dem Kaiser, dem Reichskanzler und auch mit Baiern ein Linverständniß erzielt worden zu sein, daS bekanntlich seinen obersten militärischen Gerichtshof nicht aufgeben wollte. Diese Meldung ist von hoher Wichtigkeit, da daS Verbleiben deS Fürsten Hohenlohe, der fich für das Einbringen der Militärstrafproceßreform im Reichstage verbürgt hatte, vorläufig geficheit scheint. Der Kaiser und die Kaiserin von Rußland find am Mittwoch von Darmstadt wieder nach Ruß- land abgereist. Zur Ablehnung de- großherzoglich ba dischen Besucher in Darmstadt durch den Czaren versichert die „Köln. Volk-ztg.", daß die am hessischen Hofe herrschenden englischen Einflüsse e- gewesen seien, welche den Empfang de- großherzoglich badischen Paare- durch den Czaren vereitelt hätten. Abgesehen davon, daß die Bevorzugung de- badischen HofeS ! durch den deutschen Kaiser Empfindlichkeiten am hessischen Hofe geweckt habe, seien auch politische Gründe in Betracht gekommen. Nm englischen Hofe sei eS nicht erwünscht, daß eS zu intimen Beziehungen zwischen dem Czaren und demjenigen deutschen Fürsten komme, der im deutschen Volke al- einer der Hauptträger de» deutsch nationalen Gedanken- gelte. Die „Volkszeitung" bemerkt dazu, so lange der Czar fich nicht bequeme, dem badischen Hof ausdrücklich Genugthuung zu geben, IeuiUeton. Der Spion. Historischer Roman au« der Geschichte deS heutigen Rußlands von Julius Grosse. (Nachdruck verboten.) (11. Fortsetzung.) „Und was auch geschehen wird', rief er, .aber damit kommst Du nicht durch, Brüderchen! Meinst Du wirklich, mir eire Partie Schach bieten zu können. LS giebt Schlauköpfe, die ihr Geheimniß nach beiden Seiten vrrwerthen. — Wer steht unS dafür, daß Du nicht mit den Verschwörern nun Deinen Handel machst, für Dein Schweigen oder Deine sogenannte Gnade Bedingungen stellst. Ich kenne meine Leute, auch wenn Du ein Engländer bist. Sieh Dich vor, Brüderchen, ein einziger Schritt vom Wege und Du spazierst nach Sibirien. Und auch für Alle-, wa- trotz Deiner Be- «ühungen geschehen könnte, trägst Du die volle Ver antwortung.' „Noch ist nicht- geschehen und et soll auch nichtt geschehen.' „llud wie willst Du da- bewirken?' „,Da- ist meine Sache, Durchlaucht und ich stehe »ü meinem Kopse dafür, dte Verschwörung im Guten zu beseitige,.' „Nicht übel', sagte der Fürst, »aber Du wirst doch unsere Mliwntung nicht ganz verschmähen Wa» würe Dein Rath?' »Ich bedachte mich einen Augenblick. Ueber paffende Maaßregeln hatte ich früher schon hin und her gesonnen, aber der Kaiser hatte meinen Rath nicht in dieser Weise begehrt. „Und so begann ich denn: „Gut, wenn Sie meine Ansicht hören wollen, so lassen Sie die Revue in Belaja Tscherkow um einige Wochen aufschieben, aber der Kaiser muß sich dann wirklich hindegeben, mitten unter die Verschwörer. Solcher Muth wird Wunder thun.' „.Reckt heroisch gedacht und wa- weiter?' „.Und weiter muß der Kaiser alle Militärkolonien bereisen; die Truppen selbst lieben ihn und werden e- ihm beweisen. Da- wird die Verschwörer au- dem Sattel heben. Und gegen die Entschlossensten unter ihnen giebt e» noch andere Maaßregeln. Außerdem Warnungen, Drohungcn und Versetzungen nach Cer- kasfien, unter Umständen aber auch Beförderungen und Auszeichnungen.' „.Drohungen — Versetzungen — Auszeichnungen! Mensch, an Dir scheint ein Diplomat verloren gegangen zu sein', rief der Fürst, .aber Deine Rechnung ist falsch. Bildest Du Dir wirklich ein, mit Menschen spielen zu können wie mit Dominosteinen und hier mit Soldaten? — Mehr als einmal ist durch solche Mittel daS Verbrechen nur beschleunigt worden. Und wa» Deine Warnungen betrifft — ein Dolchstoß macht Dich stumm für immer und wir sind wieder im Dunkeln. DaS hat der Kaiser in ferner Menschenliebe nicht be dacht. vorwärts, jetzt müssen wir von Neuem de- gianen. Hast Du dem Kaiser auch nicht» verschwiegen? Erinnere Dich wohl. Wiederhole wir noch einmal Alle» von Anfang an. Wie hast Du die Verschwö ¬ rung entdeckt? Welche Personen kamen in Kamenka zusammen?' „.Durchlaucht, ich wiederhole, Sie haben de» Kaisers Beseh! vernommen, der mir allein die ganze Sache überlassen will.' „.Und damit denkst Du dem Grafen Araktschejef die Hände zu binden, SperlingSkopf! Nein, mein Bester, ich lasse Dich nicht au» der Hand, bi» ich voll- ständig tnformirt bin. Der Kaiser mag hoffen, träumen, bete» — wir müssen für ihn wachen und für da» Hau» Romanow. Vorwärts, erzähle, oder Du siehst da» Tageslicht nicht wieder. Ich gebe Dir übrigen» die Zusage, einstweilen geaen Jene nicht einzuschreiteo, aber Dir könnte ein kleine» Malheur pasfiren, also rede.' „Und nun begann ein abermalige» peinliche» Ber- hör. Ich wiederholte zwar alle- Thatsächliche, wa- ich dem Kaiser gesagt, vermied jedoch, irgend einen Namen zu nennen, zumal der Graf viele derselben im Gedächt- niß behalten. Er schrieb sich Einige- auf und diktirte dann sogar einem Schreiber zu Protokoll, so sehr ich auch bemüht war, da- bisher Berichtete zu verdunkeln und die Spuren der Verschwörung zu verwischen, wa» er recht wohl zu bemerken schien. „.Mensch, mir scheint, Du willst Dich kostbar oder interessant machen!' fuhr er mich plötzlich mit Donner stimme an. .Willst jetzt Alles wieder vrrtuschen, nach dem Du Alle- halb verralhen hast. Sieh Dich vor. Wenn Du Umstände wachst und für die Elenden Partei ergreifst, werde ich Dich a!S Mitverschworeuen behandeln. Wagst Du etwa, den Kampf mit mir auf- zunehmen, versuch Deine Kraft, Pygmäe!'