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Nummer 115 — 27. Jahrgang kr>»ct>» «mal wöchentl. mit den illustr. GrattSbeUagen 2», vell' und .Kür unsere kleine» Leute', sowie den rexlbeilagen ,SI. «einw-BIatt'. .Vnlerhallnng und Wissen'. .Die Welt der Frau'. .Restlicher Ratgeber'. .DaS gute Buch'. .Filmrund, schan'. Monatlicher Bezugspreis 8 Mt. -Inschl. Bestellgeld, »injelminimer 1v 4. Sonnabend, u. Sonntagnurnmer »0 Hanpllchriftleiter- Dr.G. Tesczyk. Dresden. LüchMhe Dienstag» den 22. Mai 1928 Veklagsorti Dresden Anzelgenprcis«, Die igespaltene Petitzetle »t» Familien- m,zeigen „.Stellengesuche Die P-lltr-tlam-zei,.. «Srnm breit 1 Für Anzeigen außerhalb des Verbreitungsgebietes ck« ^. diePetilretlamezeile OFeriengeb.SO^.Im Fall« höherer Gewalt erlischt jede Verpflichtung aus Li-s«uug sowie Erfüllung v. Anzeigen-Auslrügen u. Leisflmg v. Schadenersatz, «eschüstlicher Trll: Art«» Lea». Dresden. GeschiistSstell«, Drucku.Berlag: Germania.«..». nn «erlag und Druckerei. Filiale Dresden. Dresden.«. I. Po,ierslrntzel7. Femn,iM0I2. Postscheck,onto Dresden rvm Bnnskonto Stadtban' Dresden Rr n>7t» Für christliche Polilik und Kullur Dresden. Redaktion der «ächsischen VolkSzeitunä .. Sden-Altstadt 1. Polierstraße 17. Fernru« 207t> und 71012. Der neue Reichstag Nach der Wahl Nicht der Ruck nach links ist das auffällige Er gebnis der gestrigen Neichstagswahl, sondern die Gleichgültigkeit und das mangelnde Verständnis, des diesmal ein besonders großer Teil der Wählerschaft dieser schweren und weittragenden politischen Entschei dung gegenüber bewiesen hat. Mehr als ein Viertel der gefeinten Wählerschaft, etwa 10 Millionen, haben sich an der Wahl überhaupt nicht beteiligt. Weiter sind von den abgegebenen Stimmen mehr als 1 Million auf Splitter parteien entfallen, die keine Mandate erhalten. Das sied Rekordzahlen! Mehr als 15 Mandate sind allein durch die Zersplitterung weggefallen. Wenn man die deutschen Wahlen mit den französischen Wahlen ver gleicht, bei denen 90 Prozent der Wahlberechtigten zur Wahlurne gingen, und bei denen es nur große Parteien, aber keine Sondergruppen gab, dann könnte man bittere Erwägungen über die politische Reife des deutschen Vol kes anstellen. Allerdings kann man nicht sagen, daß diesmal die Entscheidung der Wähler unklar gewesen sei und daß man im Zweifel darüber sein könne, in welche Richtung künftig die Regierungsbildung in Deutschland verlaufen soll. Sämtliche Parteien der letzten Regie rungskoalition haben an Stimmen ver loren, alle namhaften Oppositionsparteien mit Aus nahme der Demokraten gewonnen. Am auffälligsten ist die Niederlage der Deutschnationalen, die mehr als zwei Millionen Stimmen, also etwa ein Viertel ihres Bestan des eingebüßt haben. Die Verluste der anderen Regie rungsparteien sind geringer. Am besten haben sich Zen trum und Bayrische Volkspartei gehalten, deren Gesamt verlust nur wenig stärker ist als der Mandatsrückgang, der sich aus der Verkleinerung des Reichstages ergibt. Der letzte Reichstag hatte 493 Sitze, der neue wird 489 Litze zählen. Gewinner der gestrigen Wahlschlacht sind in erster Linie die Sozialdemokraten, deren Stimmen zahl sich um mehr als 1 Million erhöht hat. In manchen Bezirken haben ihnen allerdings die Kommunisten den Rang abgelaufen, die ebenfalls Mandatszuwachs er fahren haben. Von den Rechtsradikalen haben die Na tionalsozialisten Gewinne zu verzeichnen, während der Völkisch-nationale Block völlig zusammengebrochen ist. Das Zentrum hat sich im allgemeinen gut ge halten. Es hat sich vor allen Dingen in allen Bezirken des Westens gegen die Christlich-Sozialen be hauptet, die trotz einer radikalen Agitation auch diesmal kein einziges Mandat erobert Haben. Ebenso haben die Nationalen Minderheiten auch diesmal keinen Sitz im Reichstage erlangt, sie haben vielmehr noch die beiden Sitze verloren, die sie bisher im Preußischen Land tag inne hatten. Es ist bedauerlich, daß durch die Listen der Nationalen Minderheiten in Ostsachsen die Zentrums- partci einige Verluste erlitten hat. Ein Vergleich der letz te» Landtagswahl mit der gestrigen Neichstagswahl zeigt ganz deutlich, daß der geringe Rückgang, den die Zen- trumsstimmen in Sachsen erfahren haben, im wesent lichen auf die Rechnung dieser wendischen und polnischen Listen kommen. Im übrigen freuen wir uns feststellen zu können» daß die Pessimisten, die glaubten, der Mißerfolg bei den letzten Landtagswahlen werde auf die Stimmen zahl des Zentrums in Sachsen zurückwirken, unrecht be halten haben. Die kleine Zentrumsschar in Sachsen hat sich auch bei dieser Wahl geradezu vorbildlich geschlagen! An interessanten Einzelheiten aus der Wahl mag folgendes festgestellt werden: Der einzige Wahlkreis, in dem das Zentrum Stimmengewinn zu verzeichnen hat, ist der Wahlkreis 9 (Oppeln), obgleich gerade dort das Das amtliche Gesamtergebnis Berlin, 21. Mal. Nach dem vorläufigen amtlichen Ergebnis (ohne den Derwallungsbezirk Berlin—Beinickendork, der noch ausslehl) sind insgesamt 3VS92442Siimme« abgegeben worden. Davon entfallen auf: Stimmen (1924) Mandate (bisher) 1. Sozialdemokraten 2. Deutschnationale 3. Zeutrumspartei 4. Deutsche Volkspartei 6. Kommunisten 6. Demokraten 7. Bayrische Volkspartei 9. Wirtschaftspartei (mit Hannoveraner!). . 10. Nationalsozialisten 11. Deutsche Bauernpartei 14. Landbund . . 16. Christlich-Nationale Bauempartei . . . 16. Volksrechtspartei 21. Sächsisches Landvolk Auf die übrigen Parteien sind weitere 670000 Stimmen abgegeben worden, die ohne Mandat geblieben, also verloren sink Darunter 264 565 Stimmen des völkisch-nationalen Blocks, 51465 Stimmen der „Evangelischen Volks gemeinschaft", 36658 Stimmen der Inflationsgeschädigten, 36650 Stimmen der Hausbesitzer, 70752 Stimmen der nationalen Minderheiten (einschl. Wenden), 65246 Stimmen der Altsozialisten, 110466 Stimmen der Christlich-sozialen. Auf die 480978 Stimmen der Volksrechtspartei entfallen nur 2 Mandate, sodaß auch von diesen 360000 Stimmen ver loren sind. In den 770100 Stimmen der christlich-nationalen Bauernpartei sind 194938 Stimmen für Kreiswahl vorschläge der Deutsch-Hannoverschen Partei enthalten. Der Reichstag wird nach diesem vorläufigen Endergebnis in Zukunft 489 Abgeordnete zählen, gegenüber bisher 493 »111438 (7 880 963) 152 (131) 4 35» 586 (6 205 324) 73 (103) 3 76564» (4 118 190) 62 (69) 2669549 (3 049 215) 44 (61) 3 232 875 (2 708 345) 54 (45) 1492 89» (1917 764) 25 (32) 936464 (1 131979) 16 (19) 1391133 (1336 619) 23 (23) 866 746 (906 946) 12 (14) 486 613 8 (-) 19» 491 3 (-) 776 166 13 (-) 486978 2 (-) 127633 3 (-) Zentrum besonders heftigen Angriffen der Kommunisten ausgesetzt war. Als festes Bollwerk gegen den Kommu nismus hat sich Bayern erwiesen, in dem die Kommuni sten durchweg starke Verluste erlitten haben. Die Deutschnationalen, die sonst im ganzen Reiä)e Verluste bis zu zwei Drittel ihrer Wählerschaft zu verzeichnen haben, haben dank der heftigen Agitation, die sie in Rheinland und Westfalen gegen das Zentrum geführt haben, dort an Stimmen gewonnen. Die Altsozialisten haben kein Mandat erlangt; ein Ergebnis, das von allen ruhigen Beurteilern trotz der starken Agitation voraus gesagt wurde. Es ist müßig, heute schon Erwägungen darüber an zustellen, wie sich die Regierungsbildung im neuen Reichstage vollziehen kann. Eine Wieder kehr der letzten Koalition dürfte unmöglich sein, da diese Koalition keine Mehrheit besitzt. Aber auch die Wei marer Koalition (Zentrum, Demokraten, Sozialdemokra ten) hat keine ziffernmäßige Mehrheit erlangt. Wir halten daher die Wiederkehr der Großen Koa- liton von der Deutschen Volkspartei bis zu den Sozialdemokraten, die über eine sehr starke Mehrheit im neuen Reichstag verfügen werden, für das Gegebene. Die Voraussetzung dafür ist allerdings, daß die Sozialdemo kratie sich von der Agitation zur Staatspolitik zurück findet. Davon, ob sich in der Sozialdemokratie nun end lich die politische Vernunft durchsetzen kann, wird das Schicksal des neuen Reichstages abhängen. Dyk. Das Arleil -er Berliner Morgenpresse Berlin. 21. Mai. Von der Berliner Morgenpresse, die allerdings nur zu dem in den ersten Morgenstunden vorliegenden Teilergebnis Stel lung nehmen kann, werden das starke Anwachsen der Sozial demokratie und die schweren Verluste der Deutschnationalen festgestellt. In dem „Montag" heißt es: Der ganze Kampf, der von der Mitte her gegen die Deutschnationalen geführt worden .ist, hat praktisch nur das Ergebnis gehabt, daß die Deutsch- nationalen eine Anzahl von Mandaten verloren haben. Dieser Mandatsverlust verhindert wahrscheinlich die Bildung einer Mchrheitskoalitwn ohne die Demokraten und die Sozialdemo kraten. Die „Deuts<j>e Allg. Ztg." sagt: Die Sozialdemokraten haben den erwarteten Stimmenzuwachs anscheinend im ganzen Reiche erzielt. Aber ihren Triumph stört ein Mißklang. Es ist ihnen keineswegs gelungen, den Kommunisten die erhosfte Nie derlage beizubringen. In erschreckendem Maße haben die bür- gerliei-en Wähler aller Warnungen zum Trotz sich den aussichts losen Splitterparteien zugewandt. Das „B. T." zieht die Bilanz: Kein Rechtsblock mehr im Reich, Festigung der bis herigen Negierungsverhältnisse in Preußen: das sind die wich tigsten Ergebnisse -es gestrigen Wahltages. Ruhiger Wahlverlauf Berlin, 21. Mai. Jni ganzen Reiche ist der Wahltag ohne besondere Zwischen fälle verlausen. In Breslau kam cs bei einem kommunistischen Dcmonstrationsumzug zu einem Zusammenstoß mit Insassen eines Lastautos, das mit schwarz-wciß-raten Fähnchen geschmückt mar. Die Kommunisten schlugen mit ihren Fahnenstangen auf die In sassen des Autos ein, wobei ein junger Mann am Auge schwer ver letzt wurde. Auch die weiteren bisher eingegangcncn Meldungen a„S dem Reich lassen erkennen, daß der Wahltag zu schwereren Zwischen fällen im allgemeinen keinen Anlaß geboten hat. Nur aus Düs seldorf liegt die Nachricht vor, daß drei Männer, angeblich Stahl- belmleute, von Rotfrontkämpfern überfallen worden seien, wobei einer der elfteren ernstere Kopfverletzungen davongctragen habe« soll. Auch Ostpreußen meldet ruhigen Verlauf des Tages. Die Wahlbeteiligung erreichte durchschnittlich 70 bi« 75 Prozent, war also wesentlich niedriger wie im Dezember 1024» wo sie 76.5 Prozent betrug. In Süddeutschland war die Wahl beteiligung im allgemeinen stärker als in Nord- und Ostdeutsch land. Blutiger Zufammenskotz Glaucha», 21. Mai. Bei einem Fackelzug, den die Sozialdemokratische Partei am Sonnabend veranstaltete, ist cs zu einem bluiigcn Zusammenstoß gekommen. Der Fackelzug traf in der Mühlgrabcnstraßc auf eine Anzahl roter Frontkämpfer, die sich dem Zuge entgcgcnstclltcu. Im Laufe der Auseinandersetz»ngen zog einer der rote» Frontkämpfer einen Dolch und stach auf den Vorsitzenden der SPD. in Glauchau, den Stadtverordneten Paris ein, der sofort tödlich m die Brust ge- troffen zusammrnsank. Der Täter wurde verhaftet.