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Dienstag -W 79. 10. Octoöer 1854. Erscheint Dienstags und FreltagS. Zu beziehen durch alle Postanstal- ten. PrtiS pi-o Quart. lONgr. Weißeritz-Zeitung !- < - - ' - -. . .! "" V ,i Ein Unterhaltendes Wochenblatt für den Bürger und Landmann. . , '. i . -. - - - - - - -. . Ä' Zuftrale werden mit s tzf' sür'di. Zeile krrtchuel 's u- in stlle» Ä-s- pedltlqnen an- genommen. Verantwortlicher Redactcur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Sewastopol. Die Bedeutung der Einnahme Sewastopols wäre un geheuer, mag man nun auf ihre militärischen und politi schen Folgen oder auf ihre moralischen Ursachen und Wir kungen sehen. Wir beschränken uns für heute auf einige Betrachtungen dieser letzter» Art. Der Nimbus der rus sischen Waffen war zwar schon bedeutend verblichen seit den Ungünstigen Kämpfen vor Kalafat und vollends seit pkm mehr als rühmlosen Rückzüge vor Silistria. Aber die blindln Anbeter des Zar (deren es leider auch in Deutschland gibt) trösteten sich über jene Niederlagen und suchten dieselben zu beschönigen durch allerlei Vorwände, die sie von der Ungunst der äußern Verhältnisse, von po litisch-strategischen Rücksichten oder sonst woher entnahmen. Was aber können diese Leute jetzt finden, um eine» so Unerhörten militärischen Bantbruch, wie ihn das in ihren Augen unüberwindliche Rußland so eben erlitten, auch riür 'einigermaßen zu verkleinern oder zu decken? Von UeberrUmpelütig ktrnn nicht die Rede sein, denn die Expe- ditich Nach der Krim war Monate lang angekündigt und vorbereitet, ja bis in ihre kleinsten Details mit einer in der Kriegsgeschichte gewiß seltenen Offenherzigkeit in öf fentlichen Blättern besprochen worden. War die zur De ckung Sewastopols herbeigezogene Truppenzahl nicht stark genug? Ei nun, wo sind denn jene von unserer Ruffen- parteö so oft pomphaft auSposaunten zwei Millionen ruf fischer Streiter, wenn eS überall gerade da, wo größere Massen von uöthen wären, an solchen fehlt? Es ist wahr, dir Cholera hatte unter der Besatzung Sewastopols und der Flotte gewüthet z aber furchtbarer doch wol kaum als unter den Expeditioustruppen während ihres Aufenthalts auf türkischem Boden. Und diese konnten ihre Lücken nur mühsam durch neue Transporte aus wcitentlegenen Ländern ergänzen; Rußland dagegen führt dey Krieg auf seinem eignen Gebiet und müßte, sollte man meinen, bei einer güten- militärisches Otganisation und rechtzeitigen Vorkehrungen, zumal an-seinen Südgrcnzcn. wo die Be- pökterungen dichter find, mindestens eben so leicht und schnell eine entsprechende Masse v!tn Mannschaften, Pferden', und vndcrm Kriegsmaterial concentriren können, als die Ver bündeten auf dem langen und beschwerlichen Weg« zur See. Will man den Mangel solcher rechtzeitigen Vor kehrungen,' die Unvollkommenheit des russischen Transport- Wesens, der Communicationsmittel, der Verpflegungsan stalten ic. als Entschuldigung sür dje schlechten Erfolge de^ russischen Waffen anführrn, st> vtkschlimmert man da mit seine eigene Sache, indem Man- zugibt, daß nicht eine zufällige und vereinzelte Ursache diese Niederlage verschul det hat, sondern daß'«ben der ganze, von außen so vier fig erscheinende Koloß im Innern hohl und faul ist und bet jeder kräftigen Berührung zerbröckelt. . . s ES ist wahr, die vervollkommneten technischen Hülfs- mittrl verleihen der Wehrkraft derjenigen Staaten, welche sich im Besitze solcher befinden, eine Ueberlegenheit, welche durch keinen andern taktischen Factor, wedelt durch Treffs bichkeit der Führer, Noch durch persönliche Tapferkeit det Soldaten so leicht völlig ausgeglichen werden kann: - Al lein hat denn nicht Rußland vollauf Gelegenheit gehabt, sich diese bessern technischen HülfSmittel ebenfalls anzuetg- nen? Hat eS Rußland an englischen Ingenieuren zur« Bau seiner Werke und seiner Kriegswerkzeuge, oder »N französischen und preußischen Instruktoren für seine Trup pen, wenn e» solche begehrte, gemangelt? Ast leicht,' Mi die Times berichtet, ein Theil der Beftstigrtngen Sewasto pols von englischen Technikern gebaut? Hat man der russischen Regierung zewehbt, ihre Geschütze 'kn Frankreich', ihre Schiffe in England fertige« zu kaffen ? Und h at si e nicht Beides vielfach während des labgeN Friedens getharr? Ist nicht die russische Artillerie von Kennern -mehrfach für eine der besten erklärt worden, Und hat nicht btt Cava* lerie den unbestreitbaren Vorzug eines naturwüchsigen Ma terials an tüchtigen Pferden und an eingeborenen Reffer- stämmrn? Woher also, so fragt man sich verwundert, »v- her nicht sowot diese Niederlage überhaupt (denn besiegt werden kann auch die tapferste, bestgesührte »nS vortreff lichst bewaffnete Armee), aber diese so unbegreiflich schnell« und in ihren Wirkryigen so vernichtende, mit völliger Auf lösung der russischen Armee endende Niederlage? Alke bis herigen Berichte stimmen darin überein,, daß da» verschanzte Lager am Alwafluß, welches auf einem znit Vertheidignng natürlich günstigen, von den russischen Führern mit Vor bedacht auserwählten Terrain (auf einer Anhöhe) angeltßt, von einem wenigstens 50,000 Mann starken Heere besetzt, mit ansehnlichen Cavaleriemassen und zahlreicher Artillerie versehen war, von den Alliirten, deren Truppenbestand (nach Zurücklassung der detachirten CorpS im Rücken) nicht größer gewesen sein kann, als der ihrer Gegner, in der unglaublich kurzen Zeit von drittehalb Stunden Mit VeH Bayonnet genommen und die russische Armee so völlig au» einqndergesprengt worden ist, daß von einem geordnet»» Rückzug gar keine Spur gewesen zu sein scheint, vielmehv die Trümmer der Armee noch 22,000 Mann!(so berich ten Blätter, die nichts weniger als rüssenfeindlich find), sich auf Gnade und Ungnade dem Sieger ergeben haben! Welchen Begriff soll man sich nach diesem Tteianiß ent weder von dem Geist der Führer oder Von dtp'Dtseiplin der Truppen machen? Man hat es oft als elNen Vorzug altgeschulter Heere vor den unmittelbar auS dem Volke hervorgegangenem rühmen hören, daß jene dem Angriff des Feindes fester Stand hielten und selbst bei gezwungenem Rückzng niemals aus den Schränken der DiSeiplin wichen. Nun wohl! hier ist eint AiMt^ di« khre Angehörigen Nicht bloS drei oder sechs oder acht Jahre, sondern 14 --s