Volltext Seite (XML)
Nummer 34 — 26. Iayrqang Smol wöch. Bezugspreis für Februar 8,00 °<t «inschl. beitcllpelo Anzeigenpreis«: Die tgesp Petitzeile 30^. Stellengesuche SO -Z Die Petitreklamezeile. 8S Milli» ve»er breit, 1 Ostertengebühren iür Selbstabholer 2» bei Uedersenüung ourch Sie Post außerbei» Portozuschlag Einzel-Rr. 10 L. Sonnlags-Nr. 18 Beschästl. Teil: Friedrich Rieser in Dresden. SiUMüie Frei 1 ag. 11. Februar 1927 Lim Falle höherer Gewalt erlisch» sede Derpslichlung auf Lieferung sowie Erfüllung o Anzeigenaufträgen u. Leistung o Schavenersatz Für unveutl u. v Fern- ruf übermitt. Anzeigen übernehmen wir keine Ber» antwortung. Unverlangt eingesanble u. m Rückporto« nicht versehene Manuskripte wert». nicht aufbewahrt. Sprechstunde der Redaktion 2—3 Uhr nachmittag» Hauptschrislleit.: Dr. Joseph Albert. Dresden «W IScschäftSstell«, Lruik uud Verla,: Saronia- Buchdruckerei GmbH., Dresden A. 1. Polierstreke 17. Fernruf eivIS. Poslscheakonlo Dresden INS7. BanNvnIo: Dresdner Bank, Dresden. Für christliche Polilik und Kultur Redaktion der LächsUchcn Volkstettuoa DreSden-illtstadt 1, Polie,»ratze 17. Fernrus LMII und I10IL Die Rolle der Pufserslaalen Polen und Rumänien Das nationale Wohnungsbauprogramm Von Stadtrat z. T. Treffert. Berlin. Im Herbst 1925 stieg die Wirtschaftskrise auf eine gefährliche Höhe. Mit wachsender Sorge sah man sich die Dinge entwickeln. Die Zentrumsfraktion war sich des Ernstes bewußt und beriet Mittel zur Abhilfe. Diese verdichteten sich zu Anträgen und Denkschriften, die der Regierung unterbreitet wurden. Besonderes Aufsehen erregte damals das nationale Bauprogramm. Das Ziel war einmal die Wohnungsnot zu lindern und Hunderttausenden die Möglichkeit zu geben, ein eigenes Heim zu gründen, ferner die immer katastrophaler wer dende Arbeitslosigkeit zu beheben. Man wollte eine ge meinschaftliche Not durch eine einheitliche gemeinschaft liche Tat beseitigen. Das ist Sache des ganzen deutschen Volkes, also national. Leider stießen die Vorschläge des Zentrums aus Schwierigkeiten. Manche Kreise bekämp fen sie sogar unbegreiflicherweise. Mer bei den späteren Erörterungen, bei den vielen Vorschlägen über das in Aussicht gestellte Wohnungsbauprogramm und dessen Finanzierung mußte man vielfach auf die vom Zentrum gemachten Anträge zurückgreifen. Es ist zu begrüßen, daß jetzt die Abgeordneten Brüning, Dessauer und San der unter Mitwirkung hervorragender Personen ein lesenswertes Buch*) herausgegeben haben, das nach dem Vorwort der Verfasser „in großen Grundzügen klarlegen soll, was gewollt und was geplant ist: das auch Andeu tungen der Schwierigkeiten enthält, die zu überwinden ind, und das vor allen Dingen gegen Einwände das «chliche Material enthält". Der Mensch der Großstadt ist die einleitende Abhandlung von Dr. Karl Sonnenschein überschrie ben. Er schildert in eindringlicher Sprache die großen Gefahren der Großstadt: „Sie ist so dunkel. So ent zündet. So rasend. So entgöttert. So heimatlos." Sonnenschein fragt: „Wer will in dieser Stadt den Deka log predigen? Ter nicht alles daran setzt, ihren Menschen Heimat zu geben!" Er schließt mit dem Aufruf: „Die Großstadt von heute ist Sünde am Menschen. Zerstörer des Organischen. Entfesselung des Triebhaften. Zer trümmerung der Kultur. So baut sie um! Zerschlagt sie! Durchsetzt sie! Umrandet sie mit neuem organischen Leben!" Soziale Frage und Wohnungsnot be handelt Reichsarbeitsminister Dr. Brauns. Er weist auf die Notwendigkeit, aus wohnungs- und wirtschafts- politischen Gründen den Wohnungsbau mit allen Mit teln zu fördern. Er setzt sich mit den Gegnern auseinan der, die die Anlage von Geldern im Wohnungsbau nicht als produktiven Zweck sehen und die das Vorhandensein einer Wohnungsnot anzweifeln. Er führt die Tatsachen an, die zur Wohnungsnot geführt haben und schildert die sozialen und wirtscliaftspolitischen Auswirkungen des verstärkten Wohnungsbaues. Nur durch sie sei eine Be seitigung der Wohnungsnot in absehbarer Zeit zu errei chen. „Es handelt sich um eine soziale und nationale Ausgabe, um die Erhaltung der Lebenskraft des deut schen Volkes." Städtische Siedlungspolitik und das preußische Städtebaugesetz ist das nächste Ka- pitel überschrieben, das der preußische Minister für Volks wohlfahrt, Hirtsiefer, eingehend behandelt. Dem Städtebau der älteren Schule sei es nicht gelungen, die ungesunde Verdichtung der Besiedlung an einzelnen Zen tren zu verhindern. All die großen siedlungsreformeri- schen Gesetze verfolgten das einheitliche Ziel, den gefähr lichen Verdichtungstendenzen entgegenzuwirken, die der gewaltige Umformungsprozeß der Wirtschaft und der Uebergang zur Industrialisierung im letzten Jahrhundert hervorgerufen hat. und eine Auflockerung der übervöl kerten Großstadtzentren, eine weiträumige Besiedlung des Landes vorzubereiten. Hirtsiefer bekennt sich mit aller Entschiedenheit zum Kleinhausbau in der staats bürgerlichen Erkenntnis, daß die innige Verbindung mit der heimatlichen Scholle stets auch das Heimatgefühl und damit das Staatsgefühl und die Vaterlandsliebe stärkt und behebt. lieber Wohnungsfürsorge im Rahmen der allgemeinen Wohlfahrtspflege liefert Ministerialrat Dr. Wälz vom Reichsarbeitsministerium einen Aufsatz. Er setzt sich mit Vertretern der deutschen Wirtschaft auseinander, die heute rufen: „Nur Nahrung und Kleidung ist wichtig. Wohnungsbeschaffung ist Un fug." Der Deutsche müsse jährlich 5 Milliarden an Mie ten aufbringen. Die Micthöhe bestimme Lohn und Ge halt wie die Wettbewerbsfähigkeit. Die Gestaltung der *) Das nationale Vau pro« ramm von Heinrich Brüning, M. b. R„ Friedrich Dossauer. M. ü. R., Karl Sander. 800 Seiten, Preis 4,75 NM. 1927. Deuth-Verlag, G. m. b. H.. Berlin SW. IS. Von einem außenpolitischen Mitarbeiter: Die in den letzten Tagen beobachtete intensive französisch polnische Fühlungnahme scheint der französische Gcgenzug auf den russischen Protest zu sein, der gegen die Verlautbarung oes frauko-ru manischen Vertrages erhoben wurde. Frankreich versucht danach — ganz abgesehen voin polnisch- deutschen Grenzproblem — Polen und Rumänien wieder enger zusammenzusühren, naäiöem der italienisch-russische Vertrag in Pole» gewisse Zweifel auf die Zuverlässigkeit Rumäniens ent stehen ließ, ob Rumänien wirklich geneigt sei. zu marschieren, wen» Rußland Polen angriffe. Es ist nun in letzter Zeit eine Ansichtsdifferenz zweier sehr orientierter Stellen zu vermerken, die wie folgt zu speziali sieren ist: Die eine Ansicht geht dahin, daß Rußland den A n - griff gegen den Westen in Bessarabien begin nen werde, wodurch eine völkerrechtliche Situation gegeben sei, die es dem Deutschen Reich erlaube, seine Stellung gegen die Passierung von Wcsttruppen einzunehmen. Auf Grund des Bündnisfallcs werde dann Pole» mitgerisscn. kurz, der Krieg Rußlands gegen Rumänien und Polen werde unter einem aus- gefochtcn. Die andere Absicht geht dahin, daß Rußland im Wege von Ilalien Rumänien mit der „Regelung der beslarabischen Frage" hinzieheu werde, um zuerst einmal mit Polen seinen Strauß auszufcchten, wofür ein weißrussisch-ruthenischer Aufstand in den politischen Ostgebieten den Anlaß abgeben werde, deren „Unterdrückung und Hilferufen Rußland nicht gleichgültig Zu sehen könne". Daraufhin werde Rumänien nicht marschieren, sondern in der Hossnung-auf italienische Einflußnahme eine Regelung der bessorabischen Frage auf friedlichem Weg per- suchen. Die Differenz der Leiden dargestellten Ansichten ist, suina- risch genommen, daher nicht übermäßig groß. Beide Ansichten glauben an einen Ostkrieg. wobei zu bemerken ist. daß die erste Ansicht einer ausgesprochenen pazifistischen Richtung entstammt, die letztere aber einer zu mindest für die künftige Haltung des deutschen Volkes als un bedingt die Position oer Neutralität das Wort redenden Stelle. Die Abweichung beider Ansichten kristallisiert sich daher lediglich aus die in Sowjet-Rußland vorherr schende taktische Ueberlegung, ob es besser sei. ent weder der völkerrechtlichen Situation oder der militärischen Beurteilung den Vorzug zu geben. Es ist gewiß ein Vorteil, wenn die völkerrechtliche Situation klappt: vor allem für die innere Kriegsbegeisterung! Ta Rußland bezüglich »essen heutiger Intelligenz ausschließlich durch zensurierte Organe unterrichtet ist. so wird die „Kriegs begeisterung" genau so da sein wie damals, als Väterchen Zar zur Verteidigung des heimischen Brdens aufrief. Im Ausland wird sich niemand darüber im Unklaren sein, daß Rußland a »greift: ob dabei in Polen ooer Rumänien der Anfang gemacht wird, scheint ziemlich gleiä-gültig. Völkerrechtlich oder Wohnung beeinflusse die gesunde Arbeitskraft in wei testem Umsange. Die Grundlage aller Wirtschaft, die staatsbürgerliche Ordnung hängt im höchsten Maße von einer wohlfahrtspolitischen, richtigen Lösung des Woh nungsproblems ab. Gleichzeitig müsse sich die Miete den Einkommensverhältnissen anpassen. Nur so könne sich eine gesunde Haushaltsführung entwickeln und Wohl fahrt und Wirtschaft müßten in kunstvollem Zusammen wirken sowohl die rüumliäze wie die soziale Wohnungs not überwinden. Unter der Überschrift „Gewerkschaften und Bauprogramm" legt Ministerpräsident a. D. Dr. h. c. Stegermald dar, welche Bedeutung die Gewerkschaf ten von jeher der Wohnungsfrage gewidmet haben. Auch sie haben die Aufstellung eines Baupragramms auf weite Sicht gefordert. Sie verlangen großzügige Ciedlungs- und Planwirtschaft. Die Bautätigkeit sei nicht uner wünscht. sondern sehr erwünscht, weil sie auf die Gestal tung des gesamten Wirtschaftslebens zurückwirke. Ge wicht fei auf eine Verbilligung des Wohnungs baues zu legen. Was nütze es, bessere Lohn- und Ar beitsbedingungen zu erreichen, wenn die Mohnungsver- hältnisse schlecht und teuer sind, niederreißen, was auf der anderen Seite aufgebaut ist. Das Bau Programm des Zentrums und die Einwände dagegen behandelt eingehend Prof. Dr. Dessauer, M d N. Er legt im einzelnen die. For derungen dar und widerlegt die von dem Gegner ge machten Einwendungen. Er tritt für ein Bauprogramm auf mindestens zwei Jahre ein. Für den Augenblick sei damit zweierlei geleistet: Eine Erlösung von Hundert- tausenden aus einem unerträglichen Lebenszustan'd, einem zwangsweisen Erziehungszustand zum Verbrechen, zum Elend, zur Krankheit, die Erhöhung der produktiven Ar beitskraft eines großen Bolksteiles und eine starke Be lebung der Industrie besser gesagt: in der Völkermentalität wird Rußland der An» greiser sein: dargestellt ober wird es in jedem Land anders, d. h. im Sinne des Eigeninteresses, sür welches die Juristen j.des Lanaes die entsprechende „Formel" finden müssen und finden werben. Od nun der betreffende Paragraph diese Rechts biegung oder jene Rechtsbeugung zulossen wird, ist weniger eine Frage des Völkerrechtes als der Völker p o I i t i k. Nun will es scheinen, daß vom politischen Gesichtspunkt es für Rußland günstiger ist. daß absolut frankophile Polen zuerst aufs Korn zu nehmen und das halbwegs auf Italien balancierend« Rumänien — anfänglich — aus oem-Spiel zu lassen. Schließlich handelt es sich auch in diesen Ostfragen »m die franko-italienische Rivalität: bezüglich des Durch- marsclzes von „Völkerbunöstruppen" durch das Gebiet des Deut schen Reiches wird sich wohl kaum jemand Illusionen machen, wie immer auch Papierparographen geartet sein mögen: cs wird weniger ca rauf ankommen. baß das Deutsche Reich selbstver ständlich „Nein" sagt, sondern vielmehr darauf, daß sich „Völkcr- bunütrnppen". d. h. Frankreich nicht gerade übermäßig wünschen wird, Truppen durch dos Reichsgebiet zu instradieren. Völkerrechtlich erwächst daher Rußland Kein Vorteil, wenn es znerst Rumänien angriffe. wohl aber ein politischer Nachteil, da damit der italienische Einfluß in Bukarest auf den Gefrier punkt herabgedrückt, der französische Einstutz aber Trumps wäre. Der Wcttlauf zwischen Völkerrecht und Politik oürste daher — wie immer im Laufe der Jahrhunderte — zugunsten letzterer entschieden sei». Und damit kommt man auch ans die militärische Situation. lieber das Note Heer kann man denken wie man will, ob e» stark ist oder nicht genügend überlegen — das kann erst der Ernstfall erweisen: jedenfalls aber scheint cs ein Gebot politischer Vorsicht, leoiglich mit einem Nachbarn anzubinden, wenn man sich den zweiten unterdessen vom Leib halten kann. Das ist auch für die allerstärkstc Armee zweckmäßig und nützlich. Nun scheint es durchaus im Bereich der Möglichkeit, daß Polen von Rumä nien sitzen gelassen wird, ivas im umgekehrte» Fall infolge des französischen, diesfalls prnponderierendcn Einflusses nicht der Fall zu sein scheint. Anders ansgedrückt: Im Falle des Angriffs ans Polen würocn italienische und sranzösische Diplomatie in Bukarest mit Hochdruck im Sinne ihrer Thesen arbeite». Im Falle des Angriffs aus Rumänien hätte die iranzösische These von Haus aus die Oberhand. Zusammensassend muß daher festgestellt werden Dis Ab weichungen verschiedener Auffassungen über den Osten belrefsen nur die Ueberlegung wo und ivie Rußland losschlagen will: d a ß es losschlagen werde — darin ist man sich einig. Das aber ist oie Hauptsache, wobei lediglich der Zeitpunkt ausstcht, den man wohl nicht ans Wochen und Monate hin be stimmen kann, aber dahingehend umschreiben muß. Rußland wird losschlagen, wenn es militärisch bereit uns wen» politisch der richtige Augenblick da ist. Die Finanzierung des Wohnungsbaues, wohl eines der umstrittensten Gebiete, behandelt der auf diesem Gebiete sachverständige Abgeordnete Dr. Brü ning. Er steht auf dem Standpunkt, daß ohne öffent liche Mittel über die jetzige Krise nicht hinwegzukammen sei. Die Finanzierung müsse so erfolgen, daß die starke Spannung zwischen den Mieten in den Althäusern und in den nach der Stabilisierung erstellten neuen Häusern beseitigt wird. Tie Meinung, die Mieten in den Allhäu sern möglichst schnell in die durch die Kosten der Neu bauten bedingten Mieten in den neuen Wohnungen her anzubringen. würde zu unerträglichen wirtschaftlicken und sozialen Erschütterungen führen. Brüning macht Vorschläge, wie zunächst die Baukosten gesenkt werden können. Dazu müsse kommen eine künstliche Senkung der Verzinsung und eine bessere Verwendung der Hauszinssteuer. Er tritt für die Aufnahme einer Anleihe und Zahlung der Zinsdifferenz aus Mitteln der Hauszinssteucr ein. Zu wünschen sei, daß durch die Finanzpolitik des Reichs und der Länder die Möglichkeit gefunden werde, den Anteil der Hanszins- steusr, der für Wohnnngsbauzwecke verwendet wird, in den nächsten Jahren schrittweise zu steigern. Auf der anderen Seite werde es allerdings nicht möglich sein, die Mieten auf dein bisherigen Niveau zu balten. es sei aber kaum anzunehmen. das; die Wirtschaft und die soziale Lage in Deutschland in absehbarer Zeit eine Steigerung der Friedensmiete über 120 Prozent biaaus ertragen könne. Der Standpunkt der Industrie wird von Mg. Lamme rs in dein Aussatz „Industrie und Bauprogram m e " dargclegt. Er knüpft an die Be schlüsse des Nc'chsverbandes der deutschen Industrie. Nach seiner Auffassung ist ein Wohnungsbauprogramm nur dann gesund und hat nur dann Recht auf die öffentliche Hilfe, wen» es in seiner ganzen Anlage so ökonomisch aufgebaut ist, daß es mit den aeringsteu Mitteln möa-