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Verantwortlicher Redakteur Iuliu- Brau« i» Freiberg. und Tageblatt Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörde» zu Freiberg und Brand — 31. Iahrz^g. Dienstag, der 14. Oltoder. Inserate werden bis Vormittags 11 Uhr anaenmn- » - men und beträgt der Preis für die gespaltene Zeile » 1 ML oder deren Raum Id Psennige. Lss Tagesschau. Freiberg, 13. Oktober. Der -Äser wird nach den jetzt feststehenden Dispo sitionen am 19. d. M. Baden-Baden verlassen und am 2V. in Berlin eintreffen ; erst dann wird über einen weiteren kurzen Aufenthalt des Kaisers in Wiesbaden entschieden werden. Nach dem Ausfall der preußischen Abgeordneten- wahlen glaubt man, die Gesundheit des Monarchen voraus gesetzt, mit Bestimmtheit annehmen zu dürfen, daß der Kaiser in Person den Landtag eröffnen wird. Natürlich sind endgiltige Festsetzungen darüber noch nicht getroffen. — Die Abreise des Fürsten Bismarck nach Varzin hat in denjenigen russischen Kreisen, welche noch immer auf eine Annäherung der beiden Kanzler von Rußland und Deutsch land gehofft, einigermaßen verblüffend eingewirkt, da jetzt so gut wie gar keine Aussicht mehr vorhanden scheint, die beiden leitenden Staatsmänner zusammenzuführen. Man glaubte in diesen Regionen bisher, daß Fürst Gortschakoff bei seiner nunmehr nahe bevorstehenden Durchreise durch Berlin mit seinem staatsmännischen Kollegen zusammen treffen werde. Daß er sich aber nach Varzin nicht zu be geben gedenkt, ist ebenso natürlich als feststehend. Ueber- haupt soll Fürst Bismarck in den seiner Abreise vorange gangenen Ministerberathungen den Ernst der gegenwärtigen europäischen Lage sehr eingehend erörtert haben. Feinde ringsum, schreibt man in dieser Beziehung aus Berlin, hatte Deutschland noch vor Kurzem; leicht konnte es zu einer allgemeinen europäischen Koalition gegen das deutsche Reich kommen, der wir nicht lange Widerstand hätten leisten können. Daß es nicht zu einer russisch-österreichisch-itaUenisch- französischen Allianz kam, das lag, außer dem allerwärts gefühlten Friedensbedürfniß, an dem Umstande, daß unter den Staatsmännern des Auslandes der geschickte Mann der großen Aktionen fehlte, welcher die betreffenden vier Mächte an dem gemeinsamen Kampfe innig zu interessiren, die Gegensätze zwischen ihnen auszugleichen und jeder einen glänzenden Ge winn in Aussicht zu stellen verstand. Freuen wir uns darüber. Es fragt sich nur, ist die heutige Lage für uns bester, als sie noch vor Kurzem war? Der Reichskanzler hält sie, nach oben angeführter Meldung, noch immer für ernst. Und damit hat er ganz recht. Allerdings hat die Wiener Reise des Fürsten die österreichischen Staatslenker bestimmt, allen Versührungskünsten Trotz zu bieten und sich in kein antideutsches Bündniß einzulassen, sich dafür vielmehr dem deutschen Reiche zu Schutz und Trutz zu nähern. Die Koa lition gegen uns kann sonach im schlimmen Falle nur noch eine Tripel-Allianz werden und wir würden überdies in Oesterreich-Ungarn einen mächtigen Verbündeten haben. Allein die Kriegsgefahr ist dadurch noch keineswegs besei tigt und die Gruppirung der Mächte dermals noch keines wegs eine solche geworden, welche uns ein entschiedenes Uebergewicht sicherte. Zwar werden sich die Gegner zwei Mal besinnen, ehe sie mit dem durch Oesterreich-Ungarn verstärkten Deutschland anbinden; aber das numerische Uebergewicht, welches auf russtsch - italienisch - französischer Seite vorhanden, könnte schließlich doch gar zu leicht Hoff nungen erwecken, welche den kriegerischen Zusammenstoß, einen europäischen Krieg unvermeidlich machen. Erst wenn es gelänge, sich der Hilfe, oder wenigstens Neutralität, noch einer der gegnerischen Mächte vollständig zu versichern, würde der Frieden gesichert sein. Das ist aber bis jetzt nicht gelungen, und darum sehen wir denn auch, daß Ruß land alle Segel aufzieht, um eine Koalition gegen das deutsche Reich zu Stande zu bringen. Die Anwesenheit mehrerer russischer Großfürsten in Frankreich, die Badereise der Czartn nach Cannes und die bereits avisirte Hinkunft des Czaren selbst dürften mit diesen Bestrebungen in Zu sammenhang zu bringen sein. Alle diese Dinge find in Berlin selbstverständlich nicht unbemerkt geblieben, und sie gerade sind es speziell, welche den Fürsten Bismarck ver anlaßten, die Lag« eine ernste zu nennen und welche zu nächst energische Maßregeln an der deutschen Ostgrenze zur Folge haben werden. Bis jetzt scheint Frankreich fest entschlossen, die russischen Bewerber ablaufen zu lassen. Bleibt es dabei, so steht eS gut, so wird auch Italien Ruhe halten, und könnte es im schlimmsten Falle nur einen deutsch- russischen Krieg geben, der bedauerlich genug wäre, an sich aher noch keine Gefahr für das deutsche Reich in sich trüge. —- Die preußische Generalsynode erledigte am Sonn abend die Prüfung der Mitgliedermandate, erklärte sämmt- liche Mandate für giltig, berieth sodann die Vorlage betr. einige bei Handhabung der Kirchenverfaffung von der Kirchenregierung bisher befolgte Grundsätze, wobei im Gegensatz zu der vom Oberkirchenrath und Kultusminister bisher festgehaltenen Anschauung die Frage, ob die Geist lichen bei Bildung von Gemetndekörperschaften als wahl berechtigte Gemeindeglieder mttzuwtrken haben oder nicht, bejahend entschieden wurde. Zur Vorlage betr. die Ein sammlung der Landesktrchenkollekte für den Berliner Noth stand bezüglich der Berliner Stadtmission ward schließlich der Antrag Hegel'S angenommen, daß zunächst drei all gemeine Kirchenkollekten der Landeskirche für die Berliner Stadtmission bewilligt werden, wovon alle zwei Jahre eine stattfinden soll. — Der „Nordd. Allg. Ztg." zufolge beginnen demnächst im Retchsjustizamt die kommissarischen Berathungen über den Vertrag mit Oesterreich-Ungarn wegen Regelung gegenseitiger Rechtshilfe in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten. Der österreichisch-ungarische Delegirte ist bereits in Berlin eingetroffen. — Der „Fränkische Kurier" meldet, daß das bairische Gewerbemuseum eine Landesindustrte-, Gewerbe- und Kunst-Ausstellung in Nürn berg für das Jahr 1882 vorbereite. Dieselbe werde von der Staatsregierung unterstützt werden. — Der französische Botschafter Graf St. Vallier, welcheram 10. d. in Baden- Baden eintraf, wurde TagS darauf von Sr-Majestät demKaiser in Audienz empfangen und nahm hierauf an dem Diner bei Ihren Majestäten Theil. Abends folgte derselbe der Einladung zu einer größeren Hof-Gesellschaft, welche in dem grobherzoglichen Schlosse stattfand. Bei ihrem Eintritt in das österreichische Abgeordneten haus hatten die Czechen bekanntlich eine Rechtsverwahrung eingelegt, um die Privilegien und Rechte der böhmischen Königskrone zu wahren. Die „Montagsrevue" meint, daß unzweifelhaft die Erklärung der Czechen bei der Adreß debatte eine wesentliche Rolle spielen werde, allein es se hierbei keine Gelegenheit, einen staatsrechtlichen Streit in die Form von Anträgen und Gesetzes-Vorschlägen zu kleiden. Mit der Adreßdebatte aber müssen bei der Kürze der Session die politischen Diskussionen diesmal beendet und die ganze übrige Zeit praktischen Aufgaben zugewendet werden. Auch die in Prag erscheinende „Politik" schreibt anläßlich dieser czechischen Rechtsverwahrung, den von der böhmischen Volks vertretern eingenommene Standpunkt verlange keineswegs seine unmittelbare praktische Geltendmachung, wodurch der Reichsrath zum ausschließlichen Kampfplatz für rechtshisto- rische Fragen gemacht würde; die böhmischen Abgeordneten seien sich bewußt, daß der Staat auch noch andere materielle Interessen habe, und würde diesen Ansprüchen nach besten Kräften gerecht werden. — Der neue auswärtige Minister Haymerle, der bekanntlich auch Präsident des gemeinsamen Ministerrathes ist, befindet sich bereits in reger Thätigkeit. In der letzteren Eigenschaft hat er augenblicklich u. A. auf die definitive Feststellung des gemeinsamen Budgets seinen Einfluß auszuüben. Die bezüglichen Arbeiten müssen be schleunigt werden, weil die Budgets der beiden Neichshälften erst auf Grund des gemeinsamen Erfordernisses präzisirt werden können und dieselben nun bald in den Vertretungs- körpern eingebracht werden müssen. Die Berathungen über diese Angelegenheit erstrecken sich übrigens auf alle drei Regierungen, und Herr von Tisza kam deshalb gestern nach Wien. Er wird bis Dienstag dort bleiben und wie man glaubt, wohl auch andere Informationen im Hinblicke auf mögliche Interpellationen im ungarischen Reichstage vom Baron Haymerle einholen. Was den Rücktritt An- draffy's betrifft, so ist es die auswärtige Politik nicht gewesen, die denselben veranlaßte. Vor dem Rücktritt hat Graf Andraffy Gelegenheit gehabt, mit dem ihm auch persönlich befreundeten Fürsten Bismarck die Linien festzu stellen, in denen sich für die nächste Zeit das Verhalten Oesterreich-Ungarns Und Deutschlands Angesichts der orientalischen Angelegenheiten bewegen wird. Kaiser Franz Joseph hat diese Abmachungen genehmigt. Freiherr von Haymerle, der Nachfolger Andrassy's, kann als der homogenste Ersatz desselben gelten, insoweit man von dem spezifisch-ungarischen Zuge des zurückgetreteuen Staatsmannes absieht. Ueber die sonstigen politischen Ansichten Haymerle's weiß man nicht allzuviel; er ist im diplomatischen Dienst groß geworden. Seine Betheiligung am Wiener Oktsber- Äufstand in Gemeinschaft mit anderen Zöglingen der orientalischen Akademie, die ihm beinahe ein TodeSurtheil zu Wege gebracht hätte, ist eine längst verziehene Jugend sünde; immerhin ist e- interessant, davon Kenntnis zu nehmen, da ja auch Graf Andraffy vom Kriegsgericht zum Tode verurtheilt und in olüxi« gehängt worden ist. In späteren Lebensjahren hat Freiherr von Haymerke, der einer alten böhmischen Beamtenfamilie entstammt, durch Nichts verrathen, daß er zu den Oktober-Revolutionären gehörte; er ist niemals mit seinen Ansichten über innere Politik hervorgetreten. Insofern taugte er besser als Graf Andraffy dazu, neben einem in VerfassungSfragen zum mindesten gleichgiltigen Ministerium die auswärtigen An gelegenheiten zu versehen. — Unter dem Vorsitz des Kaiser- fand am Sonnabend eine lange Konferenz der österreichisch- ungarischen Minister statt, wobei die beiden Parlamenten gleichartig vorzulegenden Vorlagen festgestellt wurden. Wie der Telegraph aus Italien meldet, fand am gestrigen Sonntage in Rom eine große Todtenfeier statt. Acht prächtig bekränzte Leichenwagen durchzogen die Straßen der Stadt. Sie enthielten die Ueberreste der im Jahre 1849 und 1870 in Rom gefallenen Freiheitskämpfer, sowie die jenigen des Volkstribunen Ciceruachio, der 1849 von den Oesterreichern auf der Flucht standrechtlich erschaffen wurde. Tausende von Mitkämpfern mit hundert Fahnen und zwölf Musikkorps folgten dem Todtenzuge nach dem Janikulus, wo in Gegenwart des Bürgermeisters und des Ministerpräsidenten Cairoli die feierliche Beisetzung statt fand. Zur Verhütung einer anti-österreichischen Demon stration hatte die Regierung verboten, daß der Leichenzug vor dem österreichischen Botschaftshotel vorbeipasfirt. — Aus Peglt wird gemeldet: Ihre K. K. Hoheiten der Kron prinz und die Frau Kronprinzessin des deutschen Reichs, Se. K. Hoheit der Prinz Wilhelm von Preußen und die übrigen kronprinzlichen Kinder sind mittelst königlichen Expreßzuges am 11. d. Nachmittag kurz vor 4 Uhr hier ein getroffen. Der Bürgermeister, Marquis Durazzo, empfing Ihre Kaiser!. König!. Hoheiten am Bahnhof und hieß die selben herzlich willkommen, die Bevölkerung begrüßte die selben mit lebhaften Zurufen. — In Rom ist das Gerücht von der bevorstehenden Demission des päpstlichen Staats sekretärs, Kardinal Nina, und dessen in Aussicht stehender Ersetzung durch den Kardinal Jacobini verbreitet. In Frankreich droht die Amnestiefragt zu argen Kon flikten zu fuhren. Man spricht bereits von einer Kabinets- krisis. Als erstes Symptom der sich verschlimmernden Situation mag gelten, daß Alfonse Humbert, einer der heimgekehrten Amnestirten und gegenwärtig Redakteur der „Marseillaise", der eine ihm angetragene Kandidatur für den Pariser Munizipalrath aus Opportunitätsgründen vor vierzehn Tagen abgelehnt hatte, nunmehr, da es zu einer Stichwahl kommt, mit offenem Hinweis auf den inzwischen ausgebrochenen Amnestiestreit seine Kandidatur wieder auf nimmt. Der Brief, den er zu diesem Behufs „an die Bürger des Quartier Javel, welche für die vollständige Amnestie stimmten", richtete, verkündigt, daß die Anarchisten stramm vorzugehen entschlossen sind. Humbert ruft den Wählern, die ihn als Kandidaten für den Gemeinderath ausgestellt haben, zu: „Sie haben gezeigt, daß daS Volk von Paris noch das Andenken an Diejenigen bewahrt, die dort hinten unter dem Vorwurf des Verbrechens dafür dulden, daß sie die Republik vertheidigt und gegründet haben. Ich nehme daher die Kandidatur an, die Sie mir zum dritten Male aubieten. Wir wollen miteinander einen Feldzug eröffnen, in welchem wir sicherlich siegen werden, weil wir, indem wir für die Amnestie kämpfen, nicht fürchten dürfen, besiegt zu werden. ES ist nicht blos daran zu denken, daß wir eine politische Kundgebung machen, es ist zu bedenken und dieser Gedanke scharf inS Auge zu fassen, daß die Ge folterten des Bagno und der Fichteninsel ängstlich gespannt die Augen auf die Urne gerichtet halten, in die Sie Ihre Stimmzettel legen; daß seit langer Zeit für sie das Elend wächst und die Enttäuschungen sich häufen; daß Viele leben würden, die jetzt todt sind, weil die Befreiung zu lange gezögert hat; daß endlich wir es mit Menschenleben zu thun haben." — Die gemäßigten Journale machen die energischsten An strengungen, um die Wahl Humbert'S zu hintertreiben. Die Radikalen entwickeln demgegenüber gleichfalls eine ver doppelte Rührigkeit. Durch diese maßlose Agitation der