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Dresdner Journal : 14.10.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-10-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189810148
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18981014
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18981014
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-10
- Tag 1898-10-14
-
Monat
1898-10
-
Jahr
1898
- Titel
- Dresdner Journal : 14.10.1898
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ve,»DOrel» r DK Dresden vierteljährlich: » Mart KV Pf, bei den Kaiser lich deichen Postanstalteu vierteljährlich »Mart; außer halb de» Deutschen «eiche» Poft- und Slcmpetzujch^a Einzelne Nummern: 10 Pf. »rfchetne«: Täglich mit Ausnahme der Sonn- nnd Feiertage abend«. Fernspr. -Anschluß: Nr Iftftt Dresdner Zournnl. ««kSndl««««««eIüßre»k Fite den Raum einer gespal tenen Zeile kleiner Schrift 20 Pf Unter ,, Singesandt" die Zeile üv Pf. Bei Tabellen- und Zissrrnsatz entsprechender Ausschlag. Herausgeber: Königliche Expedition de« Dresdner Journal« Dresden, Zwingerstr. 20. Fernspr -Anschluß: Nr 1L-5. 239. Freitag, den 14. Ottober abends. 1898. Amtlicher Leit. Er Majestät der König haben dem Kunsthändler Hermann August Bernhard Otto Holst, Inhaber der Firma Emil Richter in Dresden, das Prädikat .Königlicher Hof-Kunsthändler" Allergnädigst zu ver leihen geruht. Se. Majestät der König haben Allergnädigst ge ruht, dem OberamtSrichter Weidauer in Nossen an läßlich seines bevorstehenden UebertritteS in den Ruhe stand das Ritterkreuz I. Klasse vom Verdienstorden zu verleihen. Ee. Majestät der König haben Allergnädigst ge ruh», dem OpcrationSwärter bei der Frauenklinik zu Dresden Thomas das Allgemeine Ehrenzeichen zu verleihen. Ernennungen, Versetzungen rc. im öffentlichen Dienste. Hu, Geschäftsbereiche deSvttntftertu»« derFtnanze«. Bei der Postverwaltung sind ernannt worden: Reichert, zeüher Postdirektor in DreSden-Neustadt 6, als solcher bei dem Postamte 4 in Chemnitz; Richter, BergwkrkSkassierer, al» Postagent in Hänichen. Hm Geschäftsbereiche des Mtntftertums des Kultus un» öffentlichen Unterrichts. Erledigt: die Schulstrlle m Langenau. Kollator: die oberste Schulbehörde Ein kommen — außer freier Wohnung mit Bartengenuß und Honorar für Fortbildungsschule — 1200 M Bewerbung«- gesuche sind biS 1. November bei dem König! BezukSschul- mjpkltor für Döbeln, Schulrat MuShacke, einzureichen Nichtamtlicher Teil. Tozialdemokratischt Taktiker. Der Streit um die Grundsätze und Taktiken der sozialdemokratischen Bewegung ist von dem Stuttgarter Parteitage nunmehr in die Spalten der sozialistischen Presse übergegangen. Im „Vorwärts" setzt „Genosse" Bernstein nochmals lang und breit auseinander, wie seine bereit- mehrfach wiederholten Ausführungen über die „Katastrophentheorie" richtig aufgefaßt werden müßten. Indem Bernstein die Anschauung, daß der Zusammenbruch der bürgerlichen Gesellschaft und eine auS ihm sich ergebende allgemeine große Katastrophe nahe bevorsteht, als irreführend und verderblich be zeichnet, warnt er vor der Gefahr, „daß doch nicht alles gethan wird, diejenigen Etappen zu nehmen, die jedenfalls auf dem Wege zum Ziele liegen." Dieses Ziel, welches noch lange nicht das letzte Endziel des Sozialismus zu sein braucht, ist zunächst die Eroberung der politischen Herrschaft durch die Sozialdemokratie; die Arbeite,klasse soll die regierende Klasse werden und „auf irgend eine Weise' die RegicrungSgewalt auSüben. Strittig sei nur, „ob die in der Sozial demokratie ruhende potentielle Kraft auch schon groß genug ist, sie zur Uebernahme und zielführenden Aus übung der politischen Herrschaft zu befähigen." Doch diese Erwägung bereitet dem „Genossen" Bernstein un gleich weniger Sorgen als die Befürchtung, daß die „Doktrinäre der Taktik" irgend etwas unterlaßen könnten, was den Uebergang der politischen Macht in die Hände der Revolution-Partei zu beschleunigen ge eignet ist. Ein Programm für diese realpolitischc Ausnutzung der gegebenen Verhältnisse wird übrigens von Bernstein nicht ausgestellt. .Genosse" Kautsky, der Herausgeber der „Neuen Zeit", wendet sich gegen den Bernstein'schen „Re visionsfeldzug" in Auslassungen, die, soweit sie über haupt einen greifbaren Kern haben, in dem Hinweis gipfeln daß die Partei nicht nur nach den jeweiligen Verhältnissen, sondern auch nach ihren Grundsätzen sich richten müsse. Aber freilich, auch er giebt zu, daß die Rechnung auf den Hereinbruch einer Kata strophe nicht stimmen dürfte, schon deshalb nicht, weil „die Zeit der insurrekiionellen Handstreiche und der glücklichen Straßenkämpfe mit dem Militär vor bei sei". Die „Nordd. Allg. Ztg." bemerkt dazu: Man könnte die eine erstaunliche Verworrenheit der Mei nungen verratenden Plänkeleien der „Genossen" unter einander über die Pfade, auf denen sie zunächst wandeln wollen, getrost auf sich beruhen lassen, wenn nicht eine ganze Anzahl bürgerlicher Blätter auS diesen müßigen Erörterungen immer von neuem folgern würden, die Sozialdemokrat e sei im Begriff, ihre staatsfeindlichen Pläne aufzugeben. Selbst in Blättern, denen nationale Gesinnung nicht abzustreiten ist, wird unter Berufung auf den Stuttgarter Partei tag die Meinung velautbart, eS sei zweckmäßig, der weiteren Entwickelung der Sozialdemokratie mit ver schränkten Armen zuzüschauen. Nachachtung wäre diesen Ratschlägen vielleicht zu schenken, falls au- den bisherigen Auseinandersetzungen thatsächlich sich entnehmen ließe, daß die stärker hervordrängende sozialistische Jung mannschaft die unerläßlichen Grundlagen unserer gegen wärtigen Staatsordnung zu respektieren willens ist. Zu einer solchen optimistischen Auffassung bieten jedoch weder der Parteitag in Stuttgart, noch die Erörterung Bernstein-Kautsky auch nur den mindesten Anhalt. Bernstein sowie Kautsky sind darin einig, daß die sozialdemokratische Partei alle Hebel in Be wegung setzen müsse, um die „politische Herrschaft" zu erringen. Sei dieses Ziel erst erreicht, dann werde man weiter sehen, waS geschehen müsse, um das bis dahin aufgehobene kommunistische Programm zu ver wirklichen. Bernstein ist aber der Ansicht, daß die „Genossen" in Deutschland nicht sorgfältig genug nach den Gelegenheiten ausspähen, um ihre sozialistischen Haken in den bürgerlichen Organismus einzufchlagen. Dem widerspricht KauiSky, aber nur unter dem Ge sichtswinkel, das; die Partei nicht gänzlich von ihren Prinzipien sich loSlösen dürfe. Beide Koryphäen der Umsturzpartei stimmen überein in der Anschauung, daß Staat und Gesellschaft in ihrer bisherigen Ge stalt einer sozialistischen Neuordnung weichen müssen, und daß die nächste Etappe zu diesem Ziele die Er oberung der politischen Macht durch die Arbeiterklasse ist. In Wirklichkeit ist ihnen „das Endziel" — alle«. Diese Tendenzen unbehindert wachsen zu lassen, wäre unverantwortlich. Eine Warnung vor Sicherheit. Aus konservativen Kreisen wird uns geschrieben: In der ersten Beilage zu Nr. 234 des „Dresdner Journals" wird auS Treuen i. V. berichtet, daß bei den letzten Wahlen für den Kandidaten der OrdnungS- partei in einem Kreise, in dem 160 Militärvereins- Mitglieder wohnen, nur 55 Stimmen, und in einem Wahlkreise, in dem 56 Mitglieder ihren Wohnsitz haben, sogar nur 13 Stimmen abgegeben worden sind. In der am 2. Oktober abgehaltenen Versammlung der sächsischen Militär- und Kriegervereine des Bezirks Auerbach knüpfte der Vorsitzende an diese betrübende Thatsache die Bemerkung: „Es kann sich niemand der Überzeugung verschließen, daß wir Heuchler und Lügner unter uns haben, welche uns dadurch belügen, daß sie unS vormachen, sie siien königstreue Männer. ES ist keine verbotene Politik, wenn wir diese umstürzlerischen Elemente, die keinen Gott und kein Vaterland haben wollen, nicht unter uns dulden. Wir müssen dafür sorgen, daß unsere Vereine dem Königshaus? treu bleiben; deshalb ist eS Pflicht eines jeden Kameraden, dafür Sorge zu tragen, daß solche versteckte Sozialdemokraten und Heuchler auS unserer Mitte hinauSkommen." Mit Befriedigung werden alle OrdnungSsreunde von dieser Mahnung des Vorsitzenden Kenntnis nehmen. Die ihr zu Grunde liegende Thatsache aber giebt zu denken. Von vielen werden die Militär- und Krieger- vereine wegen ihres Wahlspruches: „Mit Gott für Kaiser und Reich, König und Vaterland" und in An betracht ihrer noch Hunderttausenden zählenden Mit glieder für eine feste Stütze der öffentlichen Ordnung, für eine Schutzwehr gegen das Vordringen der Sozialdemokratie gehalten. Zweifellos ist es auch den Führern dieser Vereine und vielen ihrer Mit glieder heiliger Ernst mit der Befolgung ihres Wahl spruchs. ES wäre aber gefährlich, sich hierdurch in Sicherheit einwiegen zu lassen. Wiederholt schon sind Militärvereine genötigt gewesen, Mitglieder auszuschließen, weil diese als Anhänger der Umsturz- Parteien erkannt waren. Wiederholt schon hat der Militärvereinsbund ganze Vereine wegen ihrer ordnungS- und staatsfeindlichen Haltung aus seiner Mitte entfernen, wiederholt hat auch die Regierung solchen Vereinen den Genuß der den Militärvereinen bewilligten Ehrenrechte und Vergünstigungen entziehen müssen. Die im Bezirke Auerbach gemachte Erfahrung steht durchaus nicht vereinzelt da. Wenn in allen Wahlbezirken, in denen demokratisch gewählt wurde, die Anzahl der stimmberechtiqten Militärvereins Mitglieder und der für den Kandidaten der Ordnungs partei abgegebenen Stimmen festgestellt werden könnte, würde dies hier und da zu recht betrübenden Ent hüllungen führen. Bei festlichen Gelegenheiten, wo die Vereine mit schön geschmückten Fahnen in glänzender Parade aufziehen und mancherlei Ehre und Freude genießen, ist gewöhnlich auch ein brausendes Hoch auf Kaiser und Reich, König und Vaterland zu hören. Aber sind wir auch sicher, daß von denen, die in das Lebehoch eingestlmmt haben, wenn es zum Wählen kommt, keiner mit der Partei stimmt, die das Königtum obschaffen und den Staat Umstürzen will? Wir haben in dieser Beziehung von glaubwürdiger Seite ernste Zweifel aussprechen hören. Es braucht nicht immer böser Wille im Spiele zu sein. Die Sendboten der Sozial demokratie ziehen durch Stadt und Land und umschmeicheln heuchlerisch die Wähler, mancher Schwache fällt nicht sowohl aus Bosheit, wie au- Unverstand in ihre Netze. Wohl an gebracht ist darum die Warnung vor einem allzu- großen Vertrauen, das zu schmerzlicher Enttäuschung führen könnte. Mögen auch die Vorsteher der Militär vereine von den redlichsten Gesinnungen beseelt sein, keiner von ihnen vermag dafür einzustehen, daß auch nur die Mehrzahl seiner Vereinsgenossen bei Wahlen mit der LrdnungSpartei stimmen werke. Ter Grund dieser betrübenden Thatsache liegt in einer Bestimmung unserer Wahlgesetze, die man nicht anrühren darf, ohne sich der heftigsten Anfeindung auSzusetzen: in der geheimen Stimmgebung. Dennoch sei es gewagt. Es wird in unseren Tagen viel gesprochen von Wahrheit und Redlichkeit, von Gesinnungstüchtigkeit und Ueberzeugungstreue, von ManneSmut und Männer stolz vor Königsthronen. Gleichzeitig heißt es aber, die geheime Abstimmung bei Wahlen sei die Vor bedingung der Wahlfreiheit. Warum denn? Giebt eS für politische Wahlen ein anderes Sittengesetz als sonst im Leben? „Ja", spricht der Arbeiter, „wenn der Fabrikbesitzer erführe, daß ich den Sozialdemo kraten wähle, würde er mir die Arbeit kündigen". Vor dem Arbeitgeber soll also die Gesinnung ver heimlicht, er soll darüber ge'äuscht, die Arbeitsstätte und der Arbeitslohn sollen durch Heuchelei und Trug e'kauft werden. Wo bleibt die Wahrheit und die Redlich ¬ keit? Oder der Sohn spricht: „Wenn mein Vater wüßte, wie ich wähle, würde ich ihn kränken und mich bitteren Vor würfen aussetzen." Er weiß also, daß er den Vater kränkt, und thut eS dennoch. Er hat wohl nie versucht, seinen Standpunkt ehrlich darzulegen, mit Gründen zu recht fertigen; er ist sich vielleicht bewußt, daß er nicht im stände ist, den Vater zu widerlegen oder für seine Ansichten zu gewinnen. ES ist ihm aber bequemer, daß er nicht Farbe zu bekennen braucht. Wie steht eS da mit Gesinnungstüchtigkeit und Ueberzeugungs treue? Der Freigeist mit Lackstiefeln und Glace handschuhen entschuldigt sich: „wenn bekannt würde, daß ich rot gewählt habe, müßte ich befürchien, im Kasino und von einflußreichen Gönnern zur Ver antwortung gezogen oder gemaßregelt zu werden". Was wird da aus dem „Männerstolz vor Königs thronen?" Niemand kann in Abrede stellen, daß hinter dem Verlangen nach geheimer Abstimmung ein gutes Teil Feigheit, Hinterlist und Betrug sich ver birgt Freilich ist an eine Abänderung unserer Wahl gesetze in diesem Stücke nicht zu denken; es liegt uns auch fern, eine solche anzuregen und damit den Um sturzparteien eine Waffe für die Wahlumtriebe an die Hand zu geben Aber die Frage wird wohl gestattet sein: wie kommt es, daß diejenigen, die in allen Stücken sonst für volle Öffentlichkeit schwärmen, Öffentlichkeit in der Rechtspflege, in der Verwaltung selbst, im Gerichtswesen des Heeres rc., die aus lauter Liebe zur Öffentlichkeit Pflichtverletzung und Vertrauenibruch begünstigen und mit unverhehltem Wohlbehagen die vertraulichen Schriftstücke anderer zur allgemeinen Kenntnis bringen, daß gerade diese bei Ausübung eines ihrer wichtigsten öffentlichen Rechte auf Heimlichkeit dringen? Kann es einem Manne zur Ehre gereichen, wenn er sich scheut, zu dem, was er in öffentlichen Angelegenheiten thut, sich auch öffentlich zu bekennen? Das stetige Anwachsen der sozialdemokratischen Stimmen bei den Wahlen spricht eine sehr deutliche Sprache. Tagesgeschichtr. Dresden, 14. Oktober. Se Majestät der König kamen heute vormittag >^11 Uhr von Villa Strehlen ins Residenzschloß, nahmen zunächst militärische Meld ungen und danach die Vorträge der Herren Staats minister und TepartementSchefS der König! Hofstaalen entgegen. Nachmittags kehrten Se. Majestät nach Strehlen zurück. Zur heutigen Königl. Tafel ist der Kaiser!. Deutsche außerordentliche Gesandte und bevollmächtigte Minister zu Caracas in Venezuela, LegationSrat Graf v Rei, mit Einladung ausgezeichnet worden. Deutsches Reich. * Berlin Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin sind, wre durch da» „W T.-B" aus Venedig gemeldet wird, gestern mittag 12 Uhr 45 Min in Begleitung des StaatSministers v Bülow und des Gefolges daselbst eingerronen und am Bahnhofe von Ihren Majestäten dem Könige Humbert und der Königin Margherita empfangen worden Ferner waren zum Empfange er schienen der Ministerpräsident Pellour, der Minister de« AuSwärtigen Eanevaro, der kommandierende General de« 5 Armeecorp«, General Parravicino, der Kommandant de« 3. Marinedepartements Vizeadmiral Frigerio, sowie der Präfekt und der Sindaco von Venedig Tie Begrüßung zwischen den Majestäten war eine überaus herzliche. Vom Bahnhose au« fuhren die Majestäten in Hofgondeln, denen acht städtische Gondeln in der Bauart vergangener Jahrhunderte vorausfuhren, durch den Canal grande nach dem Königl Palast Dir deutschen und die italienischen Majestäten wurden aus der ganzen Fahrt und bei Ihrer Ankunst aus dem Markusplatze von einer großen Volks menge stürmisch begrüßt Die Begeisterung erreichte ihren Höhepunkt, al« zuerst Ihre Majestät die Deutsche Kaiserin mit der Königin Margherita und sodann die beiden üunk und Wissenschaft. König!. Schauspielhaus. — Am 13. d. Mt« : „Das Erbe." Schauspiel in vier Aufzügen von Felix Philippi. (Zum ersten Male) Der gestrige Abend erbrachte wieder einmal den schla genden Beweis, daß zwischen der dramatischen Dichtung, in der da« Leben oder mindestens ein Stück Leben in dramatischer Form künstlerische Gestalt gewinnt und eine poetische Natur ihre Deutung de« Welträtsel« offenbart und zwischen theatralischer Erfindsamkeit und Technik nach wie vor ein Abgrund klafft — ein merkwürdiger Abgrund, insofern er den Augen de« Publikum« halb verhüllt, ja meist geradezu unsichtbar bleibt Denn die Meisterschaft, die unter den Dichtern nur die AuSerwählten erreichen, kann nach einer ganz anderen Richtung hin auch von lediglich bühnenkundigen, au«schließlich starke theatralische Wirkungen erstrebenden Bühnenschriftstellern erstrebt und erwiesen werden Da« gestern abend mit rauschendem, ja stürmischem Beifall begrüßte, namentlich in seinen beiden ersten Akten mit sorgfältigster Spannung«kunst ent worfene Schauspiel „Da« Erve" verzichtet von vornherein darauf, durch dichterische« Leben«gefühl, durch echte Leiden schaft, tiefere und wärmere Beseelung seiner Gestalten, durch den Reichtum charakteristischer Mannigfaltigkeit dauernde Teilnahme zu erwecken Aber e« ist mit sicherster Berechnung auf den Doppeleindruck eine« packenden, scheinbar ganz realistischen Vorgang«, einer drohenden Katastrophe in einem großen Leben und einer noch größeren Wirksamkeit und einer Bedeutung gestellt, die sich diesem Vorgang geben läßt, und die ihm da« Publikum überall geben wird E« bricht dem bi« an die Tragik herangeführten Konflikt zwischen dem jungen Be sitzer der großen E M Larunschen Werke und seinem Generaldirektor Heinrich Sartoriu«, der der eigentliche Schöpfer diese« Werke« ist und, mit dem der-chtlgten Gefühl unv der falschen Logik de« Luvwiglchen Erbsörsters, die Werke samt ihrem Weltruf und ihrem Heer getreuer Arbeiter als sein „Erbe" betrachtet, dadurch die Spitze ab, daß e« Sartoriu« im letzten Augenblicke gelingt, einen schuftigen Gesellen, der die Geheimnisse der Fabrik verkauft und Zwietracht zwischen ihm und seinem jungen Herrn sät, zu entlarven und daß sich der Baron Larun au« dem beeinflußten und gegängelten Gebieter in den Sozius de« gewaltigen Betriebsdirektor« verwandelt Auf die Wahrscheinlichkeit der gesamten Handlung ist dabei ebenso wenig besondrer Bedacht genommen, al« auf die Belebung der mannigfachen Figuren, die durch die vier Akte hindurchgehen, während die Aufmerksamkeit immer aus den einen Mann, auf sein Thun und Lassen gerichtet bleibt. Der Verfasser macht entschlossen die alt französische Maxime: ,,pour fair« unv omvlvttv il läut c»88vr osuts" zu der seinigen, er hat nur den Zweck einer zwingenden Spannung, aber den mit aller Energie im Auge, er erreicht ihn vortrefflich, würde ihn erreichen, wenn e« sich auch nur um die Entdeckung de« Modell diebe« handelte, der die Larunsche Gewehrkonstruktion an Oliver Born und Compagnie verraten hat Nun dazu der Bruch zwischen dem heroischen Generaldirektor und dem jungen Erben seine« alten Herrn in eine schillernde Beleuchtung gerückt wird, ohne daß man unmittelbar von tendenziöser Absicht sprechen dürfte, so steigert sich die Spannung zu einer Art Hypnose, bei der da« Publikum nicht mehr recht« und link« sehen kann E« hieße dem Verfasser gewissermaßen einen schlechten Dienst leisten, wenn man d»e Handlung de« Schauspiel« ausführlicher erzählen wollte Sie verträgt keine Dekompo sition, sie will auf den Brettern mit erlebt sein und kann ihre stärkste Wirkung eigentlich nur auf Zuschauer haben, die von den Einzelheiten de« Gange« nicht« wissen und bi« zum Schluß kaum ahnen, auf welche be sondere Weise Generaldirektor Sartorius Sieger bleiben wird — Die straffe Zusammenfassung de« ersten und zweiten Alres erscheint >m dritten und vierten Akt etwas gelockert, immerhin versagt keine Scene vollständig, und es wird der innere Mangel des Schauspiels erst dadurch fühlbar, daß der Verfasser gewisse Nebengestalten geradezu al« Schachfiguren heranzieht und wieder wegschiebt, wa« in Bezug auf Fräulein Hertha Sartoriu« und Fräulein Klarissa van der Matthiesen sogar dem ganz und gar von der Spannung Befangenen nicht völlig entging Tie Sprache des Schauspiels entspricht seinem allgemeinen Charakter, sie dient dem Zweck de« raschen Vorwartttreiben« und überläßt e« ganz und gar den Darstellern, den Hauch lebendiger Wirklichkeit und individueller Besonder heit hineinzulegen. Eine so gewaltige Herrschernatur wie der Geheime Kommerzienrat SortoriuS sollte billigerweise ein wenig mehr Geist und eigentümliche Kraft de« Aus druck« haben, doch mit allen solchen Forderungen geraten wir auf einen Boden, auf dem der Verfasser überhaupt nicht steht Den handwerklichen Teil der Bühnenschrift stellerei, der erlernbar ist (obschon ihn immerhin nur wenige Begabte erlernen!), hat er bi« zur Meisterschaft inne, wie wahr e« aber ist, daß erst jenseit« diese« Teil« die eigentliche Kunst, die Poesie, beginnt, war dem neuen, so außerordentlich geschickten Schaufpiel Philippi« gegen über stark zu empfinden und muß namentlich bei wieder holtem Sehen hervortreten, wenn die bloße Spannung aus den Verlauf nicht mehr wirkt und die Wirkungen der innerlichen Au«sührung, der seelischen Vertiefung und Fülle in ihr Recht treten sollen, die hier fehlen. Philipp« Schauspiel ist für die Wiedergabe fast durchau« auf die Kraft und Kunst ve« Darsteller« der Hauptgrstalt angewiesen Nicht überall dürste der Ver fasser einen so vorzüglichen, die Gestalt de» Sartorius so mächtig erfassenden, energisch rundenden, »ich in dem Toppellicht, da« ihr geliehen wird, so glücklich bewegenden Vertreter finden, wie Hr Wiene ist E« war der Natur de« Schauspiel« zufolge eine Virtuosenleistung, mit der Hr Wiene hinriß und dm Löwenanteil des Beifall« an sich zog LUcs was m solcher Rolle dre schärfste LebenS- beobachtung, die Beweglichkeit de« eigenen Naturells, die Kraft und Ausdauer, die entschlossene Gestaltung von kleinen Motiven, die in der Dichtung kaum angcdeutet find, zur vollen Wirkung zu thun vermag, geschah in deS Künstler« vorzüglicher Verkörperung des Generaldirtttor« Neben der Herrschernatur, dem Ueberlegenheitsgesühl, dem unerschütterlichen Selbstvertrauen, das ein« mit seiner Sache geworden ist und ihn darum verführt, gleich sach liche Beweggründe bei anderen vorauSzusetzcn, entfaltete Hr. Wiene die unbekümmerte Formlosigkeit eines großen Menschen, eine unbefangene Lebentlust, eine Art ingrimmigen Behagen», wa« alles zu einer lebensvollen Erscheinung zusammenklang In Haltung und Ton, »n den innere Macht fordernden gewaltigen Steigerungen blieb Hr Wime nichts schuldig, sein Sartorius war eine Leistung ersten Range« Neben dieser Gestalt wollen alle andern so wenig be deuten, daß es nur noch Frau Firle (Henriette Sar toriu«), Hrn Franz (Baron Karl v Larun) und Hrn Müller (Geh Rat v Küstner) gelang, ihre Rollen zu einem lebendigeren und hier und da tiefer berührenden Eindruck zu steigern. Eine vortreffliche Episodenfigur gab Hr Renö in dem verkommenen Lorinser, dcm Mitschul digen Matthiesen« Tie übrigen Rollen waren in guten Händen, aber weder Hr Eckelmann (van der Matthiesen) noch die Herren Huff (Roßmann), Swoboda (Werksührer Lipetzky), Eggerth und Gunz (Ingenieure Wesendonk und RahnSdors), noch die Damen Frl Serda (Hertha Sartoriu«) und Frl Diacono (Klarissa van der Mat thiesen) vermochten den ganz unbrseeltcn Figuren mehr al« charakteristische Aeußrrlichkeit zu verleihen Tie Haupt darsteller wurdm an allen Aktsch :ssm, der Verfasser am Schlüsse de« Stücke« wiederholt hervorgerufen Adolf Stern
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