Volltext Seite (XML)
Dresdner T Journal. königlich SAchfischev Staatranzeiger. Verordnungsblatt der Ministerien und der Ober- nnd Mittelbehörden. Nr. 45. t» Beauftragt mit der verantwortlichen Leitung: Hofrat DoengeS in Dresden. < Freitag, 23. Februar 1912. Bezugspreis: Beim Bezüge durch die Expedition, Große Zwingerstrabe 1«, sowie durch die deutschen Postanstalten S Mark vierteljährlich. Einzelne Nummern 10 Pf. Erscheint: Werktag« nachmittag«. — Fernsprecher: Expedition Nr. 1295, Redaktion Nr. «S74. Ankündigungen: Die ispaltige Grundzeile oder deren Raum im AnkündigunaSteile »0 Pf., die »spaltige Grundzeile oder deren Raum im amtlichen Teile 7S Pf., unter dem Redaktiontstrich (Eingesandt) 150 Ps. Prei-ermäßigg. auf GeschäftSanzeigen. — Schluß der Annahme vorm. 11 Uhr. Der BundeSrat hielt gestern eine Plenarsitzung ab. Das gegenwärtig in London tagende internationale «ergarbeitertomitee ist zu einem Einverständnis darüber ge kommen, daß im Falle eines Russlands in England eine internationale Aktion unternommen werden soll. * Die gestrige erste Sitzung des italienischen Parlaments nach der Vertagung war eine begeisterte Kundgebung für die Armee und Marine sowie den Erwerb von Tripolis und Lyrenaika. * Beim Übergang einer Wanderzirkusgesellschaft zwischen Panosova und Semlin über die mit Treibeis gehende Donau auf drei Flüßen kenterten diese. Drei Personen ertranken, die Tiere kamen sämtlich um. * Au, Panamakanal haben wieder erhebliche Erdrutsche stattgefunden. Ein furchtbarer Sturm hat im ganzen östlichen Teile der Bereinigten Staaten von Amerika große« Schaden an gerichtet. Amtlicher Teil. An der Königlichen Turnlehrer-Bildungs-Anstalt "zu Dresden beginnt am 15. April 1912 ein Lehrgang zur Anobildung von Turnlehrer«. Die Teilnehmer an diesem Lehrgänge müssen die Bormittage jedes Wochentages und wöchentlich drei Nach mittage zur Beifügung haben. Gesuche um Zulassung sind unter Beifügung 1. des Geburts- oder Taufscheins, 2. eines ärztlichen Gesundheitszeugnisses, 3. eines amtlichen Zeugnisses über die sittliche Führung, 4. eines selbstgeferligten Lebenslaufes, 5. der Zeugnisse über die genossene wissenschaftliche, bez. Schulbildung und über die turnerische Vor bildung, 6. eines Staatsangehörigkeits-Ausweises bei dem unterzeichneten Ministerium bis zum 23. März 1912 einzureichen. SchulamtStandidaten haben nur die vorstehend» unter Nr 2, 3, 4 lind 5 genannten Unterlagen beizu bringen. Sämtliche Bewerber haben sich einer Aufnahme prüfung im Turnen zu unterziehen. Bewerber, die die Reifeprüfung an einer höheren Lehranstalt nicht be standen, haben außerdem vor Zulassung zum Lehrgänge eine Prüfung im schriftlichen Gedankenausdruck ab zulegen. Dresden, am 31. Januar 1912. i8«Sem. Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts. ss? Ernennungen, Versetzungen re. im öffentlichen Dienste. Im Geschäftsbereiche de« Evangelisch-lutherischen Lande-konfiftoriums ist im regelmäßigen Verfahren zu be setzen: Da« Pfarramt zu Tharandt (Dresden II), Kl. IV 8, Koll.: Das Ev.-luth Landeskonsistorium. — Angestellt bez. versetzt wurden: K. E. Kohls dorf, Kandidat, als Hilfsgeistlicher in Limbach (Chemnitz II), «. ». H. Rau, Hilf-geistlicher in Lim- Alch, Diakonu« an der Lutherkirche zu Glauchau (Ephoralort), k. I. E. Raeck, Pfarrer in Stöntzsch, als Pfarrer in Mark neukirchen (OelSnitz), l». vr. A. F. B od el, DiakonuS in Netzschkau, als Diakonus in Pesterwitz (Dresden II), 1'. K. F. Feurig, Diakonus in Crunnmschau, als Archidiakonus an der Laurentius- kirche daselbst (Werdau), G.H. »öhler, Hilssgeistlichcr in Leipzig- Plagwitz, als DiakonuS an der Laurentiuskirche in Crimmitschau (Werdau), G. F. O. Voigt, Kandidat, als Hilfsgeistlicher in Leipzrg.Plagww (Leipzig I), p. «. E. I. Ullrich, Diakonus in Frohburg, als Psarrec in Limbach (Oschatz). Nichtamtlicher Teil. Vom Königlichen Hofe. Dresden, 23. Februar. Se. Majestät der König nahm vormittags militärische Meldungen sowie die Vor- träge der Herren Staatsminister und des Kabinetts sekretärs entgegen. Nachmittags besichtigte Se. Majestät die Schokoladenfabrik von Petzold u. Aulhorn auf der Bienertstraße. Deutsches Reich. Bundesrat. Berlin, 22. Februar. Der Bundesrat hat in der heutigen Sitzung der Vorlage betreffend Zollerlaß für Kartoffeln und der Vorlage betreffend Ergänzung und Änderung des Taratarifs die Zustimmung erteilt. Zur Annahme gelangten die Vorlagen betreffend die Prägung von b Miu. M. in Zehnpfennigstücken, von 21 Mill. M. in Dreimarkstücken, sowie von je 4,5 Mill. M. in Zwei- und Einmarkstücken, von 2 Mill. M. in Zweipfennigstücken und von 3 Mill. M. in Einpfennigstücken. Die Wehrvorlagen und ihre Deckung. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" schreibt: Aus den Verhandlungen des Reichstags ist bekannt, daß die zu erwartenden Wehrvorlagen den Bundesrat noch nicht be schäftigt haben, und daß bisher weder über die Höhe der Forderungen noch über die Art ihrer Deckung Beschlüsse gefaßt sind. Die beteiligten Instanzen beschleunigen nach Möglichkeit die Arbeiten, und eS kann erwartet werden, daß in kurzer Zeit über die Regierungsvorlagen Klarheit geschaffen sein wird. Die formulierten Vorschläge der Kriegsverwaitung, aus die der weit aus größte Teil der Neusorderungen entfallen werden, sind gestern in die Hände de- Reichskanzlers gelangt. Leider wird die Zeit der Vorbereitung dazu benutzt, um allerlei mehr oder weniger falsche Kombinationen, teils über den Inhalt der Wehr vorlagen, teüs über die Deckungssrage zu verbreiten. Ins Gebiet der reinen Erfindung gehört die Angabe, der Staatssekretär des Reichsschatzamts sei ein Gegner der Verstärkung unserer Wehr fähigkeit. Dis Rtvenuufgabe ver Luxusstotts. Unter dieser Überschrift schreibt der „Deutsche Flotteuverein": Eine volle Freude über die «reue deutsch-englische Wendung wird erst eintreten können, wenn inan die Bedingungen kennt, unter denen sie sich vollzieht. Die Schöpfung unserer Flotte ist zwar zweifellos eine Haupturjache des überaus starken Grolls des britischen Löwen, anderseits ist unsere Flotte derjenige Faktor gesvesen, der ihn in erster Linie nachdenklich und, Ivie es scheint, nachgebend gemacht hat. Die Schulbeispiele, daß für eine Kontinentalmacht der Land krieg das Ausschlaggebende und zwar insonderheit für Deutschland gewesen sei, sind nicht erschöpfend für eine neue Lage. Gegen eine reine Flottenmacht kann man nachhaltigen Erfolg nur durch die gleiche Waffe erzielen. Bonar Law, der Führer der englischen Konservativen, selber hat das zutreffend auseinandergesetzt. Aus anderen Griechen erscheint die Ausfüllung der Armee lücken ebenso notwendig. Ein Streit über die Priorität ist ganz müßig. Für Armee und Marine hat da- Notwendige gleichzeitig bi- zur erforderlichen Grenze zu geschehen. Ein starker nationaler Wille bleibt das einzig Erforderliche. Wer jetzt nicht Augen hat, zu sehen und Ohren, zu hören, der ist wahrhaftig alles andere eher, als ein Vertreter der Interessen seiner Nation. Vorläufig steht der Sieg de- Unsinns noch nicht in Aussicht; aber es bedarf der hartnäckigsten Anfpannung derer, die eine heiße Liebe zu ihrem Volke im Herzen tragen, um ihn völlig zu verhüten. über eins aber sollten wir uns zunächst klar werden. Das Wort von der Luxusflotte wird bei un» stark nachgeprägt werden, wenn die deutsch-englischen Verhandlungen sich festen Verein barungen nähern. Rie wird uns die kraftvolle Flotte wertvoller sein, als gerade nach Gelingen einer Vereinbarung! Man soll sich hüten, die Illusion einer dann möglich werdenden Luxus flotte aufkommen zu lassen. Flotte und Armee spielen bei einem deutsch-englischen Geschäft eine gänzlich verschiedene Rolle. Was England als eventuellen Einschuß — schon als moralisch wert vollen — ansieht, ist die deutsche Armee. Diesen Einschuß möchte es möglichst billig ohne den Druck der deutschen Flotte haben. Für uns aber bedeutet unsere starke Flotte dann denjenigen Garantiefaltor, der uns überhaupt da- gemeinsame Geschäft dauernd sicherstellt. Dann erst gelangen wir zu einer Firma, worin beide Sozien mit gleichem Rutzen arbeiten werd.n, in oer unsere Herabdrückung zum „Angestellten" unmöglich gemacht wird. Das ist der Kernpunkt! Rach diesem zielte Churchills Pfeil. Für den einsichtsvollen deutschen Patrioten kommt es daher bei ganz nüchternem Kalkül nicht auf „Abrüstung" an, auch nicht auf „Wettrüstung", sondern nach wie vor auf eine garantie- gewährende deutsche Flottenkraft, die voraussichtlich mit ver hältnismäßig geringen Kosten und im wesentlichen innerhalb des FlottengesetzeS erhalten werden kann. Keine Friedensausgabe wird sich besser rentieren als die für diese „Luxusflotte." Deutscher Brunnenrat. Die Erkenntnis der alten Wahrheit, daß das Wasser auch zum Trinken da ist, und der Pflicht, einen Trunk frischen Wassers den Wanderern in Stadt und Land, den Kindern auf dem Spielplatz und den Markt- besuchern zu bieten, hat den deutschen Verein gegen den Mißbrauch geistiger Getränke ver anlaßt, eine besondere Kommission, den deutschen Brunnenrat, einzusetzen, bestehend aus Männern der Gemeindeverwaltung, der Gesundheitspflege, des Kunst fachs, des Schulwesens, des sozialen Vereinsamts. Auf gabe dieses Brunnenrates ist, die Bewegung zur Er Haltung schöner alter und Schaffung neuer — gesund heitlich einwandfreier und künstlerisch wertvoller — Trinkbrunnen zu fördern. In den vergangenen Jahren hat er zahlreiches Material gesammelt und nach verschiedenen Seiten hin Anregungen gegeben, namentlich durch die Beschickung der Städtebauausstellungen in Charlottenburg und Düsseldorf und der Internationalen Hygiene-Aus stellung in Dresden sowie durch die Jnteressierung der Verwaltungen aller größeren und mittleren Städte Deutschlands für seine Bestrebungen. Vorausgesetzt, daß ihm die nötigen Mittel dargeboten werden, wird der Deutsche Brunnenrat künftig seine Gedanken in weiteren Kreisen ausbreiten und im Verein mit Bildhauern, Architekten und Konstruktionswerkstätten in die Tat umsetzen. Kleine politische Nachrichten. München, 22. Februar. Dem Ministerpräsidenten Frhrn. v. Hertling ist nachfolgendes Schreiben aus der Geheim kanzlei des Prinz-Regenten zugegangen: Im Allerhöchsten Auftrag habe ich die Ehre, Ew. Exzellenz mitzuteilen, daß Se. König!. Hoheit der Prinz Regent Ew. Exzellenz den Verdienst orden vom Heiligen Michael 1. Klasse verliehen hat. Se. König!. Hoheit wollen mit dieser Ordensverleihung Allerhöchstihr Vertrauen zu Ew. Exzellenz und insbesondere den Dank dafür zum Ausdruck bringen, daß Ew. Exzellenz die Mühen de- neuen Amtes übernommen haben, gez. v. Wiedemann, Generaladjutant. Reichstag. Sitzung vom 22. Februar 1912. An» Bundesratstische: die Staatssekretäre vr. Delbrück und Wermuth sowie der preußische LandwirschaftSminister Frhr. v. Schorlemer. Präsident vr. Kaempf eröffnete die Sitzung um 1 Uhr 20 Min. Die Besprechung der Interpellationen betreffend Auf hebung des Futtermittel- und Kartosfelzolles wurde fort gesetzt. Abg. Antrick (joz.): Für uns ist die Antwort des Staats sekretärs keineswegs befriedigend ausgefallen. Sie zeigte die völlige Abhängigkeit der Reichsverwaltung von dem ostelbischen Junkertum. (Sehr richtig!) Durch eine plötzlich gesteigerte Nach frage nach Mais kann eine Erhöhung des Weltmarktpreise- ein- treten; diese Erhöhung würde aber bei weitem nicht so viel aus machen, wie der auf Mais gelegte Zoll. Wir müssen deshalb nach wie vor eine Aufhebung des Zolles für Mais und Futter gerste im Interesse der ärmeren Landwirte verlangen. Zwar werden die meisten Futtermittel zollfrei eingesührt; aber die Preise für diese werden beeinflußt durch die mit Zoll belegten Futtermittel. Wenn Sie (zum Zentrum) die Produktionskosten für die Landwirtschaft herabmindern wollen, dann müssen Sie mit uns für Aufhebung der Futtermittel- und Getreidezölle eintreten. Die Interessen des Großgrundbesitzes und des Sleinbesitzes sind unvereinbar; die Kluft zwischen beiden ist unüberbrückbar. Dem Volke draußen werden wir sagen, was von diesem Reichstage zu erwarten ist und von dieser Regierung, die unter der Fuchtel der Junker steht. (Beifall bei den Sozialdemokraten, Hu-Ruse im Zentrum und rechts.) Staatssekretär Wermuth: Ich finde, daß die Interpellationen in eine nicht besonder- glückliche Zeit fallen, da wir gerade gegenwärtig ein entschiedenes Sinken der Preise für alle land wirtschaftlichen Erzeugnisse sehen. Der Zoll ist auf Futtermittel und Kartoffeln ohne Einfluß gewesen. Die Einfuhr von FuNer- gerfte in den Monaten Oktober bis Januar ist genau so groß, ja noch etwa« größer gewesen als die Einfuhr in dem gleichen Zeit räume des Vorjahres. Bei Mais ist feit der letzten Interpellation im Herbste ein erbeblicher Preisrückgang zu verzeichnen. Der Handel rechnet übrigens infolge der günstigen La Plata-Ernte weiter mit günstigen Verhältnissen. Es ist auch anzunehmen, daß die Verwenoung von MaiS in den Brennereien jetzt noch stärker werden wird. Anzeichen dafür zeigen sich bereits. Damit würden wiederum gewisse Mengen Kartoffeln für den Konsum frei werde». Im übrigen wollte ich Ihnen mittheilen,daß der Bundes rat heute beschlossen hat, zu genehmigen, daß aus Billigkeits gründen Kartoffeln voriger Ernte von dec Verzollung frei bleiben. (Beifall.) Es trifft nicht zu, daß der Zoll auf Frühkartoffeln eigentlich ein Finanzzoll fein sollte, denn dann würden die Verbündeten Regierungen ihn 1902 eingebracht haben. Das haben sie aber nicht getan. Der Kartoffelzoll ist erst ans der Kommission hervorgegangen. Ein Antrag, einen Zoll von 2,b0 M. für die Zeit vom IS. Februar bis 31. Juli sestzusetzen, wurde damit begründet, daß man die Kartoffeln für den großen Konsum freilassen sollte, und daß nur beabsichtigt sei, die von außerhalb eingesührt:» Frühkartoffeln mit dem Zoll zu belegen. Dieser Zoll ist zuletzt bestehen geblieben in Höhe von 1 M. Die Befürchtung, saß auch die billigeren Kartoffeln von dem Zoll getroffen würden, hat sich nicht al« begründet erwi sen. In diesem Jahre liegen die Verhältnisse anders. Wir haben ein größeres Bedürfnis zur Einfuhr von Kartoffeln aus Rußland und den Niederlanden. Wegen der Strenge des Winters haben sich hierbei Unzuträglichkeiten gezeigt. Die Kartoffeln konnten nicht überall bis zum 15. Februar zum Versand kommen, es sind »och große Sendungen zu erwarten, und diese dürfen im Interesse de- Konsums und der Industrie dem Zoll nicht unterworfen werden. Hieraus können Sie das Interesse der Verbündeten Regierungen an dieser Frage erkennen, durch das sie die Volkswirtschaft von den gegenwärtigen Unzuträglichkeiten befreit haben. (Beisall ) Abg. Giesbert» (Z.): Das Zentrum hat sich bei den Zoll- tarisdebatten gegen den Kartoffelzoll gewendet. Die Sozialdemo kraten sollte» e- anerkennen, daß viele landwirtschaftliche Organi-