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19. Februar 1869 Redigirt unier Verantwortlichkeit des Verlegers E. Heinrich. Eimmddrti-igster Jahrgang. I. «Luartat. vrel« t 7 vkrteljLhrllch l-'/»Rgr. Za brziehm durch alle kgl. Poft- Rustalluu Ein unterhaltendes Blatt für den Bürger und Landmann Erscheint jeden Dienstag und Freitag früh. Politische Weltschau. Etwas post sostum machen zwei Schriftstücke die Runde durch die Presse, die hinsichtlich des griechisch-türkischen Konflikts nur noch ein retrospektives Interesse haben. Das eine ist das Schreiben, welche- der französische Minister deS Auswärtigen, Herr v. Lavalette, durch den Grafen Walewski gleichzeitig mit der Deklaration der Konferenzmächte an die griechische Regierung gelangen ließ, um dieselbe zur Nachgiebigkeit zu stimmen. Dasselbe sollte augenscheinlich die Erklärung der Konferenz insofern ab schwächen, als eS ausdrücklich hervorhebt: man habe auf die Antecedentien der kandiotischen Frage nicht noch einmal eingehen «ollen, sondern bei der Deklaration nur die Absicht gehabt, die für die Zukunft festzu haltenden Regeln deS internationalen Verkehrs aufzustellen. — Das zweite der erwähnten Schriftstücke geht geradezu näher auf jene Antecedentien ein. Es ist dies eine Zuschrift des Herrn Boudoures, Mitgliedes des griechischen Ministeriums für das Aeußere vom Jahre 1864, an die „Times", worin in ausführlicher Weise die Thatsache besprochen wird, daß das damalige Ministerium ein Gesuch der Kandioten zur Unter stützung des beabsichtigten Aufstandes zurückgewiesen habe. Diese Zuschrift wird von englischen und französischen Blättern ausgebeutet, um die Inkonsequenz der griechischen Regierung im Verlaufe des kandiotischen Aufstandes darzuthun. Beide Briefe haben, wie gesagt, nur noch ein geschichtliches Interesse. — Graf Walewski wurde am 16. d. M. in Paris erwartet, wo nach ftinem Eintreffen die Konferenz ihre Schlußsitzung halten wird. Inzwischen beschäftigte sich die politische Welt mit der Proklamation de- griechischen Kabinets, oder vielmehr mit dem Schlußpassus derselben, welcher sagt: die augenblickliche Zustimmung der griechischen Regierung zum Konferenzprotokoll engagire durchaus nicht die Zukunft Griechenlands. Diese Aeußerung soll ganz besonders in Konstantinopel verschnupft haben, so daß die Pforte die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen mit Athen von der Rücknahme dieser Bemerkung abhängig machen wolle. Auch die „Patrie" äußert sich in einem längeren Artikel sehr ärgerlich über den erwähnten Punkt, indem sie sagt: sie habe zwar nie von seiner Genehmigung abhängig zu machen. Darüber ist die französische Presse höchlichst entrüstet und droht sogar mit Ab bruch aller wirthschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern. Die Sache ist interessant genug, um im Auge behalten zu werden. — Der letzthin erwähnte Streit der Pariser und Berliner Offiziösen ist inzwischen, wie man sagt auf Wunsch Napoleon III., eingestellt worden. Deutschland. Die diesjährige Session de- Bun des - ratheS wurde am 15. Febr. unter dem Vorsitze deS Bundes kanzler- eröffnet. Die Wahlen der Ausschüsse für Zoll- und Steuerwesen, für Handel und Verkehr, für Eisenbahnen, Post und Telegraphen, für Justiz- und für Rechnungswesen, für die Geschäftsordnung und für die Berathung des Entwurf- einer Gewerbeordnung fanden in der ersten Sitzung statt. Demnächst wurden die Vorlagen des Präsidium- über die Gesetzentwürfe, betreffend: 1) die Feststellung eine- Nachtrages zum Bundes- Haushaltsetat für das Jahr 1869, 2) die Einführung der all gemeinen deutschen Wechselordnung und des allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuchs als Bundesgesetze, 3) die Kaution der Bundes beamten,ferner über den Kommisfionsbericht wegen des Brannt- wein-Besteuerungsmodus, über die mit Italien geschlossene Kon sular-Konvention, über das Abkommen mit Luxemburg wegen der Branntweinsteuer-Abfindung, über den Entwurf eincS Post vertrags mit Schweden, über die Errichtung eines Generalkon sulats in Mexiko und endlich über den Entwurf einer Gewerbe ordnung für den norddeutschen Bund den betreffenden Ausschüssen überwiesen. — Von der Präsidialvorlage, betreffend die Aus prägungen und Einziehungen von Münzen in den Staaten deS norddeutschen Bundes nahm die Versammlung Kenntniß. Der preußische Kriegsminister v. Roon, sowie Justizrath Klemm aus Sachsen sind zu Bevollmächtigten des Bundes rat h es ernannt worden, letzterer an Stelle des Finanzrathes v. Thümmel. — Die Mitglieder des Ausschusses für das Land- Heer und die Festungen und deS Ausschusses für das Seewesen werden bekanntlich von dem Bundesfeldherrn ernannt. Nach den für die gegenwärtige Session vollzogenen Ernennungen sind - im Ausschuß für das Landheer und die Festungen vertreten: Preußen durch den Kriegsminister General v. Roon und durch den General-Leutnant v. Podbielski, Königreich Sachsen durch Oberst v. Brandenstein, Mecklenburg-Schwerin durch den Staats minister v. Bülow, Sachsen-Koburg-Gotha. durch den Staats- minister v. Seebach und Anhalt durch den Regierungsrath vr. Sintenis; im Ausschüsse für das Seewesen: Preußen durch den Vice-Admiral Jachmann, Mecklenburg-Schwerin durch den Staatsminister v. Bülow und Bremen durch den Senator Gyldemeister. Preußen. DaS Abgeordnetenhaus beschäftigte sich in den letzten Sitzungen mit dem neuen Jndigenatsgesetz (Staats angehörigkeit), welches nach einigen wesentlichen Modifikationen genehmigt wurde. So hat man u. A. die absolutistische Be zeichnung „preußischer Unterthan" durchweg im Gesetz gestrichen und an deren Stelle nur das Wort „Preuße" gesetzt, wiewohl der Ausdrucf „preußischer Staatsbürger" jedenfalls konstitutioneller gewesen wäre. Unzweifelhaft wichtiger al- vorstehendes Gesetz ist IS iy der Sxprdi- chm, tl-Meißn. Gaffe Nr. S, L» hab«. malS daran gezweifelt, daß die Griechen, sobald sie sich stark genug glaubten, wieder anfangen würden, aber solche Naivetäten spreche man doch nicht geradezu aus. Indessen ist es doch noch sehr fraglich, ob überhaupt die Proklamation Anspruch auf Authenticität hat, denn sie wurde von der „Turquie" veröffent licht, die im Verlaufe des griechisch-türkischen Konflikts manche andere Unwahrheit verbreitete. . Bisher wurde weder die Aechtheit noch Unechtheit der Pro klamation verbürgt. Neben diesen lang gesponnenen griechisch-türkischen Konflikt taucht jetzt eine französisch-belgische Frage auf und nimmt vre Öffentliche Aufmerksamkeit in Anspruch. Die belgische Re gierung will nicht zugeben, daß die französischen Eisenbahnver waltungen sich nach und nach der belgischen Bahnen bemächtigen, um auf diesem Wege die durch die vorjährige Luxemburger Affaire verunglückte Annexion--Idee wieder auszunehmen. ES rpurde deshalb m Belgien ein neues Gesetz erlassen, (vergl. Belgien) rpynach djr Staat sich dqS Recht w-hrt, Mybahy-Cessionep