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Umgegend Aall» höherer Gewalt, ' Krieg oder sonstiger Be ¬ triebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Leitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto bewegt. s Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts- gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nr. 262 — 91. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Wilsdruff-DreSden Ponjcheck: Dresden 2U4(. Dienstag, den 8. November 1932 Das Wahlergebnis. Wenn der hinter uns liegende Wahlkampf aus mannig fachen Gründen äußerlich gegenüber seinen zahlreichen Vorgängern auch als abgeschwächt erscheint, so verbargen sich hinter dieser Abschwächung doch außerordentlich scharfe Gegensätze zwischen den sünf großen Parteien. Das gilt nicht nur für die bekannten Vorkommnisse, die sich während der Wahlagitation zwischen den Nationalsozialisten und den Deutschnationalen abspielten, sondern Ähnliches trifft auch zu für die beiden ausgesprochenen Linksparteien, also zwischen den Sozialdemokraten und Kommunisten. Den Erfolg dabei hatte dort die Kommunistische Partei, zu der ganz zweifellos ein Teil früherer sozialdemokratischer Wähler hinübergegangen ist. Wenn nun unmittelbar nach der Wahl vor allem die Parteiführer den Rechenstift, mit dem sie das rein zahlen mäßige Ergebnis des 6. November festgestellt haben, ent täuscht oder erfreut aus der Hand legen und nun ver suchen, aus diesen Zahlen politische Folgerungen und Feststellungen zum mindesten für die nähere Zu kunft herauszuholen, so mag dabei auch die parteimäßige Erregung aus der zurückliegenden Zeit der Wahlkämpfe noch fehr stark mitsprechen, über das rein Parteimäßige hinaus ergibt nun aber eine solche objektive Feststellung, daß zunächst jene mehr oder weniger radikale Linke insge samt doch Verstärkungen aus den Wählermassen an sich ge zogen haben, und da dort die radikalere Tonart den Sieg davontrug, so kann man wohl damit rechnen, daß auch die Sozialdemokratie hieraus und aus den eigenen Verlusten entsprechende Folgerungen zieht für die Art ihrer poli tischen Einstellung zum jetzigen Kabinett Papen und zu jener Gefolgschaft, die dieses möglicherweise im Reichstag zusammenbringt oder zusammenzubringen bestrebt sein könnte. Von d i e s e r Seite aus gesehen dürfte also das Wahlergebnis für die Linke eine weitere Radikalisierung ihrer politischen Haltung herbeiführen. Von den zwei Millionen Verlusten, die die National sozialisten zu verzeichnen haben, konnten recht beträchtliche Teile sich die Deutschnationalen, etwas auch die Deutsche Volkspartei heranholen. Ein anderer Teil mag zu Hause geblieben sein. Wieweit die vielfach jetzt verbreitete Be hauptung richtig ist, daß von den Nationalsozialisten in größerem oder kleinerem Umfang Wähler auch zu den Kommunisten hinübergeschwenkt sind, läßt sich mit dem Rechenstift doch wohl kaum feststellen, weil es sich bei den Wählern nicht um Zahlen, sondern um Menschen handelt. Ganz offen bleibt nun die Frage, ob sich denn diesmal aus der Wahl ein Reichstag gebildet hat, dem man auf irgendeine Weise die „Arbeitsfähigkeit" zutrauen kann. Der frühere Reichstag wurde aufgelöst, weil der Reichs präsident und die Reichsregierung der Ansicht waren, eine Zusammenarbeit zwischen ihnen und dem Reichstag des 31. Juli sei nicht denkbar aus Gründen, für die die Schuld beim Reichstag liege. Ob die Ansätze, die für eine solche Arbeitsfähigkeit durch die Verhandlungen zwischen Na tionalsozialisten und Zentrum vorbereitet wurden, nun auch tatsächlich zu einer Einigung aus konkretem Boden geführt hätten, — das ist eine Frage, die zu erwägen heute müßig geworden ist. Denn die Regierung Papen hat am 6. November hierzu den sozusagen „negativen" Erfolg insofern errungen, als nämlich die frühere Mehrheit jener beiden Parteien im Reichstag jetzt nicht mehr besteht. Wenn man nun aber nach einer positiven Möglichkeit Ausschau hält, nach einer solchen nämlich, die geeignet wäre, den Reichstag in der politisch-parlamentarischen i Praxis arbeitsfähig zu machen, dann wäre — so ab surd zu sagen das im heutigen Augenblick, ganz kurz nach der Wahl, noch klingt — theoretisch jedenfalls eine Koalition von den Nationalsozialisten bis hinüber zum Zentrum, oder unter „Tolerierung" durch diese Partei, zum mindesten nicht ganz undenkbar. Bekanntlich setzen sich sehr einflußreiche Kreise für eine solche „Kombination" ein, wobei das Zentrum anscheinend in der Hauptsache oder lediglich die Forderung erhebt, die National sozialisten müßten auch nach außen hin sichtbar im Kabinett die staatspolitische Verantwortung mit über nehmen. Allerdings wenden sich die Aufrufe Hitlers, die er unmittelbar nach der Wahl herausgehen ließ, mit be tonter Schärfe gegen den Gedanken einer Zusammenarbeit mit der Rechten und der Mitte. Aber vielleicht ist es überhaupt müßig, sich heute auch in solchen politischen Kombinationen ergehen zu wollen, weil die Wogen der Erregung noch zu hoch gehen und man daher noch nicht weiß, wann sie sich soweit beruhigt haben werden, um dem Staatsschiff eine von dieser Seite ber ungefährdete Fahrt zu ermöglichen. Da die großen deutschen Parteien jetzt stärker denn je das Weltanschaulich- Grundsätzliche betonen, so sind Arbeitsgemeinschaften oder Koalitionen in der und für die Praxis heute vor erheb lich größere Schwierigkeiten für ihre Verwirklichung gestellt als früher. Daher darf man der Ansicht Raum geben, daß die Voraussetzungen für eine solche Arbeits gemeinschaft und Arbeitsfähigkeit im neugewählten Reichstag noch geringer sein werden als im verflossenen, daß er also vom Gesichtspunkt der „Arbeitsfähigkeit" aus gesehen noch schwächer ist als sein Vorgänger. Daraus ergibt sich aber eine Stärkung für die Präsidialregierung, und ihr hat die Wahl des 6. November neueTrümpfe in die Hand gespielt. NeWUs-Eröffnung am K. Zezein-er Die erste Sitzung des Reichstages. Nach den Bestimmungen der Reichsverfassung muß der neugewählte Reichstag binnen dreißig Tagen nach der Neuwahl zusammentreten. In politisch-parlamentarischen Kreisen rechnet man daher damit, daß die erste Reichs tagssitzung am Dienstag, den 6. Dezember stattfinden wird. Diese Eröffnungssitzung wird nur die Konsti tuierung des Reichsparlaments bringen, und erst in der zweiten Sitzung dürfte das neue Präsidium gewählt werden. Der neugewählte Reichstag wird durch General Litzmann als Alterspräsidenten eröffnet werden, der als Spitzenkandidat auf der national sozialistischen Liste im Wahlkreis 5 Frankfurt a. d. O. gewählt ist. General Litzmann ist 82 Jahre alt, er ist auch Mitglied des Preußischen Landtags und ebenfalls dessen Alterspräsident. Die Nationalsozialistische Partei hat absichtlich General Litzmann auch als Reichstags kandidat aufgestellt, um zu verhindern, daß die neue Reichstagssession etwa wieder durch die kommunistische Abgeordnete Fran Zetkin eröffnet werden könnte, wie es bei dem am 31. Juli gewählten Reichstag der Fall war. Reichspräsident von Hindenburg hat sich am Montag durch Staatssekretär Dr. Meißner und durch den Chef der Neichspressestelle, Ministerialdirektor Marcks, über das Wahlergebnis Bericht erstatten lassen. Weiter hat auch Reichskanzler von Papen dem Reichspräsidenten Vortrag über die durch den Ausfall der Reichstagswahlen ent standene politische Lage gehalten. Llnveränderter Mgierungskurs. An zuständigen Stellen, die der Rcichsregierung nahe stehen, wird festgestcllt, daß sich an der innenpolitischen Lage durch die Reichstagswahl nichts Wesentliches ge ändert habe. Die Rcichsregierung habe keine Veranlassung, von ihrem bisherigen Kurs abzuwcichcn. Es werde nun mehr Sache der Parteien fein, ob der Reichstag in der Lage sei, positive Arbeit zu leisten. Die Reichsregierung sei bestrebt, ihre Grundlage zu verbreitern, und, wie der Kanzler auch in seiner Rundfunkrede zum Ausdruck gebracht habe, für jeden die Arme offcnzuhaltcn, der gewillt sei, mitzuarbcitcn. Praktisch dürfte sich der weitere Gang der Dinge so gestalten, daß der Reichskanzler die Partei führer empfängt und an sic die Frage richtet, ob und unter welchen Umständen sie bereit sind, sein Kabinett zu unterstützen. Sollte die Antwort negativ ausfallen, würde der Kanzler voraussichtlich dem Reichspräsidenten Vorschlägen, daß dieser die Parteiführer zu sich bittet und sie fragt, was sie unter diesen Umständen für Vorschläge zu machen haben. Wenn dabei ein wirklich brauchbarer und durchführbarer Vorschlag gemacht werde, so werde der Reichspräsident seine Durchführung ermöglichen. Die Mandatsverteilung im neuen dte»aMag. Unsere graphische Darstellung veranschaulicht die Prozen- Male Verteilung der Mandate im Reichstag nach der Wahl am 6. November. Eine Umbildung des jetzigen Präsidialkabinctts wird offenbar nur dann in Erwägung gezogen werden, wenn dadurch wirklich eine erhebliche Verbreiterung der Re- giernngsbasis erreicht wird. In Kreisen der Reichsregierung ist man im übrigen von dem Ergebnis der Neichstagswahl sichtlich befriedigt. Was die Verschiebung der Kräfteverhältnisse im einzelnen angcht, so wird zunächst festgestellt, das; die natioimlsozialistische Bewegung nicht nur zum Stillstand gekommen sei, sondern über die geringere Wahlbeteili gung hinaus Einbußen erlitten hat. Der wesentliche Teil der von der NSDAP, erlittenen Verluste ist nach Ansicht maßgebender Kreise auf den bürgerlichen Parteien hängen geblieben. Das gesunde Bürgertum, so wird erklärt, sei wieder zurückgeslossen. Diese Stimmen sowohl als auch die Stimmen der Nichtwähler glaubt man zugunsten der Negierung von Papen verbuchen zu können. Innerhalb der sogenannten marxistischen Front habe ein Austausch der Stimmen stattgefunden, so daß von einem Einbruch der Nationalsozialisten in diese Front nicht gesprochen werden könne. Die Gewinne der Kommunisten über stiegen etwas die Verluste der Sozialdemokraten. Die Verluste des Zentrums werden auf die Verhandlungen zurückgeführt, die diese Partei verschiedentlich mit den Nationalsozialisten gepflogen habe. In welcher Weise sich der Wahlausgang auf die innenpolitische Lage auswirken wird, hängt nach Auf fassung maßgebender politischer Kreise einmal davon ab, ob im neuen Reichstag eine arbeitsfähige Mehrheit zu stande kommt, zum anderen davon, wie' sich der neue Reichstag zur Frage der Verfassungsreform stellt. Dem neuen Reichstag wird bekanntlich alsbald ein Verfassungsprogramm vorgelegt werden, nachdem vorher anch die breitere Öffentlichkeit Gelegenheit bekommen hat, sich mit diesem Programm zu beschäftigen, so daß nach Möglichkeit diesen oder jenen Wünschen noch Rechnung getragen werden kann. Für das Schicksal des Reichstages dürfte die Haltung maßgebend sein, die gegenüber der Vcrfassungsvorlage eingenommen wird. Natürlich wird in politischen Kreisen auch bereits die Möglichkeit erörtert, ob es nicht doch dem neuen Reichstag gelingt, eine arbeitsfähige Mehrheit zustand? zu bringen. Das könnte möglicherweise dadurch geschehen, daß etwa die Christlichsozialen zu einer Koalition von Nationalsozialisten und Zentrum bzw. Bayerische Volkspartei stoßen würde. Das Zustande kommen einer solchen Koalition vorausgesetzt, würde es aber auch eines Programms bedürfen, das nach allen Richtungen hin hieb- und stichfest ist. Bei der Beurteilung des Wahlergebnisses wird in maßgebenden politischen Kreisen auch auf die als beson ders charakteristisch bezeichnete Tatsache hingewiesen, daß die Kontingenticrungspolitik auf den Wahlausgang, wie die Stimmen aus dem Lande zeigten, keinen nachteiligen Einfluß ausgeübt habe. Die endgültige Entscheidung in dieser Frage dürfte noch im Laufe dieser Woche fallen. Es dürfte sich dann auch heraus stellen, ob die Gerüchte, die hinsichtlich der Stellung des Rcichsernährungsministers von Braun in der letzten Woche im Umlauf waren, begründet sind oder nicht. * Kommunisten verlangen sofortige Einberufung des Reichstages. Die ncugewählte kommunistische Reichstagsfraktion hat, wie die „Rote Fahne" mitteilt, die sofortige Ein berufung des Reichstages verlangt. Sie wird unter an derem ein Mißtrauensvotum gegen das gesamte Kabinett einbringen und beantragen, die im Lause des Verkchrs- streiks Verhafteten frcizulassen sowie alle durch die ordent lichen oder Sondergerichte gefüllten Urteile aufzuheben. Jie VcWAng Memrgs mit dem Reichskanzler von Papen. Berlin, 8. November. Zu der Besprechung Hinden burgs mit dem Reichskanzler ersähet der „Lokalanzeiger", daß der Reichskanzler auch über den Verlauf der Arbeiten des Reichskabinetts auf wirtschaftlichem und verfassungsrechtlichem Gebiet Bericht erstattet habe. Das Kabinett werde wahrschein lich am Mittwoch eine Beratung abhalten, in der zunächst fest gestellt werden solle, in welcher Form sich die Verhandlungen abspielen sollen, die der Reichskanzler auf Grund des Wayl- ergebnisfes führen will. Es ergebe sich die Frage, ob der Reichs kanzler nach dem Beispiel der vorletzten Neichstagswahl von sich aus Verhandlungen mit den Parteien eröffnen oder ob der