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antonin Dvorak 7. Sinfonie d-Moll „Ich denke mir Ihre Sinfonie noch ganz anders als diese“, sagte Brahms über die 6. Sinfonie seines Freundes Dvorak, die im Jahre 1880 entstanden war. Bald reifte in Dvorak der Plan zu einem neuen sinfonischen Werk, und als die Londoner Philharmonische Gesellschaft, die den tschechischen Komponisten soeben zu ihrem Ehrenmitglied ernannt hatte, vier Jahre später eine Sinfonie bei ihm bestellte, machte er sich sofort an die Arbeit. „Die Arbeit an der Sinfonie für London hält mich völlig gefangen“, schreibt Dvorak am 22. Dezember 1884 an einen seiner Freunde. „Ich habe für nichts anderes Sinn. Die Sinfonie soll und wird, wie ich hoffe, so sein, daß die ganze Welt von ihr sprechen wird.“ Und wirklich nimmt dieses Werk eine Sonderstellung im Gesamtkomplex der neun Sinfonien des Kompo nisten ein. Wie im gleichzeitig entstandenen Klaviertrio in f-Moll, so überwiegt auch in der 7. Sinfonie ein Zug leidenschaftlicher Auflehnung gegen die Härten und Be schwernisse des Lebens. Heftige Konflikte, erbitterte Seelenkämpfe werden in den vier Sätzen dieses Werkes ausgetragen. Wenn im letzten Satz schließlich die Lebens freude die Oberhand gewinnt und die Sinfonie in hellem D-Dur ausklingt, so kommt hier Dvoraks ureigenste Natur zum Durchbruch. Denn dramatische Kämpfe und tragische Konflikte lagen dem schlichten, ausgeglichenen Wesen des Komponisten eigentlich fern. Mit Vorliebe besang Dvorak die Schönheiten des menschlichen Daseins. Innige Gefühlstiefe, enge Natur- und Volksverbundenheit zeichnen fast all seine Werke aus. Schon das düster heranschleichende Hauptthema des ersten Satzes (Allegro maestoso) kündet von der neuen Sprache, die der Komponist in der 7. Sinfonie spricht. Es bricht auf einem verminderten Septakkord zusammen, der melodisch in der ab steigenden Sechzehntelfigur des scharf akzentuierten, kämpferischen zweiten Themas wiederkehrt. Das dritte Thema dieses in Sonatenhauptsatzform angelegten Satzes ist von lyrischem Charakter und wird zuerst von den Holzbläsern vorgetragen. Überall, wo es im Verlaufe des Satzes erklingt, glätten sich die Wogen der stür mischen Erregtheit. Am Ende der dramatischen Durchführung taucht es noch einmal auf, wird jedoch gleich vom Hauptthema verdrängt, und in der leidenschaft lich bewegten Coda fehlt es dann völlig. Der zweite, in F-Dur stehende Satz (Poco Adagio) ist dreiteilig und in Variations form angelegt. Die lyrische Stimmung des Anfangs wird im Mittelteil durch drama tische Akzente verschärft, während am Ende die innig-verhaltene Melodik des ersten Teils wiederkehrt und den Satz im zartesten Pianissimo verklingen läßt. Dem Scherzo (Vivace) fehlt die für diesen Satztyp übliche ausgelassene Stimmung. Das beschwingte, von der Intonation der tschechischen Volksmusik lebende Hauptthema birgt Kraft und Energie in sich. Ein mit einer Triole beginnendes absteigendes Motiv verleiht auch diesem Satz einen dramatischen Unterton. Pastoraler Wechselgesang der Holzbläser beschwört im Trio eine friedliche Naturstimmung herauf. Der wieder holte erste Scherzoteil wird durch eine besinnliche Episode erweitert. Hier verdichtet sich der ernste Grundton, der den ganzen Satz durchzieht, zu verhaltener Wehmut — bis der pochende Rhythmus des Anfangs wieder aufgenommen wird. Mit einem Oktavsprung setzt das spannungsgeladene Hauptthema des in Sonatenhaupt satzform gehaltenen Finales (Allegro) ein. Aber erst bei seinem dritten Erklingen offen bart es im Fortissimo des vollen Orchesters seinen heroischen Charakter, der es be fähigt, das erbitterte Ringen zum siegreichen Ende zu führen. Das zweite, mit einem Quintsprung beginnende Thema trägt die Gewißheit des Sieges schon in sich, während das dritte, zuerst von den Celli vorgetragene, sangliche Thema innere Ruhe und Ge löstheit ausstrahlt. Die Durchführung bringt die in dem Hauptthema schlummernden Kräfte zur vollen Entfaltung. Eine sieghafte Coda beendet diese großartige, leiden schaftlich-herbe Sinfonie, die in hellem Dur mit dem Hauptthema des Finales ausklingt. Renate Jahn Anton Dvorak Brief Bülows an Dvorak LITERATURHINWEISE Vetter: Der Klassiker Schubert, Peters-Verlag, Leipzig 1953 Martynow: Dmitri Schostakowitsch, Henschelverlag, Berlin 1947 Sourek: Anton Dvorak, Artia-Verlag, Prag 1953 EINFÜHRUN GS VORTRÄGE Prof. Dr. Mlynarczyk 5 2. Philharmonisches Konzert Anrecht A 1959/1960 6604 Geb III-9-5 959 1,4 ItG 009/59