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dm -»/» Erscheint jeden Wochentag Abends g Uhr sür andern Tag. Preis vierteljährlich 2 Mark 2V ' 'E zweimonatlich 1 M. ÜO Ps. u. einmonatl. 75 1881. 32. Jahrgang. . > . . Mittwoch, den 9. Fetrmr. Inserate werdm bis Vormittags 11 Uhr angenom men und beträgt der Preis für die gespaltene Zeile oder deren Raunt 1d Pfennige. und Tageblatt. Amtsblatt fiir die königlichen nnd Müschen Behörden zn Freiberg und Brand. Verantwortlicher Redakteur Iuliu» Braun tu Freiberg. Rußland und Polen. Bon St. Petersburg aus geschehen augenblicklich ver schiedene Versuche zur Ausgleichung der Gegensätze zwischen Russen und Polen. Zunächst ließen russische Zeitungen, welche intime Beziehungen zur Regierung pflegen, in der verlockendsten Weise ihre Sirenen-Gesänge ertönen; sodann machte die russische Regierung den Polen in der That einige, wenn auch kleine und unbedeutende, so doch für diese immer bedeutungsvolle Zugeständnisse; endlich wird noch angcdcutet, daß der Generalgouverneur der Weichsel- landc, General Albedinski, in Petersburg noch über viel weitergehcndc den Polen zu gewährende Gunstbezcugungcn verhandelt habe. Diese plötzliche Zärtlichkeit der russischen tonangebenden Kreise für die Polen ist von hohem Interesse. Mit mancher anderen Erscheinung im politischen Leben Eu ropas zusammengehaltcn kann diese jetzt mit einem Male erwachende Freundschaft als ein Symptom für mancherlei Veränderungen in der Stellung der Machte zu einander gelten. Man erinnere sich nur, daß der polnische Aus stand im Jahre 1863 nur dadurch von der russischen Regierung verhältnißmäßig leicht unterdrückt werden konnte, weil Preußen — auf dem freundschaftlichsten Fuße mit Rußland stehend — die Grenze besetzte und jede nur er denkliche Hilfeleistung bei Unterdrückung der Revolte dem russischen Nachbar zu Theil werden ließ. Alle späteren strengen Maßregeln, welche die russische Regierung in Polen traf, um polnisch-nationale Bestrebnngen für die Zukunft unmöglich zu machen, hatten die Freundschaft mit Preußen zur Grundlage; denn ein Nachbar, welcher den Russen übel wollte, hätte bei den eigenthümlichen im Gebiete des vormaligen Königreichs Polen bestehenden Verhältnissen sehr leicht zahlreiche russische Maßregeln unmöglich machen können. Preußen konnte beispielsweise sehr leicht rings um die polnischen Besitzungen Rußlands einen Hccrd polnisch-nationaler Agitationen ctabliren, welcher alle russische Bcruhigungsmaßregeln vereitelt Hütte. Man that dies nicht in Berlin; darum war Rußland seiner sonst doch recht zweifelhaften polnischen Unterthanen sicher und konnte getrost an das Werk der Russifiziruug gehen. Es hat dasselbe auch fünfzehn Jahre lang mit großem Eifer betrieben. Wenn es jetzt mit diesem Werke einhaltcn will, so liegt die Vermuthung nahe, daß nicht eine plötzlich er wachte Vorliebe für Polen, sondern die Besorgniß die russischen Staatsmänner leitet, die preußische reip. deutsche Regierung könne einer etwa auftauchenden polnischen Frage gegenüber eine andere Haltung annchmcn, als früher in Berlin beliebt worden ist. Die russischen Staats männer wissen jedenfalls recht gut, welche Waffe die Gegner Rußlands jederzeit in der polnischen Frage noch haben; sic suchen daher der hierin liegenden Gefahr zuvorzukom» men, indem sie diese Frage durch Begütigung der Polen aus der Welt schaffen möchten. Wohl möglich, daß die Reise des Kaisers von Oesterreich nach Galizien im vorigen Jahre sie etwas bedenklich gemacht hat. Die Huldigungen, welche damals Franz Josef von Seiten der Polen zu Theil wurden, waren ganz darnach angcthan, den Ministern in St. Petersburg die Möglichkeit nahe zu legen, daß bei einem etwaigen Zerwttrfniß zwischen Deutschland-Oesterreich einerseits und Rußlands andererseits recht ernste Unbe quemlichkeiten für's Czarcnreich aus den polnisch-nationalen Bestrebungen erwachsen könnten. Deutschland und Oester reich besitzen damit einen Trumpf in der Hand, welcher, zur rechten Zeit ausgespielt, das Spiel für Rußland ver loren machen kann. Nur aus solchen Erwägungen läßt sich das jetzt von der russischen Regierung «ungeschlagene Verfahren er klären. Diese plötzliche Zärtlichkeit für Polen wäre uner klärlich, wenn man sie aus inneren Ursachen herlcitcn wollte; sie wird verständlich, sobald man sie mit der allge meinen Lage Europa's in Zusammenhang bringt. Indem Rußland mit Polen liebäugelt, glaubt es nicht nur zur Verthcidigung, sondern unter Umständen anch zum Angriff gegen Oesterreich und Deutschland sich rüsten zu können. Sobald Rußland die Polen für sich gewonnen, ist es auf der Bahn des Panslavismus einen bedeutenden Schritt weiter vorwärts gekommen; und diese Bahn verfolgt es ja mit besonderer Vorliebe. Der Gedanke einer Vereinigung aller Slaven unter dem Szepter des weißen Czarcn, welche Vereinigung russischen Politikern so bestechend erscheint, wäre damit ebenfalls seinem Ziele näher gerückt und die Aussichten, Deutschland und namentlich Oesterreich, welches ja auf die Czcchen Rücksicht nehmen muß, Verlegenheiten zu be reiten, sind dann im Wachsen. Ob dies Alles sich freilich verwirklichen wird, ist frag lich. Denn einstweilen steht einer wirklichen Versöhnung zwischen Rußland und Polen immer noch der Umstand entgegen, daß entweder die Russen den Polen ihre voll ständige nationale Existenz lassen oder die Polen den Russen ihr nationales Leben völlig opfern müßten. Hierzu aber ist auf beiden Seiten nicht die geringste Neigung vorhanden. Tagesschau. Freiberg, 8. Februar. Das preuß is che A b g e ord nete n h au s geneh migte gestern das obcrschlesische Nothstandsgesctz, das Gesetz, betreffend die Nothstandsbahnen, in dritter Lesung unverändert nach den Beschlüssen der zweiten Lesung. Im Lause der Debatten wies der Minister Mayach die An griffe der Abag. Büchtemann und Virchow auf die vor- geschlagenen Vahnbautcn zurück. Die Regierung habe keine ungeeigneten Strecken vorgeschlagcn. Die Strecke Rybnik-Sohrau wie die übrigen Strecken sollten zum Aufschluß und zur Melioration des Landes dienen. Die Strecke Rybnik-Loslau habe die Regierung nicht vorge schlagcn, weil die Ansprüche der Öbcrschlesischen Bahn durch spätere Beihilfe des Staates gesteigert würden, während später die Bahn vielleicht ohne jede Beihilfe des Staates gebaut worden wäre, da sie im Interesse der dortigen Grubenbesitzer liege. — Das Viehscuchengesctz gelangte in dritter Lesung zur Annahme. Erledigt wurde in erster Lesung das kurhessische Fideikommißgesetz, die zweite Lesung ftndet im Plenum statt. In der folgenden zweiten Lesung des Kreisordnungsgesetzcs genehmigte das Haus nach längerer Debatte die Paragraphen 3 und 4 desselben, alle Abänderungsanträgc ablehnend, in der Kom missionsfassung. — Der „Reichs-Anzeiger" veröffentlicht einen Erlaß des Kaisers an den Reichskanzler und den Kultusminister wegen Uebernahme der von Schliemann dem deutschen Volke geschenkten und in den Sälen des ethnologischen Museums, welche Schliemann's Namen führen sollen, aufzustellendcn trojanischen Alterthümer, ferner ein Handschreiben des Kaisers an Schliemann, wo rin demselben der Dank des Kaisers und volle Aner kennung fiir seine von warmer Anhänglichkeit an das Vaterland zeugende Schenkung und die Hoffnung auf sein ferneres Wirken zur Ehre des Vaterlandes ausge sprochen wird. Die Rede des Reichskanzlers im preußischen Vb- geordnetenhache, welche in vielfacher Beziehung einen be friedigenden Eindruck hinterlasfen hat, wird noch immer sehr besprochen. Zunächst war schon der ganze Ton der Rede glücklich getroffen; an Stelle der Reizbarkeit und Bitterkeit, welche man oft in den Reden des Reichskanzlers antraf und welche den Eindruck derselben, wie die Welt nun einmal ist, schwächte, war diesmal rein sachliche Er wägung und ein frischer, gesunder Humor getreten. So war er denn diesmal feinem Kritiker Eugen Richter, welcher wiederum recht erregt und scharf geworden war, entschieden überlegen. Abgesehen von dieser Färbung der Rede im Allgemeinen bot sie einige bemerkenswerthc und erfreuliche Punkte. Zunächst die Versicherung, daß Kriegszeiten nicht vorhanden sind, selbst auch keine Aussicht dazu. Das ist eine höchst werthvolle Versicherung gegenüber den Lärm- trommcln, welche bei jeder Gelegenheit ihr „Krieg in Sicht!" in die Welt Hinausrufen; doppelt wcrthvoll, wenn man erwägt, daß jene Aeußerung ganz nngesncht, ganz beiläufig zum Vorschein kam und daß der Reichskanzler in solchen Fricdensprophezeihungen und überhaupt in Mittheilungen über die europäische Lage sehr vorsichtig zu sein pflegt. Ferner gab der Fürst zu erkennen, daß er jeden Rücktrittsgedanken aufgegcben habe, daß er nicht daran denke, von seinem Platze zu weichen, und daß er kampfesmuthiger und kampfesfrohcr denn je sei. Auch das ist von hohen! Werth. Die liberalen Parteien, auch die gemäßigten, stimmen ja in vielen Dingen mit dem Reichskanzler nicht überein und sind gcnöthigt, ihm Oppo sition zu machen. Aber cs wird doch wohl nur Wenige geben, welchen sein Rücktritt von den Geschäften ein Bor- theil für Land und Reich dünkte. Nach außen hin ist schon der Name des Fürsten Bismarck eine gewaltige Waffe für das deutsche Reich, welche, wenn auch widerwillig, rcspektirt wird, und das deutsche Reich hat so viel Feinde, daß man eine solche Waffe nicht gern aus der Hand giebt. In Bezug auf die eigentlich zur Besprechung vorliegende Frage, dicStcuerrcform, war der Punkt, in welchem sich der Kanzler mit dem Abg. Eugen Richter begegnete — er wußte diese Uebercinstimmnng recht humoristisch auszu- beutcn — der Widerstand gegen das Steuer-Programm der Konservativen. Auch den Gedanken der Auf hebung des Schulgeldes, welchen der Abg. Richter ans gesprochen hatte, griff Fürst Bismarck ans und suchte ihn für das eben vorliegende Berwendnngsgesctz nutzbar zu machen. Was dieses Verwendungsgesetz anlangt, so hielt der Reichskanzler an den Einzelheiten desselben nicht fest, er gab deutlich zu erkennen, daß er in diesem Punkte mit sich reden lasse; aber er verlangte eine Erledigung der Frage, er wollte die Verwendungs-Angelegenheit festgestellt wissen, um dann im Reichstag an des Werkes zweiten Theil, die Bewilligung neuer Steuern, gehen zu können. An seinem Steuerprogramm — Vermehrung der indirekten, Beseitigung der direkten Steuern — hält der Reichskanzler unverrückbar fest; den Tabak will er unbe dingt höher besteuern — der Tabak muß mehr bluten, sagt der Kanzler drastisch —, auch die Gctränkestcucr — ob von Bier oder Branntwein, ist nicht gesagt — will er erhöhen, im Nebligen aber wird er auch hier mit sich reden lassen, wenn man ihm nur im Allgemeinen in der Richtung, die er einschlagen will, folg!. Das ganze Auf treten des Fürsten Bismarck schien uns ein Appell an die liberalen gemäßigten Parteien. Er ist zu Zugeständnissen bereit; wenn nur der Grundgedanke, der seinen Stcucr- reform-Plänen untergelegt ist, zur Ausführung kommt, wird er in den Detailfragen gern uachgebcu. Vermehrung der Einnahmen des Reiches durch indirekte Steuern, da von will Bismarck nicht abgchcn; in der Frage, welche indirekte Steuern cinzuftlhrcn seien, will er eher Zuge ständnisse machen. Ueber die Dauer der Landtagsscssion ist in par lamentarischen Kreisen die Ansicht vorhanden, daß es mög lich sein würde, das bereits vorbereitete legislatorische Material selbst einschließlich des Berwendungsgcsctzcs bis zum 25. Februar zu erledigen- Allerdings fetzt dies ein gleichzeitiges Beisammensein des doch am 15. d. einzubcru- fcnden Reichstages mit dem Landtage voraus. Aber man meint, daß dieses Uebel immer noch einer Nachsession vor zuziehen sein dürste. Sollte die Regierung auf der Durch- berathung der Kreisordnungen für mehrere Provinzen be stehen, so dürfte sich die Nachscssion freilich nicht vermeiden lasten. Der großbritannische Botschafter Mr. Göschen hat gestern Mittag ! 2 Uhr mit seinem militärischen Begleiter, Kapitän Swainc, aus der Anhalter Bahn Berlin verlassen und sich zunächst nach Dresden begeben, von wo er nach nur kurzem Aufenthalte die Weiterreise über Wien nach Konstantinopel fortsetzen wird. — Das Bremer Vollschiff „Bremen", Kapitän Möller, ist aus der Reise von Bremen nach Baltimore bei Sandwick aus den Shctlandsinseln gestrandet. Von der Mannschaft, welche etwa 20 Mann betrug, sind nur 7 gerettet. Das Kricgsurtheil gegen zwei österreichische Offiziere, welche den Redakteur Klausenburgcr des Blattes „Ellenzc!" verwundeten, erkennt Beide schuldig des Verbrechens