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TrschE täglich E Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Nttnahme von Inseraten für die nächster- scheinende Nummer bis nachmittags 2 Uhr. Der ASonnsmentspreis beträgt vierteljähr lich I Mr. 25 Pf. -Inserate pro Zeile 10 Pf., Einges. 2V Pf. Expedition: Waldenburg, Obergass? 291«. —— Filialen: in AlistadiwaldeAburg bei Herr». Kaufmann Otto Förster; in Penig bU Herrn Kaufmann Rob. Härtia, Mandslqaffe: in RochSburg bei Herrn Paul Zehl; in Lunzenau bei Hrn. Buchhändler G. Drehe, in Wechselburg bei Herrn Schmied Weder; in Lichtenstein b. Hrn.Buchh. I. Wehrmann. Zugleich weit verbreitet in den Städten Penig, Lnnzenün, Lichteustein-Callnberg und in den Ortschaften der nachstehenden Standesamtsbezirke: Altstadt-Waldenburg, Bräunsdorf, Callenberg, St. Egidien, Ehrenhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchursdorf, Langen» lruba-Niedsrhain, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Obergräfenhain, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rußdorf, Schlagwitz, Schwaben, Steinbach, Wechselburg, Wiederau, Wolkenburg und Ziegelheim. Donnerstag, den 10. Januar Witterungsaussichteu für de» 10. Januar: Ziemlich trübes und nebliges Wetter bei milderer Temperatur. Barometerstand am 9. Januar, nachmittags 3 Uhr: 760 mm. Gefallen. "Waldenburg, 9. Januar 1889. Der deutsche Reichstag nimmt heute seine Arbeiten nach den Weihnachtsferien mit der Fortsetzung der zweiten Berathung des Reichshaushaltsetats wieder auf. Von demselben ist noch ein beträchtliches Stück zu er ledigen. Der Postctat, Militär- und Marineforde rungen, die Etats der Zölle und Steuern geben zu längeren Erörterungen hinlänglichen Stoff, wenn auch die Geldbewilligungen selbst kaum in Frage kommen können. Die Neuforderungen für Armee und Marine sind in dem Etat noch nicht enthalten, dieselben wer den erst später in gesonderter Vorlage erfolgen. Die Annahme, daß keine Artillerieforderung kommen werde, war nur von sehr kurzer Dauer; die Vorlage wird ebenso gewiß kommen, wie die bereits feststehende über die neuen Schiffsbauten, vielleicht erleben wir auch noch eine besondere Ueberraschung. Jedenfalls bedeu ten aber alle diese Ansprüche der Militär- und Marine verwaltung keine Verschlechterungen der allgemeinen Lage, sie sind die Fortentwickelung der einmal begon nenen Arbeit, das Heerwesen auf die höchstmögliche Stufe der Vollkommenheit zu bringen. Diese Arbeit verschlingt Millionen, alle Staaten haben sich die gleiche Aufgabe gestellt, und alle Staaten zahlen die erforderlichen Summen. Freude herrscht darüber nirgends, und könnte ein Mittel gefunden werden, diese Ausgaben zum Abschluß zu bringen, Europa würde aufathmen. Aber diese Hoffnung ist äußerst gering, wir können nur die haben und äußern, daß die größt möglichste Sparsamkeit bewahrt bleiben wird. Die Weihnachtsferien haben auch auf militärischem Gebiete sehr schätzenswerthe Erörterungen ergeben. Namentlich, was die Schiffsbauten anbetrifft, sind zahlreiche Vor schläge aufge'taucht, es ist auf Schwierigkeiten aufmerk sam gemacht, die eine eingehende und vertrauliche Commissionsbesprechung verdienen. 28 neue Kriegs schiffe herzustellen ist schon für eine Seemacht, wie England, eine Leistung; wie viel mehr ist es eine solche für unsere deutschen Werfte, zumal die Arbeiten in verhältnißmäßig kurzer Zeit beendet werden sollen. Die Marineverwaltung hat, wie wohl anzunehmen ist, den Bauplatz reiflich erwogen, es wird aber doch gut sein, zu constatiren, daß alle Berechnungen in der That stimmen. Große Anforderungen werden an Menschen- und Schiffsmaterial unserer Flotte gestellt. Die Sklaven blockade in Ostafrika nimmt selbstverständlich Menschen und Schiffe in gleicher Weise mit. Verschiedene Fahr zeuge sind auf Korallenriffe in den sehr schwierigen Gewässern aufgerannt und wenn sie auch schnell wieder flott gemacht wurden, gewinnen thut das Schiff da durch doch nicht. Daß zahlreiche Seeleute vom Fieber befallen sind, ist gleichfalls Thatsache, und wenn auch keine Todesfälle zu verzeichnen sind, das ganze deutsche Volk wird in dem Wunsche übereinstimmen, die Flotte aus dem Fieberklima entfernt zu sehen, wenn diese Entfernung zu ermöglichen ist. Dazu soll eben die Errichtung der Kolonialtruppe führen. Ueber Umfang und Aufgabe derselben wird die deshalb an den Reichs tag zu richtende Vorlage Näheres ergeben; auf Schwierigkeiten wird dies Gesetz nach allem Anschein nicht stoßen, denn auch die Reichsregierung will nicht weiter als absolut nothwendig gehen. Ein großer Kriegszug ist undurchführbar, wir müssen die Küste halten, wenn wir dem Sklavenhandel entgegentreten wollen, und das Uebrige muß die Zeit thun. Ohne Frage wird es auch in Zukunft nicht an blutigen Zu sammenstößen fehlen, aber wenn auch Waffengewalt ein Gebiet erobern kann, seine Bewohner sind nur durch Werke und Bestrebungen des Friedens zu halten. Das große Werk der Alters- und Jnvalidenver- sorgung wird nun ebenfalls der Gegenstand der prac- tischen Thätigkeit des Reichstages werden. Bisher handelte es sich um die akademische Discussion der Frage, nunmehr kommt die Aufstellung der Einzelbe stimmungen an die Reihe. Diese Aufgabe ist außer ordentlich schwer und an eine Erledigung derselben vor Ostern ist auch nicht entfernt zu denken; denn wenn auch der Gesetzentwurf im Prinzip eine Reichs tagsmehrheit hat, so ist doch auch nicht eine Partei vorhanden, welche der ganzen vorliegenden Fassung zustimmte. Aus fast allen Neichstagsreden über den Entwurf klingt der Borwurf wieder: „Zu bureau- kratisch!", und hier muß am meisten geändert werden. Die Reform der Genossenschaftsgesetzgebung wird den Reichstag gleichfalls geraume Zeit m Anspruch nehmen. Auch diese Gesetzgebung ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Volksgesetzgebung, deren Bestimmungen für das persönliche Wohl und Wehe Einzelner von der größten Bedeutung sind. Das deutsche Genossen schaftswesen ist in sehr strenger Zucht groß geworden, denn die bisherige Gesetzgebung war fast hart, aber die Reform muß doch die richtige Grenze halten zwischen Freiheit der Bewegung und sicherer Funda- mcntirung der Genossenschaften. Auswüchse sind, wo sie sich finden, zu beschneiden, denn, wir haben immer an das Prinzip des Genossenschaftswesens zu denken, nach welchem dieselben der Selbsthilfe und gegenseitigen Unterstützung gewidmet sein sollen, aber nicht einer gefahrvollen Speculation. Fälle der letzteren sind ge ring, aber sie waren vorhanden, und damit ist zu rechnen. .Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der 30. Geburtstag Kaiser Wilhelms II. wird am 27. Januar im Berliner Schloß im Kreise der Kaiserlichen Familie und ohne rauschende Festlich keiten begangen werden. Demgemäß dürfte auch die allgemeine Feier, dem Wunsche des Kaisers entsprechend, sich gestalten. Der Monarch ist am Dienstag Abend von den Jagden in Liebenburg wieder in Berlin an gekommen. Aus Anlaß der Morier-Affaire war die Mit- theilung verbreitet, Morier habe die Nachrichten über die deutschen Truppenbewegungen von einem Kabinets- rath der Kaiserin Augusta erhalten. Diese Behaup tung wird jetzt im Reichsanzeiger für unwahr erklärt. Der CabinetSrath der Kaiserin Augusta hat an den Vortragenden Rath in der Reichskanzlei vr. von Rot tenburg folgendes Schreiben gerichtet: „I. M. die Kaiserin Augusta beauftragen mich, Ew. Hochwohlge boren zu ersuchen, über folgende Angelegenheit Sr. Durchlaucht dem Herrn Reichskanzler Vortrag halten zu wollen. Ein Theil der Presse hat sich in den letzten Tagen mit einer aus dem „Fremdenblatt" vam 1. Januar 1889 entnommenen, angeblich aus zuverlässig ster Quelle stammenden Nachricht beschäftigt, derzufolge der verstorbene CabinetSrath I. M. Or. Brandis im Jahre 1870 geheime Depeschen aus dem Großen Hauptquartier während der Anwesenheit I. M. in Homburg v. d. Höhe im Vertrauen auf seine Freund schaft mit dem damaligen englischen Gesandten in Darmstadt, Mr. Morier, diesem mitgetheilt haben soll. Um das durch Verbreitung dieser irrtümlichen Vermuthung verletzte, bisher aber unbescholtene An denken eines im königlichen Dienst streng gewissenhaften, der Krone wie der Person I. M. treu ergebenen Beamten vor Verunglimpfung zu bewahren, würden Ihre Majestät es gern sehen, wenn in einer von dem Herrn Reichskanzler geeignet erachteten Weise eine Wi derlegung dieser Nachricht erfolgen könnte. Es muß darauf hingewiesen werden, daß geheime Depeschen über Truppenbewegungen, welche hier in Frage stehen, überhaupt nicht an die Königin gelangten, vielmehr nur diejenigen Depeschen militärischen Inhalts, deren Veröffentlichung sofort nach dem Empfange derselben zu erfolgen hatte. Es ist daher allein schon aus die sem Grunde nicht annehmbar, daß dem CabinetSrath j Or. Brandis Einsicht in Depeschen zu Gebote gestan- ! den hätte, aus denen die fraglichen Nachrichten vor- f zeitig hä.'ten geschöpft werden können. Im Uebrigen i aber widerlegt sich die betreffende willkürliche Behaup- ; tnng durch den Umstand, daß die Königin im August t des Kricgsjahres, zu welcher Zeit der Vormarsch der ! deutschen Heere über die Mosel stattfand, Berlin nicht verlassen hat. Ihre Majestät hat vielmehr erst im - Laufe des Monats Oktober 1870 einige Zeit in ; Homburg verweilt. Wenn Ihre Majestät auch im - Allgemeinen derartigen Erzeugnissen der Presse eine i Gewicht nicht beizulegen pflegen, so halten Allerhöchst- s dieselben in diesem Fall es nicht mit dem einen lang- - jährigen treuen Diener gewidmeten ehrenvollen Anden- i ken für vereinbar, daß solche als unwahr anerkannten, ; angeblichen Thalsachen umviderlegt bleiben, welche so- ; gar ein eigenthümliches Licht auf dis Wahrung des l Geheimnisses der der Königin von Preußen amtlich ° anoertrauten Depeschen zu werfen geeignet sind." l Die beiden Helden im Morier-Fall, Graf Herbert l Bismarck und Sir Robert Morier, haben sich > Schweigen auferlegt, und damit ist an der Sache das ! Hauptinteresse vorbei. Vollkommen klar ist der Fall s nicht, und er wird auch schwerlich aufgeklärt werden, da der Hauptzeuge Bazaine todr ist. Daß Bazaine dem deutschen Major von Deines gegenüber Morier beschuldigt hat, ist Thatsache, auf der anderen Seite steht fest, daß Bazaine Morier geschrieben hat, er wisse von der ganzen Geschichte nichts. Die „Köln. Ztg." bemüht sich ja fortwährend mit einem wahren Feuereifer, zu zeigen, daß der Bazaine'sche Brief nicht ordnungsmäßig sei und durch allerlei Hinterthüren erschlichen sein könne, aber mit Vermuthungen werden keine Thatsachen geschaffen. Wer weiß, was hinter der ganzen Geschichte steckt. Jedenfalls führt das Herum- strciten nicht zu greifbaren Resultaten, weil eben der Hauptzeuge fehlt. Auch die Erörterungen über den Gefscken-Prozeß dauern an. Da nun eine Gerichts verhandlung nicht statifindet, märe es doch von Inter esse, die Geheimgeschichte der Voruntersuchung kennen zu lernen. Von Anfang an ist, und wohl mit Recht, behauptet worden, nicht Geffcken solle mit dem Ver fahren getroffen werden, sondern seine Hintermänner, denn aus einem Geheimen Justizrath und Professor a. D. würde sich Fürst Bismarck schwerlich viel ge macht haben. Jetzt ist gesagt, in der Untersuchung seien nun diese Hintermänner festgestellt. Es wird gewiß alle Welt interessiren, zu erfahren, von wem die neuste Jntrigue gegen den Reichskanzler ausge- gangen ist. Die „N. A. Z." schweigt vorerst sich beharrlich aus. Das scheint aber gerade zu beweisen, daß ein erhebliches Nachspiel vorbereitet wird.