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Wilsdruffer Tageblatt für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis: die8geipaltene Aaumzeile20 Goldpfennig, die i geipaUer^ Leite vn amtttcheu Bekunnrmaa,utttzen 40<Sold- pfennig, die 3 gespaltene Deklamezeile im textlichen Teile 10V Goldpfennig. Acchweisungsgel üdr 20 tKoldpfennig. Vor- geschriebene Erscheinung^ tage und Piatzvorschrifren werden nach Möglichkei'. A LlN sv k e M bk : Attlt AZilsdvUN NV. V - erüelchchngt. Anzeigen- annahme bis norm. 1VUHr »»—- ----- — . - . — - Für die Nichtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder RabaNanfprsch rrlischl, wenn der Betrag durch — - Klage eingezogen werden muß oderder Auftraggeberin Konkurs gerät. Anzeigen nehmen allc Vermittlungsstellen entgegen- Da- Wilsdruffer Tageblatt enthält die amtlichen Bekauntmachmtge« der Amtshauptmannschasi Weihen, des Amtsgerichts und Stadtrats zu Wilsdruff, Forftrentamls Tharandt, Finanzamts Nagen. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Wochenblatt für Wilsdruff «. Umgegend Nr 21« 85 Jahrgang rel,gr «dr.: .Smttblatt- Wilsdruff-Dresde« Posts»«» Drerden 2K40 Sonnabend, 18. September 182« Herbfimanöver. Von dengroßen Herbstmanövern, die früher immer den Abschluß des Ausbildungsjahres in der deutschen Armee darstellten, kann man jetzt nicht mehr sprechen. Ein bißchen Divisionsübungen in Ostpreußen, ein paar Infanterieregimente! in der Priegnitz und in den nächsten Tagen, unter den Augen des Herrn Reichspräsiden ten, einige Manövrierbewegungen im Württembergs- schen — das ist alles. Kaum moderne Waffen dabei, keine Flugzeuge, keine schwere Artillerie oder gar Gaskampf, massen. Wenn man so etwas auf deutschem Boden heut- zutage antreffen will, muß man sich nach dem linken Rhein ufer begeben, wo ungleich erheblichere Teile der französi- schen Armee ganz kriegsmäßig ausgerüstete und angelegte Manöver abhalten, um den .Beweis" zu liefern, daß die Sicherheit Frankreichs eine weitere nennenswerte Herab setzung der Besatzungstruppen an unserer Westgrenze nicht zulasse. Nun, Herr Briand wird Herrn Dr. Strese mann gegenüber zeigen können, daß die Freundschafts- revcn vom 10. September kein leerer Wahn gewesen sind, wobei es freilich mit bloßen Worten, die uns ja früher schon, vor unserem Eintritt in den Völkerbund, in reich licher Auswahl gegönnt wurden, nicht mehr getan sein kann. Unser Auftreten in Gens hat uns allenthalben sehr: Viel Lob und Anerkennung eingetragen; jetzt wird es Zeit,! zu beweisen, daß man aus der Gegenseite zu Taten! bereit ist. Nach den großen Herbstmanövern hieß es früher in Deutschland: Reserve hat Ruh'! Auch dieses Lied ist ver-^ klungen — wir haben keine Reserve mehr, wir haben eine' auf zwölfjährige Dienstzeit verpflichtete angeworbene Truppe. Der vielbesprochene militärische Drill der Ver gangenheit mag gewiß, wie manche Leute es immer be haupten, auch ungünstige Wirkungen gezeitigt haben, aber die Tatsache, daß die herangcwachsene Jugend erst durch eine strenge Schule gehen mußte, ehe Vas eigentliche Be rufsleben für sie begann, bedeutete doch wohl einen nicht zu unterschätzenden Faktor in der Erziehungsarbeit unserer Öffentlichkeit. Der Berliner Polizeipräsident Dr. Frie - d e n s b u r g Hai dieser Tage in einem offenen Bries unter Hinweis aus die jugendlichen Verbrecher von L e.i f c r d e wie aus den ebenfalls kaum den Kinderschuhen entwach senen Mörder der Gräfin Lambsdorff und der kleinen Senta Eckert von den zerstörenden Wirkungen der Arbeitslosigkeit in vielen Schichten des Volkes ge sprochen; in einem geregelten Leben voller Arbeit und Ordnung wären nach seiner Überzeugung diese jungen Menschen schwerlich zu Feinden der Gesellschaft geworden. Zu einem Leben dieser Art sind aber die früheren Genera tionen zum Teil auch während ihrer militärischen Dienst zeit mit erzogen worden, und wenn man die „Stärke" Verusssoidatenheeres nicht auf 100 VW Mann be- wäre bas Heer unserer Arbeitslosen auch Nach dem Mia^ riesenhaften Umfang angeschwollen. Aach dem Willen der Militärstaaten von heute sollen wir uns an den Dauerzustand einer nach Millionen zählenden Reservearmee von Erwerbslosen gewöbnen, auch auf die Gefahr hin, daß dadurch unsere Zuchthäuser und Gefäng nisse überhaupt nicht mehr leer werden. Oo man sich im Völkerbund diesen unseren Sorgen auch vielleicht einmal zugänglich zeigen wird? Freilich, könnten wir so viel Unglück noch anshalten wie England, wir brauchten diesen trüben Erschei- nungen mcht so kummervoll nachzuhängen. Jetzt, wo der britische Berga r b e i t crausstanv nach fünsmonat- ljcher Dauer allmählich zu Ende geht, kann man lesen, daß dieser m allen bisherigen Arbeitskämpfen un'rhörte Streik das britische Volksvermögen um nicht weniger als sieben Milliarden Mark geschädigt hat. Gegen das vorige Jahr ist in den Streikmonaten 1926 die Ausfuhr aus dem Vereinigten Königreich um rund 12 Milliarden Mark rurückgegangen. Ganze Industriezweige sind zum Er- «egen gekommen und an den stillgelegten englischen Kohlengruben haben sich in anderen Ländern in höchster No. befindliche Produktionsgebiete sozusagen gesund ge- mo^t Die Bergarbeiter sind trotz der russischen Hilfs- di nachgerade die Höhe von 12 Millionen Mark -r eickt habe« am Ende ihrer Widerstandskraft äuge- lang? Sk wollen sich jetzt '°woh!. aus L°^ wie auf Arbeitszeitverlängerungen einlassen, muffen also, uach tapferer Gegenwehr, ihre Herbstubungen emstellen. Ein teuer genug erkaufter Sieg. Ob er dem Bnlenvolk zum Segen gereichen wird? Sa; Urteil im MordMeß Schröder. Eigener Fernsprechdicnst des „Wilsdruffer Tageblattes". Der Angeklagte Schröder ist des Raubmordes für schuldig wAden und wird zum Tode verurteilt. Außerdem ihm die bürgerlichen Ehrenrechte auf Lebenszeit ab- Mordwaffe wird eingezogen. Wegen schwerer zu 'wlschung in Tateinheit mit Betrug wird der Angeklagte anale» Gefängnis verurteilt. Von der Anklage der a >um Meineid erfolgt Freisprechung. llMMig Zr. ötresemw mit WM. Deutsch-französische Aussprache. Eine geheimnisvolle Konferenz. Reichsautzenminister Dr. Stresemann und der fran zösische Außenminister Briand hatten am Freitag außer halb Genfs eine Zusammenkunft, in der eine allgemeine politische Aussprache erfolgte. Sowohl der Ort der Be gegnung wie auch das Thema der Unterhaltung werden streng gehcimgehalten, doch wird in Genfer politischen Kreisen darauf hingewiescn, daß von dieser Zusammen kunft das künftige Schicksal der deutsch-französischen Be ziehungen zu einem großen Teil abhängen wird. Wie aus gut unterrichteter Quelle verlautet, hat die Unterredung den gesamten Fragenkomplex umfaßt, der zur zeit zwischen Deutschland und Frankreich zur Debatte steht. Die Rheinlandbesetzung, die Militärkontrolle, wirtschaft liche und finanzielle Fragen sind, wie es heißt, in einem großen Nahmen von beiden Staatsmännern behandelt und die Grundzüge zu ihrer Regelung vereinbart worden. Das Pariser Blatt „Excelsior* weiß zu der Ministerbegegnung zu melden, daß auf deutscher Seite die Unterhaltung der beiden Außenminister als Einleitung für die RäumungderRheinlande angegeben wird. Im Zusammenhang mit der Räumung wird nach der Meinung des „Excelsior" an eine große Finanzoperation gedacht, welche Deutschland aus einmal von seinen Ver pflichtungen aus dem Dawes-Plan befreien soll. .In ähn lichem Sinne äußern sich auch andere Pariser Zeitungen, doch wird man alle diese 'Ausführungen noch mit einem gewissen Vorbehalt aufnehmen und die offiziöse Verlaut barung über diese Begegnung abwarten müssen. Aufgeben des Geistes von Versailles. Eine Rede Stresemanns. Auf einer geselligen Veranstaltung, die vom Reichs- Pressechef Dr. Kiep am Sitz der deutschen Delegation in Genf gegeben wurde, sprach Dr. Stresemann vor den Delegationsmilgliedern und den in Gens anwesenden Vertretern der deutschen Presse sein tiefes Gefühl oer Genugtuung über die Stellung aus, die sich Deutschland in der Welt wieder erobert habe. Er habe die Empfin dung, daß der Jubel, mit dem Deutschland beim Einzug in den Völkerbund begrüßt worden sei, ein Aufgeben des Geistes von Versailles bedeute. Es gebe keine ausdrucksvollere Zurücknahme der moralischen An schuldigung Deutschlands als seine Aufnahme m den Völkerbund. Deutschland sei in Genf eine moralische Ge nugtuung zuteil geworden. Deutschland muß verbuchen, schrittweise das zurückzubringen, was es verloren habe. Man verstehe auf der anderen Seite endlich, daß man b e n f a l s ch e n W e g g e g a n g e n ist. Dr. Stresemann sprach die feste Überzeugung aus. daß Briand seine Rede l aus dem Innersten des Herzens gehalten hat. Bei der Se?^?1rmg politischer Fragen komme es künftig nicht aus Tageserfolge, sondern auf die vollständige B e - Er zwischen Deutschland und seinem ehemaligen Gegner schwebenden Punkte an, eine Frage, die, wie Dr. Stresemann am Schluß seiner Ausführun gen hervorhob, durch die vollkommen veränderte gestriae Atmosphäre ihrer Erledigung entgegenreist. Ein Ergebnis von weittragendster Bedeutung. Die amtliche Mitteilung. Genf, 17. September. Die mehrstündige Unterredung fand auf französischem Boden in Thoiry, einer kleinen Ortschaft im französischen Iura, statt. Ucber das Ergebnis der Besprechung ist folgende gemeinsam vereinbarte amtliche Mitteilung ausgege- gcben worden: Der deutsche Reichsaußemnimster, Dr. Stresemann, und der französisch« Außenminister, Briand, trafen sich zum Früh stück in Thoiry. Sie hatten dort eine mehrstündige Unter haltung, die in herzlichster Weise verlief. Im Verlauf dieser Unterhaltung prüften sie der Reihe nach alle ihre beiden Län der interessierenden Fragen und suchten gemeinsam nach den ge eignetsten Mitteln, um die Lösung dieser Fragen im deutschen und im französischen Interesse und im Geiste der von ihnen unterzeichneten Vereinbarungen sicherzustellen. Die beiden Minister brachten ihre Auffassungen über eine Gesamtlösung der Fragen in Einklang, wobei sich jeder von ihnen vorbehielt, seiner Regierung darüber Bericht zu er statten. Wenn ihre Auffassungen von ihren beiderseitigen Regierungen gebilligt werden, werden sie ihre Zusammenarbeit wieder aufnehmen, um zu den gewünschten Ergebnissen zu ge langen. Stresemann ist zufrieden Genf, 17. September. Reichsaußenminister Dr. Strese mann empfing kurz nach 8 Uhr die Presfe, der er einige Mit teilungen über die heutigen Verhandlungen mit Briand machte. Stresemann erklärte zunächst, daß zwischen ihm und Briand dir Vereinbarung getroffen worden fei, keine näheren Mitteilun gen über die heutigen Verhandlungen zu machen. Aus diesem Grunde könne er nur einige allgemeine Gesichtspunkte hervor- hcben. Während der Beratungen seien nacheinander alle zwi schen den beiden Staaten schwebenden und noch der Lösung har renden Fragen durchberaten worden. Der zweite Teil des Kom muniques weise richtig darauf hin, daß die beiden Minister einig geworden seien, nicht eine Lösung von Einzelfragen zu erzielen, sondern eine Gesamtlösung herbeizuführen. Die nunmehr beschlossene Prozedur sei folgende: Ueber die Fragen, über die eine grundsätzliche Einigung erzielt worden sei, würde nach Rückkehr der beiden Minister die Verhandlungen wie der ausgenommen werden. Briand trete jetzt einen Urlaub an und werde Ende September, also ungefähr wenn er in Berlin sein werde, in Paris sein. Er hoffe und nehm« bestimmt an, daß die beiden Kabinette die heutigen Verhandlungen billigen würde», jo daß in absehbarer Zeit die Zusammenarbeit durchgesührt wer den könnte. Der Reichsaußemnimster betonte, er habe bei Briand wie-"' der eine starke Bereitschaft für die Aufrechterhaltung des europäischen Friedens gesunden, dessen Kernstück die deutsch französische Zusammenarbeit fei. Briand betont die völlige grundlegende Einigung. Genf, 17. September. Briand empfing heute abend die französische und einen Teil der ausländischen Presse, nachdem gleich nach seiner Rückkehr der rumänische Außenminister bei ihm vorgesprochen hatte. Briand betont«: Auf Ihre Frage kann ich Ihnen antworten, daß ich von dem Verlauf der Verhandlungen in höchstem Maße befriedigt bin. Ueber sämtliche von uns be rührten Fragen ist zwischen uns volle Einigung erzielt worden, die Wirksam werden wird, sobald die beiden Regierungen Ge legenheit gehabt haben werden, sich zu unseren Verhandlungen zu äußern. Die von uns erzielten Ergebnisse sind nicht nur be deutsam im Interesse unserer beiden Länder, sondern gleichzeitig im Interesse des gesamten Europas und des Friedens der Welt. Pariser Pressestimmen. Paris, 17. September. Von der äußersten Rechten bis zur äußersten Linken wird die weittragende Bedeutung dieser di rekten deutsch-französischen Verhandlungen betont. Es wäre sehr wahrscheinlich, daß Stresemann, nachdem er mät Briand ge sprochen habe, auch mit Loucheur über Fragen wirtschaftlicher Natur verhandeln werde. Es wird hier in Regierungskreisen großer Wett daraus aelegt, daß man sich auf deutscher Seite von den direkten Verhandlungen nicht sofort goldene Berge ver sprechen dürfe, denn sranzösischerseits gedenke man nur sehr vor sichtig und schrittweise vorzugehen. Die heutige Zusammenkunft Briand—Stresemann wäre daher gewissermaßen »Ur als Sondir- ruug der beiderseitigen Ansichten aufzufassen. Deutschland selbst würde übrigens nur an eine schrittweise Räumung des Rhein- landes denken. Das finanzielle Moment wir- weiterhin in den Vor dergrund geschoben und für eine frühzeitige Räumung die finanzielle Hilfe zur Wiederaufrichtung des Franken immer deutlicher verlangt. Gruppenmanöver in Kranken. In Gegenwart des Reichspräsidenten. ! Reichspräsident von Hindenburg hat sich, von Reichs Wehrminister Dr. Geßler begleitet, nach Bad Mergent heim begeben, um den zwischen Mergentheim und Tauberbischofsheim stattfindenden Manövern der 5. und 7. Division beizuwohnen. Die Rückkehr des Reichsprä sidenten nach Berlin ist für Montag in Aussicht ge nommen. Zwei Divisionen, die 7. Bayerische und die 5., die aus Truppen Preußens, Württembergs, Badens und Hessens zusammengesetzt ist, rüsten sich zum Gruppen manöver, dem ersten seit Bestehen der Reichswehr. Denn in den früheren Jahren übten die Divisionen stets nur einzeln in ihren Heimatprovinzen. Als Verstärkung ist das 9. Infanterieregiment aus seinen Garnisonen in der Umgegend der Neichshauptstadt herangezogen worden. Das Standquartier der Manöverleitung ist das malerische württembergische Deutschordensstüdtchen Mergentheim, das völlig das jedem alten Soldaten vertraute lebendige Bild einer hohen Kommandostelle im Felde bietet. Bemerkenswert ist übrigens, daß diesen Gruppen Übungen zum erstenmal seit dem Kriege die Militär attaches zahlreicher ausländischer Staaten beiwohnen werden. Von den Nationen, die gegen uns im Felde standen, ist nur der Militärattache der Vereinigten Staaten von Nordamerika vertreten.