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Fernsprecher Wilsdruff Nr. 6 WochmMit fÜs MMwff UNd LlwgegMd Postscheckkonto Leipzig 286^4 Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amtsgerichts Wilsdruff, des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt Verleger und Drucker: Arthur Zschunke in Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermann Lässig, für de» JnseratenteU: Arthnr Zschunke, beide in Wilsdruff. Nr. 141. Sonntag den 19. Juni 1921. 80. Jahrgang. Amtlicher Teil. Letztmaliger Verkauf von Speisekartosseln "U L neuen Schule. — Abgabe in unbeschränkter Menge, soweit Vorrat reicht, der Zentner > Wilsdruff, am l7. Juni 1921. «83 Der Stadtrat. Kleine Zeitung für eilige Leser. * Amtlich wird aus München gemeldet: Das Staatsministe- rium des Innern hat die Belohnung für die Ergreifung des Mörders des Abgeordneten Gareis von 10V00 Mark aus 30 0000 M. erhöht. * Die zur Besetzung des Ruhrgebiets bestimmte gewesene französische Armee wird demobilisiert, nur Unverheiratete, die Bureaus und die Reserveoffiziere bleiben noch im Dienst. * Lord Curzon ist aus London nach Paris gereist, um eine vorläufige Besprechung über die oberschlesischen Fragen ai zu- halten, da eine Zusammenkunft des Obersten Rates für die nächste Zeit nicht festgesetzt ist Rathenau- Programm. Der Wiederausbauminister ist ein Mann praktischer Arbeit, nicht langatmiger Programme, kein Freund hoch stelliger Zukunstswechsel, sondern unmittelbarer Gegen wartsanstrengungen. Und erst, wenn er etwas hinter sich gebracht hat, hält er es für zweckmäßig, öffentlich darüber Rechenschaft abzulegen. So ist er denn Anfang der Woche in aller Heimlichkeit nach Wiesbaden gefahren, um dort mit dem französischen Minister Loucheur eine Ver ständigung zu suchen. Und nun von dort zurückgekehrt, beeilt er sich, im Reichswirtschaftsrat zu berichten, wie die Dinge stehen. Erst etwas Wasser in den Wein. Alan hatte von 25 000 Holzhäusern gesprochen, die Deutschland für den Wiederaufbau der zerstörten Gebiete liefern soll. Zurzeit kommen in Wahrheit etwa 5000 in Betracht. Macht zehn oder höchstens zwölf Millionen Goldmark, also gewiß ein kleines Objekt für die gesamte deutsche Volkswirtschaft. Daran etwa, unsere gesamten Jahresraten an Frankreich in Sach- und Arbeitsleistungen abzustoßen, kann ernstlich. nicht gedacht werden, denn Frankreich hat einen erheblichen Bedarf auch in Gold oder Devisen. Also fragt Dr. Rathenau, wie es möglich sein werd-, den Platzregen, der an Materialbedürfnissen über F' » reich hereinbricht, wenn die Reparation in drei oder wer Jahren beendet sein soll, so zu verteilen, daß die Warenmengen nicht die Jahresaufnahmefähigkeit Frankreichs an Reparations leistungen übersteigt. Schon ein schwieriges Finanzpro- blem, das nur in vollem Einvernehmen beider Teile ge löst werden kann. Dann kommt die Jndexfrage, über die Dr. Rathenau schon im Reichstage gesprochen hat. Der Index von 26 Prozent muß durch eine andere Vereinba rung ersetzt werden, weil er so, wie er im Ultimatum vor gesehen ist, beiden Teilen nur wirtschaftliche Nachteile bringen kann. Dann muß, meint Dr. Rathenau, das hastige Devisenkausen aufhören, das eine vollkommene Zer rüttung des internationalen Geldmarktes zur Folge hqben muß.^ Schon heute ist der Dollar wieder über 70 Mark gestiegen, zum Leidwesen auch der französischen Finan zen, zum Leidwesen ebenso aber auch der amerikanischen Volkswirtschaft. Natürlich macht dem Wiederausbaumi nister auch die Preisfrage für die Sachleistungen an Frankreich viel Kopfzerbrechen. Es ist ein Maßstab zu finden, der Preisfestsetzungen in gerechter Weise ermög licht und gewährleistet, daß die französische Industrie nicht in die Lage kommt, sich darüber zu beschweren, daß die Leistungen, die Deutschland macht, erheblich teurer sind, als sie in Frankreich sein würden. Das alles sind Pro bleme höchst verwickelter Natur, die die weitere Öffent lichkeit unbedingt den zuständigen volkswirtschaftlichen Sachverständigen überlassen muß. Eher wird auch das Laienpublikum mitreden können bei der Frage, wie w-it deutsche Arbeiter nach Frankreich zu senden seien. Aucy hier hält Dr. Rathenau sich für verpflichtet, abzuriegeln. Einmal ist in Frankreich schon viel wieder aufgebaut, insbesondere auf dem Lande, und die Bauarbeiten sind komplizierter, als wir es uns ge wöhnlich denken. Die Franzosen haben gesetzlich festge legt, daß die zerstörten Häuser auf den alten Fundamen ten und in der alten Weise wieder herzustellen seien. Es kommt nur Einzelarbeit großen Umfanges in Frage, bei der es schwer sein wird, Tausende von deutschen Arbeitern in französischen Städten unterzubringen. Dr. Rathenau rechnet es Herrn Loucheur zur Ehre an, daß er sich zu direkten Verhandlungen mit ihm auf deutschem Boden zu sammengefunden hat. Deshalb hat er auch Herrn Loucheur das erste Wort vor der Öffentlichkeit über die Verhand lungen in Wiesbaden überlassen, die in vollkommenen Formen geführt worden sind. Zuletzt bereitete Dr. Rathenau auf die Notwendigkeit vorhin Deutschland einen Apparat zu schassen zur Auf nahme, Verteilung und Bewältigung derjenigen Aufträge, die aus den Verhandlungen mit Frankreich über den Wie deraufbau herauskommen werden. Hier wird wieder ein mal ein großer Organismus zu schaffen sein, denn auch die berechtigten Ansprüche der verschiedenen Landesteile auf Mitbeteiligung an diesen Aufgaben, der verschiedenen Berufsstände in Industrie und Handwerk werden ru be rücksichtigen sein, und den Gewerkschaften kann das Recht der Mitbestimmung in Fragen der Arbeitsleistung nicht abgesprochen werden. Nähere Vorschläge für die beab sichtigte Organisation will der Minister sich Vorbehalten. Nur eins kann er schon heute versichern: er will weder eine Wumba noch eine Z. E. G. haben. Jedem wird er es dabei nicht recht machen können. Es gibt keine Lösung, sagt er, die mit 100 Prozent richtig ist. Der Minister hofft auf die Fortsetzung des in Wiesbaden beschrittenen Weges und damit auf Lösungen, die zu gutem Ende süh- ren können. Daß er dabei in erster Reihe, was die deut sche Heimat betrifft, auf die Mitwirkung der im Neichs- wirtschaftsrat vertretenen Berufsarbeit angewiesen ist, zögert er natürlich keinen Augenblick offen zu bekennen. In der Tat, hier liegt eine ungeheure Fülle von Auf gaben vor, bei denen alles andere nur keine parteipolitische Arbeit geleistet werden darf. Das sollte niemand ver gessen, der den Wiederaufbau der zerstörten Gebiete wirk lich fördern will. Unklare Lage irr OberschLesien. Die Alliierten rücken vor. Die Nachrichten aus Oberschlesien verraten nach wie vor mehr Stimmungsmache als Wahrheit. Pariser Nach richtenbureaus stellen die Lage so dar, daß General Hoefer sich der Interalliierten Kommission zu unter werfen scheine. Andererseits habe Korfant h, der In struktion der Interalliierten Kommission gemäß, daA Ein stellen der Feindseligkeiten angeordnet. Der französische Botschafter in Berlin hat erneut mit dem deutschen Außen minister Dr. Rosen über Oberschlesien konferiert. Dagegen findet der Reuter-Bericht: Die letzten Be richte über Oberschlesien zeigen keine Verbesserung der Lage. Es sind keine Anzeichen vorhanden, daß die Polen ihr Versprechen, sich zurückzuziehen, einhalten. Korfanty scheint seine Leute nicht mehr im Zaume halten zu können. Einige alliierte Behörden sind aufgehoben worden. Hier durch sei wahrscheinlich der Berliner Bericht entstanden, daß die Ententekommission sich zurückziehen werde. Bom Kampfplatz. Mit Ausnahme von Schießereien bei Ellguth-Tworjan und westlich Ratibor-Hammer ist es nicht zu Kampfhandlungen ge kommen. Durch das Einrücken der Engländer in Zembowitz sind die Polen genötigt worden, ihre Angriffe aus Pruskan einzustellen. Nach den bisher vorliegenden Meldungen sind je doch die englischen Streitkräfte zu schwach, um die deutsche Be völkerung vor den Drangsalierungen der Polen zu schützen. Der italienische Oberst Salvioni hat angeordnet, daß auf dem rechten Oderuser Ortswehren gebildet werden. Der Be lagerungszustand für Ratibor ist aufgehoben worden. Englische Truppen sind in Ratibor, Kleinaltham mer, Ferdinandshof, Salesche, Poppitz, Guttentag und Kostellitz eingetroffen, französische Truppen ebenfalls in Kleinalthammer , und Kostellitz. Außerdem ist Jakobswalde von Franzosen. Lubom und Nensa von Italienern besetzt. „Temps" dementiert die von den Polen verbreitete Radio meldung über einen Zusammenstoß zwischen deutschen und alliierten Truppen bei Cosel, wo mehrere Franzosen getötet oder verwundet worden sein sollen, und bei Kotlarnia, wo ein englischer Sergeant und ein englischer Soldat gelötet wordeß seien. Dieselbe Richtigstellung erfolgt von London Sus. Selbsthilfe der Oppelner Arzte. Der Oppelner Nrzteverein erläßt eine Bekanntmachung, in der es heißt: „Unser Kollege Dr. Fremd ist in der Nacht zum 1l. Juni von einem Mitglied der französischen Kommission ohne aus reichenden Grund verhaftet und auf einer französischen Wache in Mgenwart des französischen Offiziers schwer mißhandelt worden. Nachdem diesem Verhalten keine Entschuldigung ge folgt ist, erklären die dem Oppelner Ärztevcrein angehörenden Ärzte, daß sie von heute ab den Mitgliedern der Enientekom- mission jede ärztliche Hilse solange verweigern, bis eine aus reichende Genugtuung vorliegt." „Insurgenten, die vernünftig geworden sind." Diese Unterschrift trägt ein von Insurgenten verbrei tetes Flugblatt, das der Ratib. Anz. wicdergibt. Es ist ein Aufruf der Unterzeichner, die darin bekennen, daß sie auf Korfantys Befehl Tausende von Mordtaten und andere Verbrechen begingen, um schließlich einzusehen daß damit nichts erreicht werde als eine Schändung der polnischen Ebre. Die polnischen Oberschlesier seien von Korfanty betrogen, denn auf seine Veranlassung mache sich nun Warschauer Gesindel in Ober schlesien breit und bekomme die besten Stellen und Posten Der Aufstand sei fruch.os, Korfanty selbst glaube nicht mehr an ein gutes Ende. Darum hätten die Unterzeichne: den Kampf ausgegeben. Die andern Inj urgenten sollte» ebenfalls Schluß machen, sie brauchten keine Rache zr fürchten. Nur die verbrecherischen Verführer hätte» Strafe zu erwarten und damit geschehe ihnen recht. Ek sei das beste, sich beizeiten mit den Deutschen zu vertragen denn nm bei Deutschland habe Oberschtesien eine Zukunft Der Geyeimbund. Mehrfach wird jetzt, allerdings mit einem interessanten Zusatz, die Behauptung aufgewärmt, daß zwischen Frankreich und Polen ein noch nicht ratifizierter Vertrag bestehe, in dem Frankreich Polen seine Unter stützung in Oberschlesien zusage. Polen solle ein Heer von 600 000 Mann halten, in dessen Generalstab sich franzö sische Offiziere befänden. Bei einem Kriege Polens, der kein Angriffskrieg sei, würde Frankreich Polen militä rische Unterstützung geben. Rußland sei ausgenommen; der einzige Krieg, der in Bettacht käme, sei ein Krieg gegen Deutschland. Die Petroleumquellen Ostgaliziens würden Frankreich zur Ausbeutung überlassen. Neuerdings soll nach Ansicht englischer Berichterstatter in Polen der Wi derstand gegen diesen Vertrag wachsen. Es scheine eine Bewegung zugunsten eines Einvernehmens mit Deutschland aus wirtschaftlicher Grundlage zu be stehen. Uns scheint das sehr Zukunftsmusik zu sein. Der zukünftige Brotpreis. Eine Umlage von 21- Millionen Tonnen angenommen. Die Aussprache in der Donnerstagsitzung des Reichs tages über die Regierungsvorlage bett. Regelung des Verkehrs mit Getreide brachte zunächst eine Ablehnung der ganzen Vorlage. Tie Regierungsvorlage wollte als Umlage drei Millionen Tonnen festsetzen, die drei sozia listischen Parteien 41- Millionen Tonnen und die Demo kraten 2)4 Millionen Tonnen. Bei der Abstimmung lehnte das Parlament sowohl die Anträge der Linken wie der Rechten ab und nahm dann, gegen die sozialisti schen Parteien, das Kompromiß von zweieinhalb Mil lionen Tonnen an. Bei der Gesamtabstimmung fiel dann aber der ganze Paragraph 1 der Vorlage, da die gesamte Linke sowohl wie die Deutschnationalen dagegen stimmten. Hätte es dabei sein Bewenden gehabt, so wäre die ganze Aktion ins Leere verpufft. Aber in einer folgenden Abendsitzung wurde die dritte Lesung des Gesetzentwurfs noch vorgenom men. Inzwischen hatten sich Zentrum, Deutsche Volks- partci und Demokraten auf den demokratischen Kompro mißvorschlag von 21t Millionen Tonnen geeinigt und bei der Abstimmung schlossen sich die Deutschnationalen diesem Anträge an. Das Gesetz wurde darauf gegen die drei sozialisti schen Parteien mit allen Stimme» der bürgerlichen Par teien angenommen. Die Regierungskoalition war also in diesem Falle auseinarrdergefprengt, die Sozialdemokraten nahmen einen dem Zentrum und den Demokraten entgegengesetzten Stand punkt ein. Man nimmt nicht an, daß das Auseinander sallen der Regierungsmehrheit in diesem Falle weiter gehende Folgen für den Bestand der jetzigen Regierung haben wird, obwohl es immerhin bezeichnend für die Schwäche der bisherigen Koalition ist. Reichsernührungsministcr Hermes teilte noch mit, daß eine Erhöhung des Brotpreises im lausenden Wirt schaftsjahre nicht erfolgen werde, frühestens zu Beginn des neuen Wirtschaftsjahres. Sie würde unter leinen Umständen über 50 Prozent hinausgehen. Vertreter der Linken sagten schwere Erschütterungen und harte Lohnkämpfe als Folge der teilweisen Beseiti gung der Zwangswirtschaft und der damit zu erwarten den Annäherung der Getreidepreise an die Weltmarkt preise voraus. Die Ablehnung der Anträge sei eine Kampfansage an die Lohnempfänger und Erwerbs schwachen allerorten. Die Deutschnationalen, die für vollständig freie Wirt schaft sind, ließen durch ihren Sprecher ausführen, ihre Partei habe nur schweren Herzens dem Kompromiß zu gestimmt. Sie habe es aber getan, um eine völlige Ab lehnung des Gesetzes zu vermeiden. Das würde die Bei behaltung der Zwangswirtschaft bedeuten. Sie habe des halb das kleinere übel gewählt. Angenommen wurde noch ein Antrag, die Regierung zu ersuchen, alle Schritte zu Milderungsmaßnahmen für die Sicherung der Volksernährung zu tun, um den Über gang zu erleichtern. Weitergehende Anträge der Sozi- lalisten zu bestimmten Gesetzesvorlagen fanden leine Mehr heit. » Deutscher Reichstag. >116. Sitzung.) OL Berlin. 17. Ium. Anter den kurzen Anfragen, mit deren Beantwortung die heutige Sitzung eröffnet wurde, befanden sich einige von all gemeiner Bedeutung. So erkundigre sich der Aög. Adams (D. Volksp.) nach den Vorgängen am 2. d. R. in Esch weiler, bei denen mehrere Einwohner durch marokkanische Truppen erschossen wurden. Seitens der Regierung wurde dieser Tatbestand zugegeben. Ein jugendlicher Arbeiter uamens Kock wurde von einem marokkanilcken Soldaten a»-