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Nr. 47 — List. Jahrgang Tonnabend den »3. Februar LVLL ächWikKolksmtlm Erscheint tSglich nach«, mit Ausnahme der Sonn-und Festtage. »luSnabe L mit .Die Zeit in Wart und Bild' vierteljährlich K10-« In Dresden durch Boten 3.4« In gan, Deutschland sret Hau» ».8» 4k: in Oesterreich 4,4» L Ausgabe » ohne illnitrierte Beilage vierteliabrli« 1.8« In Dresden durch Boten 3.4« In ganz Deutschland srei Hau- «.32 in Oesterreich 4.07 X. - Einzel-Nr. I« 4. Anabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit Inserate werden die «gespalten» Petitzeile oder deren Raum mit 48 4, Reklamen mit 8« 4 die Zeile berechnet, bei Wiederholungen entsprechenden Rabatt. Buchdrnikeret, Redaktion und Geschäftsstelle i Dresden, Ptllnitzcr Strafte 4». — Fernsprecher ISS« FiirRiiikaabe unverlangt. Schrtftstüikekeiueverbindlichkeit RedakttonS Sprcchstunde: 44 bi» 43 Uhr. Kaktee-Oenuü ist teuer, wertlos, gssunäbeitssckLäigenä. Kakao-Oenuü ist billix, wertvoll kür LrnSlnung unä Oesunrllieit, wolilsclimeckeiiä unä delcSmmlicli. V/n empfelilen unsere Sperlalsorte« ru 80, 100 120, 140-200 pfg. per pkunä. Oerlinx L koekstroii, Dresäen. dlieäerlggen in sllen Stsätteilen. Für oen Mon^t Mürz abpnmerl man aus die „Sächsische B»l?Azeit«ng"mit der täglichen Roman- beilage sowie der wöchentlich erscheinenden Beilage „Feierabend" zum Preise von SO Pfg. (ohne Bestellgeld), durch den Bolen ins HouS VV Pfg. Bezugspreis auf die Ausgabe mit der illusirieiten Unterhaltungsbeilage „Die Zeit in Wort and Bild" erhöht sich monatlich um >OPf. 700 Millionen Mart neue Belastung des Volkes. Dresden, den 24. Fiknucn 1911 Die Sozialdemokratie hat in der Kommission für die Reichsversicherungsordnung Anträge gestellt, die deni deut- schen Volke eine Mehrbelastung von 700 Millionen Mark auferlegen würden. So hat es eine amtliche Drucksache her ausgerechnet und die. Sozialdemokraten können nichts da gegen einwenden. Es sollen nach ihren Anträgen auch die Arbeiter schwer belastet werden, die Arbeitgeber natürlich ebenso. Hierzu schreibt uns unser parlamentarischer Mit arbeiter: Wenn man die Vorlage der Regierung annimmt, dann gibt es schon Mehrausgaben von 141 Millionen Mark. Da zu treten noch die Kosten der Versicherungsämter, die die Sozialdemokraten im ganzen Reiche einrichten wollten und die mindestens 40 Millionen Mark gekostet hätten. Daneben sind aber in den Kommissionen noch Anträge gestellt worden, die eine Mehrausgabe von 653 Millionen Mark bervorge- rufen hätten, so daß die Gesamtbelastung über 700 Millio nen Mark in jedem Jahre ansmachcn würde und zwar so- fort im ersten Jahre-, es ist ganz naturgemäß, daß diese Zahl sehr rasch steigen müßte und man bald an der neuen Milliarde angelangt sein würde. Es liegt uns nun ferne, zu behaupten, daß alle Anträge auf Mehrbelastung von der Sozialdemokratie gestellt worden sind und daß alle unan nehmbar sind, aber jene Anträge, die das Reich,- die Arbeiter und Arbeitgeber am schwersten getroffen hätten, gehen von der Sozialdemokratie ans. Jetzt hat die Kommission eine Finanzkommission eingesetzt, die die Anträge näher unter suchen soll, und darum nehmen wir auch in der Oeffentlicl)- keit zu denselben Stellung, um das Volk beizeiten aufzn- klären. 1. Die Kosten für H e b a m m e n h i l f e. Nach 8 212 Absatz 2, 3 der Reichsversicherungsordnung nach den Be schlüssen der 16. Kommission in erster Lesung sollen ver sicherungspflichtigen Ehefrauen im Falle der Niederkunft die erforderlichen Hebammendienste und etwaige ärztliche Geburtshilfe gewährt werden. Die Satzung kann dieses allen versicherungspflichtigen Wöchnerinnen zubilligen Insgesamt würde die Gewährung freier Hebammendienste an versicherungspflichtige Wöchnerinnen und versicherungs freie Ehefrauen der Versicherten die Krankenversicherung jährlich mit mindestens 23,76 Millionen Mark belasten. 2. Die Kosten des StillgeldeS. Nach 8 213 der Reichsversicherungsordnung kann die Satzung Wöchne rinnen, solange sie ihre Neugeborenen stillen, ein Stillgeld bis zur Höhe deS halben Krankengeldes bis zum Ablauf der 12. Woche nach der Niederkunft zubilligen. Nach 8 218 kann das Stillgeld auch an versicherungsfreie Ehefrauen der Versicherten gewährt werden. Es sind jährlich an Geburten zu erwarten: von versicherungspflichtigen Ehefrauen 483 000 Geburten, von ledigen Versicherungspflichtigen etwa 170 000 Geburten, von vcrsicheriingSfreien Ehefrauen 672 000 Geburten, zusammen 1226 000 Geburten. Von den Neugeborenen starben nach den Beobachtungen bei der Reichsbevölkerung innerhalb des ersten Viertel jahres 11,6 Prozent, so daß für das Stillgeld in: Mittel rund 1166 000 Kinder in Betracht kommen werden. Nimmt man daS tägliche Stillgcld zu einer halben Mark an, so würden für 12 Wochen 12 X 7 X ^ Mark — 42 Mark zu gewähren sein; die Gesamtbelastnng würde also sein 42 X 1166 000 oder 48,5 Millionen Mark. Dabei sind noch nicht alle Mehrausgaben bei der Krankenversicherung be rücksichtigt 3. Nun die Unfallversicherung. Wenn die Wartezeit verkürzt wird, gemäß den Anträgen der Kommis sion, so werden die Arbeitgeber mit 13,7 Millionen Mark belastet und die Krankenkassen um diesen Betrag erleichtern Die Erhöhung der Vollrente ans 100 Mark kostet rund 12 Millionen Mark, die Erhöhung der Witwenrente rund 1 Million Mark und dis Erweiterung der Kinderrente 13,6 Millionen Mark. 4. Die meisten Mehrausgaben sollen bei derInvaIi - denversich erung gemacht werden. Wenn neben der Invalidenrente eine Kinderrente für Kinder unter 16 Jah ren gegeben wird, so kostet dies jährlich 8 Millionen Mark. 6. Die Erhöhung der Witwen- u nd Waisen- bezüg'e. Die Sozialdemokraten wollten einen 8 1278a einstigen, wonach die Leistungen an die Witwen und Waisen analog wie in den Unfallversicherungsgesetzen auf 20 Pro zent des Jahresarbeit sverdienstes bemessen werden sollen. Als Jahresarbeitsverdienst solle gelten in Lohnklasse I der Betrag von 350 Mark, in Lohnklasse II der Betrag von 460 Mark, in Lohnklasse III der Betrag von 700 Mark, in Lohnklasse IV der Betrag von 1000 Mark, in Lohn klasse V der Betrag von 1350 Mark. Ermittelt man die Kosten, die eine allgemeine Witwen- und Waisenversicherung ans den Kopf der Versicherten verursachen würde, so zeigt sich, daß 100 Mark Rente an die Witwe 5,60 Mark, an vor handene Waisen 6,77 Mark, zusammen 10,43 Mark jährlich kosten würden. Da es sich um rund 16 Millionen Versicherte handelt, und die Rente nach dem Anträge sich auf durch schnittlich 170 Mark stellen würde, so würde eine Hinterblie benenversicherung nach dem Anträge eine jährliche Be lastung mit 10.43X 16 ltOO 000X1.70 Mark — 266 966 000 Mark verursachen. Rechnet man die Belastung aus der In validenversicherung mit rund 180 Millionen Mark hinzu, so würden durch Beiträge jährlich rund 446 Millionen Mk., das heißt für jeden Versicherten würden jährlich rund 30 Mark aufzubringen sein. Der durchschnittliche Wochenbei trag stiege also uni etwa von 28 Pfennig auf 80 Pfennig. 6. Die anderweite Bemessung der Invaliden rente n. Nach einem anderen Anträge sollten die Steige rungssätze der Invalidenrente für jede Beitragswoche ans 3, 9, 16, 24, 36 Pfennig der Altersrente ans 60, 100, 160, 222, 310 Mark festgelegt werde». Stellt man unter Zu grundelegung dieser Zahlen die Bilanz ans, so ergibt sich als durchschnittlicher Jahresbeitrag, der zur Deckung der Lei stungen erforderlich ist, eine fast dopeplt so hohe Summe, als sie im Gesetzentwürfe vorgesehen ist. Eine Abstufung des Beitrags nach Lohnklasien führt zu folgendem Ergebnis- Es sind zu erheben: in Lol, iklasse I wöchentlich 16 Pfennig, in Lohnklasse II wöchentlich 32 Pfennig, in Lvbnklasse III wöchentlich 60 Pfennig, ßi Lohnklasse IV wöchentlich 70 Pfennig, in Lohnklasse V wöchentlich 100 Pfennig. Es würde sich gegen die gegenwärtige Belastung eine jährliche Mehrbelastung von 182 601 200 Mark ergeben, während die Vorlage durch die Einführung der Hinterbliebenenversiche rung nur eine jährliche Mehrbelastung um 39 172 200 Mark vorsieht. Nach dem Anträge würde also eine jährliche Mehr belastung um 143 332 000 Mark über die Vorlage hinaus erwachsen. — Damit sind nur die wichtigsten Anträge auf gezählt: sie allein ergeben schon die genannte hohe Summe an Mehrausgaben, ohne daß wir andere Anträge noch in Rechnung stellten. Man muß nun offen sagen, daß unsere Arbeiter gar nicht in der Lage sind, diese Beiträge aufzubringen und sehr viele Arbeitgeber auch nicht. Wenn die Sozialdemokraten solche Anträge stellen, dann bekunden sie nur, daß es ihnen nicht um das Wohl der Arbeiter zu tun ist, sondern um eine plumpe Wahlagitation. Politische Rundschau. Dresden, den 24. c'ebr mr 1!U>. — Von der Kronprinzcnreise. Der deutsche Kronprinz ist nach Bombay abgereist. Vor der Abfahrt überreichte er dem Vizekönig, der ihn bis zur Station begleitet hatte, ein Bild des Kaisers. Der Kronprinz gab wiederholt seinem Bedauern darüber Ausdruck, daß er abreisen müsse. Ter Kronprinz wird sich nach seiner Rückkehr aus Indien einige Zeit in Aegypten aufhalten, um einen zu schroffen Klima- Wechsel zu vermeiden. An den Aufenthalt in Aegypten wird sich dann voraussichtlich ein Besuch des Kronprinzen- paarcs bei dem Kaiser und der Kaiserin auf der Insel Korfu anschließen. Im Laufe des April werden der Kronprinz und die Kronprinzessin einen offiziellen Besuch in Rom ab- statten, »m dem König und der Königin von Italien die Glückwünsche des deutschen Kaiserpaares zur italienische» Nationalfeier darzubringen. Im Reichstage wurde am Donnerstag die Militär - Vorlage behandelt. Abgeordneter Speck vom Zentrum wies die Notwendigkeit der Vorlage nach, indem er betonte, wie hierdurch Lücken ausgefüllt werden. Die Deckung der Aus gabe sei so gut wie gesichert und dann absolut sicher, wenn unsere gesamte Volkswirtschaft sich günstig entwickele. Nahe zu alle Redner aus dem Hause sprachen sich in ähnlicher Richtung aus, nur der Sozialdemokrat Stiicklen lehnte in einer allgemein gehaltenen Rede alles ab, aber er sagte nicht, wie Deutschland sich schützen soll. Abgeordneter Bas sermann verzichtete nur schweren Herzens auf weitere An regungen zur Verstärkung-, dann kam die Ueberraschung: Dr. Wienier erklärte für die Freisinnigen, daß sie für die Vorlage stimmen würden. Der Freisinn hat damit zum erstey Male sich für eine Militärvorlage erklärt und ein Quinquennat bewilligt. Für die Konservativen sprach Herr v. Puttlitz die Zustimmung aus, für die Reichspartei von Liebert und für die Wirtschaftliche Vereinigung Liebermantt v. Sonnenberg. Kriegsminister v. Heeringen verteidigte die Vorlage mit dem Hinweise auf Frankreich und rechnete nach, daß dieses schwerer belastet sei als Deutschland. Ab geordneter Tr. Heim (Ztr.) äußerte erhebliche Bedenken, ob die Deckungsfrage genügend gelöst sei und erklärte, daß er gegen die Vorlage stimmen werde. Nach längeren Ausfüh rungen des Abgeordneten Noske wurde die Abstimmung auf Freitag ausgesetzt. — Das preußische Herrenhaus erledigte eine ganze An zahl von geschäftlichen Mitteilungen, Petitionen und klei neren Vorlagen. — Nächste Sitzung Ende März. — Das preußische Abgeordnetenhaus setzte die Be ratung des Eisenbahnetats fort. Die Debatten brachten nichts Neues. Der Antrag Friedberg betreffend Gleich stellung der preußischen Beamten mit denen des Reiches der Eisenbahnen im Gehalte wurde angenommen und der Titel Ausgaben für Beamten und Arbeiter bewilligt. Eine große Anzahl von Einzelwünschen wurden dann vorgetra gen. — Nächste Sitzung Freitag. — Der im preußischen Herrenhause angebrachte An- trag des Grafen Mirbach wegen amtlicher Aufklärung über das Wesen und die Wirkungen der Neichsfinanzreform ist! von der konservativen 'Fraktion vorläufig zurückgezogen worden. — Die ReichSrrgierung hat sich wegen der rlssß- lothringischeu BerfassungSfrage bereits mit den Negierungen der Bundesstaaten in Verbindung gesitzt. Aus dem schnellen Handeln der ReichSregicrung schließt die T. R.. daß die Regierung tatsächlich einen Weg gefunden ha!, auf dem sich wenigstens eine der Hauptforderungen der Kommission erfüllen lassen kann. D.-iS könne nach Lage der Sache nur die stimmberechtigte Dritretung Elsaß- Lothringens im BundcSrate sein — Au» der sozialdemokratische» Reichstag-sraktion. Die Fraktion beschloß zum Etat des ReichöschatzamleS folgende Anträge einzubringen: „Zur Gewährung von Bei hilfen an Hausgewerbetreibende und Arbeiter, die wegen Aenderung des Tabaksteuergesetzes arbeitslos geworden sind, einzusetzen 1000000 Mk.; zur Gewährung von Beihilfen an Arbeiter, die infolge des ZünnwarcnstcuergesetzeS arbeits los geworden sind, einzusetzen 400000 Mk." Ein Material für diese Anträge ist noch nicht beigele.st worden. — Der Stand der Parteien im preahischenAbsieordaeten- hause ist folgender: Konservative 147, Freikonservative 61, Zentrum 103, Nationalliberale 60, fortschrittliche Volks partei 37, Polen 14. Sozialdemokiaten 6, fraktienklok 8. Erledigt sind sechs Mandate, von denen eins durch einen Polen und fünf durch Konservative besetzt waren. — Die bayer. Volk-schnllehrer und der eiuj -freiw Dienst. Der bayer. Volksschullchrerverein in Ludwigshafen hat sich durch den Hauptausschuß an das bayerische StaatSministsrtum für kirchliche und Schulangelegenheiten mit der Bitte ge wandt. beim Staatsminister des Innern und dem KriegS- minister dahin zu wirken, daß den Lehrern nach Absolvierung der Schullehrerseminare und des zweiten Kursus das Zeugnis für den einjährig-freiwilligen Dienst ausgestellt werden dürfe, wie dies in anderen Staaten schon seit 10 Jahren der Fall sei. — Ein Bund deutscher Schiffervereiue wurde in Berlin gegründet. Generalsekretär Dr. Krüger wies in seiner Begrüßungsansprache auf die immer schlechter werdende Lage des deutschen Schiffergewerbes hin. Da? SchissahrtS- abgabengesetz, das hoffentlich nicht zur Annahme gelangen werde, bedrohe das Gewerbe wieder mit Lasten, die die Kleinfchiffahrt nicht zu tragen imstande sein werde. Er erinnere ferner an die Gerüchte über rin Echleppmonopol. Allen diesen Verhältnissen gegenüber ständen die gesetz gebenden Faktoren, Regierungen und Parteien, völlig ver ständnislos gegenüber. Es müsse da eine planmäßige, kraftvolle Aufklärungsarbeit einsetzen durch einen großen Verband. — Pastor Mendelsohn sagte als Vertreter der christlich nationalen Schiffervcretne den Beitritt seines Ver bandes zu. I» gleicher Weise sprachen sich noch ver. schiedene andere Redner für den Zusammenschluß aus. u. a auch ein Vertreter der Deutschen Mittelstandövereinigung- — Jrrlchrengesetz in der preußischen Landeskirche.' Nachdem die liberalen Blätter wochenlang über den Moder- nistencid sich unterhalten haben, kommt ihnen jetzt der Fall Jatho sehr ungelegew Jatho ist ein liberaler Prediger in Köln, der von der Gottheit Christi sehr wenig übrig läßt und der wegen einer freigeistigen Predigt nun vor dem kirchlichen Gerichte steht und sich zu verantworten hat. Dio Lehre von der freien Forschung leidet also Schiffbruch an der Wirklichkeit, wenn man dies auch zu verschleiern sucht!, Nach der bestimmten Erklärung des Evangelischen Ober» kirchenrates gibt eS „keine rechtlich bindende Abgeschlossen»