Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.11.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-11-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021108019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902110801
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902110801
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Images teilweise schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-11
- Tag 1902-11-08
-
Monat
1902-11
-
Jahr
1902
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BezugS'Prei- d, d« Hauptexpeditton »der de» tm L'adt» bejirk und den Vororte» errichtete» üus» gaoestelle» abgeholt: vierteljährlich ^6 4.50, — zweimaliger täglicher Zu stell»», tu» Haas ^l 5.50. Durch die Post bezöge» sür Deutschland ». Oesterreich vierteljährlich ^ll S, für dl« übrige» Länder laut Zeitung-preiSliste. Redaktion und Expedition: IvhanntSgaffe 8. Fernsprecher 153 und 22L FUial,»pe»ttt-««» r Alfred Haha, Buchhaudlg., Uutversltättstr.8, ti. L-sche, Lathartneustr. 14, u. «öutg-pl. 7. Haupt-Filiale Dresden: Etrehleuer Straß« 6. Fernsprecher Amt l Nr. 1718. Haupt-Filiale Lerlin: KSniggrätzer Straße 116. Fernsprecher Amt VI Nr. S3SS. Morgen-Ausgabe. MpMerIaMatt Anzeiger. Ämtsösatt -es Königlichen Land- «nd -es Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, -es Mates nn- -es Molizei-Nmtes -er Lta-t Leipzig. Anzeiqe«aPrei- die 6gespaltene Petitzeile LS H. Reklame» «ater dem Redaktioa-strich (4 gespalten) 75 vor de» FamMennach. richte» («gespalten) 50 H. Tabellarischer und Zifserusatz entsprechend höher. — Gebühre» für Nachweisungen und Offertrnannahme 25 (exrl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen «Ausgabe, ohne Postbesörderung SV.—, mit Postbrsärderung 7V.—. Annahmeschluß für Anzeigen. Abeud-AuSgabe: Vormittag« 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen sind stets «m die Expedition z» richte». Die lkrpeditio» ist Wochentag- uounterbrvin'n geöffnet von früh 8 bis abends 7 Ubr Druck und Verlag von E. Polj i»Leip-tg. Nr. 569. Sonnabend den 8. November 1902. 98. Jahrgang. Ein Wahrzeichen deutscher Kaisermacht in Posen. Die Gerüchte, datz in irgend einer Form die deutsche Kaisermacht innerhalb der Provinz Posen versinnlicht werden solle, wollen nicht zu Ende kommen. Im Hoch sommer wußte ein Blatt zu berichten, daß ein preußischer Prinz in Posen resiediercn werde: dann hieß es wieder, ein Prinz würde das Kommando über das fünfte Armeekorps übernehmen, und jetzt wird gemeldet, daß die Absicht be stehe, ein königliches Residenzschlvß in der stabt Posen zu errichten. Wenn dies Gerücht in so mannigfachen Formen auf taucht, so ist es immerhin nicht unwahrscheinlich, daß eine der verschiedenen Versionen zutreffend ist. Wir müssen gestehen, daß wir von der Verwirklichung eines derartigen Planes in keiner der hier erwähnten Formen sonderlich erbaut wären. Einen kaiserlichen Prinzen als „Nichtsals- prinzen" in der stadt Posen residieren zu lassen, d. h. ihm nur eine lediglich repräsentative Nolle znznwciscn, würden wir als gänzlich verfehlt anschcn. Die Polen sollen — das sagt schon Gustav Frcytag in seinem „Soll und Haben" — das Deutschtum an der deutschen Ordnung und an deutscher Kulturarbeit bewundern lernen, nicht aber an festlichem Müßiggang. Glänzend zu repräsentieren, höfische Feste und Gelage zu veranstalten, das haben die polnischen Könige und Grandseigneurs früherer Jahr hunderte viel besser verstanden, als cs uns Deutschen ge geben ist: sie haben cs damit zu nichts anderem gebracht, wie zu dem Ruin ihres Reiches. Nun würde ja die Sachlage etwas anders sein, wenn ein Prinz nicht nur eine repräsentative Rolle in Posen spielte, soirdcrn als Kommandierender eines Armeekorps eine militärische Tätigkeit in Posen entfaltete. Zunächst aber werden noch viele Fabre lüngehcn, bis einer der kai serlichen Prinzen eine so hohe und verantivortnngsvolle militärische Stellung wird einnelnnen können, und zweitens muß mau bedenken, daß gerade sür das fünfte Armeekorps ein besonders erfahrener kommandierender General wünschenswert ist. Das fünfte Korps ist, ebenso wie das fünfzehnte und das sechzehnte, Grcnzkorps gar Lxcelleneo und hat gegebenen Falles die Aufgabe, zu aller erst einem feindlichen stoße zn begegnen. An die spitze eines solchen Armeekorps einen jungen Prinzen zu stellen, würde immer etwas Bedenkliches haben. Man darf doch über der rassenpolitischen Frage nicht die militärischen Er wägungen außer acht lassen. Auch für den Plan, ein kaiserliches Residenzschloß in Posen zu errichten, haben wir wenig übrig. Das schloß für sich allein ist, mag es noch so prunkvoll ausgcführt werden, doch immer nur ein steinernes Gebäude, das dem Einheimischen zuerst vielleicht aufsällt, an dem er aber bald gleichgültig und ohne die symbolische Bedeutung dieses Ge bäudes irgendwie im sinne zu haben, vornbergcht. Man frage einmal die Bewohner von Breslau, ob sic sich viel dabei denken, wenn sie am königlichen Residenzschlosse Vorbeigehen. Eine wirkliche, für das Deutschtum wesent liche Bedeutung könnte ein solches schloß nur dann haben, wenn der Kaiser alljährlich einige Wochen hindurch darin resiidieren wollte. Man könnte die Bedeutung eines alljährlichen Aufenthaltes deS Monarchen in derHauptsladt der noch am stärksten polnischen Provinz kaum hoch genug veranschlagen. Hat doch schon der wenige Tage währende Aufenthalt des Kaisers in Posen zur Zeit der Herbst manöver im letzten september ganz vorzüglich im sinne der Auirüttluug und Ermutigung des Deutschtums ge wirkt. Es erscheint uns aber sehr fraglich, ob der Kaiser .seit und Gelegenheit sindeu würde, alljährlich einige .seit in Posen zu residieren, seit Fahren stehen ja nun die größeren Zeitabschnitte für die Aufenthalte des Kaisers so ziemlich fest, und es ist die Frage, ob sich ein neuer, wochen lang währender Aufenthalt an einem bestimmten Residenz orte so leicht würde einschicben lasten. Ein Kaiscrschloß ohne Kaiser aber hat, wie wir wiederholen, unserer Meinung nach herzlich wenig Zweck. Viel wichtiger als das Kaiserschloß ist der Kaiser wille, das Deutschtum im Kampfe gegen den polnischen Ucbermnt mit aller. des kaiserlichen Armes zu schützen. Dtt^eü willen hat der Kaiser erfreulicherweise in den letzten Zeiten zu wiederholten Malen mit aller Entschiedenheit ausgesprochen, und wenn er ihn seinen Ministern, Oberpräsidentcn und sonstigen Beamten ein- slvßt, so wird damit viel mehr erreicht werden, als mit steinernen Symbolen und prinzlichen Residcntnrcn. Deutsches Reich. --- Berlin, 7. November. (Der Buchdrucker- friede n.) Der Frieden zwischen den beiden feindlichen B u ch d r u ck c r v r g a n i s a t i o n e n, dem „Verbände" und der „Gewerkschaft", iß nach sechScin halbjährigem Kampfe wieder hergestellt. Wie vorauszu sehen war, ist der „Verband" vollkommen siegreich ge wesen. Tie „Gewerkschaft" der jvzialdemvkratisch-zielbe- wnßten Buchdrncker geht im Verbände auf, nachdem sie sich in allen grundsätzlichen Forderungen unterworfen hat Denn die Gewerkschaftsmitglieder geben, jeder einzelne, die schriftliche Erklärung ab, „die Bestimmungen des Ver- bandsstatuts gewissenhaft befolgen zu wollen": sie unter schreiben, daß sic den vereinbarten Taris und den ge schaffenen gewerblichen Zustand anerkennen und den Widerstand dagegen entstellen: sie räumen eine größere Anzahl von Plätzen in der „Leipziger Volkszeitung" frei willig und wollen dafür sorgen, daß in Zukunft von der Gcschäftslcitnng dieses sozialdemokratischen Blattes der Gchülsenarbeitsnachweis benutzt wird; sie liefern ihr Ver mögen von 11 Otltz .L dem Verbände ans und lassen ihr Organ, die „Bnchdrnckerwacht", eingehen. Angesichts solcher vollkommenen Nachgiebigkeit in allen ansschlag gebenden Punkten ist es begreiflich, wenn das Organ des Buchdruckerverbandes spöttisch auf die Haltung hinweist, welche die Gewerkschaftler in ihrem Blatte noch vor wenigen Wochen gegenüber den Leitern des Verbandes eingenommen haben. Damals noch zeigten sich die Ge wcrkkchastlcr ans das eifrigste bestrebt, den gegenwärtig herrschenden Frieden im Bnchdrnckcrgewerbe den Buch druckcrn zn verekeln. Ließ sich doch die „Buchdrucker wacht" u. a. also vernehmen: „Zu Gunsten eines momenta nen Vorteiles verschachern sie sd. h. die Verbandsleiterl die Bewegungsfreiheit der Gewerkschaften, gehen lange Kündigungsfristen und fünfjährige Lohnvereinbarnngen ein, gestehen den Prinzipalen die Kontrolle über die Ar beitsnachweise z», erlauben den Prinzipale» das Drein reden in das Maßregelungs-ttnterstütznngsweien, führen den die tHehülsenschast schädigenden Staffeltarif ein, ge nehmigen außerdem noch svndertarise, erlauben, daß die Bcrbandsmitglicder zugleich Mitglieder der Prinzipals kasse sein können, gestatten den Arbeitsnachweisen den strcikbrecherversaud nach fremden Länder», telegra phieren Posadowsk» an und werden auch wohl gemein same Uuterslütznngseinrichtungen mit den Prinzipalen einrichte»." - Gegenüber diesen Schandtaten wurde dann die Gewerkschaft der Buchdrucker als „Bollwerk sozial demokratischer Gewerkschaftsbewegung" und als ein „Fels" empsvhle», der „gegen die reaktionären Sturz wellen des Verbandes unerschütterlich seststeht." Nur ! wenige Wochen sind seitdem vergangen, und das „Bollwerk sozialdemokratischer Gewerkschaftsbewegung" gehört zn ! den vor«? >ergcgange»cn Erscheinungen. -ß- Berlin, 7. November. > V e r st i m in u n g e n i m polnischen Lager.) Daß cs in der Absicht der pol nischen Reichstagssraktivn gelegen hat, eine nene Polen debatte hcrbeizusührcn, von der wegen der ausschließlichen Beratungen der Zolltarisvvrlage Abstand genommen wor den ist, teilt der „Orendownik" in einer Berliner Zu schrift mit, ans der auch hervorgeltt, daß Verhandlungen in der Angelegenheit des Fürsten Radziwill startgefundcn haben, der bekanntlich in der sitzung, in der über die Teilnah m e der p o l n i s ch e n Fraktivnsmit- gliedcr an d e n P vsen e r F e st l i ch k c i t c n ent schieden werden sollte, fehlte und sich an diesen Festlich keiten beteiligt hat. Doch habe, so bemerkt das Blatt, weder über den Verlauf, noch über das Ergebnis der Er örterungen etwas in Erfahrung gebracht werden können, da die Fraktion mit großer Mehrheit die absolute Ge heimhaltung dieser Angelegenheit beschlossen habe. Man wird daraus entnehmen dürfen, daß cs zu einer ein heitlichen Stellungnahme der Fraktivnsmitglieder tm grvßpolnifchen sinne, d. .h zn einer scharfen Verurteilung des Verhallens des Fraktionsvorützenden, nicht ge kommen ist; anderenfalls wäre wohl keine Ursache vor handen gewesen, über das Ergebnis stillschweigen zn beobachten- Diese Auffassung erhält auch dadurch eine gewisse stütze, daß die grvßpvlnische Presse in dieser An gelegenheit einen verschiedenen Standpunkt vertreten Hai »nd vertritt. Während eine kleine Anzahl der Blätter die Beteiligung des Fürsten an den Festlichkeiten gnthcißl und sich Betrachtungen über V e r s ö h n n ngscrschci - n n n g e n lnngibt, steht doch die weit überwiegende Mehr heit der großpvlnischen Hetzorgane ans dem Standpunkte des Abgeordneten E h r z a n v iv ski, der den Antrag stellte, die Fraktion möge sich gegen jede Beteiligung ihrer Mitglieder an den Posener Festlichkeiten erklären. Wie sehr das Verhalte» der Fraktion, die mit allen gegen drei stimmen diesen Antrag ableünte Fürst Radziwill fehlte in jener sivnng , die Führer der dentschfeind lichen Agitation verschnupft har, zeigt folgende Aenßerung des „Knruer Pvznanski": „Das Verhalten der Fraktion hat eine politische und prinzipielle Bedeutung und gibt uns den Beweis, daß sich in ihr Fattvren befinden, die immer noch ihre Vergangenheit nicht vergessen können; es beweist ferner, daß diese Faktoren in der Fraktion die Mehrheit bilden." Das kann nur so verstanden werden, daß die Mitglieder der Fraktion durch Ablehnung des An trages Elirzanvwski sich den Zutritt zn den Festlichkeiten, die das Deutschtum verherrlichten, offen halten wollten und dadurch sich als nicht geeignete Vertreter des groß polnischen Gedantens erwiesen haben. Mit Rücksicht aus die nächsten Reichstagswahlen dürste also mit Versuchen auf Acndcrung der Zusammensetzung der polnischen Reichstagssraktiou zn rechnen sein. />'. Berlin, 7. November, t Z n r O st marken- Voliti k. 1 Die p r enßi s ch e I! Ni i u i st er de r F i - n a n z e n n n d d e s F n n e r u haben, wie die „Ost- Feiiilleton. Die Lodieianijche Bibliothek. Au ihrem 300. Geburtstag, 8. November. Von vr. Arnold Masscrma n n. Nachdruck verbale». In der alten, ehrwürdigen Universitätsstadt Oxford befindet sich ein umfangreiches Häuscrviereck, das in seinen ältesten Teilen bis ins 15. Fahrbundert znrückgeht und während langer Zeiten die Leiden und Erregungen aka demischer Prüflinge gesehen hat. seitdem aber nn Jahre 1882 die stattlichen New Examination Schools vollendet worden sind, konnte das alte Prüfungsgebände anderweitig verwandt werden, und es wird jetzt fast ganz eingenommen von der Bodlcianischcn Bibliothek, die im Ruhmcskranze der Oxforder -Hochschule eines der schönsten Blätter bildet, und die überhaupt eine der berühmtesten Bibliotheken der Welt ist. Alles in Orford zählt nach Fahrhnnderten, und auch die Geschichte der Bvdleiana geht Fahrbundertc weit zurück. Es war am 8. November des Fahrcs IE, als die Bibliothek feierlich eröffnet wurde, sir Thomas Bvdlen, der sic begründet hatte nnd der ihr den Namen gegeben hat, empfing damals an der Tür der Bibliothek den Vize- Kanzler der Universität, dem ein Zug von Doktoren und Deputierten folgte, und in einer kurzen Ansprache legte er die Bedcutiing des Tages dar. Es scheint eine An sprache in Versen gewesen zu sein, denn das Universitäts- Register überliefert uuS, daß der sprachgewandte und geistesgegenwärtige Mann „in etwa drei Versen alles ans- zudrückcn vermocht" habe, seitdem wird der 8. November in der Bvdleiana Fahr sür Fahr feierlich begangen, und in diesem Fahr ist es das ooo. Mal, daß der Eröffnungs tag der Bibliothek wieder!ehrt. Freilich gehen die Anfänge einer Universität» Biblio thek in Oxford viel weiter zurück. Fn einem Zimmer in st. Marys Elinrch befand sich die erste sammlnng von Bücher» znm Zwecke des Studiums, die bis in den An fang des 15. FahrlmndertS zurückgeht. Gegen 1450 be stand bereits eine wirkliche Universitäts-Bibliothek, die wir als den Vorläufer und Kern der heutigen Bvdleiana bezeichnen müssen. Aber diese Bibliothek hatte ein eigen tümliches und unglückliches Schicksal. Fm Fahre l-VO nämlich wurde sie von zwei Kommissäre» besichtigt, die König Eduard VI. mit der Reform der Universität be auftragt hatte. Diese Kommissäre waren erfüllt von dem fanatischen nnd streng antipavisiischcn Geiste des Föhn Knox, und als sie in der Orsvrder Bibliothek Manuskripte mit bunten Miniaturen nnd Fnitialcn, mit Heiligen- nnd Marienbildern reichlich und glänzend ausgcstattet fanden, da erschien ihnen solche Arbeit ,.< minvntl.v ?<g»i-.b", und sie zerstörten sic oder überließen sie der Vernachlässigung und Beraubung, so ging ein kostbarer schätz von Manu skripten denn der Kern der Sammlung bestand damals noch aus handschriftlichen Büchern — verloren. Aber eine merkwürdige Fügung sorgte dafür, daß an dieses Ende sich sogleich wieder ein neuer und viel bedeuten derer Anfang knüpfte. Bier Jahre waren erst seit der Zerstörung der alten Büchersammlung verflossen, als in das Magdalenen College ein. Undcrgraduate eintrat, der, man kann sagen, von Kind auf zu den Wissenschaften nnd den Büchern eine natürliche Liebe besaß. Das war sir Thomas Bodley, der im Fahre 1544 zu Exeter ge boren war und schon in früher Fugend vor den Versvl- gnngen der katholischen Maria seinem Glauben zu Liebe aus England sich geflüchtet nnd in Deutschland, sowie an der Universität zn Gens sich anfgehaiten hatte. Nun wollte er seine Studien zu Oxford vollenden, und da sah er sich denn rings von den spuren der erst jüngst voll endeten Zerstörung der alten Büchersammlung umgeben. Fhm mochte, ivie der Annalist der Bodlcianisckien Biblio thek hübsch erzählt, sein Buchhändler noch Bücher ver kaufen, die in Bruchstücke jener Manuskripte eingebunden waren, deren schenkcr die Universität seit einem Fahr- lmndert in fromme Gebete cingcschlvsscn hatte. Ter Schneider mag, wenn er ihm zu einem neuen Gewände Maß nahm, dazu einen streifen Pergament verwandt haben, der von jenem köstlichen Golde, von jenen snn- lclndcn Farben glänzte, die die armen Manuskripte in den Verdacht des Papismus gebracht hatten. — Fahre vergingen; sir Thomas hatte die Earriere eines Staats mannes eingeschlagcn nnd wurde von Königin Elisabeth zn wichtigen diplomatischen Missionen verwandt. Aber das stille Oxford stand mitten in dem Lärm und dem Glanze des höfischen Lebens immer vor dem Ange seines Geistes als seine wahre Heimat, als der glückliche Port, zu dem er den Weg znrücksinden müsse. Und eines Tages entsagte er seiner Laufbahn, ließ sich in dem ihm teuren Oxford nieder nnd machte cs sich zur Ausgabe, eine neue Universitäts-Bibliothek zu begründen; „denn ich war vollkommen überzeugt" — so drückt er sich selbst ans - , „daß ich in meiner Eiiisamtcit und meiner Entfernung von den öffentlichen Angelegenheiten mich in keinem besse ren sinne beschäftigen konnte, als de» Ort, der damals durchaus in Ruinen und Verwüstung lag, znm öffentlichen Nutzen der studierenden wieder hcrznstcllcn." Am 23. Februar des Fabres 1508 machte er dem Vize-Kanzler der Universität das formelle Anerbieten, die Bibliothek ne» zn begründen; es wurde dankbar angenommen, »nd »ach fünf Fahren waren Baulichkeiten nnd sonstige nötige Einrichtnngen beschafft die Bibliothek konnte eröffnet werden, nnd es erfolgte jene einfache Erössnnngs-Ccre- monic, deren wir oben gedacht haben. Damals zählte die Bibliothek bereits 2000 Bände: die Zahl der Werke aber, die sir Thomas ihr geschenkt hat, hat sich ans das Vielfache dieser Zahl betanken. Man nimmt an, daß er den Bestand der Bibliothek aus 24l>oo Werke gebracht habe, und daß die summe, die er hierauf verwandte, gegen 200k»00 Pfund sterling betragen habe. Wenn man bedenkt, daß diese summe in deutscher Münze etwa 4 Millionen bedeutet, und daß das Geld vor 300 Fahren einen außerordentlich viel größeren Wert besaß, als heute, so muß man sagen, daß sir Thomas in der Tat den Namen eines fürstlichen Gönners der Wissenschaft verdient. Er betrieb fein Werk im größten Maßstabe, er ließ seine Agenten Deutschland und Holland, Frankreich, Spanien und Ftalien bereisen nnd seltene Bücher austauscn. Und nicht genug daran, setzte er auch noch in seinem Testament erhebliche summen zur Erhaltung, zur Fortführung der Bibliothek und zur Besoldung der Biblivtlietare ans. so ist in der Tat das Werk des sir Thomas Bodlc«, als das diese berühmte Bvdleiana angesehen werden muß. Viele säienker haben seitdem die sammlnng vermehrt, viele Freunde ihr ivert- volle Legate vermacht, aber den Ker» nnd die Grundlage der Bibliothek bildet auch heute »ach 300 Fahren noch das segensreiche Werl des Diplomaten der Königin Elisabeth. Es würde zu weit führen, wollten wir an dieser stelle die Annalen der Bibliothek auch nur in den gröbsten Um rissen durch drei Fahrhnnderte verfolgen. Genug, sie fand immer Gönner, sic wuchs, ne nahm an Rus zu und entwickelte sich ans immer breiterer Basis. Die stärke der Bibliothek besieht, allgemein gesprochen, in der ge schichtlichen nnd philologischen Literatur. Fn den ckix- oiplinis »uiilwiii-ikit i-i ist Cambridge den Oxfordern über legen. Dafür iß aber die Bodlciana ans ihrem Gebiete überaus reich versehen, und cs erregt besonders Bewun derung, wenn man die sälc sicht, die der englischen Ge schichte gewidmet sind. Man bekommt da einen Begriff von der außer ordentlichen Emsigkeit, mit der die Eng länder seit Fnhrhundcrtcn die Geschichte ihres Vater landcs bearbeiten. Feder Ort, jeder Flecken, jedes Parish und jedes Hnndred bat da seine eigenen Sammlungen, die, in vorzüglicher Ordnung ausgestellt, dem Besucher gleich sam einen topographischen lleberblick über die geschichtliche Literatur Englands bieten. Aber der Rus einer Bibliotbet beruht ja nicht allein ans ihrem Büchermateriale, sondern er hängt von dem Reichtum an gewissen Glanzstücken, an kostbaren Drucken nnd Manuskripten ab. lind gerade in diesem Punkt kann sich die Bvdleiana allerdings eines ganz ungewöhnliche» Reichtums rühmen. Es gibt wenig Bibliotheken, die so reich an Fntnnabeln sind, wie sic, und es befindet sich unter diesen Fntnnabeln als besondere Kostbarkeit auch der erste Druck, der überhaupt ans Eng land bekannt ist, der „Rceunell vf the Histvries os Troy", den Carton ungefähr im Fahre 1472 ausgcführt hat. Von diesem kostbaren Drucke besitzt die Bodlciana sogar zwei Exemplare: dem einen schien nur drei, dem anderen aller dings sieben Blatt. Cartvn ist es, der die schwarze Knuß in England eingesülnt hat: von Gutenberg selb» besitzt die "Bvdleiana eine jener Bibeln vom Fahre 1455, die beute ein Vermögen wert sind, sie hat das Exemplar im Fabre 1844 znm Preise von etwa 4tzoo gelaust; be reits 14 Fabre später wurde ciu anderes Exemplar dieser Bibel mit etwa 12 000 .F bezahlt heute wurde der Preis wiederum das Fünf- oder sechsfache dieser summe betragen. Die .Inkunabeln der Bodlciana werden zur Feit von Mr. Proctor zusammen mit denen der Bibliothek des British Museums in einem wissenschaftlichen Kataloge znsammengeßellt. und cs wird der ganze Reichtum der Bvdleiana an Werken dieser Art nach dem Abschlüsse diese- grvßen bibliographischen Unternehmens erst recht zu über sehe» sein. Ebenbürtig neben dem Reichtum der Biblio thek an Wiegendrucken sieht ihr Besitz an Manuskripten. Auch unter den Handschriften befinden sich große Kostbar- teiten; wir wolle» hier nur an die vier Manuskripte von Horen-Büchern ans dem l'>. Fahrbundert erinnern, jene „stunden-" oder Gebets-Bücher, die die vornehmen Damen des Mittelalters zn ihrem Gebrauche anscrtigcn nnd mit den tostbarsten Miniaturen ansziercn ließen. Auch solche stnndenbücher sind beute von der höchsten Seltenheit; ost stellen sie die feinsten Blüten jener köst lichen schreib nnd Fllnnrations Kunst der mittelalter lichen slribenten dar. Tic Bvdleiana besitzt auch sonst noch manche Mert- würdigleit. Dazu gebürt die Geldkine sir Tbvmas Bob lcys, und wenn auch Geldkistcn sonn unseres Erachtens nicht gerade znm Gegenstand der Verebreng sich eignen, sv bat doch die Brdlciana alle Ursache, die Geldkine ihres verdienten Gründers pietätvoll anszubrivabre». Es wer de» hier auch einige Verse in der Handschrift von Milton ansbewalirt nnd ferner ein Ovid, von dem man annimml. daß er der Bibliothek Shakespeares angcbört habe. Mit diesem Ovid ist cs eine eigene suche. Daß sbatespearc die „Metamorphosen" gelaunt habe, scheint erwiesen. Nun sindet sich in dem Buche ein Vermerk ans dem Fahre 1682, welcher besagt: „Ties tlcine Buch von Ovid ward mir von W. Hall gegeben, der sagte, es gehörte ein» William sbatespearc." Und aus dem Titel siudct sich iu der Tat eine bandschriitliche Einzcichnnng Wm. sbr. Tie Frage aber, ob nun dies Monogramm wirtlich die eigenhändige Eintragung des Tickiters, oder ob es eine spatere Ein tragung iß, die durch die angeführte Bewertung veran laßt worden ist, muß dabiugenellt bleiben. Fn den stillen nnd friedvollen Räumen der Bibliothek ist noch sv manches zn sehen, nnd es wird ein deutscher Be sucher nick» leicht an der Hand',eickinnng Holbeins vorüber gehen, die den Einwurf zn einem Becher darßcllt. Aber es in nicht möglich, die schätze nnd Sehenswürdigkeiten der sammlnng alle einzeln und genau zn schildern, sic iß mächtig angewachsen und wird heute ans beiläufig ' - Million Bände geschätzt, sie hat sich auch räumlich ent sprechend ausgedehnt, bat ihren jüngeren Nachbar, die Radelisssche Bibliothek, mit in ihren Baunlreis hinein gezogen nnd den großen saal dieses prächtigen Banes als ihren Lesesaal okkupiert. Wenige Bibliotheken viel leicht bentzcn einen so, man möchte sagen, persönlichen Ebaratler, wie die Bodlciana. Tie ganze Stimmung der alten lieblichen Universitätsstadt, die Ebrwürdigteit der Gebäude, in denen sie Iians«, das Bewnsüicin, daß an ihren schätzen jahrhundertelang eifrige Männer nnnnter- brochen gesammelt haben, und daß gewissermaßen der Geist des ersten Gründers noch heute in diesen Räumen lebendig iß - all das verleibt der Bodlciana geradezu eine eigene Poesie, und jeder, der einmal in ihren Räumen geweilt, wird sich immer gern dieser stunden er innern.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite